Ich hasse sowas. Zugegeben, manche beneide ich schon ein bisschen, wie sie zu Anlässen ihr Mindset anpassen können, als gäbe es ein Knöpfchen am Körper, das man nur betätigen muss und strahlt dann über beide Ohren. Mir war so etwas noch nie beschieden. Wenn ich schlechte Laune habe, habe ich sie halt. Da kann ich mich noch so sehr anstrengen, aber dann sehe ich aus wie Arnie Terminator, der versucht, das Lächeln zu üben und dabei idiotisch aussieht.
Vielleicht sind das pathologisch depressive Phasen. Keine Ahnung, ich habe mich darin noch nicht psychologisch diagnostizieren lassen. Sagen wir, ich bin halt launisch, ist ja nicht so, dass ich mich in einem mürrischen Dauerzustand befinde. Immer noch finde ich meinen Weg aus dem Tal, bin später wieder albern und zuversichtlich. Nur findet man dieses Wechselbad zuweilen schon irgendwie doof. Klar, wenn man alleine im Wald steht, selbst nach Orientierung und Halt sucht, sucht man das bei den Menschen, die konsequent ihr Ding durchziehen. Alles nachvollziehbar, deswegen bin ich denen nicht mal böse, die diese ambivalente Art von mir als anstrengend empfinden.
Solches aktiviert noch lange keine Hassgefühle in mir. Der Konflikt bleibt dann einfach bei mir selbst, und ich versuche auch nicht, andere mit hineinzuziehen. Nur wenn andere versuchen, mir Verhaltensweisen aufzudrücken, werde ich grummelig. So wie letztens wieder. Da knallte es mal wieder zwischen mir und meiner besseren Hälfte, gleichzeitig stand an dem Sonntag aber auch Besuch der Mutter an. Klar, dass ich in dieser Situation nicht freudestrahlend in der Tür stand, und meine launesensible Mutter mit ihrem für meine Begriffe falsch geeichten Mood-Detektor muss das natürlich gleich ansprechen. Im Verlauf des Tages war ich dann doch nicht so schlimm und mürrisch, wie es schon mal vorkommen kann. Und trotzdem musste mir meine Mutter zum Abschied abends noch eine einschenken, ich solle das nächste Mal bessere Laune mitbringen.
Ja, klar. Das nächste Mal fahre ich im Laden vorbei.
„Ein Päckchen gute Laune, bitte.“
„Macht zwölffuffzig.“
Werfe mir drei Pillen ein. Zack. Grins. Holladrio!
Überhaupt ist „Laune“ in der letzten Zeit ein Stichwort, auf dem momentan viele herumreiten. Jeder will mehr Zuversicht, mehr Orientierung im privaten wie im staatstragenden Ausmaß. Von meiner Mutter bis Robert Habeck sind sie alle dabei. Der Unterschied: Meine Mutter hat in dem Großladen halt nichts zu melden wie über 80 Millionen Menschen im Land, Habeck schon. An zweitem stoße ich mich halt an der Tatsache, dass er und seine Sippe schon sehr viel angerichtet haben, das immer wieder als was Gutes verkaufen, danach in die Enge getrieben werden, weil die kollektive Stimmung im Land und in der EU ins Mürrische kippt und dann auf irgendwelchen Veranstaltungen dann auch noch dummdreist gute Stimmung eingefordert wird. Da hat gerade jemand mit einem Baseballschläger den gut sortierten Laden zertrümmert und sagt dann auch noch, man soll das alles nicht so eng sehen.
Im Laden gibt es doch Pillen für zwölffuffzig. Schmeißt ein paar ein, dann sieht die Welt ganz anders aus. Gott, für wie bescheuert halten die uns denn (rhetorische Frage, es gibt genug von solch dankbaren Schluckern)? So allmählich zieht nur diese Launenarkose nicht mehr. Und man ahnt oder malt sich aus, was die Hampelampel denn so als nächsten Schritt erwägt, wenn Appelle nicht gehört werden. Dann kommt die Gesetzeskeule, die Gesinnung und Gefühle zur Maßeinheit machen. Demokratiefördergesetz. Selbstbestimmungsgesetz. Damit haben wir schon eine Basis gelegt für pathologische Selbstbestätigungskonstrukte wie Launeverordnungen, Bußgelder für „Hass und Hetze“ ohne wirkliche, allgemeingültige Gefühlsskalierung. Noch besser: „unterhalb der Strafbarkeitsgrenze“. Bald werden sie noch auf die Idee kommen, ein Gute-Laune-Gesetz einzuführen.
Wenn Robert also seine Küchenphilosophie ansetzt, fordert er Aufbruchstimmung, positive Vibes. Es ist die Habeck-Version von „Wir schaffen das“. Daneben sitzt Annalena, frisch eingeflogen zum EM-Spiel. Man könnte die ganze „Wir schaffen das“-Grüntruppe auf die Tribüne packen, wie sie sich mit Karl Lauterbach auf der Tribüne ablichten lässt, fehlt nur noch, die VIP-Tickets zu präsentieren, während die dummen Bauern unten 60 Euro aufwärts berappt haben. Von überall her teuer Sprit, Kost und Logis bezahlt haben. Nicht mal nachts mit dem Flieger einfacher zum Austragungsort gelangen können, weil Nachtflugverbot. Verbot hier, Verordnung dort, und wenn Grüne vor ihren eigenen Verboten stehen, werden die kurzerhand gekippt. So geht feudal. Hybris. Doppelmoral. Jeder Tagespunkt, jede Aussage von ihnen muss man zwangsläufig so bezeichnen. Für die deutsche Mannschaft tut man alles, auch das eigene Moralmaulheldentum ausblenden.
Überhaupt die EM. Man wollte das zweite Sommermärchen erzwingen, uns der Welt präsentieren und die alten Lobeshymnen neu aufwärmen. Die Welt wieder zu Gast bei Freunden begrüßen. Nur scheinen UEFA-Funktionäre, Eventfans und der DFB immer noch nicht begriffen zu haben, wie es in Berlin oder Gelsenkirchen heute aussieht. Wie Deutschland verlotterter, zerzauster, dreckiger und immer unfreundlicher wird. Kein Wunder, wenn man nur sein Leben in Businesslounges verbringt, wo Sektchen und Häppchen 24/7 bereitstehen. Da entgeht einem eben der Moment, wenn ausländische Fans an Bahnhöfen einen Crashkurs in Heroinkonsum machen und sich nebenbei in der Randsportart „Kotzfleckenslalom“ versuchen oder was ihnen sonst so negativ auffällt. Man will das Event im Radio auch als gelungen hinstellen, doch schon am Abend gellt ein Pfeifkonzert über dem spanischen Spielverderber.
Aber hey – nehmt das alles nicht so eng. Es ist doch EM, habt gute Laune und feiert die Spiele. Wenn es nur so wäre. Alles, was der Party im Wege steht, findet nur eben auch den Weg in Gazetten und Sendungen, und wenn nicht der Pöbel im Trikot irgendwas Verwerfliches macht wie den vermeintlich rechtsradikalen „Wolfsgruß“ zu zeigen, darf Thomas Müller ganz offen „Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein“ sagen. Niemand stört sich daran, es wird sogar zum Social Media-Meme, und ich bin völlig irritiert, weil solche Aussagen früher die Alarmglocken aufheulen ließen. Aber hey, es ist erstens Thomas Müller, und zweitens wollen wir jetzt endlich mal weg vom Kriegsschuldkult. Nagelsmann sorgt sich nebenbei um fehlende gute Laune, will neopatriotische Gemeinschaftsgefühle wecken – sagt es und verzieht sich nach Tirol. Macht ihr mal. Ich bin dann mal weg. Kroos sagt ebenfalls Goodbye, aber so richtig, wahrscheinlich für immer. Super Laune und Respekt für die Unterstützung, aber er bleibt dann lieber in Spanien, der Kinder wegen. Vielleicht kommt er irgendwann mal wieder zurück in die Heimat, wenn wir endlich dauergutgelaunt Milch und Honig in die Bäche gekippt haben, sich Gewalt und Armut in Wohlgefallen aufgelöst haben.
Ich habe das Event derweilen völlig ignoriert, so weit es eben ging. Einzig die Aufreger, die blieben, weil sie ja wieder medial voll ausgebreitet wurden. Alles oben Genannte spielte dabei eine Rolle, wobei ich wieder versuche, ein Gesamtbild zu zeichnen und vergleiche das mit unserem Auftreten in Katar. Auffällig: Regenbogen war in diesem Event kaum/kein Thema. Nur wir selbst bekriegten uns trotzig im Vorfeld darüber, dass die Münchner Arena jetzt in solchen Farben (v)erstrahlen sollte. Hat es das? Keine Ahnung. Berichten Sie mit gerne darüber. Aber sonst war da nichts. Keine Nancy Faeser mit Binde (höchstens im Schlüpper, da kann sie so farbig sein, wie sie will). Keine Hand vor dem Mund, aber viel Politisiertes, wobei man zwischendrin kurz die Ohren spitzte – war da nicht ein „Döp“ in den Rängen zu hören?
Das und noch einiges mehr dominierte die Debatten rund um das Event, Fußball selbst, als Sportart und die Fachsimpelei drumherum – das war alles unwichtig(er). Eher prankte die Sehnsucht nach einer neuen, nationalen Identitätsfindung über all dem. Es ist wie so häufig in letzter Zeit: man zerstört sich 365 Tage in Jahr selbst, und nur der Fußball taugt als Anlass, einen neuen, positiven Geist aktivieren zu wollen, in dem alle glücklich sind, gute Laune haben, Gemeinschaftsgefühle aufleben lassen. Und all die gratismutigen Pfeifen, die zu Katar noch ihre Regenbogenfahnen schwangen, holten jetzt lieber doch die alte, ausgefranste Deutschlandflagge heraus, weil die anderen das auch tun. Das Kalkül dahinter: Regenbogen ist dann doch zu kontrovers. Wissen wir seit Katar und ESC. Man braucht etwas, das alle eint, jetzt müssen wir die „Rechten“ mal wieder ins Gesamtgefüge zurückholen. Mir kommt das alles zumindest so vor.
Es gibt eine Szene aus „Ghostbusters II“, die sich bei mir eingebrannt hat. Die Story handelt davon, dass ein düsterer Herrscher rosafarbenen Schleim mit negativ aufgeladenen Gefühlen für seine Eroberungspläne über New York verstreut. Die Geisterjäger sprechen beim Bürgermeister vor, um die Macht des Schleims durch gute Laune zu schwächen, der allerdings sieht keinen Anlass für Appelle an seine Einwohner. Er meint:
„Sich mies zu benehmen und andere Leute wie Dreck zu behandeln ist jedes Bürgers gottgegebenes Recht.“
Da ist durchaus was dran. Aber wir kennen das ja als tagtägliches Dilemma, wenn wir schlecht gelaunte Supermarktangestellte ertragen oder umgekehrt die sich mit sich aufführenden Kunden herumschlagen müssen. Man gibt auch hier gerne und bequem die Verantwortung an andere ab, soll die andere Person erst mal freundlich sein, bevor man es selbst tut. Dann gäbe es noch alternativ dazu solche, die einem vordergründig ein gutes Gefühl geben, sich hintenrum aber als übelste Lästermäuler zu erkennen geben.
In „Ghostbusters“ richtet es dann ein Symbol, unter dem alle zusammenleben: die Freiheitsstatue. Ja, darauf können sich die Amis ein Ei backen, aber da lebt es auch niemand vor, weil es für sie eher ein Symbol für Touristen ist, das man im Miniformat für teuer Geld verkaufen kann. Und so sehe ich die Fußballevents genauso. Kurzzeitpatriotismus für ein paar Scheinchen, der danach in der Schublade verschwindet. Erkaufte Lebensgefühle, wie sie die Werbeindustrie mittlerweile mit jedem Produkt verknüpft. Doch die hat bisher wenig auf Gemeinschaft gesetzt, sondern streng auf Individualismus, der sich seit Ebay („3, 2, 1, meins“) ständig wiederfindet. Heute bist du nur noch besonders, wenn du „Krombacher Spezi“ schluckst. Früher hat man mit jedem Kasten Krombacher den Regenwald gerettet. Gratismut sorgt auch für Gratisspott.
Es ist wahrscheinlich schwer, fundierte Aussagen dazu zu treffen, aber ich finde schon, dass Werbesprüche und die Sprachwandlungen unterbewusst Einfluss auf die Psyche nehmen. Der muss aber konsequent eingetrichtert werden, und das gilt nun mal nicht für ein Sportevent von wenigen Wochen. Und das sollte auch auf den Sport fokussiert sein und nicht auf Dinge wie getriggerte ZDF-Moderatoren, die sich an Einzelwörtern stoßen. So wird das nichts mit der Identitätsfindung, und schon gar nicht, wenn man gerade für das Klima oder sonstige Agenden geschröpft werden soll, während die Verkünder:innen sich ständig Extrawürste herbeimauscheln.
So etwas kommt auch in der Bevölkerung an, macht mürrisch, vielleicht auch ängstlich, was dann in dieser Konsequenz zu immer mehr gesellschaftlicher Unruhe führt. Heute muss man sich sogar anhören, das Sommermärchen hätte die AfD erst groß gemacht. Was denn nun? Patriotismus ja oder nein? Ich selbst bin dafür nicht (mehr) zu haben, weil ich das Ewiggestrige ablehne – aber auch das, was aktuell so als Gegenentwurf dominiert. Beide Domänen können sich die Klinke in die Hand geben, sind extrem spießig wie übergriffig. „Du sollst...“ und „Man muss...“ haben eine Renaissance erfahren, so lange, bis man noch auf die Idee kommt, gute Laune als Gesetz zu verankern. Bei Nichteinhaltung Bußgeld oder Gefängnisstrafe. Orwell würde große Augen machen, würde er es nicht jetzt schon tun.
Deswegen will ich einen Anteil schlechter Laune in unserem Leben immer noch hochhalten. Das mag zwar Harmoniemenschen wie meiner Mutter nicht gefallen, aber ich mag nur, dass sie weiß, dass mir das später auch mehr oder weniger leid tut. Wir beiden Streithähne kriegen uns schnell wieder ein. Doch gibt es in dieser Ampel mit diesen komischen, gesellschaftsdominanten Menschen und ihren Ansichten nicht viel, das mich dauerhaft fröhlich oder zumindest ausgeglichen erscheinen lässt. Es ist verdammt anstrengend geworden, sich daraus noch Wertiges und Gutes für sich selbst zu ziehen, auch mit Blick in eine ungewisse, unter ziemlich zweifelhaften Vorzeichen stehende Zukunft.
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Ratze (Samstag, 13 Juli 2024 09:41)
Laß mich raten - Fasnacht ist auch nicht so dein Ding, oder?
Kann dir hier nur zustimmen - Partystimmung auf Kommando kriegt man in der Regel nur mit irgendwelchen Drogen hin. Und auf jeden Rausch folgt halt auch der Kater.
Ich arbeite ja in der Altenpflege. Und unsere Einrichtung ist gerade mit Deutschlandfahnen zugetackert, weil eine Betreuungskraft dieses Theater bei jedem größeren Sportturnier abzieht. Sie ist eher kugelförmig, vom Aussehen her bestenfalls 2/10...aber Sportfanatikerin... Die ist auch so eine chronische 'Gute-Laune'-Verbreiterin. Jedes Mal, wenn sie auftaucht, geht bei ziemlich allen die Stimmung in den Keller.
Tja. Wenn man Menschen ein Verhalten aufzwingen will, machen sie irgendwann aus purem Trotz das Gegenteil. Und gerade die derzeitigen Stimmungsmacher in der Politik und den Medien wollen das nicht wahrhaben. Wahrscheinlich zuviel "Realität ist nur ein Konstrukt" gehört.
Polemicer (Samstag, 13 Juli 2024 11:07)
@Ratze
Nein, Fasching ist auch nicht mein Ding, aber aus anderen Gründen als bei Fußball.
Dieses Stimmungskommando hat ja heutzutage einen noch höheren Stellenwert bekommen, gerade bei den Fühlis. Die vetragen ja null an Kritik, schlechter Stimmung und Co., da aber zusätzlich mit Verordnungen, Verboten und Sanktionen zu drohen - kein Wunder, wenn man auf dieser Ebene trotzig das Gegenteil tut. So weit ist es bei mir aber eben nicht gediehen, auch wenn man sich jetzt schon in Sphären bewegt, dass man die "Anti-Partei" AfD für alles verantwortlich machen will. Selbst aber nie schuld sein will.
PS: Dein erster Post ist bei mir nicht zweimal erschienen, deswegen habe ich deinen zweiten Kommentar mal gelöscht.