Addendum zu meinen Beschreibungen aus der Vorwoche. Im Pflegeheim herrscht doch noch eine partielle Klientel an Gehorsamen, die die Maskenpflicht immer noch sehr engagiert einhalten wollen. Auch wenn Personal und Besucher das weniger tangiert, kam es die letzten Tage, wo ich dort noch zugange war, in gewissen Fällen zu irgendwelchen Mahnungen Einzelner an diejenigen, die das Maskentragen nicht mehr so eng sehen. So etwas erfährt man allerdings erst, wenn man eine Zeit lang im Dunstkreis der Einrichtung verbringt.
Da ist etwa eine Frau am Empfang im Erdgeschoss, die dich noch freundlich darauf aufmerksam macht, dass du gerade ein Nasenhüpfer bist. Gut, die Frau weiß jetzt wohl nicht, dass auf allen Stationen dem Pflegepersonal mindestens das Gesicht heraushüpft und ich woanders jede Gelegenheit nutze, den Lappen ganz auszuziehen. Handwerkern gegenüber sind die Leute gar so tolerant, nichts zu erwähnen, weil anstrengende Arbeit und Masken keine ganztägliche Synthese eingehen können. Die Dame sitzt eben quasi als Türsteherin im Eingangsbereich und hat wohl ständig das Damoklesschwert über sich schweben, dass spontane Kontrollen sie als erste Ansprechperson in Teufels Küche bringen könnte.
Demnach bleibt sie auffallend freundlich, sieht aber immer wieder Personal an sich vorbeiziehen, das es mit den Masken nicht allzu genau nimmt. Ein anderer sitzt hingegen ein Stockwerk tiefer in einem Büro und ist für interne Prozesse verantwortlich. Rein räumlich betrachtet ins hinterste Stübchen verfrachtet worden, scheint er seine abseitige Position damit kompensieren zu wollen, im Personalbereich den großen Regulierer zu spielen. Vom Typ her sportlich, légèr, passt seine Attitüde gar nicht dazu. Ständig verwickelt er die Leute in Gespräche, dass dies zu tun wäre und das zu klären wäre, und man merkt bei manchen den Unwillen darüber, sich diesem von ihm aufgedrückten Aufwand über bürokratische Kleinigkeiten auch noch annehmen zu müssen.
Bei Masken hört es bei ihm allerdings auch gleich auf mit der bemühten Freundlichkeit und Kumpelhaftigkeit. Eine Physiotherapeutin betrat gänzlich ohne Lappen den Trakt und wird sogleich von ihm angepflaumt: „Frau Soundso, Sie wissen schon, dass hier Maskenpflicht ist? Und das seit drei Jahren!“. Ich musste mich stark zurücknehmen, keine verächtliche Miene zu verziehen. „Jaaaa.“, kommentierte sie den Rüffel nur müde.
Ja, wir sind alle müde davon. Da kann sich im Wehwehweh jeder Phobiker noch so sehr alte Zeiten herbeiwünschen – der Instrumentenkasten steht nun wieder im Schrank und müsste nur noch geschlossen werden.
Nun wird doch über all die Dinge geredet, die wir seit dieser Zeit ständig wiedergekäut haben. Kinder und ihre Entwicklungsdefizite etwa. Allerdings habe ich ein wenig die Befürchtung, dass auch da wieder am falschen Ende angesetzt werden wird. Sie framen es schon mal falsch, da geht es schon los mit dem Sprachmumpitz. Nicht die Pandemie oder Corona selbst hätte das bewirkt, sondern die ganzen politischen und dogmatischen Entscheidungen und Maßnahmen.
Ich prustete letztens auf, als im Radio folgende Meldung durchgegeben wurde (sinngemäß): „Die Pandemie hat zu vielen Problemen und Entwicklungsstörungen wie falscher Ernährung bei Kindern geführt. Die Bundesregierung will umgehend darauf reagieren und ein Maßnahmenpaket zeitnahe beschließen.“ Klar. Maßnahmen beschlossen, die Kinder damit völlig strubbelig gemacht, und nun beschließt man ein Maßnahmenpaket dagegen. Gott bewahre... Die einzige Maßnahme, die hilft, die Kinder gegen Politik zu impfen, natürliche Immunität gegen diese unfähigen Kümmerer aufbauen – das ist das einzige, was wirklich hilft. Wenn es nur Corona wäre, wäre das durchaus machbar, aber auf die Kids prasselt heute alles Mögliche ein, was in dieser „Zeitenwende“ nicht mehr rund läuft und völlig falsche Weltbilder vermittelt. Mir tun sie jetzt schon leid, weil es einfach nur die Vermittlung eines Kopfuniversums ist, das häufiger zu Konflikten mit der Realität führen wird. Wer da seinen Gedankenfokus auf akademisch-theoretischen Bullshit legt, wird mit den grundsätzlichsten Dingen ordentlich aneinanderknallen. Versprochen. Ich weiß das. Ich will´s auch nur mal erwähnt haben. Sie wissen sowieso alles besser und sind für solche Anekdoten gar nicht empfänglich, also müssen sie das eben selbst durchleben. Dann dürfen sie nur noch darauf hoffen, weich zu fallen, alles andere führt zu einem psychischen Zusammenbruch.
Man kann da nichts mehr machen, nur noch zuschauen. Wundern, nicht ärgern, und schon gar nicht versuchen, etwas zu ändern. Ich habe das Gefühl, wir haben nun eine Generationenfolge vor uns, die nun endgültig bis in die Tiefen des Unterbewusstseins beratungsresistent geworden ist. Aus voller Überzeugung und mit keinen Widerhaken mehr versehen, an denen man andocken könnte, um sie aus dem Dreck zu ziehen.
Zu viele Aspekte sind in den letzten drei Jahren an die Oberfläche gespült worden, die die Schieflage vom lästigen Übel, das man abwiegeln konnte, zum unvermeidlichen Grundsatzproblem gemacht hat. Man muss sich meist nur die Summe der Nachrichten zusammenschaufeln und sie auf dem großen Tisch ausbreiten. Man lamentiert jetzt über alles. Nichts läuft mehr wirklich rund, wenn nicht gar gar nicht mehr. Fast alle schreien nach Geld und Fachkräften und Unterstützung. Fast alle werden sich selbst überlassen. Fast alle werden mit warmen Worten besänftigt und auf Wartelisten gesetzt. Wer also annimmt, dass die Kids unter Staates Obhut und mit Maßnahmenpaketen geheilt werden würden, wird noch sein blaues Wunder erleben – weil man ganz schnell vieles kaputt machen kann, was man danach langwierig wieder reparieren muss. Man kann auch kein Haus von heute auf morgen wieder komplett sanieren, nachdem ein Erdbeben es zerstört hat. Und der seelische Einsturz ist ganz anders zu werten als ein materieller.
Warum ich diese Woche so deep bin und grüblerisch wirke (und vielleicht etwas zusammenhanglos schreibe), hat einen Grund. In der Familie sehe ich mich wieder einer Konfliktsituation ausgesetzt, die im verklausulierten Stil das oben Beschriebene beinhaltet. Ich will das gar nicht so groß ausbreiten, obwohl es jetzt dazu taugen würde, einen mordslangen Text zu füllen. Aber irgendwie will ich keine neue Phase einleiten, in der ich mich wochenlang darüber auslasse, warum und wieso und weshalb. Um der Aufarbeitung dieser Geschichte ist mittlerweile alles gesagt worden – ein Aufarbeitungsprozess ist allerdings nie zustande gekommen. Ich hatte lediglich versucht, durch ein Ich-bin-schuld-du-aber-auch-Pamphlet einen Ansatz zu liefern, aber der wurde nie aufgegriffen und wird wohl nicht mehr zu einer offenen Aussprache führen. Dass das unter dem Aspekt, dass mein Vater schwer krank ist, nun zu einer weiteren Verwerfung geführt hat, ist nur der Gipfel eines vorher schon gegärten Prozesses.
Der wird dann, wenn überhaupt, nur in Wellen abklingen und wieder anschwellen, nachdem die Betroffenheit um die Krankheit die Welle hat schlagartig ansteigen lassen und nun so verbleiben wird. Der Situation nun mit Hysterie zu begegnen, ist genauso sinnlos wie die letzten drei Jahre, in der rationales Denken und Handeln vielleicht nicht das Unvermeidliche auflösen kann, aber die Ist-Situation erträglicher macht. Egal, wie schwer die Krankheit wiegt. Ich werte das nicht als Flucht davor, sondern als bestmögliche Aufrechterhaltung einer Normalität, die nicht das Problem hochhält und es ständig in den Fokus rückt, sondern das Lebenswerte betont. Wenn es um die harten Fakten geht, da sind uns allen die Hände gebunden, weil das nur die Ärzte in der Fachklinik beschließen und nun versuchen zu heilen. Und das tun sie, soweit ich das einschätzen kann. Wenigstens das tun sie jetzt, nachdem sich andere Quacksalber entweder ihrer Arbeit verweigert hatten oder schlicht zu blöd waren, die Anzeichen zu bemerken. Und da sehe ich die Hauptschuld nicht in den Scharmützeln, in denen man sich jetzt mit der momentanen Situation abgeben muss und sich die Köpfe einschlägt.
Wundern, nicht ärgern.
Führe ich den Gedanken mal zurück auf die Krisenzeit, in der sich die Maßnahmenfreaks und Impfis selbst in einer Ausweglosigkeit wähnten, weil das angeblich die egoistischen Ungeimpften so herbeigeführt hätten, dann sehe ich aktuell auch diejenigen, die nun alle dokumentierten Beschimpfungen und die Hetze wieder aufgreifen. Auch sie unternehmen einen zweiten Versuch, das nun im Fahrwasser der Aufarbeitung und den ersten zaghaften Formulierungen von Selbstkritik einzuflechten und haben wenigstens etwas Aufmerksamkeit sicher. Aber sollte dabei immer berücksichtigt werden, ob und dass man wirklich betroffen war.
Wer sich etwa im Rentenalter nicht damit befassen musste, weil da keine existenzielle Not drohte, kann höchstens die Arbeitsverweigerung von Ärzten dafür verantwortlich machen, wenn danach schwere Krankheiten auch dadurch zustande kamen und sich ausbreiten konnten. Da ich allerdings in Arbeit bin und mir das nebenher Bedenkliches aufzwang, muss ich auch mal meine eigene Lebensrealität neu überdenken und auch mal Gedanken an mich selbst verschwenden. Das ist kein Egoismus, der anderen schaden oder eine Situation bösartigerweise verschlimmern soll - der soll nur Schaden von mir selbst abwenden. Wer das nicht verstehen will, hat sich wohl schon selbst aufgegeben oder versucht das nun im Zuge der bedrohlichen Situation nun hastig zu verschleiern.
Diesen Moralismus kennt man mittlerweile zur Genüge, wenn er nur mal nicht mit ständigen Anklagen und Spaltungen arbeiten würde. Wer dieses Feingefühl nicht besitzt, setzt ebenfalls auf Selbstbezogenheit, und wer schon vorher vorbelastet war durch Selbstwertdefizite, braucht auch nicht lange, bis das Fass überläuft. Das könnte man verstehen und auch daran arbeiten, wenn das mal bewusst würde. Stattdessen rechtfertigt man die eigene Hysterie damit, generiert sich als Opfer und baut sich sogar in diesem Status noch mehrere Ebenen mit auf.
So etwas finden Sie mittlerweile überall. Im familiären Umfeld, das droht zu zerbrechen (wobei das bei mir schon lange durch ist). Im beruflichen Umfeld, wo auffällig oft Verdruss immer unverblümter offen ausgesprochen wird (wie im Pflegeheim) und aus besten Kollegen die schlimmsten Feinde macht. Im soziologisch-gesellschaftlichen Kontext (allem voran bei den Kindern), die uns wahrscheinlich noch viel Arbeit bescheren werden. Im wirtschaftlichen Sinne, wo nun alles Erreichte dem verzweifelten Versuch weicht, Wohlstand und Sicherheit vor dem Absturz zu bewahren und man durch Ideologie und Fachidiotie diesen nur noch beschleunigt.
Eine Teufelsspirale, die gar nicht mehr unterscheidet zwischen dem, was man verändern kann, und dem, was man in andere Hände legen muss oder gar nicht veränderbar ist. Und da ist uns völlig die Fähigkeit entglitten, was zu wem gehört. Da gehören Ungeduld und die eigene, fehlende Resilienz zu den Brandbeschleunigern, die aus einer einst souveränen Gemeinschaft eine fragile Masse aus Individuen geformt hat. Das Lebenswerte bleibt dabei auf der Strecke und verschiebt den Fokus allzu sehr auf Not und den Drang, diese Not mit der Brechstange aufzulösen oder gar künstlich zu instrumentalisieren. Und unter den Umständen will ich nicht leben müssen, vor allem wenn die Not ein Dauerzustand wird, der nur unter anderen Vorzeichen gepflegt wird. Ob das private oder globale Ursachen hat oder Ereignisse sind, tut für mich nichts zur Sache. Weil in allem sind mir und uns die Hände gebunden. Da wirkt Ärger nur für sich selbst und berührt erst mal niemanden, auch wenn man das unbedingt erreichen will. Sich zu kümmern erzwingen zu wollen wird wohl nur das Gegenteil erreichen, wenn es auch noch in bösen Tönen verlangt wird.
Dabei muss man keinen Unterschied mehr machen, zu welchem Anlass und egal wie moralisch ausgerichtet das zu passieren hat. Und immer stolpert man über die Widersprüche, die man nur noch durch Lügen und aggressives Verhalten abschwächen will. Was uns jetzt blüht - uns allen – ist eine kollektive Entfremdung und die letzten Bemühungen um Ruhe und Zusammenhalt, so zerbrechlich wie dünnes Glas, das auf der Tischkante steht und durch die geringste Erschütterung fällt. Das in dieser Phase noch durch Nachtreten herbeizuführen geschweige denn neu anzustacheln, halte ich für den falschen Weg. Egal, wie dringend etwas ist.
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