Das saß. Und wie es saß. Und hinter der Fassade der Sicherheitskonferenz saß es gleich doppelt, und das nicht nur, weil JD Vance einem ganzen Kontinent eine eingeschenkt hatte. Es muss wohl wieder eine orchestrierte, gesteuerte Aktion gewesen sein, ausgerechnet zur MSC auch noch einen jungen Menschen in eine Demonstrationsgruppe fahren zu lassen. So war es auch nicht anders zu erwarten, dass schon Stunden nach Bekanntwerden der Tat erste Aktionen angekündigt wurden, gegen Rechts Position zu beziehen.
Das Gleichnis „Haltet den Dieb“ in Reinkultur. Es erscheint immer absurder, wie der Positionierungswahn an Lagern ausgerichtet wird, nicht in der Sache. Man beäugt sich ständig, bis irgendwer oder irgendwas zur Tat schreitet, dazu wartet man auf erwartbare oder vorpreschende Forderungsparolen der Gegenseite. Wer zu dumm ist, den ersten Schritt zu tun (und das sind viele, wenn sie emotional berührt sind), wird vom gegnerischen Lager umgehend mit der Antikeule geprügelt. Es ist mittlerweile eine berechenbare Situation geworden, man kennt nun seine Pappenheimer und ist kaum noch zu beeindrucken.
Mit immer mehr Elefanten im Raum, die die Wirschaffendas-er:innen in brachialster Weise zu leugnen versuchen, wird uns allen immer mehr der Raum genommen, die Dinge zu benennen, wie sie leider nun mal sind. Nun ist „leider“ als Ausdruck des Bedauerns heute wohl nicht mehr angebracht. Bedauern kann man nichts mehr, weil es sich in vielerlei Hinsicht Bahn brach und uns unserem Sicherheitsgefühl beraubt. Man weiß gar nicht mehr, wo man anfangen soll, und man nickt verständnisvoll, wenn die Nachbarschaft wie paralysiert wirkt. Schreibblockaden und Ohnmachtsgefühle haben Sicherheit und Beherrschbarkeit der Gesamtsituation ersetzt, und es ist ein Wunder, dass die Deutschen mal wieder so viel Untätigkeit beweisen, wenn ihnen noch nicht das Wasser bis zum Hals steht, aber schon spürt, wie der Wasserstand schon bei Brusthöhe plus/minus liegt.
Es ist schon grotesk, wie sehr sich hier nichts regt. Natürlich kocht es hoch, das Fragen nach dem Warum, und das auch vorrangig unter der Prämisse immer härterer Repression des Bürokratieapparates gegen sein eigenes Volk. Bürokratie – das klingt so nüchtern und gar nicht emotionsgesteuert, und doch tut sie es in einem Maße etwaiger, gefühliger Dringlichkeiten in der Maske spaßloser Korinthenkackerei. Ein sich ziemlich absurd gebender Apparat in versteinerten oder freundlich aufgesetzten Mienen, in seinen Beschlüssen und Handlungen jedoch die Hürden zur Sanktionierungslust bedenklich im Niveau gesenkt hat. Das hat noch in keinem System, egal wie aufgestellt, ein tausendjähriges Reich garantiert. Vielleicht geht der Erwachungseffekt in einer Formaldemokratie gerade so träge vonstatten, auch weil die gespielt Empathiebekundung freiheitlicher Wertehochhalterei noch nicht alle entfremdet hat. Vor allem diejenigen, die aus Überzeugung oder ängstlich vor dem Erleiden gesellschaftlicher Nachteile auch weiter mitmachen.
Natürlich ist das ein müßiger, langwieriger Prozess, der noch länger so hätte weitergeführt werden können. So lange man einen bestimmten, kaum in Zahlen zu benennenden Anteil der Bevölkerung an sich binden kann und sich deren Duldung bis zur begeisterten Zustimmung sicher sein kann, wird es kein Systembeben zur Folge haben. Selbst die Amis haben trotz grassierender Armut und dem Gefühl, im Stich gelassen zu werden, außer einem Kurzschlussmoment im Kapitol noch keinen neuen Bürgerkrieg erleben müssen. Man hat einfach die gesetzlichen Daumenschrauben, ähnlich wie bei uns, angezogen und das nicht in einem Maße, sich völlig ideologisch zu entblößen. Also vergiftete man demokratisch legitimen Widerstand in Sprache und Meinungsbekundung, baute sich ein Trugbild mit schön klingenden Worten – auch das ein Bürokratriemonster, das in einfachen, ehrlichen Worten weitaus strenger klingen und auf weniger Zustimmung stoßen würde.
Das ist momentan diese Phase müßiger Entwicklungen, der nur schichtweise abgetragen werden kann – auch weil man die harten Benenner solcher Zustände ins Alternativabseits verbannte. So hätte alles vor sich hinbrüten können, ohne auch nur ansatzweise einen Backlash erleiden zu müssen. Doch passierte in den USA schon wieder etwas Unsägliches, aus der brandmauerisolierten Wüste heraus gärendes Verlangen nach echter Veränderungsdynamik. Vorher schon kanalisierte sich die Furcht vor dem Dampfhammer in wütenden Diskreditierungsversuchen, Trump könne gar nicht demokratisch agieren, hat auch noch Techmilliardäre um sich scharen können, die dann natürlich auch nicht mehr redlich sein dürfen. Wenn die da drüben so sein wollen, können wir uns ja noch geschützt darüber aufregen, doch als JD Vance nun rübermachte und das in Persona unzensierbar in Kameras sprach, wirkten die Gegentiraden unseres Establishmentapparates from hell so erhellend wie erfreulich mickrig wie angepisst.
Wenn etwas im Innern gärt und von außen angesprochen wird, ist das natürlich ein Systemsprengermoment sondergleichen; und wer auch nur ansatzweise im Berufsleben Mobbing erfuhr, weil er nicht funktioniert wie gefordert, weiß um die Bedeutung von Schweigegelübden und Störung der Betriebsruhe. Vance hat genau das getan, aber auch in der Welle des Erfolgs des US-Wahlausganges, und der war kein Sieg auf des Messers Schneide, sondern ein echter Kanter gegen den identitätspolitischen Bürokratiekoloss.
Vance´ Rede vor der Münchner Sicherheitskonferenz war jetzt keine visionäre Jahrhundertrede. Aber inhaltlich auf jene gezielt, die schon länger am längeren Hebel herumrühren, bis wir völlig vom Kurs abgekommen sind. Da muss man nur von außen schauen und den Finger in die Richtung weisen, wohin wir denn überhaupt zusteuern. Und trotzdem sollten wir das nicht als Racheakt feiern, der jetzt alles wieder in die Spur bringt. Wir haben es bei aller Freude über das Schellenkonzert immer noch mit Radikalwirtschaftlern zu tun, die mir ein bisschen zu rückwärts gewandt sind, ein bisschen zu sehr auf Druck und Deals setzen, und alles, was sie als erstrebenswert sehen genauso wenig für uns Dauergebeutelte übrig lassen würde wie der abgeschottete Wokismus.
Dem ziehen sie jetzt zwar die Zähne und ich will den auch nicht mehr als Maß aller Dinge ertragen müssen, aber sieht der Weg der Erlösung auch nicht sympathischer aus. Man muss sich das ständig neu einreden, damit man sich nicht allzu blind in die angehende Zerstörung pseudolinker Strukturen stürzt. Gerade als Traumatisierter sollte man sich nicht jeden Strohhalm der Rache greifen, sonst neigt man in der Ergriffenheit dazu, so zu werden wie sie.
Das ist in meinem etwas paralysierten Zustand über die anstehende Wahl so ziemlich alles, was mir noch einfällt zu erwähnen. Würden die Umfragen auch mit dem Ergebnis übereinstimmen, würde es zumindest auf politischer Ebene ein glibbriges Aufatmen sein, das den Unserendemokraten entweichen wird, ein wenig den Druck aus dem Kessel nehmen, den sie sich selbst aufgebaut haben. Das nur als Prognose darüber, dass man Kindergartenpolitik heutzutage hoffähig machen kann, ohne auch nur die geringste Scham zu verspüren. Das heißt ja dann auch, kein systemisches Umdenken wird sie daran stören, weiterzumachen wie bisher, und den Friedel Merz kriegt man dann auch noch klein, wenn Not am Mann ist. Das heißt sicher nicht, dass viel Substanzielles geschehen würde, weil da ist ja noch die AfD, die man so fettgefüttert hat, dass man sie nicht mehr durch die Eingangstür rausekeln kann. Und das wird wieder mal ein unterhaltsames Theaterstück werden, wenn man eine Partei und einen nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung weiterhin so ekelhaft auszustoßen versucht.
Man hegt ja noch Hoffnung, aber es wäre illusorisch zu glauben, dass bei uns mal etwas richtig umgekrempelt würde. Auch wenn sich die Kräfteverhältnisse denen in der Welt etwas angeglichen haben, wird sich nichts ändern. Das wird wohlweißlich am Sonntag Enttäuschung, demotiviertes Schulterzucken, vielleicht aber auch Vorfreude auf die nächsten Akte dumpfer Selbstentlarvungstheaterstücke mit sich bringen. Deutschland wird in dieser zerfahrenen Situation weiter vor sich gammeln wie bisher, aber wir haben ja oft in Teilen miterlebt, wie unterhaltsam der Niedergang sein kann. Also freue ich mich letztlich doch ein wenig und bestelle schon mal Wagenladungen Popcorn.
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epikur (ZG Blog) (Freitag, 21 Februar 2025 19:24)
Mir ist leider nicht nach "Popcorn" zumute. In Berlin gibt es schon schon mal einen kleinen Vorgeschmack auf das, was uns in Zukunft in ganz Deutschland blühen wird. Rigorose, wenn nicht gar umfassende Streichungen und Kürzungen im Sozial- und Bildungsbereich. Das haben alle Parteien vor. Mit Ausnahme des BSW vielleicht.
Die Milliarden, die bei Corona und in der Ukraine verbrannt wurden, kommen weitere für Aufrüstung und NATO-Anteil hinzu. Deutschland wird in 10 Jahren nicht mehr wiederzuerkennen sein. Die soziale Kälte wird zunehmen. Schon jetzt sind Jugendämter, Schulen, Familienzentren, Nachbarschaftshilfen, soziale Projekte etc. nicht nur am Limit, sondern stehen kurz vor der Pleite. Die werden alle abgewickelt werden.
Polemicer (Samstag, 22 Februar 2025 17:51)
@epikur
Ist nur allzu verständlich. Mir geht es ja nicht anders, wenn sich alles nur noch zum Schlechteren wenden wird, aller Voraussicht nach. Bleibt ja nichts anderes übrig, als sich irgendwie darauf einzustellen, den Humor nicht zu verlieren. Auch wenn es womöglich wieder sehr, sehr schwer werden wird, das hinzubekommen.