Nach der Wahl ist vor der Wahl. Erwarten Sie nur hier keine tollen Analysen und die große Verstehe, wenn es um die Auswertung des Wahlverhaltens geht. Ich mag das nur nach meinem Empfinden nachfolgend beschreiben, zu welchen Erkenntnissen man mit dieser Neuwahl kommen kann, und da bin ich ehrlich gesagt etwas hilflos und zweifle manchmal am allgemeinen Politikverständnis und -bedürfnis.
Da auch Analysten kein maximal fundiertes Abbild für das Wählerverhalten liefern können, werde ich mal ein paar Stichpunkte herausziehen und meine eigenen Interpretationen einbringen. Bestimmte Dinge stechen für mich hier heraus, und irgendwie will ich das auch nicht im Sande versinken lassen, weil es bezüglich dieser Wahl und den Ereignissen zuvor stilprägenden Charakter hat.
Kurzanalysen
Was haben wir nun festzustellen? Und ich will das mal für bare Münze nehmen, was die Wahlforschungsinstitute so herausgefunden haben wollen. Reihenfolge und Kontext sind eher zufällig.
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Der „Politikwechsel“ ist fast so wie immer. Wäre die FDP nicht raus, wäre es eine 1:1-Erfahrung wie in der Vergangenheit gewesen, und man entscheidet sich nur noch entweder für Rot-Grün oder Schwarz-Gelb. So aber wird es wohl eine GroKo werden, also Stillstandpolitik mit schädlichem Ausgang für meine Belange.
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Grüne haben ca. 3 % eingebüßt. Das ist erst mal gut, aber noch zu wenig.
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Die SPD ist erwartbar umgestürzt. Dieses entkernte Gebilde hat nur weiter seine Parteiwerte, also auch die Kernwählerschaft der Arbeiterklasse, verloren. Kein Wunder bei diesem Personal. Aber wird sie trotz der Fallhöhe weich landen.
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Die Linke kann tatsächlich mit einem weiteren – sagen wir mal – Blumenschmeißermoment punkten. Andere anzufauchen, die Klappe zu halten, bringt also 3 bis 4 Prozentpunkte. Das hat schon in Thüringen gefruchtet, so nun auch dieses Mal.
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Die FDP verliert massiv an CDU und AfD. Wer sich programmatisch so dermaßen zerreißt, muss damit rechnen, dass man ihr den Juniorstatus gar nicht mehr zutraut, wobei der Lindner-Effekt schon lange für Irritationen sorgte und die Partei für sich gesprochen eine Erwartung nach klassisch schwarz-gelb nicht mehr erfüllen kann.
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Die AfD hat die meisten Nichtwähler gezogen. Weiter ist der Merkel-Effekt jetzt auch ein Merz-Effekt, war auch nicht verwundert, wenn man sich immer noch von der linken Brandmauer erdrücken lässt. Das ging ca. einer Million Wähler auf den Zeiger.
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Und wieder hat eine Wahl einen Ablauffehler zu beklagen. Letztes Mal war es das Wahlzetteldesaster in Berlin, dieses Mal einige Wähler im Ausland, denen die Briefunterlagen nicht zugestellt wurden. Das nährt natürlich nur weiter Misstrauen in Unseredemokratie, die entweder als berechnend oder unfähig wahrgenommen wird.
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Deswegen ist es nur allzu verständlich, dass das BSW mit seinen 4,97 % dies anfechten will. Es bestünde tatsächlich die Möglichkeit, dass enttäuschte Auswanderer von draußen etwas im Land verändern wollen und dazu der Partei ihre Stimme gegeben hätten.
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Wäre dies trotzdem ein amtliches Endergebnis, auch nach juristischer Prüfung, nimmt man es mit einem lachenden Auge ebenso hin wie mit einem weinenden, weil es tatsächlich eine grüne Regierungsbeteiligung verhindert hat.
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Das BSW ist übrigens die einzige Partei, die der AfD Wähler abluchste.
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Die Landkarte stärkster Fraktionen hat ein eindeutiges Ost-West-Gefälle. Der Stinkefinger des Ostens an den Westen wird nun auch so sehr sichtbar. Bleibt abzuwarten, wann wieder von „Dunkeldeutschland“ die Rede sein würde.
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Bei den bis 24-Jährigen hat sich der Stimmanteil der Linken fast verdreifacht, der der Union mehr als halbiert. Es ist ja schön, dass die Jugend auf klare Linien setzt, aber Kindergartenpolitik sollte weniger honoriert werden. Oder war man letztlich doch auf TikTok eingefangen worden?
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Das erklärt es vielleicht bei den Jungen, war doch Habeck fast überall präsent und muss nun trotzdem abdanken. Die innere Zerrissenheit zwischen den Politikazubis 40+ und der grünen Jugend kommt so wunderbar zum Ausdruck, die ja mehr oder weniger ihren eigenen Wahlkampf gemacht hat.
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Das Wahlverhalten spiegelt sich in kaum einer Weise in der Kompetenzzuschreibung wieder. Das verlorene Sicherheitsgefühl wie auch die Sorge über ein Scheitern einer stabilen Regierungsbildung wie -arbeit ist das wichtigste Anliegen, deswegen verstehe ich nicht, warum man denkt, man müsse nur CDU wählen und alles wäre gut.
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Nur noch 12 % glauben, dass die Verhältnisse in Deutschland Anlass zur Zuversicht geben. Man rechnet also mit überwältigender Mehrheit mit einer Verschlechterung, was dann an sich widersprüchlich ist, sich jetzt wieder eine GroKo anzutun, welche sich die Mehrheit sogar gut vorstellen kann.
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Die AfD hat vor allem den Westen für sich gewonnen. Das ist ein wenig der Schlafmützeneffekt und letztlich auch das „Egal, ich wähl die jetzt trotzdem“ im Westen, was auch Teile der Brandmauer einreißt.
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Bei den Linken ist soziale Gerechtigkeit (klassisches Thema) und Klima (nicht klassisch) das wichtigste Anliegen. Allgemein ist die Klimapolitik allerdings eher unwichtig, und die Meinung über unrealistische Zielsetzungen macht die Linke jetzt zur neuen Träumerpartei für junge Idealisten. Von unregulierter Einwanderung muss man erst gar nicht reden. Deswegen kann man den erfolgreichen Endspurt plus 4 Prozent wohl eher als Eintagsfliege betrachten.
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Die Themensetzung der SPD-Wähler ist so widersprüchlich wie die Partei in ihrer Außendarstellung. Man will etwa Frieden, aber baut sich viele Feindbilder, natürlich die üblichen Verdächtigen. Und so sitzt der Elefant Pistorius im Raum, der auch bei allen Kriegstreibern erste Wahl wäre.
Zwischenfazit
Es hat sich wohl abgezeichnet, dass das Brandmauergeflenne nur ein Teilerfolg war und das Vorgeplänkel jeden Inhalt mehr oder weniger zum Instrumentarium der Parteien degradiert hat. Das Missverständnis über wichtige Zeitgeistthemen, sei es „kriegstüchtig“ zu werden oder Corona-Aufarbeitung völlig aus dem Themenkomplex rauszuhalten, hat bei den Altparteien wie auch den zuarbeitenden Medien funktioniert. Wir haben also einen Leitmedieneffekt, der noch bei vielen fruchtet, aber die Dringlichkeiten verschieben sich langsam, aber sicher zugunsten der neuen Randparteien.
Es wird sicher keine echte Opposition aufgestellt sein, denn mit Grünen und Linken als wird man eher der neuen Regierung Vorhaben abnicken. Die AfD als Antifaktor wird zwar auf den Wahlerfolg betrachtet größer, aber ist da immer noch die Brandmauer, die die offizielle Sitzverteilung im Geiste völlig anders aussehen lassen wird. Das wird nicht nur die CDU vor ein immenses Dilemma stellen, sondern auch die linke Politik. Nehmen wir an, dass die Regierungsbildung so abgesegnet wird wie nun angenommen, wird es nur ein sich selbst entkräftender Stillstand sein, der ständig neu ausgehandelt werden muss. Und so haben wir nur eine Weiterführung der Merkelpolitik, die vielleicht den Abstieg bremsen könnte, aber sicher keine Verbesserung bringen wird.
Die SPD hat immer noch nicht begriffen, dass sie still das Erbe Schröders weiterführt und sich völlig aushöhlt. Mit einem Black Rock-Kanzler haben wir nun die schwarz gefärbte Eigeninteressenversion von Olaf Scholz geerbt, der sich im Grunde nur davon unterscheidet, Taurus nun doch liefern zu wollen. Es ist auch nicht anzunehmen, dass dieses SPD-Gerippe sich aufrichtig ihrer Grundwerte entsinnen würde und kann sich so wieder als weich gefallen feiern.
Es wird wohl darauf hinauslaufen, Stillstand zu bewahren und die Sich-selbst-Ausbremserei weiteren Nährboden erhält. Und das wird sich in vier Jahren (vielleicht früher) in noch mehr AfD-Stimmen abzeichnen. Wir werden also auf Österreich machen, uns noch mehr schönreden und inhaltslose Worthülsenpolitik antun müssen. Ob man nun innenpolitisch den Abstieg abbremsen kann, ist eine Sache, aber wenn wir außenpolitisch weiter die Messer schärfen, kann man das alles vergessen. Man muss ja jetzt wirklich auf Trump hoffen, dass der Russe nicht doch genug gepiesackt worden ist, uns irgendwann doch statt Glückwünschen zum Wahlausgang explosive Grüße rüberschickt.
Es gäbe sicherlich noch viel mehr zu analysieren und zu deuten, aber das war mir selbst mal am wichtigsten zu erwähnen. Es wird nichts besser werden, nur anders schlecht. Das war zu erwarten und wird wohl auch so eintreten. Dass ich mich gerne eines Besseren belehren lasse, steht außer Frage, aber ich bin da aus Erfahrung einfach zu skeptisch. Mittlerweile kennt man seine Pappenheimer und erwartet von denen auch kein dringend notwendiges Umdenken mehr.
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Holger (Mittwoch, 26 Februar 2025 23:20)
Andere Partei an den Hebeln der Geldverteilung, aber vermutlich die gleiche Arbeitsweise: So viel Geld wie nur möglich aus dem verottenden Staat saugen und zu seinen Buddies umleiten, bevor der ganze Laden endgültig zusammen bricht.
Die notwendigen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung eines funktionierenden und prosperierenden Staates werden weiterhin ignoriert. Statt dessen wird wieder die Propagandamaschine gefüttert, die die Bürger dann noch mal ein paar Jahre in die Duldungsstarre sediert. Und natürlich wird man wieder zahlreiche Günstlinge in Behörden bugsieren, die den ohnehin schon aufgeblähten Staatsapparat noch hungriger nach verschwendeter Steuerkohle macht.
Der Osten ist wieder der Buhmann. Dabei erinnern sich vermutlich einfach nur zu viele Ostdeutsche daran wie es früher mal war, und was "Zersetzung" bedeutet.
Zersetzung... kennt man in Westdeutschland gar nicht.
Bei der Asylpolitik ändert sich voraussichtlich nichts. Warum auch? Manche verdienen ja nicht schlecht damit.
Ansonsten ist es immer wieder eine Qual auf Leute zu treffen, die sich lediglich aus der Glotze und der BILD, bzw. der örtlichen Tageszeitung informieren. Man erkennt sie immer schon sehr schnell.
epikur (ZG Blog) (Donnerstag, 27 Februar 2025 19:13)
@Holger
"Ansonsten ist es immer wieder eine Qual auf Leute zu treffen, die sich lediglich aus der Glotze und der BILD, bzw. der örtlichen Tageszeitung informieren. Man erkennt sie immer schon sehr schnell."
Geht mir genauso!
Mir gefällt die Gleichung von Walter von Rossum von der "Ober- und der Unterwelt", die kaum noch etwas gemeinsam haben, in der Wahrnehmung der Wirklichkeit.
Die "Oberwelt" informiert sich ausschließlich über Tagesschau, ZDF, Welt, Spiegel, TAZ etc. Die freien Medien seien ja Schmutz, rechts, verschwörungsideologisch etc. Und die "Unterwelt" informiert sich eben bei Spiegel und bei RT Deutsch. Bei Welt und den Nachdenkseiten. Bei der Tagesschau und bei Manova. Bei der SZ und bei NIUS.
Der geistige und intellektuelle Horizont der "Unterwelt" erweitert sich somit ständig, während die "Oberwelt" nur Tagesschau-Narrative nachplappert ("Putin will nicht verhandeln!" / "Trump und Musk sind Nazis!" / "Die Ungeimpften sind schuld an allem!" etc. etc.) und immer mehr verblödet.