Bei aller Hoffnung, dass sich Winde endlich ins Rationale drehen würden, gerate ich diese Woche doch in einen Gemütszustand einer Niedergeschlagenheit, wie ich sie in im Zeitraum 2021/2022 nicht mehr durchgemacht habe. Ich fühle mich gestresst, dauergenervt, fassungs- und machtlos. Als dieses Felsengefühl alleine in der Corona-Notstandslage auf meinem Rücken lastete, trat dieser Wesenszustand ein, als wir noch ständig damit ruhiggestellt werden wollten, es würde keine Impfpflicht geben, nur um dann zu erfahren, dass der Bundestag nur Monate später tatsächlich darüber abstimmte, eine einzuführen.
Ich weiß nicht, ob es wirklich daran liegt, dass ich mich von TwiXter weitgehend zurückgezogen hatte und jetzt für Stimmungsbilder kurzzeitig wieder häufiger darin wühle. Ich ertrage dieses Gejaule immer weniger, frage mich aber, ob das Gejaule nicht noch schlimmer geworden ist und alleine das für die eigene Frustration sorgt. Man muss sich immer wieder klar machen, dass TwiXter trotz all der „dramatic exits“ immer noch das Sammelbecken der Schreihälse ist, weil niemand so richtig zur Besinnung kommen will und offenbar immer noch sehr viel Kapital aus dem Empörungskult zieht.
Man liest bei anderen quer, was einem nicht selbst auffällt und bezeugt, wo die Radikalisierung wirklich stattfindet und wie breitflächig sie sich Anlässe heranzieht. Ich wiederhole mich ja gerne, wenn es um die Zustand der Antifa geht. Und genau dort findet nun diese Radikalisierungswelle statt, die mich eben so fassungslos macht. Man will es erst nicht wahrhaben, wohin die sich entwickeln, dann rümpft man die Nase, bis man an dem Punkt angelangt, ihnen gegenüber automatisch böse dreinzublicken.
Das ist nicht mehr meine Antifa. Schluss, aus, vorbei. Genauso, wie es nicht mehr meine Linkspartei ist, die schon mal die Ernte ihrer Dummheit einfährt, und wie es auch nicht mehr mein Links in ihrer gesinnungsethischen Ausprägung ist. Ich kann mich mittlerweile nicht mehr davon einlullen lassen, welche hehren Absichten sie antreibt. Die gibt es, ja. Aber sie sollen allmählich die Finger davon lassen, weil da nur Mist hinten raus kommt. Links als Elitenprojekt und eine sich in die Gesellschaftshierarchie eingeschlichene Ideologie kann ich nur noch verleugnen, weil es mir meinen Freiraum auch nicht mehr zuspricht – wenn nicht sogar noch nie zugestanden hat.
Leider bin ich wohl als „alter weißer Mann“ geboren worden, habe eine Hautfarbe, die nicht „bunt“ genug ist, habe Ansichten, die mich nicht gleich AfD-Politiker jagen lassen. Meine Erinnerung spült dann Alexander Gaulands Wahlsiegparole hoch: „Wir werden sie jagen.“. Wer jagt hier jetzt wen? Wer fühlt sich jetzt dazu berufen, im Dunstkreis einer Grugahalle vielfältig Presseausweise einzufordern und dann noch als passive Drohgebärde journalistische Arbeit präventiv zu katalogisieren? Das alles und noch viel mehr machen die Könige vom Zeitenwende-Deutschland dieser Tage, und es bestätigt in vielerlei Hinsicht die Diktatur-Vorwürfe in den tiefsten Tiefen des Darknet. Und jeder Relativierungsversuch wird dazu immer unglaubwürdiger.
Nun könnte ich mich in meiner mittlerweile etablierte Bubble auf Telegram zurückziehen, um meinen Frust auch unverhohlen auszuleben, aber auch da befällt mich ein ätzendes Gefühl, wenn ich mir dort die Kommentarspalten zu den ganzen Posts durchlese. Auch dort braucht man sich keine Illusionen darüber zu machen, wertschöpfende Debatten zu führen, dort wird ähnlicher Mist abgesondert wie auf X. Rhetorisch sogar etwas unverhohlener, braucht man sich nicht zu wundern, dass die Spaltungsdynamik heute fast vollständig ihren Zweck erfüllt hat. Die Gräben sind derart tief, dass nichts mehr zurückgedreht werden kann, und ich kann jeden verstehen, der an diesem Zustand verzweifelt und nur noch auf den großen Knall wartet.
Man sucht fluchtartig einen passenden Ausgang aus der Misere. Doch muss man das in einer Geräusch- und Drohkulisse tun, die einen daran hindert, rationale Gedanken zu fassen, um in aller Ruhe die richtige Tür zu finden. Überall schreit man rum, überall wird geschubst und gedrängelt, an einem gezerrt, nur um die eigenen Ziele im Gruppenverband durchzusetzen. Ich bin mittlerweile wieder kurz davor, meine stoische Ruhe implodieren zu lassen und allen ins Gesicht zu schreien, dass sie sich alle verpissen sollen. Egal wie, egal wo. Anlasslos. Grundlos. Haltlos. Mein erhobener Zeigefinger ist nicht mehr moralisch gepolt, sondern nur noch die Drohung, mich ja nicht anzumachen. Egal wie, egal wo. Bleib mir vom Leib. Mach dich dünne und nerv andere. Und zwar pronto.
Ist ja nicht so, dass ich jetzt viel zu verlieren hätte. Mein Stand in der Gesellschaft ist irgendwo weit hinten, alleine mit mir selbst außer noch meine heimische Insel mit einer Person, einer/zwei/drei in meiner Heimatstadt und zwei Fellknäueln, die ausnahmslos zu mir stehen. Hätte ich die nicht, wäre ich wahrscheinlich schon längst sonst wo gelandet. Im Kittchen, in der Gummizelle, in der Gosse, keine Ahnung. Ich stehe am kognitiven Abgrund und male mir schwindsüchtig aus, wie es ist, zu fallen – da ist nur die unsichtbare Hand, die mich von hinten am Kragen packt, um mir noch das Gefühl zu geben, dass diese Gedanken mich nicht übermannen, diese Vorstellung nicht noch auszuprobieren. Diese Kopflastigkeit der Vorstellungskraft ist wie ein Monk´scher Segen und Fluch zugleich.
In diesem Mikroversum noch gute Gefühle zu haben und glücklich machende Dinge zu tun, wird zwar immer schwerer, aber ich muss mich selbst dazu prügeln, sie nicht in dieser Gefühlssackgasse aufzugeben. Meine eigene Brandmauer gegen den externen Irrsinn muss halten. Koste es, was es wolle. Ich bin einfach nicht gewillt, mich selbst der eigenen Verbitterung zu ergeben, die so schädlich sein kann wie sie nun jene Antifa-Milizen herbeiführen. Man hat sie viel zu lange vernachlässigt geschweige denn gewähren lassen, sie mit Geld und Ideologie vollgestopft. Was sie jetzt tatsächlich dazu ermutigt fühlt, sich wie in der Kluft zwischen Arm und Reich zu bewegen und sich dazu ermächtigt fühlen, die Armen beschissen zu behandeln – und da schwingt immer eines der Totschlagargumente mit, das sich am wenigsten rechtfertigen lässt: „Weil wir es können.“.
Letztens rede ich mit meiner Partnerin über die vielen Auswucherungen dieser Kollektiventwicklung, wir geraten wie so oft ins Grundsätzliche und wie diese Schlagseite über uns alle hineinbricht. Dann spreche ich es aus, was mir bisher als diffuser Gedanke durch den Kopf ging: „Stell dir vor, die AfD würde an die Macht im Land kommen, dann könnten die Linken ihre eigene Medizin schlucken. Sie werden ihre eigenen Gesetze zu spüren bekommen. Man muss sie nur kontraideologisch umdeuten, aber der Handlungsrahmen – der bleibt. Und dann wird es ein Rachefeldzug werden.“.
„Gewalt erzeugt Gegengewalt.“, hatten die Ärzte mal in der Vergangenheit gesungen. Diese Erkenntnis ist richtig, aber wenn man heute vergisst, was man damals erkannt hatte, sollte man lieber das Maul nicht zu weit aufreißen, wenn es um die AfD geht. Für mich ist das keinesfalls Küchenpsychologie, sondern eine maßgebliche Aussage, die sich alle zu Herzen nehmen sollten. Die heute exklusive Eskalation zeichnet sich eben dadurch aus, Mobbing rein als passiv gehaltene Provokation anzuwenden, damit eine Urbehauptung, der AfD plus Anhängerschaft ein NSDAP 2.0-Etikett ankleben zu dürfen („gesichert rechtsextrem“), auch irgendwann fruchtet. Also provoziert man lediglich etwas herbei, bemerkt aber in dieser selbstdefinierten Lebensaufgabe nicht mehr, dass man eventuell etwas Urmenschliches aktiviert. Und das „Beste“ dabei: diesen Urtrieb haben sie nun bei sich selbst von der Leine gelassen. Und somit auch die Verantwortung dafür zu tragen hätte, wenn die AfD bald alleine regieren könnte und sich Gesetzen bedient, denen ihr die „demokratische Mitte“ auf dem silbernen Tablett serviert.
In solchen Denk- und Handlungsmustern zu leben, widerstrebt mir immer mehr, findet sie auch Anwendung in anderen Themen wie der Ukraine-Sache. Man hat so seine Lieblinge, denen man den roten Teppich ausrollt, provoziert die Hassfiguren, bis sie selbst gewalttätig werden, weil Engelsgeduld bei jedem irgedwann an Grenzen stößt und verlangen auch noch unbedingten Gehorsam jener, die sich bisher den Schlägertypen zugewandt sahen. Es ist also auch ein Test, wer in der eigenen Gruppe noch loyal ist. Viele mögen die Schlägertypen des Wertewestens zwar noch anfeuern, doch je länger die Provokationen andauern und immer mehr ausufern, um so mehr wenden sich Menschen davon ab und springen gar für die Angegriffenen in die Presche.
Murphys Gesetz schlägt alle Demokratiefördergesetze. Trotzdem wird unbeirrt weitergemacht. Jede Niederlage stachelt nur noch mehr an. Geht nicht, gibt’s nicht. Was nicht passt, wird passend gemacht. Nur leider sind sie alle keine Handwerker, sondern Büroschranzen und Unihocker mit zwei linken Händen. Aber man kann sich ja als Fachkraft aufspielen, wenn du einem Dummkopf weismachen kannst, er wäre ein Meister seines Faches. Auch wenn er gar keine entsprechende Fachtätigkeit gekleidet. Kein Wunder, dass man zeitweise verzweifelt und niedergeschlagen ist.
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Volker Birk (Samstag, 06 Juli 2024 15:24)
Mach Dir nicht so viel draus. Wie Dir geht es vielen, so auch mir. Und da wir viele sind, geht es halt woanders weiter ;-)
Mein Ruf hier verhallte auch ungehört: https://blog.fdik.org/2021-04/s1618613612
Aber, was soll's. Antifaschisten, das sind weiter Leute wie Du und ich.
Polemicer (Samstag, 06 Juli 2024 19:13)
@Volker
Das sind Phasen, die vergehen auch wieder. Man ist nur immer wieder erschrocken, dass die Grenzen doch noch weiter verschoben werden. Man fragt sich, wann endlich Tuck ist, wenn mal wieder so etwas wie Essen passiert. Da bekomme ich es kurzzeitig mit der Angst zu tun, wann man selbst unter die Räder gerät.