Ein kleines Skandälchen hier und da – was macht das schon aus? Beim Thema „Scripted Reality“ kochte vor Jahren mal eines hoch, als sich herausstellte, dass Sendungen mit dieser Genrebezeichnung viel mehr „scripted“ waren denn „reality“. Durchgecastet, frei erfunden. Manche fühlten sich dabei vor den Kopf gestoßen, obwohl es in der Absurdität des Sendeformats in seinem Gesamteindruck wie auch bei Einzelszenen eigentlich keine Überraschung war. Als man nach der Nachstellung von echten Vorfällen zur Realfiktion überging, blitzte immer wieder das Gedankengulasch durch, was jedem halbwegs vernünftigen Zuschauer schon vor Bekanntwerden des Skandals signalisierte, dass das erdachter, realitätssimulierender Quatsch ist, was man uns da versuchte unterzujubeln.
Solch verschwimmende Grenzen waren damals ein Warnzeichen, aber aufgrund der Irrelevanz der billig zu produzierenden Lückenfüllerformate bis dato eher harmlos. Deswegen reichte es zu nicht mehr als einem kleinen Skandälchen, wenn Beziehungskram oder Heimlichtuerei nicht wirklich passiert sind. Man hätte die Sendungen auch weiter produzieren und anschauen können, eben nur mit dem Hinweis versehen, dass es fiktive Geschichten sind und man die Formate auch mit diesem Hintergrundwissen schauen könnte. Eher ein Problem war der Umstand der Vermischung von Realität und Fiktion im Bewusstsein der Zuschauerschaft, und bis heute glauben noch manche, dass diese Sendungen die wahrhaftige Realität wiedergeben würden.
Nun sind seitdem schon wieder gut zehn Jahre ins Land gegangen. Irgendwie ist das Thema schon lange wieder versandet, und die Formate kommen und gehen. Irgendwas zwischen Dauerbrenner „Benz-Baracken“ und Pseudo-Krimiformaten mit Heldenteams on the job werden zur Abwechslung nicht klassisch inszeniert, sondern im genannten Straßenformat konstruiert. Die Aussage der Einzelformate beschränkt sich grob auf Heldenzeichnung und Alleskönner von nebenan, eine Art Loblied auf unsere hilfeleistenden Stellen. Die in allerlei Alltagsdramen geraten, ihren Job tun, und das natürlich immer mit gesichtswahrendem Ausgang. Ohne Happy End geht im Riesel-TV kaum etwas.
Okay, soweit das Vorgeplänkel. Parallel dazu scheint die Scheinrealität nun auch die relevantesten Bereiche befallen zu haben. Dort, wo die ungeschönte Wahrheit passiert, in der „Helden“ sich aus Trotz krankschreiben lassen, ihren Job, das eigene Kollegium oder den Arbeitgeber hassen oder schlecht bezahlt sind. Schon hierin gehen Realität und Pseudorealität immer weiter auseinander. Und wenn die wahrhaftige Realität zu viele Befürchtungen nährt, versucht man heute tatsächlich, der zu den eigenen Gunsten auf die Sprünge zu helfen – sei es durch Sprachanpassungen, Agenden oder Sendungen, die nicht nur im „Scripted Reality“-Universum fiktiven Charakter haben. Nun wird sogar schon die politische Willensbildung teilgescriptet und immer fadenscheiniger zur Realsimulation.
Nun versuchen sich die öffentlich-rechtlichen Medien an einer Art Wunschkonzert unter fingierter Zufälligkeit, weil man sich prinzipiell in der äußerst sensiblen Welt der Informationsverbreitung bewegt. Jeder fingierte Umstand in ihren Sendungen ist dabei schon skandalwürdig, was nur durch eine feine Trennlinie zwischen Meinung und Information getrennt ist. Doch wie will man Vertrauen zurückgewinnen, wenn man Framing-Pamphlets bemüht, im Penny sich selbst interviewt und neuerdings Shows mit politischen Inhalten aus dem Boden stampft, die offenkundig wertend sind und somit eine Vertragsverletzung im Sinne des Informationsauftrages von ARD und ZDF erfüllen? Dass der Verdacht auf Meinungsmache oder gecastete „zufällig ausgewählte Bürger“ im Raum steht? Wie will man diese Spirale von jüngsten Aufdeckungen denn noch weiter als ungerechtfertigt erklären, wenn es doch offensichtlich ist, dass weder diese simulativen Formate wie auch jüngste Ansprachen zu ersten Wahlhochrechnungen zu einer konzentrierten Agenda mit offensichtlicher Schlagseite verschmelzen und somit dem Wählerwillen keinerlei Respekt mehr zollen?
Die nächste Stufe der Brandmauerschlacht für schlechte Verlierer ist nun die frontale Einbindung der Figur des „Bürgers“, mit der suggeriert werden soll, man würde die Mehrheitsverhältnisse der Demokraten so gegen die AfD positionieren können. Und das ist in der finalen Absicht nichts Neues. Nur ist es nichts weiter als die „Demo gegen rechts“-Eskapade und ein wortloser Ausweg aus der Orchestrierung dieser Demozüge wie auch dem „Wannsee 2.0-Scoop“, der mehr vor Gericht endete denn nur die Absicht der Mobilisierung der Demokratieverteidiger erreichte. Da man anscheinend ertappt worden ist, wie schnell man sich zu den Demos zusammenrottete und vor allem Organisationen sich die Bälle zuwarfen, ist der nächste Versuch nun die Fokussierung auf scheinindividuelle Abbildung einzelner Leute von nebenan. Nun ist der „Bürgerrat“ die neue Stichwortstrategie, die so schnell aufgeploppt ist wie Feen aus dem Paralleluniversum, die zwielichtige Sendungsfolge „Die 100“ zur AfD passt dazu wie die Faust auf´s Auge. Ferner inszeniert man einen „Bürgerrat“ mit freundlichen Unterstützung diverser Stiftungen, die neue, grenzüberschreitende Forderungen an Fancy Nancy übergaben.
Wenn ein Karl Lauterbach zur Corona-Aufarbeitung gleich nach „Bürgerrat“ schreit, lässt sich erahnen, wie man das eigene milliardenschwere wie moralische Versagen mit solchen Pseudokontrollinstanzen heimlich entsorgen will wie Giftmüllfässer im Ozean. Würde man die Kontrolle allerdings abgeben, wäre kaum etwas vom Wunschdenken erhaltbar, wie eine gesamte Gesellschaft sich politisch positionieren soll oder wie sie zu Lockdowns und Lügen wie „praktisch nebenwirkungsfreie Impfung“ zu stehen hat. Man weiß, dass – wenn die Wahrheit ungefiltert ans Licht käme – der gesamte Komplex aus medialer Verbreitung oder Kosten/Nutzen-Rechnung durch Regierungshandeln bedenklich wanken würde, was entweder die meisten zum Rücktritt zwingen oder sie bei besonderer Schwere vor Gericht zerren könnte. Aktuell versucht man etwa krampfhaft, die Legislaturperiode bis zur Wahl zum Abschluss zu bringen. Und da Forderungen nach direkter Demokratie wie auch den Rücktritt der Ampel immer lauter werden, serviert man geschwind eine Version, die eben nur eine Simulation dessen ist, um auch in dieser Instanz nicht die Kontrolle zu verlieren. Nichts wird hier dem Zufall überlassen, und würde es doch geschehen, würde das ihren Karrieretod bedeuten. Man will in dieser Entwicklung hastig „vor die Ereignisse“ kommen, damit sie sich nicht verselbstständigen.
My Inner Senf dazu: So allmählich habe ich die Schnauze voll davon, wie man diesen Einbahnstraßenaktivismus unbeirrt und wahngesteuert weiterführt. Wieder wird die Opferrolle gezückt, redet vom „Volkssport Grünen-Bashing“ - mag sein, aber der passiert ja nicht, weil ein paar böse Jungs wie ich einfach Bock drauf hätten. Das hat schon seine guten Gründe, auch wenn Ricarda das nicht sehen will. Es ist doch kaum zu verhehlen, dass all die Anstrengungen der letzten Jahre nur ins Gegenteil führen und jeder Anspruch auf realpolitisches Handeln in fast allen Belangen bitter enttäuscht wird. Vor allem die Grünen tun sich immer wieder hervor, mit unverhohlenen wie weltfremden Forderungen in Richtung eines Orwell´schen Totalitarismus. Zur allgemeinen Impfpflicht etwa war sich die Partei sehr, sehr einig gewesen. Und nun kann man sich in allen aktuellen Bürger-simulierten „Kampf gegen Fake News“-Events wiederfinden – einerseits, um die Parteienideologie verschwimmen zu lassen und somit den finalen Genickschuss zu vermeiden, und andererseits, weil das wirkliche Stimmungsbild eben nicht dem simulierten entspricht.
Wenn der harte Vorwurf von Allmachtsvorhaben im Raum steht, muss es auch möglich sein, dies kundzutun. Bis zu einem gewissen Grad haben sie das auch unterbunden – man überlegt sich im Alltag wirklich mehrmals, ob man losledern will oder nicht. Zu meinem eigenen Bedauern tue ich das auch. Bevor nicht die Gesinnungspolizei vor der Tür steht, Anwaltsschreiben ins Haus flattern, was auch immer momentan so an Ideen im Raum stehen, kritische Stimmen zu bestrafen. Nun habe ich es doch geschrieben, und mir ist bewusst, dass das eine Theorie ist. Aber sind wohl die Grünen viel mehr Wolf im Schafspelz, mit ihren „wunderbaren Weltuntergangsszenarien“ und einer utopisch anmutenden Klimaneutralität, die sie einfach nicht vorleben und sich zum Beispiel mit LNG und US-Frackinggas von ihrer Putin-o-manie lösen wollen.
Ich fühle diese Ambivalenz zwischen Angst und Trotz. Darüber bestimmt meist der Tag, welche Infos durch die Gazetten geistern. Welche sind davon realbasiert? Welche konjunktiv? Schon alleine der Umstand einer etwaigen, medialen Wunschsimulation gibt mir hart zu denken. Es verhärtet nur noch mehr deren katastrophenphilosophische Szenerien, in denen der Beelzebub in deren ideologisches Feindschaftsdenken gekrochen ist, was ich nur noch als im höchsten Maße abstrakt, destruktiv wie absurd ansehen kann. In dieser wahnhaften Überzeugung bringen sie allerdings eigenverantwortlich genau das auf den Weg, vor dem sie uns warnen. Und das kann man sprachlich nicht mehr toppen geschweige denn beschönigen, egal wie man sich gegen den drohenden Machtverlust stemmen mag. Manchmal bin ich extrem belustigt, wenn sich abzeichnet, dass sich etwas als Blödsinn herausstellt, aber dann kommen sie schon wieder mit den neuesten Thinktank-Drehbuch-Hirngespinsten um die Ecke.
Sie sind einfach schlechte Verlierer, unabhängig von Politikressort, die in ihren Rückzugsgefechten bis zum Äußersten bereit sind. In diesem Vorgehen zeigen sich ebenso Parallelen zwischen linksgerichteten Parteien wie der Mainstreampresse. Bisher sind alle „Einzelfälle“ medialmanipulativer Beeinflussung noch glimpflich bis unvollständig geklärt ausgegangen bzw. eingefroren. Doch ist es, wenn das Schmierentheater so weiter geht, nur noch eine Frage der Zeit, bis das im Gesamten betrachtet zu einem großen Problem wird. Die Verschmelzung von simuliertem Alltag mit ernsthafter, politischer Willensbildung wird nun tatsächlich zu einer gefährlichen Entwicklung – hat der NDR uns nun eine Sendung in infantil-verkürzter Weise als Mischwesen aus „Wer wird Millionär“ mit extrem schlicht aufgebauter Suggestivbefragung und alter Michael Schanze-Sendung zur Prime Time vorgesetzt.
Es wirkt wie „Scripted Politics“. Es ist letztlich wieder nicht beweisbar, ob das alles einem Drehbuch folgte, aber bezeugt man einen völlig absurden „Happy End“-Kommentar eines „zufällig“ vor das Mikro gezerrten, scheinbar geläuterten AfD-Sympathisanten, der sich aber als häufig gecasteter Laiendarsteller entpuppt, wirken die aggressiven Relativierungsversuche des Senders (er wäre aus freien Stücken in die Sendung gegangen und hätte keine Gage erhalten) einfach nur unglaubwürdig. Es erscheint eben wie die herbeikonstruierte Wunschwirklichkeit im realen Politikbetrieb, eine moralische Absicht für eine heile Zukunft wie in einem Roman.
Bleibt nur zu hoffen, dass sich die Bevölkerung nicht ähnlich blind berieseln lassen wird wie bei den „Scripted Reality“-Formaten, wo es mehr oder weniger egal erscheint, ob darin etwas fingiert ist oder nicht. Wenn Politik derart im Niveau verkümmert wie im TV-Programm, mit solchen Methoden arbeiten muss, um den drohenden Deutungsverlust zu verhindern, blühen uns noch schlimme Zeiten mit vielen, weiteren Skandälchen, bis schließlich das Fass überläuft.
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