Als letztes Wochenende wieder Zeit für den E.uropean S.hitshow C.lub war, ging der leider nur fast an mir vorbei. Die ersten wie ziemlich einzigen Berührungspunkte damit bekam ich, als ich meine E-Mails checken wollte und dafür wie immer über den Nachrichtenteil der Seite rüberklicken muss. Dass ein nonbinärer Vileda-Wischmop Clownfisch-Sonderedition deluxe siegestrunken den Pokal zerdepperte, hätte bildhafter nicht sein können – immerhin ging es ja kaum noch oder gar nicht mehr um (gute) Musik.
Viel mehr Worte ist mir das eigentlich auch nicht mehr wert. Es ist nur stellvertretend für den Wert von jährlichen Events oder was auch immer nur in Abständen so gefeiert wird – du wirst ja jetzt mit einer Agenda erschlagen, die mit dir gar nichts zu tun hat, die dich nicht interessiert oder die du immens kritisch siehst. Die Umstände sind noch egaler, und niemand hat sich meines Wissens bisher dazu erniedrigt, einem Putzmittel einen ganzen Artikel zu widmen.
Von mir brauchen Sie auch keine Detailkritik über dieses völlig sinnentgleiste Euroevent mehr erwarten, außer dass ich aus meinem ekelfaszinierten Interesse heraus noch das Personens nachgegooglet habe. Das bisschen Familybackground in Wikipedia reichte mir auch schon, einerseits völlig verwirrt und andererseits extrem belustigt zu sein, weil offenbar zwei Unternehmenensberatens-Personen (gutbürgerlich halt) den Vileda-Stock (nach Berlin gezogen halt) im Hintern ausgebrütet und auf die ESC-Bühne gestellt haben. Da glänzte wenigstens der Bühnenboden in dieser symbolversifften Freakshow. Vor Jahren war das noch ein satirisch angehauchter Wurst-Markt, heute ist da keine Ironie mehr drin - zumindest nicht in den Show-Insides, das müssen wir Schreibendens jetzt übernehmen, weil die sich jetzt alle furchtbar ernst nehmen.
Wenn die mir tatsächlich erzählen wollen, dass dies eine hehre Veranstaltung mit irgendwelchen EU-Werten sein soll, hätte ich ihnen schon vor 20 Jahren den Vogel gezeigt. Sie ist schon länger ein elitär geglaubter Clubabend für Verstrahlte, und vieles, was unter dem Label „Musik“ übrigblieb, war schon damals der Stachel, der mir ins Ohr getrieben wurde, dass ich mit einem Bündel Wattestäbchen statt Ohrenschmalz geronnene Blutfontänen herauskratzen musste. Ganz zu schweigen davon, dass kulturelle Charakteristika von Einzelnationen heute gar nichts mehr bedeuten (geschweige denn „rechts“ sein sollen), in der man etwa griechischen Sirtaki oder spanischen Flamenco als geliehenes Lebensgefühl tanzen würde. Nun ersetzen (w)irre Wokeness-Klischees die jeweils kulturprägenden - also was wollen die mir da eigentlich auftischen?
Überhaupt ist „EU“ in vielerlei Hinsicht kein Wertekompass mehr, dem ich mich in seiner heutigen Aufstellung ungefragt anschließen würde. Und das führt diese Abscheu alleine gegenüber diesem „besten Deutschland aller Zeiten“ fort, das nun auf EU-Ebene die Zügel genauso in der Hand hält und Werte als Dominanznation verbreitet und mit seinem ganzen Klimagedöns und einer Korrupturschel „von den Laien“ als oberste Föhnfrisur einen ganzen Kontinent kirre macht. Schon die Tatsache, dass man sie bezüglich die Physik auf den Kopf stellen muss, macht einen bekloppt, um überhaupt einen Erkläransatz parat haben zu können, wie man so dermaßen die Leiter hochfallen kann wie diese Gorch Fock-Versagerin. So darf in dieser Konsequenz der Demokratieinvasion nun auch fast ganz Europa am deutschen Wesen verwesen, mit all den Begleiterscheinungen des Niedergangs im „progressiven“ Wertewesten.
Nun sind ja bald Europawahlen, und würde ich alle Parteien, die für mich in Frage kämen, auflisten, bliebe sehr wenig übrig, dem ich noch was abgewinnen kann. Da bleibt nur noch der Satireanteil, den Martin Sonneborn und jetzt noch Sybille Berg ins Parlament tragen sollen und können, oder wir hetzen der Urschel mit de Masi einen fundierten Finanzbluthund auf den Hals, der ihr die Finger abhacken soll, bevor sie wieder SMS oder gleich das ganze Internet löschen kann. Beide sind noch ernsthaft geeignet dafür, diesen Pfuhl mal auszumisten oder nur der Lächerlichkeit preiszugeben. Eine EU-Werteunion in dieser Ausprägung kann man so nicht mehr aufrecht erhalten, die man – und da werde ich jetzt kurz mal sehr aktivistisch – mit allen friedlichen, urdemokratischen Mitteln dekonstruieren muss. Denn hat sich da etwas verselbstständigt, das schon lange nichts mehr mit Bürgerbegehren und Realpolitik zu tun hat, was zwar keine neue Erkenntnis ist, sich aber in den letzten Jahren so auffällig rasant durch den Kontinent frisst, dass Flucht oder Kampf die einzigen Optionen scheinen.
Mich völlig in die Parallelexistenz alternativer Kanäle zu flüchten, halte ich jedoch für genauso wenig zielführend wie mich dem Mainstream/Opportunismus anzudienen. Lieber emanzipiere ich mich von diesem Pseudowertesymbolismus, der da eine Frontenbildung aufbaut, sich immer mehr spaltet, der selbst spaltet und alles ins Gegenteil verkehrt, was an Lebensrealität für uns wichtig wäre. Stattdessen tobt ein Deutungskrieg darüber, der völlig an unseren echten Anliegen vorbeigeht, die Radikalisierungsspirale führt uns wie Schwarze Löcher ins Ungewisse, in die theoretischen Sphären des Jenseits, und ich habe keine Lust, meine Restjahre alleine mit solchen Dingen zu verplempern, bis der Blutdruck unter Sauerstoffmangel höher steigt als damals bei Reinhold Messner. Ich mag ja die Beiträge, die dem Mainstream eins aufs Dach geben, aber die Kommentare widern mich teilweise genauso an wie diese Tagesschau-Huldigungen, mit denen sich Kai Gniffke einen von der Palme wedeln könnte.
Lieber bleibe ich neutral. Irgendwas zwischen egal und schweigender Aufrichtigkeit, was den Radikalinskis jedweder politischen wie gesellschaftlichen Ausrichtung zwar auf den Sack gehen mag, weil es ja angeblich unsere Freiheit koste. Mir ist das aber radikal egal. „Neutral“ mag jetzt ein wenig nach „spaßbefreit“, „entscheidungsunfreudig“, „duckmäuserisch“ oder vielleicht gar „kaltherzig“ klingen – für mich ist es aber ein eigener Aktivismus, dieser Dauerpolitisierung aller Lebensbereiche den Stinkefinger zu zeigen. „Alle Macht dem Neutralen“ würde ich mir wünschen, damit allen Wichs... Verzeihung... Witzfiguren, die sich heute mit Karacho ins Rampenlicht drängen, die öffentliche Relevanz zukommt, die sie verdienen: nämlich keine.
Es ist schon seltsam, wie sehr ich mich danach sehne, obwohl ich Smalltalk und Extrem-Banalismus irgendwie nicht besonders leiden kann. Nichts gegen das Meckern an sich. Das kann durchaus einen reinigenden Effekt haben, am besten, wenn man sich mit Leuten und ihren Meinungen besänftigt, die dir im Nebensatz signalisieren, dieselbe Einstellung zu vertreten wie man selbst. Aber auch da bin ich recht schnell genervt, wenn angenommen wird, sich ständig bei einem ausheulen zu können und dann labern und labern und labern sie drauf los, weil du ja brav stillhälst und aus Erziehungsgründen Leute gerne ausreden lassen willst. Erwartest das dann auch von anderen, wirst aber ständig unterbrochen. Dann willst du dazwischen zur Abwechslung über was Lustiges, Banales, Unverfängliches reden – klappt aber auch nicht, weil selbst Haustierhaltung oder Abfall in der falschen Mülltonne gleich den politischen Kulturkampf vom Zaun brechen. Da hast du dann die Zunft jener vor dir, denen man grob immer über den Mund fuhr, dann bist du halt der Prellbock für ihre Anliegen, die sie vorher für sich behalten mussten.
Ja, lieber Mark, diese Sabbelkrankheit geht auch mir auf die Nüsse. Ich habe sogar mal einen Songtext darüber geschrieben. Das Phänomen war also schon 2005 – mir zumindest - einen Aufreger wert, und der Bedarf nach Stille hätte kaum aktueller sein können. Heute noch viel, viel mehr. Jedes Event ist heute nicht mehr nur boulevardesk aufbereitet, sondern hat nun auch im Mainstream seine Sonderseiten, wird auch noch totgesabbelt, bis man sich wiederholt und das nächste Event in den Startlöchern steht. Und nach dem ESC kommt auch schon in vier Wochen das nächste Selbstbeweihräucherungsfest, das – davon ist auszugehen – wieder nur Stress und viel Gelaber bringen wird. Vielleicht, weil „unsere Jungs“ mit Stollenstöckelschuhen auflaufen und sich die Fußnägel lackieren oder in BDSM-Montur und Ledermasken den Kids, die immer mit einlaufen dürfen, die frühsexuelle Erziehung fördert. Dazu identifizieren sie sich als Vierbeiner, die in den Lederball beißen, und während des Wettbewerbs herrscht höchste Verwirrung, weil man es spontan zur Unisexveranstaltung umgestaltet.
Nein, Scherz. Ich übertreibe. Aber mehr als Witzveranstaltungen sehe ich in diesen westlich geprägten Internationalversammlungen nicht mehr, ständig nur als Bühne für sonst wie gearteten Aktivismus missbraucht zu werden. Es zeigte sich gerade beim ESC, wie sich pro-palästinensische mit den pro-israelischen Lagern die Köpfe einschlagen und wie dies Statuten und Entwicklungen innerhalb der Veranstaltungsregelwerke durcheinanderbringt. Dann noch dieses Queertümeln, sich gleich als Paradiesvogel in die Kamera zu plakatieren und die Veranstaltungen zum Selbstinszenierungszweck zu missbrauchen. Von wegen unpolitisch. Mit den eigentlichen Anlässen wie Musik oder Fußball hat das wenig bis gar nichts mehr zu tun, weswegen ich kein Interesse mehr daran verspüre, die Big-Brother-isierung dieser früher mal hehren, zelebrierwürdigen Zusammmenkünfte zu verfolgen. Die Wandlung von „Ein bisschen Frieden“ zu die Berichte dominierendem Positionierungsgekloppe in Konfliktzeiten hat so einige Wettbewerbe uninteressant gemacht.
Nur: Völlig vorbei kommt man daran trotz aller Anstrengung dann doch nicht. Und deswegen hat nun ein Putzmittel als mein Aufhänger nun seinen (zumindest halben) Artikel spendiert bekommen. Demnächst verfasse ich dann eine „Ode an das Staubkorn“ oder ein philosophisches Essay über den Nutzen von Miniröcken an einem Besenstiel, der offenbar zu viel Pixar geschaut hat und sich somit auch noch als biologische Ausnahmeerscheinung in Szene setzen will. Doch wie heißt es immer? „Ausnahmen bestätigen die Regeln“. Und nicht umgekehrt.
Kommentar schreiben