Das Wort „ausufern“ bekam die Tage wieder eine besondere Bedeutung. Klar, wenn Flüsse nicht mehr wissen, wohin sie sich ausbreiten sollen, brechen Dämme. „Dämme brechen“ ist auch so eine Allegorie, „hohe Wellen schlagen“ dito. Es gibt ein breites Spektrum bildhafter Sprache in Verbindung mit Wasser, in Deutschland allerdings kaum positiv konnotiert, vielleicht mit mürrischer Ironie verbunden. Nur Fische dürfen sich wie im Wasser fühlen.
Solche Sprachanwendung auf Einzelvorfälle anzuwenden wäre sicherlich kein Problem. Es wird erst zu einem besonderen, wenn man es globalisiert und sich gleichzeitig als Mahnende und Wahnende... Verzeihung... Warnende aufspielt. Viel zu komplex ist die wahre Argumentationskette, die man nicht in jeder Debatte wiederkäuen will, so weit mein Verständnis dafür, aber je mehr Vorgeschichte etwas hat, um so fauler wird man, die zusammenhängend nachzureichen, weil die ja immer länger und üppiger wird. So wird allerdings ein Sachtthema in dieser Vereinfachung gleichermaßen zum „Sturm im Wasserglas“ und „Tsunami“.
Dass nun dieser Mai ziemlich „ins Wasser gefallen“ ist, könnte man jetzt so oder so deuten. Flüsse treten über ihre Ufer. In einzelnen Regionen werden Ahrtal-Ängste wieder spruchreif – so als hätte es Überschwemmungen noch nie in der Menschheitsgeschichte gegeben. Fast müßig ist es ständig zu betonen, dass nicht nur Klima und Wasser in Flussform als eigenmächtige Bedrohung uns zusetzt, sondern auch das, was wir als Konsequenz aus unserem Kontrollwahn so alles geologisch verändert haben. Bodenversiegelung, Trockenlegungen, Abholzung, Flussbegradigungen, aber auch einzig unser Hang, sich nahe an Gewässern zu tummeln, heißt noch lange nicht, dass die Natur sich uns zuliebe zurücknehmen würde.
Wie man sich argumentativ verzetteln kann, hatte schon Anne Spiegel in der Ahrtal-Sache bewiesen und kürzlich SPD-Weichfallerin Katharina Barley in einer der Fragestunden zur Europawahl. Ich sah mir die Sendung im ZDF jetzt nicht an, weil ich das unbedingt sehen, sondern meine Partnerin sich das zu meiner Überraschung mal antun wollte. Ich hatte jetzt wenig bis gar nichts erwartet, weil man die Kräfteverhältnisse kennen dürfte. So spielen sich die Altparteien abwechselnd die Sprechbälle zu, ignorieren (BSW) und denunzieren (AfD) die „politischen Ränder“, wo es nur geht. Ich brauche mich jetzt nicht einzeln zu jeder Person/Partei auslassen, mir blieb nur besonders folgendes hängen: Barley war mehr oder weniger diejenige welche, der ich gedanklich den meisten Spott zusprach.
Man glaubt das bei aller Liebe als ehemaliger SPD-ling nicht mehr, was man da bezeugen musste. Wäre alleine die Körpersprache das Maß aller Wahldinge, wäre die SPD mittlerweile bei weit unter fünf Prozent. Ich hätte am liebsten Rotz und Wasser geheult, aber wenn eine Spitzenkandidatin derart mit den Händen herumfuchtelt, nicht auf einer Stelle stehen bleiben kann und dazu – wie auf den Wahlplakaten – mit weit aufgerissenen Augen einen derart irr(ig)en Eindruck hinterlässt, fragt man sich dann doch, was die Wähler vor der Stimmabgabe gesoffen haben (werden). Wenn schon Personenkult, dann vielleicht eine Person, die in sich ruhend wirkt, kompetent, die Dinge anpackend. Aber so... uff...
Und wenn wir schon bei Ahrtal sind. AfD-Kandidat Aust hatte sogleich das „Politikversagen“ im Krisenmanagement angesprochen. Barleys Reaktion in HB-Frauchen-Manier war bezeichnend wie erschreckend, sagte sie sinngemäß doch ernsthaft, dass alleine die Wolken dran schuld sind. Übers-Stöckchen-Springen und Sich-der-Lächerlichkeit-Preisgeben für Anfänger. Doppel-Uff. Hayali wollte der AfD dann noch einen Grundkurs in Demokratie verordnen, während sie angestrengt auf ihre Moderationskarte starrte. Hier bemerkte man, dass sie Aust am liebsten all ihre privaten Meinungen gleich ins Gesicht nageln wollte. Na ja, reicht dann auch mit den Beschreibungen zur Sendung, weil es bei aller angestrengt wirkenden Sachlichkeit nur die Affinitätsverhältnisse darstellte, abschließend eine Frau im Publikum das Wort zum Sonntag verkünden durfte und natürlich alles „Demokratiefeindliche“ nicht im Politikbetrieb sehen will. Da würde mich gleich wieder interessieren, welche Parteizugehörigkeit/-position die „Gästin“ hat – wahrscheinlich hat man wieder vergessen zu erwähnen, dass sie vielleicht ortsaktiv für SPD oder Grüne sein könnte.
Das war jetzt nur die Einzelskizze von Dingen, die ich/wir ständig wiederkäue(n). Komprimiert auf diese Sendung, wird mal wieder klar, was in Politik und Medien so sehr irritiert. Alle kriegen sie Schnappatmung, wenn sie in den echten Diskurs gehen müssen, verstecken sich hinter Grundgesetz oder sonstigen Demokratiepfeilern, reißen es an sich wie raufende Kinder, die das einzige Schippchen im Sandkasten nicht abgeben wollen. Dazu solidarisiert man sich gar noch mit Leuten wie Graf Stramm-Zickermann. Die FDP hält ja nicht nur an ihr als Spitzenkandidat fest, sondern macht mir ihrer offensiven Attitüde auch noch Wahlprogramm („Streitbar in Europa“). Strategisch wirklich ganz ehrlich klug, das zu tun, wenn man im sehr niedrigen, einstelligen Umfragewertebereich hindümpelt.
Nur... irgendwie dazu noch verdammt blöd, dass Mannheim dazwischen kam. Nach ein wenig Wahlkampfgetöse zur Untat (bisschen mehr abschieben, damit die AfD das nicht anspricht) kam Mannheim gleich noch mal dazwischen (Biodeutscher muss psychisch krank konstruiert werden, sonst müsste man antidemokratischen Handeln gegen rechts auch noch zugeben). Und das passt zum Argument vom „Sowas kommt von sowas.“ - wenn die Katze aus dem Sack ist, wütet sie durch die Wohnung. Betroffenheit zeigen in Verbindung mit Messern ist jetzt mit einem Polizisten als Opfer doch nicht mehr zu vermeiden, da kommen ein paar „geistig Verwirrte“ auch noch aus dem Sack gesprungen. All die Debatten um Flüchtlinge, Migration, Parallelgesellschaften wie im Mannheimer „Little Istanbul“ (der Tatort Marktplatz ist dort mittendrin) gingen früher richtigerweise ins Leere, eine friedliche Koexistenz war möglich und wurde vorgelebt, aber seit einigen Jahren fühle ich mich nicht mehr dazu genötigt, mich nach 20 Uhr in die Quadrate zu wagen.
Allgemein betrachtet will ich auf Folgendes hinaus: Die Schwelle von Repression und Cancel Culture, also der psychologischen Bandbreite, den Unmut über den „Feind“ zum Ausdruck zu bringen, zum gewalttätigen Handeln hat seine Grenzen erreicht. Linke und sich links Identifiziernde haben ihre Friedfertigkeit, mit der ich mal durchs Leben ging, aufgegeben. Irrigerweise nun unter dem Demokratiemantel zusammengerottet, den sie sich selbst zuschreiben, „verteidigen“ sie jetzt das System, werden noch widersprüchlicher, indem sie kommunistische Basispfeiler als Gegenpol zu rechts propagieren und merken gar nicht mehr, dass sie nur zu Verwirrung und Angst beitragen. Und ich behaupte jetzt auch mal, dass ein afghanischer Messerstecher, der auch noch auf die „Bullenschweine“ einsticht, in deren Hinterstübchen heimlich Applaus geerntet hat.
Deswegen finde ich irgendwelche Crashkurse in Demokratie in den Medien fruchtlos bis lächerlich, wenn man die Realitäten derart ausklammert. Sie (also der Mainstream) reiten – um die Wasserallegorien wieder auszupacken – nur auf den Wellen des Moments, bis diese brechen. Mal klappt es (Sylt), mal nicht (Mannheim). Sie sind also nur Amateure im Surfsport, spielen sich aber wie die Weltmeister auf. Ziemlich unglaubwürdig, wenn man sich das Spektakel von der Küste aus betrachtet. Dass die SPD nichts mehr zu bieten hat als eine Dönerpreisbremse, einer Spitzenfuchtlerin und aus Wolken gegriffenen Argumenten, bitte ich mit reichlich Eiswasser wieder abzukühlen, anders kapieren sie das offenbar nicht mehr.
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