Es war ein Popcornauftritt sondergleichen. Als ich meinem Vorgesetzten die Kündigung vor die Nase hielt, hatte ich mir schon zuvor in einigen Szenarien ausgemalt, wie er reagieren würde. Aber was er mir da in dieser Situation an Show geboten hatte, hätte ich so nicht erwartet.
Ja, liebe Leserschaft: Ich werde meine jetzige Klitsche verlassen und woanders meine beruflichen Zelte aufschlagen. Trommelwirbel, Tusch, Standing Ovations bitte jetzt.
Es ist was Großes und keine Alternativklitsche gleichen Ausmaßes, wo man es nicht so genau nimmt mit allgemeingültigen Bestimmungen, wo der Kundenstamm ganz besondere Hintergrundgeschichten vom Hinterhof oder Dorffest zu erzählen hat. Etwa, dass man sich am Stehtisch sympathisch fand und sich aus einer Bierlaune heraus die Kumpanei wie auch Aufträge verspricht. Dies und weitere Klüngeleien, wo sich Privates und Berufliches vermischt; wo es aus allen Poren trieft, dass unsere Chefs andere Chefs zur Schleimspurbiathlon-Championship luden und dadurch den Fuß in die Tür geschafft hatten.
Gerade im freiwirtschaftlichen Kosmos der kleinen, mittelständischen Unternehmen lässt sich das immer mal wieder bezeugen. Ich als einer der Nachzügler und Großstadtgeprägter war immer wieder überrascht, wie kumpelig mein direkter Vorgesetzter mit etlichen Verantwortlichen geredet hat. Zuweilen wurde es sogar ausgesprochen, da fielen Sätze wie „Wir kennen uns schon seit langer Zeit.“ oder „Der wohnt bei mir um die Ecke.“ - und das war/ist dann der Startschuss für eine Anlage mit Wartungsvertrag. Es kommt in diesem Kosmos wohl eher weniger vor, dass sich eine Geschäftsbeziehung rein über die Gelben Seiten und dem Finger im Geiersturzflugmodus entwickelt hat. Nein, da wurde eindeutig im Voraus genetzwerkt und sich im Delirium gegenseitig die Geschäftsehe versprochen.
Das ist eher normal denn die Ausnahme in Klitschenhausen, wo ein altmodischer Betrieb eine eng gesteckte Region bedient. Per se verwerflich ist das zuerst mal nicht. Die versuchen ferner bei der Fachkräftesuche auch genau das in den Mittelpunkt zu stellen. Es würde „familiär“ zugehen, es gäbe „flache Hierarchien“, liest man häufig. Das ist der offizielle Sprech in Stellenanzeigen, der locken soll, wenn man genug vom unpersönlichen Arbeitsleben hat, wo Hauen und Stechen im Borgwürfel die eigene Psyche so stark angefressen hat, dass man sich am liebsten zuhause einigeln würde. Doch die Locksprüche bedeuten eigentlich nur, dass man quasi in ein Gefüge rutscht, was man im sozioökomischen wie demografischen Sinne als „ländliche Regionen“ oder - polemischer ausgedrückt: Bauerntrampel – kennt. Mit all seinen Stereotypien.
Oft habe ich mir in meiner beruflichen Laufbahn darüber Gedanken gemacht, welches Umfeldsmodell für mich am günstigsten wäre. Da ich jetzt so einige davon durch habe und nun kurz vor dem Wechsel stehe, würde ich meine Entscheidung darüber den so rechtfertigen, dass ich mit etwas unpersönlichem Umfeld weniger Probleme habe denn mit der angeblich so menschelnden Landmentalität. Das ist etwa für introvertiere Menschen wie mich vielleicht sogar das Falsche, weil dann auch fast erwartet wird, auf Kneipenprollo zu machen: höhö, alte Stinksocke, alles fit im Schritt, solche Geschichten.
Häufig hört und liest man von Vor- und Nachteilen dieser beiden unterschiedlichen Lebensweisen. Gerade im Moment scheint die Kontroverse wieder mehr aufzuflammen, wo der Neoliberalismus an gewisse Grenzen stößt und die Generation Z durch ihr wirtschafts- und systemkritisches Aufbegehren in Korrelation mit dem eklatanten Fachkräftemangel eine fundierte Drohgebärde aufbauen kann. Lässt man die Heulsusen auf TikTok mal weg, haben die durchaus nachvollziehbare Argumente parat, der verhärteten Arbeitsmoralvorstellung von 60-Stunden-Schuftereien die Leviten zu lesen. Nur hat das keine Querverbindung zu den genannten Lebensweisen, weil in Hinterklammerenhausen ein Mitarbeiter mit Verantwortung genauso so sehr mit seiner Arbeit verheiratet ist (oder sein muss) wie Mitarbeiter 123X-Y-2.0 in der Massentierhaltung eines quadratischen Büroklotzes mit seinen Großraumzellen in Mainhatten.
In Klitschen sind wahrscheinlich nur die Motivationen dieser Aufopferung andere. Dort will man das Fundament und die sich schön gesoffenen Auftraggeber schon rein zwischenmenschlich nicht enttäuschen und begibt sich darin in eine gesonderte, besondere Abhängigkeit, was der Drohne im Borgwürfel herzlich egal sein kann. Und diesen Rechtfertigungs- und Ausführungsdruck gibt man im Hause Landei auch entsprechend an die Belegschaft weiter, betont es noch mal. Man solle sich ordentlich anstellen, wie aus dem Ei gepellt auf der Familienfeier auflaufen und brav Köpfe tätscheln und sich tätscheln lassen. Und ich so: „Herrgott, ich hasse dieses Rumgeschleime, als müsse ich jetzt gleich auf ein Bier dem Hausmeister oder dem Abteilungsleiter hinterhertrotten und gute Laune simulieren.“. Man wird so zur Verfügungsmasse unter Vorspiegelung falscher Tatsachen vom „familiären Umfeld“ und wird sozusagen zur Dienerschaft degradiert, der dem großen Meister Kunde ja bloß jeden Wunsch von den Lippen ablesen soll.
Dem gegenüber steht dann die Geschichte vom Großkonzern in der Großstadt, wo Imagepflege nichts mit der Erwartungshaltung zu tun hat, wie viele Humpen man gemeinsam schlucken kann. Da gelten ganz andere Gesetze: Bling-Bling, Smalltalk nach Coachingplan und hohe Nasen. Da fällt es auch leichter, mal „Nein“ zu sagen. Opportunes Gehabe ist ähnlich, aber doch anders. Nur wäre es zu kurz gedacht, diese strikte Trennung vorzunehmen, weil es mittlerweile auch im kleinstädtischen Milieu teils zugeht wie in icke-micke-ficke-Berlin. Da findest du ebenso Leute, die so beschissen woke drauf sind wie die Biosaftnasen von Prenzlauer Berg, im Elterntaxieren ihrer Gottkaiserkinder stehen die den Hauptstadtnabel-der-Welt-Vorbildern in nichts nach. Das heißt weiterführend auch, dass die urbane Arschigkeit auch im ländlichen Raum Einzug gehalten hat wie auch die Metropolisten aus den Großstädten ihr Landglück suchen und haben somit auch dem Hinterwäldlertum ihren Stempel aufgedrückt.
Das nur zur Verdeutlichung, wie ambivalent das Landleben heute sein und das für „Ewiggestrige“ zum Problem werden kann. Da vermischt sich das Traditionelle, klischeebeladen Schlichte mit der Moderne, in der das etwas plump klingende Kurpfalzhessisch auf astreines, zugezogenes Hochdeutsch trifft. Es sind zunehmend feine Details, die Land von Stadt unterscheiden, und doch gibt es immer noch die gedachte Trennlinie Alt wider Neu. Mein Noch-Chef ist so einer, der versucht, modern zu sein, schafft es aber nicht mal im Ansatz, seine altmodischen Ansichten ad acta zu legen. Der stammt noch aus einer Zeit, in der man Einzelbauteile in TV-Geräten selbst austauschte, und das Ding war repariert. Heute geht das im Grunde gar nicht mehr, aber das ist bis heute bei ihm nicht ganz angekommen.
Auf der persönlichen Ebene gibt es aber einen eklatanten Unterschied. Von Tag Eins an musste ich schon Bekanntschaft mit der hinterwälderisch-herrischen Art des etablierten Kollegiums machen, was natürlich keine moderne Kommunikation ist, sondern die alte Leier cholerischer Anfälle beim beinharten, schrulligen Julius Röhrich aus dem ersten Werner-Film (zumindest bestenfalls). Akt Zwei in der Zwischenmenschlichkeitstragödie war das Hintenrumgelaber, das natürlich nie auf Anwesende abzielte, sondern nur auf alle, die nicht im Raum zugegen waren. Da wurde über Hausmeister XY gewettert, gegen „Telekomiker“, gegen Ex-Kollegen und aktuelle. Und das nicht schlecht, bis einem glatt schlecht wurde. Woanders in meiner Bloggeschichte habe ich schon erwähnt, dass man so etwas immer gut beobachten sollte, wenn man auch nur einen Pfifferling darauf gibt, wie hinter deinem Rücken über dich geredet werden könnte.
Jetzt wurde mir mal an den Kopf geschmissen, dass man nicht wisse, was man mit mir anfangen solle. Aber, noch zusätzlich: ich würde doch gebraucht. Na ja, dann hätte ich mir aber schwer überlegt, ob ich vielleicht meine Einarbeitungsstrategie ganz anders angegangen wäre und nicht jeden Fehler oder jede individuelle Auslegung gleich für jene dummen Sprüche zum Anlass genommen hätte. So hält man sich niemanden oder verhält sich gegenüber jemandem, den man „braucht“. Ich habe bis dato einen ziemlich dicken Geduldsfaden bewiesen, aber auch unter der Voraussetzung, dass die Routinearbeit zumeist keine langen Büroaufenthalte bedingte. Man war schnell draußen, im Auto, direkt unterwegs, und das war so der gute Part für mich. Sich verkrümeln und eigenständig den Tag rumbringen, wenn das zwischenmenschliche Gefüge so derbe daneben ist.
Es gibt noch weitere Gründe für die Selbstentfernung aus dem Betrieb. Wie schon angeschnitten, nimmt man es mit der Qualität der Ausstattung für Mitarbeiter nicht so genau. Mir hat man etwa eine Holzleiter hingestellt, die sichtbar schon etliche Baustellen hinter sich hat, dazu ein selbst geprüfter DGUV A3-Aufkleber drauf (schöner, sauberer Aufkleber, scheiß auf die Leiter), der schön kaschieren will, dass mir gerade kürzlich das Ding unter meinen Füßen zusammenklappte. Die XL-Version, die ich wenig später benötigte, machte gleich auf Materialermüdung – eine Sprosse brach. In beiden Fällen hatte ich noch Glück gehabt. Wenn man mit derartiger Ausschussware zum Kunden soll, wartet man nur noch auf den Moment, dass einen das Glück verlässt und der Notarzt zweimal klingelt. Oder die Berufsgenossenschaft.
Mit neuem Werkzeug und so hat es die Firma nicht so. Kostet ja Geld. Also fahre ich schon seit Beginn des Beschäftigungsverhältnisses mit einem Kastenwagen von anno dazumal und leichtem Motorschaden herum. Ein Kollege mit der Erdgasversion, der auch einen Benzintank hat, ebenso. Der ist auch bitter nötig, weil den Erdgasteil wohl ein dubioser Pflanzensprengstoff zerstört hat (nein, Spaß, keine Ahnung, er funktioniert halt nicht), und so bleibt ihm nur noch der 7-Liter-Benzintank und tägliches (!) Aufsuchen einer Tankstelle. Ich würde mich schämen, so aufzulaufen. Tue ich übrigens. Dazu warte ich noch bis heute auf essentielle Maschinen und Werkzeuge, die man in seiner Geizgeilheit oder warum auch immer einfach nicht besorgt.
Sie haben sicher recht, wenn Sie sagen, ich müsse denen mal auf den Wecker gehen, damit sich was tut. Nun, das habe ich getan, und bei der Menge an Anliegen gehe ich mir allerdings quasi schon selbst auf den Wecker. Irgendwann gibt man auf, weil Erfolgsaussichten gering bis nicht vorhanden sind. Mir wurde bis auf Handwerkzeug alles aus Altbeständen in die Hand gedrückt, wo auf den Kästen noch die Namen längst vermisster, geschasster und enttäuschter Mitarbeiter draufstehen.
Ich könnte jetzt einen halben Roman damit füllen, was im Einzelnen vorgefallen ist. Allerdings bin ich fest der Meinung, dass das von Beginn an zum Scheitern verurteilt war. Eine simple Begebenheit der ersten Tage lässt mich das annehmen, weil es auch eine Art Mantra im Betrieb bedient, in Verbindung mit dem Getuschel des Kollegiums, das ich schon beschrieben habe. Ich hatte grob skizziert nur Interesse daran, etwas zu lernen und stand dazu hinter dem Kollegen und beobachtete sein Tun. Statt dies nun auch als „interessiert“ aufzufassen, maulte er sogleich herum, ich solle nicht rumstehen und irgendwas arbeiten. Bäm.
Also sofort auf Konfrontation gegangen und mit ziemlich eng gesteckten Ansprüchen Fronten geklärt. Dazu kam noch, dass ich wegen der Pflicht des Tragens von Sicherheitsschuhen einen Gichtanfall erlitt. Ich bin dafür ja anfällig, und dieser Anfall war dermaßen heftig, dass es ca. 6-7 Wochen dauerte, bis der abklang. Das lag natürlich auch daran, dass ich mich nicht krankschreiben ließ – war eine scheiß Situation, direkt in den ersten Wochen im Betrieb gleich so einen schmerzhaften Dampfhammer erleiden zu müssen. Also lief ich sozusagen als Kompromiss mit Sandalen herum. Doch das einzige, was man dazu kommentierte: „Wie sieht das denn beim Kunden aus??“. Sie wissen schon: die Familienfeier. Lackschuhpflicht.
Mir ist bewusst, dass ich das gleich hätte entsprechend bewerten können, dass man sich so gegenüber seinen Mitarbeitern nicht zu verhalten hat und man selbst so viel Selbstbewusstsein hätte, diesem Gebaren angemessen entgegen zu wirken. Mir war aber eher das Ziel wichtig gewesen, fachlich tiefer in die Materie vorzudringen (was dann eher durch das Trial & Error-Prinzip geschah) und viel weniger die persönliche Ebene gelungenermaßen zu vertiefen (was schon von Beginn an an ihrer rüden Art scheiterte). So testete ich nur noch sehr lange meine Leidensfähigkeit aus und fuhr mit einem rumorenden Magen täglich zur Arbeit.
Meinen Willen zum klärenden Gespräch versuchte ich dann und wann auch anzugehen, aber jeder Ansatz war zum Scheitern verurteilt, weil man mir einfach nicht zuhören wollte. Irgendwie sonnte ich mich dazu an der Verzweiflungsaussage vom Gebraucht-werden, aber machte es mir dadurch sicherlich nicht leichter und hoffte tagtäglich auf ein eher zugewandteres Verhalten. Das war letztlich den Tageslaunen im Betrieb geschuldet, wo man erahnen konnte, dass gerade der Haussegen schief hing oder es mal ein Kurzzeithoch erfuhr. Aber macht man sich dadurch vom Verhalten anderer abhängig oder deren Wohlwollen, weil man sich selbst fachlich verbessern wollte. Das hätte man auch über Lehrgänge und Seminare erreicht, aber – wie schon erwähnt – kostet so etwas Geld. Also wird da eine seltsame Kosten-Nutzen-Rechnung aufgestellt, dass man beim Kunden herumschraubt und nebenher noch quasi auf Kundenkosten was lernen soll.
Anfang des Jahres brachte ich mich in die alles entscheidende Situation, Grundsätzliches ins Gespräch zu bringen und ging einen etwas unkonventionellen Weg. In der Ratlosigkeit meines Chefs, was er mit mir anfangen solle, schickte ich ihm eine Email mit einem Link zu üblichen Verhaltensweisen introvertierter Menschen. Einerseits, um ihm eine Orientierung zu liefern, wie man es mit mir angehen könne, andererseits als heimliches Austarieren, ob er die Mail/den Inhalt ernst nehmen oder sie als unwichtig abtun würde.
Sein Kommentar dazu: „Dann müssen Sie sich arbeitsunfähig schreiben lassen.“
Noch mal „BÄM!“.
Danach ein müdes „Uff.“ meinerseits.
Ich dachte nur, wenn jemand den Unterschied zwischen einer Persönlichkeitseigenschaft mit einer Krankheit nicht erkennt, weiß man ja recht genau, was man sonst davon zu halten hat.
Seitdem war ich auf der Suche nach einem neuen Job. Ich ließ mir Zeit dabei und ertrug parallel dazu den täglichen Mumpitz mehr oder weniger stumm weiter. Da die Zeiten im Moment recht günstig sind, einen Jobwechsel aus einer bequemen Situation heraus in Betracht zu ziehen und man in diesen schwierigen Zeiten die Rahmenbedingungen zu eigenen Gunsten verbessern sollte, kann man sich durchaus diesen Luxus leisten. Und da ist dieser dringende Bedarf an Fachpersonal in allen möglichen Bereichen natürlich eine dankbare Sache. Vorher wäre man nur über Umwege oder gar nicht da reingekommen, diese Erfahrung hatte ich in der Vergangenheit auch schon gemacht. Heute kann man sich das tatsächlich aussuchen. Zumindest noch.
Wie immer kreisen die Gedanken in der Endabrechnung bei mir darum, wie viel Anteil ich selbst und wie viel die Klitsche zu verschulden hat. Sicherlich beide. Auch ich habe Mist gebaut, das will ich gar nicht unter den Teppich kehren. Aber ist auch der Umgang anderer damit ein Gradmesser für die Integrität eines Betriebes, und in diesem Fall ist es ziemlich offensichtlich gewesen, dass dieses altmodische Getue, der Unwille zum Investieren und dieses imageversiffte Geklüngel nicht mein Ding ist. Dann passiert auch immer etwas, was sicher nicht Wogen glättet oder automatisch noch mehr ins Abseits führt – ich werde fahrig und mache noch mehr Fehler, statt mich mal zusammenzureißen und trotzig die verlangte Leistung abzuliefern. Vielleicht auch als stille, indirekte Bitte, mir zu kündigen, damit ich meine Ruhe habe und ich eine Sperrung seitens Arbeitsamt umgehen kann. Manchmal gewöhnt man sich Sachen an, die gibt’s gar nicht...
Na ja, und dann diese Show, die Chefe zum Abschied abzog. Anfangs bemühte er sich noch, eine Art väterlichen Ton anzustimmen, aber das tat er ja immer mal wieder. Lange hielt das allerdings nicht an, denn danach wurde wieder alles vorgekaut, was er mir... uff... schon lange mal sagen wollte. Zu dumm, dass ich das schon x Male von ihm vorgekaut bekommen hatte. Dieses Mal jedoch tat er das mal ausnahmsweise vor anderen Leuten als in der Abteilungssupertruppe, so lieferte er mir auch nur die Bestätigung, warum ich gehen sollte. Da saß nämlich noch ein Kollege (auch Prokurist) dabei, mit dem die Abwicklung der Kündigung abgestimmt werden musste. Der liebe Kollege hat allerdings auch so seine Probleme mit ihm (hatten offenbar viele, wie ich im Laufe der Zeit erfuhr), bezeugte dann sichtlich peinlich berührt, wie da jemand leicht zu triggern war und so richtig über mich abzuledern begann.
Ich brauchte gar nicht viel dafür tun. Ein, zwei süffisante Bemerkungen reichten dafür aus. Dass er mehr oder weniger einen furiosen Abgang hinlegte, mir nicht mal abschließend die Hand reichte und noch im entfernten Flur vor sich hin zeterte, war für mich schon ein trauriges Schauspiel. Manche hätten mir jetzt geraten, noch einen schnippischen Kommentar zu entgegnen, aber da hatte sich gerade jemand selbst so sehr selbst zum Affen gemacht, dass man das als stiller Genießer einfach laufen lassen konnte. Schließlich konnte ich mich vom Kollegen noch anständig verabschieden.
So kann ich mit einem Gefühl von innerer Zufriedenheit aus der Sache gehen und mich schon auf die neue Aufgabe vorfreuen. Ich soll nämlich in den ersten Monaten auf viele Lehrgänge geschickt werden. Also genau das, was die Erbsenzähler GmbH gar nicht bezahlen wollte und will. Schon aus diesem Anreiz heraus kann ich der Vergangenheit eine lange Nase machen. Das war nicht immer so, doch dieses Mal muss ich mir keine unnötigen Schuldgefühle einreden.
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epikur (ZG Blog) (Freitag, 25 Oktober 2024 12:22)
Ich habe irgendwo mal gelesen, dass folgende Kriterien darüber entscheiden, ob man halbwegs zufrieden auf der Lohnarbeit ist oder nicht:
1. Verhältnis zum Chef/Leitung
2. Arbeitsweg
3. Bezahlung
4. Sinnstiftung der Tätigkeit
5. Verhältnis zu den Kollegen
Man wird wohl kaum eine Arbeitsstelle finden, wo alles passt. Aber wenn 3 oder 4 Kriterien positiv beantwortet werden, ist das schon viel. Wenn 3 bis 4 negativ beantwortet werden, sollte man eine Entscheidung treffen. Leider treffen die viele nicht und so hat man haufenweise Leute auf Lohanrbeit, die innerlich gekündigt haben und die man nur mitschleift.
Insofern: Glückwunsch, dass Du konsequent Dir selbst gegenüber warst! Können heutzutage auch immer weniger Menschen.
Pascal (Freitag, 25 Oktober 2024 14:14)
Zunächst auch meinerseits félicitations zum neuen Job!
Für einen, sowohl dem Unternehmen wie auch den Mitarbeiten gegenüber in Verantwortung stehender Chef ist die Auffassung, man könne heutige Consumer Elektronik wie einst auf Transistor- und IC-Ebene reparieren, zumindest mal einigermassen unverantwortlich anachronistisch.
Ich kenne den Typen nun nicht, denke aber, dass er diese Auffassung nicht so sehr aus idealistisch-nostaligischem Antrieb aufrecht erhält, sondern eher deswegen, vermutlich aufgrund seines Aufstiegs, weil er derart von der Arbeitsfront am Lötkolben entfremdet ist, so dass er es schlicht nicht besser weiss.
Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass es bei den heutigen Geräten schon viel unbezahlte Zeit, Ausdauer und Motivation braucht, wenn überhaupt möglich, diese bei einem Defekt wieder zum Laufen zu bringen; sofern nicht gerade das Netzteil das Problem darstellt.
Allerdings kann dieses verschrobene, kleingeistige Getue und das clanartige gegeneinander Rumpaktieren auch in grossen Firmen schamlos ausgelebt werden. Das beginnt meiner eigenen Erfahrung nach genau dort, wo man sich par ordre du Mufti duzen muss, unabhängig von der jeweiligen Position im Unternehmen.
Und ja, Landleben, ist halt so ne Sache. Mir ist dieses piefig Kleinbürgerliche, was im dörflichen Umfeld einfach omnipräsent ist, recht suspekt, da ich selbst sowohl von der Erscheinung wie auch von der Gesinnung her, selbst nachdem ich mittlerweilen zum Konservativen mutiert bin, inkompatibel mit diesem Schlag Landmensch bin.
Eine persönliche Ausnahme waren die 11 Jahre in der italienischsprachigen CH, wo mich mal jemand auf der Strasse ansprach und fragte, ob ich denn schon lange hier wohne und das Gegenüber mit reichlich Überraschung reagierte und meinte, er hätte mich noch nie gesehen, nachdem ich erwähnt hatte, dass ich bereits seit über 7 Jahre hier täglich unterwegs sei. Das war eine wohltuende Ausnahme in einem kleinen Bergkaff mit 500 Einwohnern.
Die Spiessergesellen auf der Alpennordseite hingegen, egal ob nun deutschsprachig oder romands mit ihren sterilen Gärten, den sonnabendlich rausgeputzten Autöchen vor der Bude und den zurückgezogenen Vorhängen in Küche und Wohnzimmer, damit sie immer ein Auge auf das Treiben bei den Nachbarn halten können, quittiere ich mittlerweilen nur noch mit unverhohlener Abscheu und Verachtung.
Polemicer (Freitag, 25 Oktober 2024 14:31)
@epikur
Ehrlich gesagt schwanke ich noch in meiner Selbstwahrnehmung. War ich zu duckmäuserisch in den jeweiligen Situationen oder war das der richtige Weg, sie machen und in dem Glauben zu lassen? Ich tendiere eher zu zweitem, auch wenn ich nicht schlagfertig genug bin, wenn was passiert ist. Wobei man keine Diskussion beginnen braucht, wenn du weißt, dass sich da niemand was einreden lassen will und als Gottkaiserfachkraft keine Kritik duldet.
Es war sicher nicht alles schlecht dort, aber wenn sich schon die einzelnen Abteilungen nicht grün sind und die schlechte Reputation draußen hauptsächlich bei der hängen bleibt, in der du untergekommen bist, gibt das halt zu denken und man arrangiert sich entsprechend damit. Das würde jetzt den Rahmen sprengen, das genauer zu beschreiben. Auch wenn es das Allgemeinbild schärfen könnte.
Bei der Liste war es ebenfalls nie komplett gleich. Mal Punkt 2 und 3 (Arbeitsweg von 30-40km einfach bin ich berufsbedingt gewohnt). Mal Punkt 4 dazu, wenns brummte. Punkt 1 und 5 höchst selten.
Polemicer (Freitag, 25 Oktober 2024 16:23)
@Pascal
Im Grunde stellt er dich auf die Baustelle, erwartet alles Fachwissen der Welt bei dir, weil du mal ne Ausbildung gemacht hast, die ein paar Schnittmengen mit dem aktuellen Job hat. Das Planen von Baustellen mit VdS-Bestimmungen geht ja auch direkt mit der Ausführung einher, und da hatte er tatsächlich immer die Ausrede parat, ich wäre doch gelernter Fernmelder und müsste ja automatisch alles über Sicherheitstechnik wissen und selbst deichseln. Das ist reiner Bullshit, wenn man noch Lernbedarf hat, aber so hat man sich aus der Verweigerung zum Schulen rausgeredet. Du wirst dann beim Kunden abgestellt, kriegst ne Bedienungsanleitung in die Hand gedrückt und "Mach ma.". Wenn du Scheiße baust, wird man das schon zu spüren kriegen (deswegen Trial&Error).
Dieses Landplagenleben - kommt immer drauf an. Kann funktionieren, aber wenn dann eher auf Kleinstadtniveau aufwärts, nur sind die an der Bergstraße mehr oder weniger ziemlich stoffelig drauf. In den Käffern dahinter ist es ganz schlimm (weniger oberflächlich stoffelig, aber hinterlistig), und wenn so einer aus dem Odenwald in den Kreisstädten aufsteigt (wie du richtig sagst), dann kommt so ein Gebaren raus.