Manchmal fällt es schwer, sich vorzunehmen, Wochenereignisse aufzuarbeiten. Erst hackte ich etwas über N- und Z-Wörter in die Tastatur, wobei das in der Gewichtung der Meldungen eher noch eine Relevanz von vor zig Jahren inne gehabt hätte. Da ich sowieso momentan zu jedem Kram, der mich beschäftigt, meinen Tippsenf abgeben kann und muss, fällt es mir ob der Fülle an Blödsinn wirklich nicht leicht, auszuwählen, oder ob ich einfach alles zusammen raushauen soll. Als nächstes die nicht immer leichte Aufgabe, Repliken richtig zu dosieren. Manchmal kann man sich auch übersättigt fühlen, Schreiber wie Leser, aber denke mir dann: das muss irgendwie raus. Für mich selbst und alle, die sich sorgen. Ich traue da draußen kaum noch jemandem über den Weg, als dass ich meine Grübeleien unüberlegt von mir gebe.
So weit ist es schon gediehen. Die Schere im Kopf setzt immer mehr an, die Misstrauenskultur wird immer tiefgreifender. Und so habe ich mich diese Woche entschieden, einen der wichtigsten Erkenntnisse über staatliches Wirken wieder besonders hervorzuheben. Auslöser war der nächste Streich von Nancy Faeser, den Chefredakteur des „Deutschland-Kurier“ mit einer Haftstrafe belegen zu lassen. Besonders brisant wird es, wenn eine Haus-und-Hof-Staatsanwaltschaft quasi als Abmahnkanzlei fungiert, ähnlich wie das damalige, orchestrierte Vorgehen gegen Raubkopierer von Filmen auf Plattformen wie kino.to und Torrent-Plattformen.
Das roch damals schon nach Massenabfertigung, aber auch Gelddruckmaschine für die selbsternannten Urheberrechtsverteidiger. Die Faeser-Rachemaschine wird nun sozusagen zum Hausurheberrecht der Demokratieverteidiger, und wer dem noch frech ins Gesicht grinst, wird unironisch fertiggemacht. „Schwachkopf“-Memes und unlautere Strafverfahren gegen Ballweg und Co. haben nicht den Rechtsstaat verteidigt, sondern nur die Repressionsmaschine geölt, mit der mittlerweile jeder Anflug von Kritik und bissiger Satire kaltschnäuzig abserviert werden kann. Die einzige Hürde scheint nur noch die Gefühligkeit der Satiresubjekte, und bei manchen wie Strack-Rheinmetall ist das Spottaushaltkontingent weder gut bestückt noch leicht befüllbar.
Was sich bei Ballweg ob der obskuren Anschuldigungen nun als Rohrkrepierer herausstellt, ist noch lange kein Grund für die Sanktionsdampfwalze, klein beizugeben. Die „Schwachkopf“-Sache oder die neue Tatsache um einen fast rechtskräftig inhaftierten Journalisten und die Verzahnung der Bürgerpetzenportale (Meldestellen) erreichen nun eine neue, verabscheuungswürdige Qualität. Faeser, ergo die SPD, wurde zwar massiv bei der Wahl abgestraft, aber dank eines Meisterumfallers bei der CDU kann sich die SPD jetzt so dreist aufstellen wie bei der Ampel die Grünen. Man könnte fast lachen, dass etwa Ricarda Lang kürzlich die Verurteilung kritisierte, aber auch hier ist Doppelmoral Trump(f), dass man sich erst aus dem Vorsitz und gleichzeitig von der Regierungsbeteiligung verabschieden muss, um wieder einigermaßen vernünftige Forderungen zu stellen oder Kritik an die richtige Stelle zu richten. Wobei das noch lange nicht für alle gilt, weil bei den Grünen noch genügend verseuchte Ideen im Keller vor sich hin gären.
Und wo Regierung draufsteht, da steht ein „Weiter so“ als Untertitel drunter, als PPS folgt „und noch viel mehr“. Noch mehr „Kampf gegen Desinformation“, noch mehr NGO-Geld, noch mehr Digitalzwang, noch mehr Überwachung, noch mehr... Bürgerdrangsalierung und Freiheitsentzug in Salamitaktik mit Besänftigungs-Giveaway vom Metzger an die braven Kids. Nach der Faeser´schen Beweislastumkehr und Straftatbestand „unterhalb der Strafbarkeitsgrenze“ wird nun die „falsche Tatsachenbehauptung“ wohl auch noch einer Prügelstrafe unterzogen. Es ist nur ein kleiner Schritt für sie und ein weiterer großer Schritt für den Totalitärstaat. Wir suchen nur noch die Trennlinie zwischen Demokratie und einer Diktatur und dem „You are here“-Strich auf der Skala. Weit weg voneinander kann es ja nicht sein und scheint auch schon im roten Bereich angekommen, ich bin da zuversichtlich, mal wieder recht zu behalten.
Haha, zuversichtlich. Ja, zynisch, wie man heute sein muss, ist der einzige Trost in naher Zukunft zu suchen, wenn mal wieder das eintritt, was man sich in Gedanken so ausmalt. So schwurbelt es sich durchaus weiter, weil der Staat und all seine Häscher ständig liefern wie bestellt. Und wenn es zwischendrin immer heißt, es gäbe dies und das gar nicht und wir wären ja dies und das nicht, können wir uns heute mindestens darauf berufen, dass dies und das (Stichwort Diktatur zum Beispiel) ausrissweise schon eingetreten ist und „wie“ dies und das geworden ist. Zu Faesers Streich werden nun die ersten Konkretnennungen „wie in einer Diktatur“ laut. Manchmal frage ich mich, ob die in den Ministerien ständig bei uns mitlesen und sich ausmalen, dass wir doch bekommen sollen, was wir so rumspinnen.
Die Orwell´sche Sprache, ein bisschen Huxley bei der Ruhigstellung und nachhaltige Kinderkonditionierung und hier und da weitere dystopische Entwicklungen sind sicherlich nicht schön und gut und anständig, aber zweckmäßig und für den Kontrollzwang nötig und nützlich. Zu blöd nur, dass man sich nicht die extremsten Idee herausziehen kann, etwa die Käfige mit hungrigen Ratten an den Kopf schnallen oder was auch sonst als Folter definiert werden kann. An so etwas trauen sie sich noch nicht heran. NOCH nicht. Im Moment reicht es ihnen offenbar, Wahrheit und Lüge in ihrer nichtssagenden Aufstellung und mit selbstzweckhaften Sprachanpassungsmethoden für sich zu beanspruchen. Bußgelder und Fußfesseln sind zwar nicht sexy, aber für Bürokraten offenbar genug, um sich bei „60 Minutes“ Lendenzuckungen einzureden.
Peinlich erscheint es ihnen überhaupt nicht. Aber das ist die Krux am Verwaltungsstaat mit DDR-Einschlag. Man fühlt sich zu allem berufen, was die Paragraphen hergeben, und es ist auch ein Leichtes, hier und da Korrekturen vorzunehmen, um umstrittenes Handeln nachträglich zu legitimieren. Das war beim Infektionsschutzgesetz schon so, das hat das Selbstbestimmungsgesetz schon weitergeführt, das wurde mit dem Demokratiefördergesetz noch weiter getrieben. Und wenn man sich den ausgehandelten Koalitionsvertrag etwas genauer durchliest, stehen uns wohl noch weitere solcher Gesetze und Vorhaben bevor. Davor kann man Angst haben, sollte es sogar, aber haben Yin und Yang bisher immer ein bisschen gegengesteuert, um das nicht zum Absolutium zu erklären.
Bisher waren das nur diffuse, schwer zu greifende Vorhaben, weil man nach Corona erst mal vom bequemen Gesetzesdiktat ablassen musste. Aber die unternommenen Schritte und die Angstzeichnung haben nie wirklich aufgehört. Und so musste man gezwungenermaßen herunterregeln und arbeitet jetzt offenbar daran, Notlagenzustände zum Dauermodus herbeizubasteln. Das kann ja alles sein: der böse Russe, Klimawandel, Männer, N-/Z-Wörter, irgendwas mit klarem Feindbild. Klingt alles unabhängig voneinander, verwebt sich aber zu einer einzigen Angstmacherdampframme, um wenigstens irgendeine Angst bei uns erfolgreich einzupflanzen. Nur die eine, echte Angst, die wollen sie uns nehmen, wenn nicht gar taub- und stummstellen: Die Angst vor dem Staat und seinen Methoden.
Man hätte nur im Traum nicht daran gedacht, dass das alles aus der kaum zu greifenden Minderheitenblase kommen könnte. Offenbar wurde eine Ambivalenz Realität, nämlich die Vermischung bunter, diverser und abnormer Gruppierungen zu einer Einheitsfront, die zwar zahlenmäßig dem Normativen unterliegen, aber ihre Macht in dieser Opportunismusblase der normativen Mehrheit aufzwingen oder -drängen können. Doch dass wir nun einen Altparteienkomplex und mit ihnen verzahnt eine undefinierte Gruppe der „Zivilgesellschaft“ als Einheit gegen alles bisher Normale uns gegenüber sehen, ist schon auffällig. Die sollten nur nicht behaupten, „wir sind bunt“ zu sein - es wäre ehrlicher, wenn sie ihre Parole in „Wir sind Bund.“ ändern würden. Das würde auch besser beschreiben, wie und warum man sich unironisch und ohne Bewusstsein für Ambivalenz und Maßstäbe der Formaldemokratie bedient, die man teils selbst geschaffen hat.
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Tafelrunde (Sonntag, 13 April 2025 19:30)
@polemiker: Bravo! Hervorragend in Worte gegossene Gedanken.
Doch es geht ja noch tiefer. Ein System, das Widerspruch oder Kritik nicht auszuhalten in der Lage ist, verliert die Fähigkeit, Fehler zu vermeiden. Das betrifft natürlich auch die eigene Zielerreichung, die durch Fehlentwicklungen verhindert wird. Ein solches System „f..kt“ sich also selbst ins Knie. Es kann irgendwann nur noch blind, fern jeder Realität, vor sich hin taumeln.
Jedwedem Fortschritt, ob gesellschaftlich oder wissenschaftlich, wird somit die Basis entzogen. Genau deshalb geht jede Herrschaft, die nur die eine, von oben abgesegnete Wahrheit, erlaubt und jede Abweichung davon niedermacht, zum Untergang verdammt.
Allerdings kann das dauern. Die katholische Kirche liefert hier ein eindrucksvolles Zeugnis ab.
Polemicer (Montag, 14 April 2025 07:31)
@Tafelrunde
Vielen lieben Dank!
Wenn die sich "progressiv" nennen und gleichzeitig Verzicht predigen, ist das mitunter schon sehr widersprüchlich. Wenn die den Fokus auf unsinnige Dinge setzen und die wichtigen ignorieren, wirst du doch automatisch skeptisch. Wenn dazu alles ernst genommen wird, man keine Zwischentöne mehr findet, sehe ich jedes erträgliche Staatssystem und jede Gesellschaftsform dem Untergang geweiht. Und die sind auch nicht mehr erreichbar mit Ratschlägen und Argumenten. Von der hehren Absicht habe ich mich mittlerweile gelöst, weil du ja nicht mehr weißt, bei welchem Wort oder Meme, egal wie abwegig, die Gesinnungspolizei vor der Tür steht.
Holger (Dienstag, 15 April 2025 08:49)
@ Tafelrunde
Das "System" fickt sich nicht selbst ins Knie. Das System wird missbraucht wie die Ameise:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ophiocordyceps_unilateralis