Was Kult wirklich bedeutet, ist schwer zu definieren. In meinem Denken ist das eine Sache für wenige, die sich unnachgiebig gegenüber der Schelte vieler geben und felsenfest davon überzeugt sind, dass ihr Kultobjekt/-subjekt ihren Platz in der Welt erhalten sollen.
Ähnlich erging es einer Band, die so schnell gegangen wie gekommen war, kurz ihre Duftmarke hinterließ und schon wieder verschwand. Doch hält der Kult bis heute an, und das ist bestimmt nichts Alltägliches. Die australischen Doomer von Disembowelment profitierten sicherlich vom Death Metal-Hype Anfang der 90er und waren doch nicht die Lieblinge der Anspruchsmuckel. Das kann durchaus daran liegen, dass sie in keinster Weise in irgendeine Strömung passten, die man damals so abfeierte, also weder technisch anspruchsvollem US-Death-Metal oder die schwedisch-rohe Variante. Sie waren ja nicht mal Death, sondern Doom, und das hieß: grundsätzlich geht da – mit zwei Ausnahmen - unter sieben Minuten Laufzeit pro Song nichts.
Doch was macht dieses Album so besonders? Hätte man damals den einschlägigen Fachgazetten Glauben geschenkt, gar nichts. Die zeigten sich wenig begeistert darüber und wurden bis heute Lügen gestraft. Eine hartnäckige Fangemeinde sammelt auch heute noch jeden Nachrelease der Band, demnach muss da etwas Nachhaltiges seine Wirkung entfaltet haben. Doch was genau ist das?
Doom ist per se kaum etwas für die Light-Entertainment-Ecke, man braucht schon einen sehr langen Atem, sich darauf einzulassen. Gefühlt wird mal jede Minute an der Gitarre gezupft oder ein Trommelschlag ausgeführt, und dieses Konzept greift bei Disembowelment quasi durchgängig, lässt man Blastbeasts und Doublebass-Attacken mal aus. Der Sound ist dumpf, dreckig, hallig, kratzig. So, als würde eine Sekte im Untergrund höllische Rituale abhalten und sich in Verliesen Gefangene halten, die ihr Klagelied in lange, dunkle Tunnel krächzen. Es gibt auch Passagen, die stark an Roman Polanskis „Tanz der Vampire“ erinnern („Your prophetic throne of ivory“), dazwischen könnte es mit einem Zweieinhalbminüter fast träumerisch schön werden („Nightside of Eden“), wäre es im Ganzen nicht so abartig tiefböse, was uns da in die Gehörgänge kriecht.
Textlich versucht man sich in dunkler Mystik, wie im Albumtitel genannt in transzendentrale Sphären. Und doch bin ich geneigt, den Sound eher im Schmutzigen denn im Spirituellen zu verorten, in Kloaken, Folterkammern oder düsterem Burggemäuer, wo man kultische Versammlungen beobachtet und zur Mystik keinen Bezug hat. Ich denke, viele Hörer haben dazu eine besondere, abgründige Beziehung aufgebaut, die nachhaltiger geworden ist als es die Macher vielleicht sogar beabsichtigten. Dass die Band schnell wieder aufgelöst wurde, unterstützt den Kultfaktor um einiges.
So ganz davon abgelassen hat ein Teil des Ensembles deswegen wohl nicht. Es musste in den Zeitlupenfingern gejuckt haben, noch mal aktiv zu werden, und so besteht die Kombo, teils in Originalbesetzung an Schlagzeug und Gitarre, nun unter dem Namen „Inverloch“ weiter. Treu blieb sie sich dennoch, denn außer einer EP 2012 und dem Quasinachfolgeralbum 2016 wurde da nichts auf Vinyl oder CD gemeißelt. Ungeduldige Naturen und die, die es gewohnt sind, spätestens alle zwei Jahre neues Futter zu bekommen, dürften sich an Disembowelment/Inverloch die Zähne ausbeißen, aber wie die Musik ist auch die Bandgeschichte nichts für Leute, die schnell ihre Geduld verlieren.
Für mich macht das rein gar nichts aus, weil es einen langfristigeren Effekt hat. Vor allem, mit welch extrem gut transportierter Atmosphäre ein Klassiker geschaffen wurde, an dem ich mich bis heute nicht satt gehört habe. Zählen Sie mich also gerne zu diesen Kultisten, die meinen, dass diese Scheibe in eine Hall of Fame gehören.
Wertung: 8,5 von 10
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