Da ich keine Lust verspüre, für meine Firmenschubkarre, Baujahr anno kurz nach Bertha Benz´ Jungfernfahrt, CD´s zu brennen geschweige denn irgendwo einen Tape-Rekorder (nein, so alt ist das Ding jetzt doch nicht) aufzutreiben, bleibt mir eigentlich nur die ständige Tipperei auf der Radiosendersuchtaste. Bequem, wie ich bin, hoffe ich dann auf die x-te Wiederholung von Hits der 60er bis 80er bei hr1 und Co., zwischen Schnappatmungs-Herbi Gröhlegeyer und Katie Meluaaaaagääähn, die so tanzbar sind wie ein Aufenthalt beim Katholikenkongress.
Manchmal gibt es auch Tage, da erträgst du deren politische Kurzberichte so gut wie einen Zahnarztbesuch ohne Narkose. Wie am Montag geschehen, als man die Streumunitionsdebatte anschlägt und sich einen renitenten Obst... äh...Oberstmajorirgendwasrentner zuschaltet, der am liebsten zuhause die Schlacht um Stalingrad mit irren, roten Augen im Keller nachzuspielen scheint. Jedenfalls klang sein Gewäsch wie mit unserem Bundespräsident doppelmoralisch abgesprochen: „Joooaaa, Streumunition ist ja jetzt offiziell ganz, ganz böse, aber hey - muss sein.“ Und ich so: „Komm doch! Sag´s! Atombomben!“ Dass bis zu der Option nicht mehr viel fehlt – geschenkt. Wir haben es ja nur aus Spaß mal ins Gerede gebracht, aber der Wertewesten ist mittlerweile so ironiefrei wie meine verstorbene Oma. Wir Schwurbler sollten echt mal aufhören, Warnungen anzustimmen. Es wird ja doch immer wahr und ernsthaft in Erwägung gezogen. Wir sind also wirklich schuld am baldigen Atomkrieg...
Den Vogel schießt der Sender allerdings regelmäßig ab, wenn zwischen den Berichten und Kommentaren die Jingles und Einspieler dazwischen kommen. Erst wird groß und breit mit dem üblichen Klima- und Nachhaltigkeitsgewäsch um sich geschlagen. Alles ganz, ganz schlimm und so. Wir müssen ganz dringend und blablabla und sowieso. In den Nachrichten geht es fast nur noch darum, immer wieder streut man die Triggerworte ein. Propaganda läuft. Dazu der Wetterbericht: Leider, leider, leider regnets nicht. Viel zu warm. Brenn. Brenn. Kokel. Auflös. Eventuell noch flankiert von Fake News dramatischer Gradzahlen. Der Einspieler danach: „Genießen Sie den Sommer. Mit hr1.“ Ich verschlucke mich fast am Wasser, das ich mir in dem Moment in den Schlund goss. Beim nächsten Musikwunschaufruf wünsche ich mir dem Sender zu Ehren „Radio Gaga“ und beende den Satz mit diabolischem Gelächter.
In den Pausen hängen meine Aktivitäten regelmäßig von meinen Launen ab. Wenn ich gut drauf bin, tue ich mir mal wieder Twitter an. So für 20 Minuten geht das, auch wenn die Jauche schlimmer denn je geworden ist. Und ich kriege dann wie alle anderen die üblichen Verdächtigen in die Timeline geschwemmt wie Moorleichen, wenn man mit der Paddel in der Suppe etwas herumrührt. Und heute nenne ich sie mal beim Namen, auch wenn ich davon ausgehe, dass die dem Lesend:ens hier nicht unbekannt sein dürfte: Stephan Anpalagan Amalgam Rantanplan, Maurice-Schätzchen Ich-dreh-am-Conrädchen, Knecht Ruprecht Pol:enz oder Tino Puffpfaff. Ständig, regelmäßig soll ich mit denen in den „Diskurs“ gehen. You wish, Elon. Grundsätzlich ist das zu begrüßen, aber die kannst du nur ertragen, um sich über sie zu amüsieren statt mit ihnen ernsthaft Gespräche führen zu wollen. Dafür hat sich das schon zu sehr verselbstständigt. Aber mit guter Laune im Genick findet man auch die richtigen Sprüche für sie, egal, ob sie dich ignorieren. Ihre neuen Höhenflüge in zertifizierter Schrillheit machen mir aktuell so viel Spaß, weil open end bei jedem Prozent plus bei der AfD. Oder schlicht dem Umstand geschuldet, dass die woke Bubble jetzt mehr Gegenwind ertragen muss, was ihnen allzu lange nicht widerfahren war.
Die Namen habe ich jetzt nur wegen einer ganz besonderen Person genannt. Die reden sich gerade alle um Kopf und Kragen um die Gründe wegen des AfD-Höhenfluges, und erst recht, weil der lasche Absetzversuch der Demokratiegesinnungsprüfung in Sonneberg zu nichts führte. Reinstes Popcorn-Kino, was da gerade abgeht. Natürlich kommst du denen argumentativ nicht mehr bei. Wenn man acht geschlagene Jahre mit derselben Methode die AfD verdoppelt, kommen sie nicht mal ansatzweise auf die Idee, umzusatteln. Ganz im Gegenteil. Und so darf dann die Kleopatra unter den politisch fähigkeitsbefreiten Giftkröten im Tagesspiegel ihre Endlösung präsentieren. Ja. Genau. DIE Sawsan Chebli mal wieder, die die Opferrolle rückwärts macht und uns via ihre Ghostwriterin (mit Erfolgsgarantie im Büchergenre „Science Fiction für die ganz harten Masochisten“) ihre faschistischen Fantasien verkünden lässt. 2G und „Ungeimpfte ins Gas“ ist jetzt Peitsche und Teeren und Federn für jedes Kreuz an der falschen Stelle. Schulterzuck, aber auch nicht mehr für sie, weil man aus reiner Gewohnheit auf die üblichen Verdächtigen reagiert statt sich noch, trotz guten Grundes, künstlich aufregen will. Der verkokelten Spur der Eskalation zu folgen bringt zwangsläufig solche Entwicklungen mit sich, und Chebli springt wieder dummdreist, wie sie halt so ist, darauf an.
Doch bevor ich mich wieder in den Tunnel verlaufe, wo man schließlich nicht mehr aus der makabren Faszination herausfindet, wische ich die Twitter-App unter Androhung von Ohrfeigen an mir selbst wieder weg oder suche mir ob solcher Faschismusfantasien einen anderen Ausgleich, bis die Pause rum ist. Dieser medial aufgeblasene Daueranwichswettbewerb tangiert mich letztlich aber weniger als die Einzelereignisse, denen man sich offline ausgesetzt sieht. Wie etwa die leitend leidende Kindergartentante, bei denen ich kürzlich zugange war. Ich ahnte zwar intuitiv, dass mit der nicht gut Kirschen essen angesagt ist, aber als sie dann nichts Besseres zu tun hatte, als sich in meiner Firma über mich wegen allem, was ihr so gegen den feingebürsteten Strich ging, zu beschweren, habe ich mal kurz das HB-Männchen machen müssen. Einerseits waren die Dinge, weswegen sie sich dazu bewegte, sich an mir abzushitstormen, einfach nur unsäglich dumm. Ich habe etwa die Dreistigkeit besessen, bei über 30 Grad zu schwitzen, hätte mir wohl besser vorher die Schweißporen versiegeln sollen, um ihr Ästhetikempfinden nicht zu beleidigen. Andererseits hatte ich sowieso den Eindruck, als wären Kindergärten Orte des Ausdrucks einer permanenten Drucksituation, wo psychisch belastete Kiddies von ständig keifenden und von zynisch bis offen feindseligen Betreuungsmuttis seit einiger Zeit kurz vor dem Platzen sind. Bei den Eltern, die zeitweise ein- und ausgehen, um ihre Brut abzuholen und zu bringen, ist da auszugsweise auch nicht eitel Sonnenschein zu beobachten. Davon mal abgesehen reicht wohl der kleinste Anlass wie mein Schweißtreiben, die schon sehr eng gewordene Toleranzgrenze zu überschreiten.
Ich finde die Beobachtungen in Kitas manchmal sehr aufschlussreich. Da erlebst du den Bodensatz der gesellschaftlichen Stimmung, die dann, wenn´s nicht mehr zu vermeiden ist, als Massenphänomen einen läppischen Bericht mit statistischer Erhebung in Nachrichtensendungen wert sind. So. Wir hams erwähnt. Jetzt entschuldigen Sie, wir müssen weiter Putin ruinieren und Deutschland vernazifizieren. Kinders, sorry, aber die Welt da draußen ist jetzt wichtiger als euer Wohlbefinden. Also nervt nicht...
Ein kurzes Stichwortwürfeln eingeschoben: Rechts, CDU (wegen Merkel-Fanboy Polenz). Jetzt wird sogar sorgenvoll herumgenöhlt, dass die CDU mit Signalbeschlüssen (Linnemann soll jetzt Generalsekretär werden) jetzt konservativ werden könnte. Gott, ich könnte glatt losheulen über sowas. Irgendwann wundert man sich nicht, dass in der Allgemeinheit Aussagen wie „Deutschland ist zu weit nach links gerückt“ aufkommen. Oder was 16 Jahre Merkel diesbezüglich angerichtet haben. Perspektivenverschiebung. Und die CDU fraß ihre eigenen Wurzeln, zugunsten linksidentitärem Quatsch.
Mich juckt es dann nochmal, ein paar Musikwünsche bei hr1 loszuwerden. „Mad world“ von Tears For Fears bitte, danach „Hey, stoopid“ von Alice Cooper. Kontext egal, die Parole bzw. der Titel macht´s. Ich widme die Songs augenzwinkernd allen Fühlis und zweites mit gesondert hässlichem Lachen Sawsan Chebli. Einfach nur, weil man weiß, dass sie definitiv über das Stöckchen springen würde.
Nachtrag: Mein OP-Termin steht für Dienstag. Da ich ja sooooo nen Hals habe, muss ich nach der Episode um meinen Papa jetzt endlich was tun. Der Termin beim Chirurgen war kurz und schmerzlos, das Schnippelevent schnell vereinbart. Sollten Sie also demnächst nichts mehr von mir lesen, wissen Sie ja Bescheid (nein, ernsthaft, die Chancen stehen sehr gut, dass alles glattläuft).
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Holgi (Sonntag, 16 Juli 2023 07:08)
Ja, so isses.
Viel Glück und komm gesund zurück!
Polemicer (Montag, 17 Juli 2023 12:00)
@Holger
Vielen Dank. Ich gebe mein Bestes :-)
Pascal (Freitag, 21 Juli 2023 12:49)
Alles Gute, lieber Polemicer!
ich hoffe, du bist gut durch die OP gekommen. Freu mich auf deine nächsten Artikel.
Polemicer (Freitag, 21 Juli 2023 22:24)
@Pascal
Vielen lieben Dank! Bin schon wieder zuhause, am Wochenende geht´s weiter hier :-)