Vor ein paar Tagen hatten meine Partnerin und ich ein Gespräch über ihre Facebook-Nähgruppe. Sie ist dort häufiger unterwegs, um sich Inspirationen abzuholen, Ergebnisse anderer zu kommentieren oder auch mal ihre eigenen einzustellen. Eigentlich etwas völlig Banales, Unverwerfliches, etwas, was Spaß machen sollte. Wer Hobbys und Freizeitaktivitäten hat, das auch online bespricht und publik macht, denkt ja erstmal an nichts, was Kontroversen auslösen würde. Okay, die gibt’s sach-/anlassbezogen schon, weil es immer irgendwelche Besserwisser:innen gibt, die sich einmischen und in gewisser Weise die „Betriebsruhe“ stören.
Nun mögen Sie die Schultern zucken, warum ich überhaupt darüber berichte. Oder Sie nicken wissend wegen eigener Erfahrungen. Das Gespräch lenkte sich schnell in die Richtung, die sie wütend machte. Sie wollte ja nur über das gemeinsame Hobby reden und schreiben, denn politische oder gesellschaftliche Kontroversen kann man sich zur Genüge – eigentlich viel zu oft heutzutage - in anderen Gruppen oder Plattformen abholen. Es wäre ja auch anständig, wenn man seine dringlichen Anliegen, politisch aktiv zu sein (aus welchen Anliegen auch immer), auf die themendienlichen Gruppen beschränken würde.
Sie ahnen vielleicht, was jetzt kommt: In der Gruppe sind ein paar wenige User, die es einfach nicht sein lassen können, ihre politischen Statements unterzubringen. Sie skandieren dabei zuerst keine plumpen Parolen von ihren Demos gegen Rechts oder was auch immer sie auswendig gelernt haben; sie jubeln es der Gruppe mehr oder weniger unter, indem sie für Bügelbildchen werben. Die Motive sind typisch Antifa, „FCK NZS“, „Antifaschistische Aktion“ oder „Nie wieder (ist jetzt)“ als abkopierter Laternenaufbäpper für das nächste Rucksack-Nähprojekt. Soll man empfehlungsweise (also eher dringend, unbedingt!!!) kaufen und aufbügeln; es wäre nötig, wenn immer mehr Stellung bezögen.
Meine Partnerin wurde wütend. Dabei ging es ihr schlicht um die Tatsache, dass nun in vielen ihrer Gruppen, in denen sie aktiv ist und geistige Zerstreuung sucht, das Politische in jeden Lebensbereich eindringt und mit Parolen und Statements penetriert wird. Sie schrieb es auch sinngemäß, dass es eine Nähgruppe ist und das eigentlich darin nichts zu suchen hätte, doch wurde sogleich geshitstormt, dass das überall verbreitet werden müsse. Es wäre dringend, kurz vor 12, die „Schlächter“ der AfD würden unser Leben bald völlig zerstören oder was auch immer da vom Stapel gelassen wurde.
Nicht nur, dass ich ihrer Wut darüber beipflichte. Mich nervt sowas auch schnell, so dass ich heute nur noch selten in die Asozialmedien reinschaue und ab und zu bei mir selbst Statements abgebe oder meine Hobbyergebnisse einstelle. In meinen Fotografieinteressengruppen ist es zwar lange nicht so abschweifend geworden, aber muss man sich dort schon mal mit undifferenzierten Kommentaren á la „Das Bild ist scheiße“ auseinandersetzen. Selten mal kocht eine Debatte hoch, gesellschaftlicher oder politischer Natur, doch sind die zum Glück nicht so präsent. Irgendwie erstaunlich. Kann ja noch kommen.
Im zweiten Gedankengang finde ich es wieder sehr unterhaltsam, wie sich die Verbreitungsmaschinerie entwickelt. Dass sie bei X und Co. nicht mehr ganz so unwidersprochen ihre kultischen Aussagen plakatieren können, stinkt ihnen ja gewaltig. Es muss sie ja sehr beweihräuchert haben, als sie zu Corona-Zeiten behaupten konnten, was sie wollten. Und wie sie von Politik, Medien und Institutionen unwidersprochen unterstützt wurden. Heute müssen sie es anders angehen und transportieren ihre ständige Überdramatisierung und Respektlosigkeit, jede Freizeitbeschäftigung nun mit Politik zu überziehen, ausschwärmend in alle möglichen Bereiche hinein. Das kann man wohlwollend konsequent und mutig oder vielleicht aufklärerisch nennen, nur wird das mit der Dauer auch die Geduldsfäden der Unbedarften und Botschaftsempfänger wider Willen reißen lassen.
Doch nun dreht sich der Wind; langsam, bräsig vielleicht, aber unaufhaltsam, und jetzt sind sie nicht mehr die Mächtigen im Diskursraum, die mal einfach mit dem Finger auf jemanden zeigen können und sie zum Abschuss freigeben, wenn es ihnen in den Kram passt. Das ist ungefähr so billig wie der Machtanspruch, Leute dissen zu dürfen, die komisch aussehen. Noch billiger, wenn das jene tun, die sich als „empathisch“; „inkludierend“ und „demokratisch“ labeln. Das konnten sie eine Zeit lang so machen, doch jetzt, bei dem Gegenwind, heulen sie sich die Augen wund, machen den „dramatic X-it“ und aktivisieren nun jede x-beliebige Gruppe auf Facebook und sonstwo an. Also nur Rückzug zu Bluesky is nich´.
Vielleicht mag die Unbedarftheit der Hobbygruppen noch geeignet sein, anzunehmen, die anscheinende Fassadennaivität ausnutzen zu können. Und in diesem Kreischmodus ist es grundsätzlich die Eigenrechtfertigung für selbsterdachte Dringlichkeiten. Nur dass sie ohne Gegenwind auskommen würden, ist ebenso eine Illusion. Solche Gruppen sind zuerst einmal politische Blindflecken, also weiß man nicht, wer wie politisch tickt. Es kann von links bis rechts alles vertreten sein.
Offenbar geht man verstärkt nun dort hin. Vielleicht angefixt von „Demos gegen rechts“, und wenn nicht, dann eben bequem an der Wischkiste bzw. am PC und findet das Gedemonstriere irgendwie dufte. Fast verwunderlich, dass man das Nähen nicht schon pauschal als rechts framt, weil es ein Teil von häuslicher Arbeit darstellt (Stichwort Tradwife), aber da zuppeln tatsächlich öfter mal Linksdrehende. „Stricken gegen rechts“ oder „rechte Unterwanderung des Strickens“ waren schon mal newswürdig. Deswegen nur „fast“ verwunderlich; man könnte glatt noch eine Nebendebatte über das Nähen/Stricken und Feminismus aufmachen.
Nur passt der Aufreger zuhause zu dieser bedenklichen Entwicklung, mittlerweile alles durchpolitisieren zu müssen. Ist auch schon wieder seltsam, wie sich Pseudolinke wichtigen gesellschaftlichen, alle betreffenden Realitäten verweigern zu akzeptieren und diese ins stille Kämmerlein einsperren, um dann Interessengruppen ohne politische Relevanz zu infiltrieren und dieser ideologisch habhaft zu werden. Das muss man nicht zwingend ausklammern, aber man muss gerade in Gruppen und Vereinen immer damit rechnen, dass Interessenschnittmengen nicht auch politisch so sein müssen. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber die Gesinnungsprüfer durchpflügen heutzutage alle Häuser nach irgendwelchen, versteckten Feinden.
Wenn sich fremde Menschen in der Volkshochschule zu einem gemeinsamen Interesse versammeln, kennt man deren politische Meinung auch nicht. Dasselbe bei Facebook oder was auch sonst Menschen zusammenbringt. Wohin das führen kann, ist aktuell auch bei der ausgeuferten Shurjoka-Debatte zu beobachten, wo Gaming schon lange nicht mehr Thema ist, sondern nur noch der Kampf um die Herrschaft innerhalb einer Debattengruppe. „Herrschaft“ klingt ja jetzt schon wieder bedenklich – Patriarchat!!11! Und rechts und ableistisch und toxisch und überhaupt. Im Grunde ist es „dämlich“, was da mittlerweile los ist. Kleiner Machowitz am Rande. Achtung: Ironie. Nee, gilt nicht, ich bin ja cis-männlich, also schon von Geburt an toxisch-ewiggestrig-rechts-wasauchimmer-blabla.
Diese linke Masche hat mittlerweile ein echtes Problem. Nicht nur, dass sie in ihrer Apokalypsehaltung das Weltenrettendens spielen muss, mogelt sie sich nun überall rein, um ihre Botschaft unterzubringen. Nicht, dass sich das zwangsläufig so ergeben hätte, die Antifantin hat das offenbar als für sich stehendes Anliegen gepostet/kommentiert. Damit war auch dort der Gruppenfriede dahin, als hätten wir nicht schon in jeder Talkshow oder in Zeitungsartikeln genug mit den Kontroversen zu tun, dass man zusätzlich zu den Tücken des Alltags und im Beruf genug um die Ohren, um auch mal abschalten zu können.
Ich konnte den Ärger meiner Partnerin alleine schon wegen eigener Erlebnisse nachfühlen. Und ich stelle mir vor, wie das noch ausarten könnte. Zukunftsmusik zwar, aber je bekloppter und irrsinniger die Realität, desto eher besteht die Möglichkeit der realen Anwendung. Ich stelle mir dann immer vor, wenn sie in meine bevorzugten Rückzugsgebiete vordringen würden. Wenn wir beispielsweise unterwegs sind, auf Reisen. Waldspaziergang (ist ja zuweilen auch schon rechts), Städtetrip, Urlaub. Man spielt mit dem Gedanken, dass Fremde, die einem begegnen, eine Vorabfrage in den Cafés unternehmen, bevor sie sich reintrauen, oder schon drinsitzen und jeden Neuankömmling einer Gesinnungsprüfung unterziehen. Könnten ja Nazis zugegen sein. Oder im Wald auf der Wanderroute. Irgendeinen Gipfel erreicht, und jemand schreit rum und will wissen, wie alle politisch ticken. Oder ich poste eines meiner Fotos und bekomme als Filter und Freischaltbedingung eine Multiple-Choice-Abfrage, wen ich denn in drei Wochen wählen würde.
Ja, es klingt irre. Aber in diesem Brandmauergetue, das schon seit grob 10 Jahren einen aussichtslosen Kampf führt und nur das Gegenteil vom Beabsichtigten erreicht hat, ist es absurderweise nur die logische Konsequenz immer verzweifelter erdachten Aktionen gegen den politischen Feind. Und nun, da sie offensichtlich in die Hobbyregionen vordringen, wird damit zu rechnen sein, dass Ihre Betätigungsinseln mit Politik in Berührung kommen wird. Nicht, weil Sie das so wollten, sondern weil die sich dazu genötigt sehen.
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