Ich könnte mir schon wieder in den Arsch beißen. Warum ich mich überhaupt ärgere. Warum ich am Sonntag abend und am Morgen danach so fertig dasaß. Der Kopf machte diese Ankündigung. Hatte es schon wieder verarbeitet und die Veränderungen registriert. Klar, die Heimreise in Überlänge hatte mich sehr geschlaucht. Fünfzehn Stunden Konzentration, das Lenkrad richtig halten, die Rückreisewelle im Argusauge behalten, immer mit dem Blödsinn anderer rechnen müssen, Durchhänger bekämpfen. Und mehrere Male die Blechlawinen, die noch anstrengender sind als die Gesamtfahrzeit selbst. Staus. Staus an der slowenischen Grenze, Stau hinter Villach, Megastau rund um Salzburg, dass du trotz alpiner Traumkulisse auf der Ausweichroute entlang der A10 und A11 bald einen Krampf in die Muskeln bekommst, weil dein Wadentraining mit dem Kupplungspedal allmählich schmerzt. Stop. Go. Stop. Go. Stop. Go.
Natürlich habe ich mich groß und breit und verdammt mies über meine einheimischen Mitreisenden ausgelassen, aber das Schlechte – egal, ob subjektiv so gesehen oder nicht – ist immer unterhaltsamer als das Gute. Im Urlaubsmodus fiel es mir leicht, den Zynismus mit guter Laune effektiv und ehrlich zu übertünchen. Schon vorher wussten wir, dass Istrien regelmäßig von Deutschen und Ösis übervölkert ist. Sehnsuchtsort wie Rimini und Bibione – ich kann´s verstehen. Die Gegend ist auch wirklich sehr schön, moderat mediterran, mobil machbar, also keine halbe Weltreise. Jedem sei´s gegönnt, dieser Tapetenwechsel, diese andere Welt, und gerade in Zeiten des heimischen Wahnsinns gönne ich die auswärtige Auszeit. So teils zynisch, wie ich meinen Reisebericht verfasst habe, bin ich nicht mal. Ich rechtfertige das jetzt auch nicht ausschließlich vor meinen Lesern, sondern schon eher gegenüber mir selbst.
Lasse nur mal Dampf ab. Eigentlich bin ich genau so Deutschland-verdrossen wie die Wokies, die ja keine Gelegenheit auslassen, ihre Heimat schlecht zu machen. Alles scheiße und alle scheiße. Klingt jetzt widersprüchlich, ist aber so. Irgendwann, in ihrem Entwicklungsprozess, in der Soße aus rebellischer Pubertät, Erwartungshaltungen und ausschnittsweisen Externerfahrungen der realen Welt vor sich hingeköchelte, müssen sie sich irgendwann einmal entschieden haben. Auf den Trichter gekommen sein. Und der Trichter führte ins Dunkel. In der Szene-Disse quasi bei mir um die Ecke können sie dann ihren Nihilismus abfeiern, so schwarz wie ihr Gemüt und gleichzeitig so bunt strahlend wie der LSD-Trip. Floss in die Flasche, in der man sich in seiner eigenen Desillusionierung wälzen kann, intensiviert durch Alkohol und Drogen, ab in die Wahrnehmungswelt der wabernden, kahlen Waschbetonwände. Alternativ dazu kann man sich etwa auch in Games bis früh morgens die Realität und auch das eigene Sein wegvirtualisieren.
Doch bin ich nicht wie Wokies. Da bin ich anders drauf, ich bin ein hoffnungsloser Optimist. Ich sehe zwar auch ideologische Schnittmengen mit ihnen, aber nicht den Drang, es anderen aufzuzwingen. Von Genderillusionen und Kolonialismus ganz zu schweigen, da bin ich raus. Blödsinn, den man als historische Warnung verstehen sollte, aber sicherlich keinen Bezug zur Lebensrealität heute bräuchte. Die ist sowieso eine andere geworden. Nach Corona sind die Leute, die eben nicht auf Moralist machen, wieder im Ferienfieber. Eindeutig. Es sind so viele mehr, die den Tapetenwechsel suchen, sich wie die wilde Hilde auf die Tennissocken machen und sich dabei im Weg stehen. Drehen völlig frei und haben nicht mal Skrupel/Selbstachtung, sich im Idioten- oder Assioutfit ins Getümmel zu stürzen. Nicht, dass ich mich jetzt rein optisch schlecht vertreten fühlen würde (Adilettenheinis sind auch Einheimische oder aus anderen Nationen), aber irgendwie hat das schon was mit Selbstwürde und dem Verlust einer solchen zu tun.
Und wer bin ich, die auf offener Straße anzufeinden, nur weil sie quasi von der Couch in eine historische Altstadt einmarschieren, ohne vorher ordentliche Hosen anzuziehen? Natürlich sieht es kacke aus, natürlich schüttele ich darüber den Kopf – aber irgendwie bieten sie ja auch Material zum sich darüber lustig machen. Es machen sich auch Leute über mich lustig. Isso. Irgendwer tut´s, auch wenn dir in der Hinsicht nichts ins Ohr dringen mag. Vielleicht stoßen sich gar ausgerechnet die Adilettenheinis an meinem Look, selbst wenn der sich nicht allzu sehr von ihrem unterscheidet. Vielleicht, vielleicht, vielleicht, Gewissheiten wirst du wohl selten erhalten. Deswegen lasse reden und lass mich reden.
Es ist eh ein zwiespältiges Bild, das wir nach außen abgeben. Wir wähnen uns wahrlich im Besserwessi-Gewissen. Sei es im Ausland wie oben beschrieben, oder wir machen ernst und pflügen mit Politik und Werten durch die Welt. Ich konnte es natürlich nicht sein lassen, vor allem morgens meine Newsquellen durchzuackern, um nicht nach zwei Wochen doof nach Hause zu kommen und mich vom nächsten Mega-Bullshit übermannen zu lassen. Der ist allerdings zuweilen sehr unterhaltsam, auch dem Umstand geschuldet, dass der Debattenraum sich nun etwas erweitert hat und die Zeitenwende/Identitätspolitik (oder unter welchem Label die ganze Mumpitzpolitik gerade läuft) endlich an seine Grenzen stößt. Dass Kampagnismus und Gegenkampagnismus endlich einen offenen Schlagabtausch liefern können. Und plötzlich wollen Grüne und Wokies reden (!) und sogar die Flüchtlingskrise etwas differenzierter angehen (müssen). Na ja – Karma does it again.
Es ist noch lange nicht Ende der Fahnenstange, aber der Wind dreht sich. Das kann jeder sehen, und selbst wenn noch Dinge ans Licht kommen, die noch mehr Totalitarismus bedeuten, zerbröckelt der gerade. Wenn man mit 200 Sachen in eine scharfe Kurve fährt, wird man zwangsläufig von der Fahrbahn abkommen. Als wir über die Grenze nach Deutschland einfuhren, war sie wieder da – die Bleifuß-Fraktion, die ihre freie Fahrt für freie Bürger in Anspruch nahmen. Alle wollten sie in der Dunkelheit und wahrscheinlich genauso drangsaliert von der Salzburg´schen Ausbremsung schnellstmöglich nach Hause kommen. Aber selbst das strengt die moderaten Fahrer an, wenn die als Linksspurabonnenten im Ellenbogenmodus angerauscht kommen und wir uns noch anderen Sturköpfen und „Weil ich´s kann“-Verfechtern ausgesetzt sehen. Etwa die Mittelspurdeppen, die grundsätzlich die rechte Spur meiden, weil „da ja LKWs fahren“. Samstag Abend, nachts – da waren kaum LKWs unterwegs. Also nein: es rechtfertigte gar nichts, mitten auf der Fahrbahn entlang zu kriechen. Dann kann man entweder nur bremsen, sich aufregen oder illegalerweise rechts überholen.
Passt irgendwie zur aktuellen Politik- und Gemütslage. Links-Mitte-Rechts. Und der vielseitige Regelbruch und der Egal-Einstellung zu bisher eingefahrenen Statuten, der dann dazu führt, sich in unendlichen Stauschlangen auszulaugen. Und da soll man dann ruhig bleiben...
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