Wie alt bist du? Hast du eine Krankheit? Hast du Probleme beim Lernen? Bist du zu faul oder unfähig, Fremdwörter im Duden nachzugucken? Verstehst du die Fragen, die ich dir hier stelle? Hast du jemals verstanden, was ich hier schreibe?
Wahrscheinlich habe ich einen Fehler gemacht. Ich wollte dir Dinge sagen, die wichtig sind. Dinge, die auch dich betreffen. Dinge, über die man nachdenken kann oder gar sollte. Diese Dinge betreffen uns alle. Diese werden durch Politiker, männlich, weiblich, anders, besprochen. Die machen dann Gesetze, die für uns alle gelten. Auch für dich. Vielleicht hast du das nicht gemerkt, vielleicht hast du das auch nicht für wichtig betrachtet. Und ich habe den Fehler gemacht, es dir nicht richtig erklärt zu haben. Vielleicht habe ich zu komplizierte Wörter benutzt (wie das Wort „kompliziert“). Vielleicht habe ich zu schnell gedenkt. Zu weit gedenkt. Vielleicht denkte ich, dass du schon verstehen wirst, was ich meine.
Okay, Bro, dann jetzt anders. Chill jetzt mal, ich kann ja lernen und es anders machen. Ist schon ein Struggle, das jetzt anders zu machen. Ich schwör. Wallah! Glaubste nich´? Doch, echt, isso. Voll schwer für mich, die einfache Sprache. Oder Jugendsprache. Da bin ich raus. Ich spreche eher so mit Wörtern wie „geil“ oder „krass“ oder „Alter“ oder „kognitiv verschachtelte Rhetorik mit Eigenanspruch, Genese zu erfahren“. Ich bin so 70er, 80er, fast so Boomer halt. Isso. So. Kann ich nix für. Schule ist schuld. Und meine Bros von damals. Yo, guckst du. Digga, komma klar (ohne Komma). Jetzt biste delulu...lulu...irgendwas. Klingt goofy, issabbaso. Yolo. Du Huso. Geh sterben. Bist halt ein NPC, der die alte Tagesschau nicht versteht. Geh doch KIKA und Maus. Triggert dich? Mir egal. Vastehste. Bin isch besser als wie du. Volle Möhre. Karotte. Orangenes, langes Ding in deiner Yoni oder im Mund, wo knackt, wenn du essen tust.
(Währenddessen hängt mir der Sprachlappen aus dem Hals wie bei einem durstigen Hund. Nicht dass ich etwas dagegen hätte, Menschen mit Denkproblemen irgendwie die komplizierte Welt näher zu bringen, aber was sich die Tagesschau da angetan hat, lässt nur erahnen, dass man neue Zielgruppen braucht. Die anderen, die noch einigermaßen kognitiv oder deutschsprachig beisammen sind, hat man wohl schon abgeschrieben. Weil die schon länger merken, dass man dem Laden nicht mehr über den Weg trauen darf. Also sitze ich da, mit einem fassungslosen Dackelblick, wahlweise falle ich auf die Knie und schreie mit ausgebreiteten Armen „WARUUM??“ in den Himmel.)
Dazu eine Anekdote aus meiner Grundwehrdienstzeit.
Quasi als Abschluss zur Grundausbildung ging es auf einen Truppenübungsplatz. Als Höhepunkt „durften“ wir die 12 km bis zur Kaserne zurückmarschieren. Ich war und bin nicht der fitteste in der Truppe und fiel nach etlichen Anstiegen und dem ordentlichen Schritt immer wieder zurück. Irgendwann ging nicht mehr viel, und unser Truppenführer holte mich nach vorne. Ich sollte den Schritt vorgeben, wie es eben bei mir ging. Das Gemaule hinter mir ließ nicht lange auf sich warten, ihnen ging es nicht schnell genug. Bald lösten die sich selbst aus dem Truppenverband und gingen in ihrer eigenen Geschwindigkeit weiter. Und bald schon lief jeder, wie er wollte oder konnte.
Man versuchte sich als Ausbilder also ebenso um eine Inklusionsmaßnahme. Doch die hat eine bestimmte Ordnung, also den Zusammenhalt der Truppe während des Marsches, schnell in alle Winde zerschossen. Die Zusammenhaltung wäre also so oder so gescheitert.
Wie fühlte ich mich dabei und wie hätte ich es gemacht? Ehrlich gesagt geriet ich wegen des Gemaules ein bisschen unter Zugzwang, die schon schmerzenden Muskeln noch weiter belasten zu müssen. Aber nur, weil andere damit weniger Probleme hatten, konnte und wollte ich dem Schritttempo anderer nicht mehr entsprechen. Gleichzeitig wollte ich aber gar nicht, dass sich andere an meiner Minderfitness orientieren müssen. Ich lehnte die Entscheidung des Ausbilders anfangs auch noch ab und meinte, dass die Fitten doch einfach vorausgehen sollen. Wollte er nicht, die Entscheidung war getroffen. Ende vom Lied: wir schleppten uns alle mehr oder weniger einzeln in die Kaserne, so im Zeitunterschied von bis zu einer Stunde. Ich war einer der letzten. War ich dabei enttäuscht oder fühlte mich schlecht in dieser Position? Nein, ich war sogar stolz, die 12 km trotz schlechter Kondition geschafft zu haben.
Diese Geschichte behalte ich auch gerne so in Erinnerung. Es lehrte mich so einiges über Teambuilding, wann was wie sinnvoll erscheint und unter welchen Kriterien wir physische und psychische Unterschiede nicht mehr krampfhaft überbrücken sollten. Die Tagesschau-Variante in „einfacher Sprache“ dient für uns alle wie ein Einfallstor. Für Spott einerseits, andererseits für eine Anbiederung an die „Dummies“ in der Gesellschaft, in rhetorisch stark begrenzten Umfang Zustimmung und Bindung erreichen zu wollen, weil man bei den „Schlauen“ an die Grenzen des Erfolges medial verbreiteter Übergriffigkeit geraten scheint.
Die Tagesschau ist also wie mein Ausbilder, der eine Entscheidung traf, um eine Art Uniformität zu erreichen, den Laden zusammen zu halten. Doch ist dies wie beim Marsch (oder bei einem Marathonlauf) zum Scheitern verurteilt. Die „Denklahmen“ werden also nie gleichsam informiert werden können wie „Intelligente“. Sie generieren sich dabei als ein Dienstleister und Brückenbauer. Und doch muss ich schon wieder unterstellen, dass Agitation und Propaganda, die man schon in der Profiliga versuchte und an der man zunehmend scheitert, nun in der Amateurliga ansetzt. Dem Ganzen hängt wieder etwas Selbstzweckhaftes an. Und wenn Medien ihre Privatmeinungen und Ideologien erfolglos versuchen unterzujubeln, um dann ihre Sprache anzugleichen, um es bei den „niveauniederen“ Konsumenten einzusetzen, ist schon ein starkes Stück. Problem ist dazu, dass wir Kritischen da jetzt auch noch ein Fass aufmachen müssten, um den „Dummies“ klarzumachen, dass ihnen da auch teilweise oder kompletter Blödsinn erzählt wird.
Die „Inkludierenden“ argumentieren jetzt damit, dass sie mit einfacher Sprache auch mehr Politikverständnis auf verschiedenen Niveauebenen aufbereiten wollen. Doch ist etwa bei den Grünen, die sich ebenfalls auf die „einfache Sprache“ verständigen, ein eigennütziges Kalkül kaum verschleierbar. Nehmen wir nur deren erfolgreich durchgesetztes Vorhaben hervor, das Wahlalter auf 16 herabzusetzen. Es wäre gelogen, wenn die Grünen da keine scheinbar planbare Erhöhung ihrer eigenen Zustimmungswerte und Wähleranteile erreichen zu wollen, basierend auf zielgruppengerichteten Wählerumfragen. Man wollte also die Umfragen in „harte Wählerwährung“ herbeizwingen – was ja ein paar Jahre durch Zeitgeistthemen wie der Klimadebatte auch geklappt hat. Nur jetzt, wo die Europawahl die ganz harte Ernüchterung nach sich zog, ging dieses Kalkül gewaltig nach hinten los. Auch bei der „einfachen Sprache“ kann man Häppchen widerspruchsminimiert an entsprechende Abnehmer verbreiten, wo vielleicht keine Zweifel kognitiv aufkommen mögen. „Dumme“ mögen Widersprüche nicht erkennen, und das kann auch im Kalkül der „Intelligenten“ aufgehen.
Ein paar anders „Dumme“ und den Faktor Agitation wie auch Propaganda hat man holzschnitthaft kürzlich bei Rezo beobachten dürfen. Den setzte man für die „Demokratieförderung“ kurzerhand als Quasi-Schaffner in den „Fake Train“. Offenbar bestand Nachholbedarf bei dem Teil der Gen Z, die noch nie etwas vom Deutschlandfunk gehört haben („...klingt seriös...“). Und so huldigte genau jener Rezo den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten so werbewirksam wie möglich, der nur Monate zuvor mit „STRG_F“ seinen Beef hatte. Da war das Salär für die „Fake Train“-Sause dann doch hoch genug, den affirmativen Influencer heraushängen zu lassen; mit dem Unterschied, dass er keine Beautyprodukte anpries, sondern Sender. Die Beautyprodukte, also ein paar besonders aufgebretzelte Schaufensterpuppen der Marke „Mannequins für Lippenstift und Botoxmaske“, glitten ihm auf dem in den Aufnahmen nicht sichtbaren Schleimspurboden geübt hinterher. Dazu noch eine... na ja... Type im... uff... äh, ja, nee, ernsthaft??... Gangstalook (Joggingschlabber und Herr der Modeschmuckringe), der – wenn er den Mund aufmachte – eher zum Friseur taugte denn zum Clanmitglied. Ich habe jedenfalls noch keine Remo-Type derart tuckig reden hören. Das „Fake“ im Train hätte ich jetzt eher auf die Charaktere und die Inszenierung bezogen, geschweige denn auf Gangstaimitationen und Make-Up-Ergebnisse. Wenn das zu zynisch klingt, würde ich noch „Face Train“ als Alternative anbieten.
Das ist dann eine Art „Tagesschau in Jugendsprache“ geworden. Man will also die Minderbemittelten im Nachrichtenkonsum ähnlich „erreichen“ wie mit „einfacher Sprache“. Oder bedingen sich beide Sprachkapriolverbiegungen gleich gänzlich? Wer weiß. Allerdings muss man mit der Tatsache zurecht kommen, dass die das alles ernst meinen. Keine Ironie dahinter, alles authentisch dümmlich. Und sie merken nicht mal mehr im Ansatz, dass dies Leuten wie uns das Spottmaterial auf dem silbernen Tablett serviert.
Bin ich dadurch automatisch ein schlechter Mensch? Nun, wenn es um die „Dummies“ geht, für die sie diese Formate bemühen, kann ich für mich nur sagen, dass ich ab und zu mit solchen zu tun habe. Im Kundendienst hast du ja nicht nur die seriösen, intelligenten Menschen vor der Nase, sondern werkelst auch mal in sozialen Einrichtungen herum, wo geistig Benachteiligte etwa in Werkstätten einfachen Arbeiten nachgehen. Oder in Sonderschulen Sonderschüler aller Couleur um dich hast. Von Autisten höchsten Grades bis zu harmlos daherbrabbelnden IQ-Verlierern. Ich rede, wenn es zu Gesprächen kommt, mit denen recht normal und habe nicht den Eindruck, dass die mich irgendwie überkanditelt wahrnehmen.
Die anderen „Dummies“, das sind jene, über die sich ein Michael Mittermeier etwa vor Jahren noch lustig gemacht hatte. Als er noch darüber berichtete, wie ein Ami in seinem Wohnmobil den Tempomat mit einem Autopiloten verwechselte, sich bei voller Fahrt hinten einen Kaffee machen wollte und natürlich von der Fahrbahn abkam. Oder, andere Story, wie eine Dame ihre Katze badete und zum Trocknen in die Mikrowelle steckte. Statt aber die eigene Dummheit anzuerkennen, verklagen sie die Hersteller, dass man sie darüber nicht aufgeklärt hätte. Alles Menschen, die man nicht in Sonderschulen stecken müsste, in Werkstätten mit Beschäftigungstherapie belegt. Das sind solche, die man in den „Fake-Face-Train“ steckt, deren Interessengebiete in Klamotten und der nächsten Botoxspritze zu finden sind statt in Allgemeinbildung und politischer, gesellschaftlicher oder naturwissenschaftlicher Selbsterziehung. Vielleicht bilden sie nur die perfekte Grundlage, ihnen ein fremdes Weltbild einzubläuen, weil Eltern oder Schule entweder nicht mehr hinterher kommen oder es einfach versäumt haben, ihnen das nötige Rüstzeug fürs Leben mitzugeben.
Im Prinzip sind Hilfeleistungen ja gut. Aber wann wird Hilfestellung übergriffig, totalitär? Ganz einfach: Wenn man sich schlauer macht als andere Normalintelligente, sich den eigenen Status (Hochschule, Experte, Fachkraft) überhöht, um sich in fachfremden Bereichen auch noch als Besseren hinzustellen und ständig und allen „helfen“ will. Es ist kein Akt der Nächstenliebe, es ist schlicht der Versuch, eine eigene Sicht mit der Brechstange durchsetzen zu wollen. Alleine deswegen werde ich den Teufel tun, mich sprachlich zu unterfordern oder meinen Gedankenkompass an anderen zu orientieren. Ich kann mich dessen, wie in der Einleitung dieses Textes, bedienen und sie maßlos übertreiben. Wer das jedoch ernst nimmt, sollte wohl eher selbst Hilfe suchen oder es schlicht akzeptieren, wie es ist.
Kommentar schreiben
Holger (Montag, 01 Juli 2024 12:25)
Ist diese Einfache-Sprache-Tagesschau nicht ein zusätzliches Angebot, was man gezielt aufrufen muß? Sie haben doch nicht die Abendsendung in eine Freakshow verwandelt. Oder irre ich mich?
Polemicer (Dienstag, 02 Juli 2024 05:17)
@Holger
Es soll ein zusätzliches Angebot sein, das eine Stunde früher ausgestrahlt wird. Eine Freakshow in seriösem Anstrich ist es allerdings auch in der Abendsendung. ;-)
epikur (ZG Blog) (Mittwoch, 03 Juli 2024 08:35)
Projektion, wohin man schaut. Erst behaupten sie, die Kritiker und "Populisten" würden die Welt simplifizieren und es sich "einfach machen", obwohl doch alles so wahnsinnig komplex sei. (Der übliche Ausspruch um "reich gegen arm" zu verschleiern). Und dann kommen sie mit "einfacher Sprache" und ständigen schwarz-weiß-Bildern. Gut vs. das Böse. Etc. Etc.
Juri Nello (Mittwoch, 03 Juli 2024 16:23)
Aus wirtschaftlicher Sicht ist das nicht schlecht. Kunden sind lediglich die dummen Reichen.
Bleibt dann immer noch die Frage nach der Zielgruppe, wenn schon YT als obsolet betrachtet wird.
Polemicer (Donnerstag, 04 Juli 2024 06:23)
Zielgruppen usw. sind sicherlich ein Faktor und Antrieb, das überhaupt zu tun. Einem Zeitgeist entsprechen heißt ja auch Kunden ansprechen, binden, bemuttern, lenken. Marketing/PR/Werbung wird nicht umsonst mit Propaganda verglichen.