Wann ist ein Medienprodukt gnadenlos gelungen? Im Genre SciFi-Horror konnte man das wunderbar an „Alien“ ablesen, wo nicht nur reiner (in dem Fall kaum gezeigten) Body-Horror die Stimmung dominiert. Auch die destruktiv aufgestellte Story hatte dazu beigetragen, dass Ridley Scotts Filmklassiker heute noch Fans gewinnen kann. Visceral Games hatte sich eigenen Aussagen zufolge genau daran orientiert, um 2008 die „Dead Space“-Saga zu starten.
Als „System Shock“-Fan lag bei mir die Messlatte ziemlich hoch, wenn sich jemand am Genre versuchte. Selbst beim Nachfolger „Aliens“ störte mich der Actioneinschlag ein wenig, obwohl das ein Zwiespalt ist, mit dem ich gut leben kann. „Dead Space“ versuchte, die Vorzüge von „Alien“ oder „The Thing“ herauszukitzeln und schaffte es sogar, nicht wie eine billige Kopie auszusehen. Die miese Stimmung von „Alien“ und das Gesplatter aus „The Thing“ ist auch ein guter Aufhänger für die Gestaltung des EA-Slashers, optisch ein bisschen mehr nach heutigen Statuten gebaut und klotzt mit allerlei Brachialmethoden, den Spieler das Fürchten zu lehren.
Schon 2008 war die Grafik beachtlich gewesen, von der Soundkulisse mal ganz zu schweigen. Da kratzt es gegen Wände und an unseren Nerven, die einzelnen Zwischenszenen lassen uns am psychischen Zustand der Entwickler zweifeln. Man taucht in völligen Wahnsinn hinab, der auf der Raumstation USG Ishimura geschieht, werden in tiefste Abgründe hineingezogen – und als wäre das nicht genug, müssen wir uns tatsächlich noch damit befassen, wie man der fleischigen Bedrohung die Zähne zieht. Köpfschüsse sind hier nämlich nicht das Maß aller Gegnererledigungsmittel. Protagonist Isaac Clarke wird hier nicht mit einer Mini-Gun alles effektiv wegmähen können, stattdessen drückt man ihm Plasmacutter und andere Schneidewerkzeuge in die Hand. Und die muss man ekligerweise auch entsprechend einsetzen.
Die Gegner haben nämlich häufig einen anderen wunden Punkt: ihre Armextremitäten. Die sollte man tunlichst abschneiden, um ihnen endgültig den Garaus zu machen. Selbst die Beine wegzuschnippeln lässt die Nekromorphs immer noch auf uns zukriechen... wuääääh, schüttel, bäh! So plastisch-taktisch wurde noch nicht mit Körperteilen gearbeitet, für sich betrachtet schon Urängste und Ekel fördernd. Da bekommt der Ausdruck „Atmosphäre zum Schneiden“ eine ganz neue Bedeutung. Wenn es nur das wäre... zwischendrin haben wir es noch mit einem gezüchteten „Jäger“ zu tun, dem einfach nach der Zerstückelung neue Extremitäten nachwachsen. Gott sei´s getrommelt bekommen wir es mit dem eigentlich unzerstörbaren Gottkaisermonster nur selten zu tun.
Diese Sequenzen haben etwas gemeinsam mit ähnlichen Genre-Vertretern wie „Soma“ oder „Observer“, wo man sich einer Übermacht gegenüber sieht und eigentlich nur flüchten kann. Dem Rest kann man sich jedoch aktiv aussetzen, natürlich mit Baller- und Schnippelarsenal ausgestattet, das durch Funde verbesserbar ist. So kommt auch der nicht ganz so üppige Rollenspielanteil zu seinem Recht. Clarke kann sogar von der Umgebung Gebrauch machen, explosive Kanister auf die Gegner werfen und sie wie Dinge mit der „Stase“ verlangsamen, was teils für einige Rätsel nötig wird. Es wurde viel Mühe hineingesteckt, dem Spieler so weit als wie möglich Abwechslung und Durchatempassagen zu gönnen.
Für Actionfans, die auf schnelles Pacing hoffen, ist der Horrorshooter nichts. Aber wäre es auch der Atmosphäre nicht zuträglich gewesen, wenn unser Mechanikerheld irgendwelche Stunts oder eine 100m-Sprinter-Olympiakarriere im Petto hätte; so schleift er sich etwas träge durch die düsteren Gänge, dass man ihm bei besonderes heiklen Aufgaben am liebsten in den Hintern treten würde, damit er mal in die Puschen kommt. Doch unterstützt es wie angedeutet die Stimmung der Beklemmung, um nicht selbst zur Übermacht zu werden. Auch das war ein ganz dicker Pluspunkt in „System Shock“ und dem Sequel, wobei „Dead Space“ letztlich doch etwas gnädiger gestaltet ist als die Shodan-Hölle.
Bleibt noch etwas zum Remake anzumerken: Schon das Original hatte 2008 technische Maßstäbe gesetzt und eine grafisch gewaltige Optik zu bieten, nun hat man mit RTX und einigen Spielanpassungen rangeklotzt. Ein wenig hatte man sich etwa bei den Schwerelospassagen über ödes oder falsch gebalanctes Gameplay echauffiert, da haben die Entwickler auch nachgesteuert. Einzig die Entscheidung, Clarke reden zu lassen, finde ich (wie häufiger) die schlechtere. „Show, don´t tell“ ist im Horrorgenre für mich in der Regel die bessere Wahl. Mal abgesehen davon ist das Remake kein reines Make-over, sondern auch spielerisch breiter aufgestellt, durch die neuen Technologien optisch wie akustisch ein ziemliches Brett geworden, ohne auch nur ein Fünkchen an Atmosphäre einzubüßen. Wer also Lust, Zeit und vor allem Nerven hat, sollte sich unbedingt an dieses gnadenlos gelungene Metzgerfest outer space heranwagen.
Wertung: 9 von 10
Bildquelle: Screenshot (helligkeitsangepasst)
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