Mir wurde schon früh nachgesagt, ich würde Dinge zu persönlich nehmen. Nun, da ist etwas dran, auch wenn ich mir bisher nicht den riesigen Aufwand antat, herauszufinden, an was das wirklich lag. Wenn dir als Kind schon dieses Label anklebt, kann es eigentlich nur daran liegen, dass man so geboren wurde oder eine entsprechende Erziehungsmaßnahme verinnerlicht hat.
Ich mag mich da nicht groß rechtfertigen, nur so viel: Es hat mich schon relativ oft in die Enge getrieben, weil sich andere irgendwo zwischen Ironie und Unbedarftheit befindend durch meine ernst gemeinten Abwehrmechanismen vor den Kopf gestoßen fühlten. Lange machst du das als Selbstverständlichkeit, oder mit einem stark ausgeprägten Gerechtigkeitssinn ausgestattet, weiter und denkst, damit recht zu haben – und selbstbezogen ist es allemal, wenn man nicht herausfiltern kann, wie ernst es das Gegenüber auch meint.
Bösartig gemeint waren meine Reaktionen sicherlich nicht, auch wenn man es so aufgefasst haben mag. Irgendwann wurde mir klar, dass ich an diesem Persönlichkeits-Faux-pas arbeiten muss, denn war es zuweilen auch respektlos anderen gegenüber. Also muss man der Dünnhäutigkeit ein dickes Fell wachsen lassen, und das kauft man nicht mal eben bei Edeka um die Ecke. Solche Grundeigenschaften anzugehen ist ein langwieriger Prozess und vielleicht auch ein Akt der Heuchelei, gerade wenn man urplötzlich von einem Verhalten ins andere switchen soll. Deswegen ist es auch allgemein schwierig bis unmöglich, Menschen in ihren prägenden Eigenschaften von jetzt auf gleich verändern zu wollen.
Für einen selbst ist es ein Drahtseilakt – sich zu verbiegen bringt ähnliche Nachteile mit sich wie verbohrte Überzeugung. Einen gesunden Mittelweg zu finden, ist häufig nur durch situatives Austarieren und Lernprozesse möglich, aber auch sehr individuell bedingt. Was bei einer Person funktionieren kann, kann bei anderen in die Hose gehen. Bei mir selbst kann das zuweilen unterschiedlich aussehen. Entweder ich will meine Ruhe und liebe geradezu meine erimitischen Phasen, oder ich habe genug davon und heische nach Aufmerksamkeit. Was andere als unberechenbar sehen mögen, finde ich manchmal an mir selbst irritierend. Manche nennen es dann „launisch“. Ja, in gewisser Weise ist es das, aber habe ich sicherlich keinen Wochenplan an der Wand hängen, der da besagt, dass ich dienstags Arschlochtag hätte.
Das soll nun nur als Aufhänger für die Thematik dienen, die sich etwas mit der allgemeinen Kritikfähigkeit sowie entsprechenden Verhaltensweisen befassen will. Einen Anlass dazu gibt es auch, und der ist grün. Nun müsste zuerst sondiert werden, was als Kalkül oder als echte Emotion verstanden werden muss, doch könnte es schwierig werden, dies für jeden Einzelfall zu bewerten. Vielleicht ist Emotion nur ein Schauspiel für die Öffentlichkeit, um maximale Wirkung zu erzielen. Und da wir nicht in die Köpfe von Politikern schauen können, sind es letztlich nur Mutmaßungen und Deutungsversuche psychologischer Laien. Auch können emotionalisierte Empörungsriten zu Sachthemen orchestriert sein, dass immerzu die Annahme mitschwingt, aus höchstmöglicher Emotionalität Kapital zu schlagen.
Privatpersonen unterliegen dem Kalkül eher nicht, auch wenn es dem Zeitgeist geschuldet durchaus vorteilhaft sein kann, sich gefühlsbetont zu geben. Von der Politik erwartet man allerdings etwas anderes – nämlich größtmögliche Professionalität und Urteilskraft. Emotionen sind darin ein störender und gefährlicher Faktor in der Politikgestaltung; das kann man gerade in Kriegszeiten feststellen, wenn allzu viel persönliche Befindlichkeit oder Reizbarkeit auf dem politischen Parkett eine Rolle spielt. Annalena Baerbock ist ein gutes Beispiel dafür, wie schädlich mürrische Miene und „Rausrutscher“ die Prinzipien der Diplomatie auf die Probe stellen können. Denn handelt Baerbock nur diplomatisch, wenn ihr die Nase einer Person oder Staates passt, bringt man sich nur die Definition des Begriffs wieder ins Gedächtnis:
„Diplomatie bezeichnet die Kunst und Praxis, in internationalen Beziehungen und zwischenstaatlichen Angelegenheiten durch Verhandlung und Kommunikation politische Lösungen zu finden und Interessen zu vertreten, ohne dabei auf Gewalt und Drohungen zurückzugreifen.“ -Quelle
Legt man Baerbocks bisheriges Amtswirken noch dazu – etwa China zu düpieren oder Russland die kalte Schulter zu zeigen – offenbart sich durch sie eine emotional kompromittierende Labilität, die dem Amt kaum gerecht wird. So weiß man um die üblich gewordenen Reaktionen der Grünen in kontroversen Debatten. Der Versuch, als Sieger:in aus solchen Kontroversen hervorzugehen, wird fast immer deutlich mit dem Faktor Gefühl ausgetragen. Und doch ist es ebenso Ausdruck von Kritikunfähigkeit, zu Gefühlsmitteln greifen zu müssen. Man wird letztlich nicht mehr ernst genommen, außer, wenn man sich meinungsgleich gerne gegenseitig auf die Schulter klopft. Dann sind solche Mittel sogar ziemlich nützlich und in der Gruppe eindrucks- wie wirkungsvoller.
Nun definiert sich der Stellenwert einer Person, privat wie offiziell, weniger dadurch, sich ausschließlich in die Wohlfühlblase zurückzuziehen. Das ist zu bequem, zu einfach, kann auch als Feigheit gedeutet werden, wenn man sich dem Konflikt nicht stellt. Es wirkt nicht aufrichtig, zuweilen gar heuchlerisch, sich hinter schönen Worten zu verstecken oder gleich das eigene, schädliche Handeln anderen anzulasten. Natürlich ist Konfrontation eine Belastung, keine Frage. Nur sind Vermeidungsstrategien nicht gerade von Vorteil, sucht man im Leben immer den Hinterausgang aus einer Misere, was irgendwann sowieso auf einen selbst zurückfällt. Statt Lerneffekt und es als persönlichkeitsbildende Maßnahme zu akzeptieren, herrscht die Falschannahme vor, man müsse alles Schlechte nur in den Schrank sperren und würde damit bis zum Ende ein schönes, in Beliebtheit schwelgendes Leben leben.
Wir kennen das mittlerweile als ideologische Grundhaltung, der Wokeness, in der Vermeidung und Ausschluss aus der realen Wahrnehmung mittlerweile Programm ist. Empörung, Aktionismus und andere reaktive Maßnahmen werden zwar so hingestellt, als würde man sich den „schlechten“ Dingen annehmen und sich damit auseinandersetzen – die Zielsetzung ist jedoch ausschlaggebender, nämlich dass das Problem komplett ausradiert werden, verschwunden sein soll. Selbst an Dingen und Verhaltensweisen, die zwangsläufig und unvermeidbar sind, verdingen sie sich allen Ernstes. Skepsis und Kritik werden in diesem Vorhaben nicht geduldet, weist also schon im Ansatz einen Mangel an Kritikfähigkeit aus.
Das mag Baerbocks ständigen Verweis auf das Leid von Frauen und Kindern im Krieg erklären, was im Ansatz richtig, aber nicht die gesamte Bandbreite abbildet. Putin allein müsse aktiv werden, einfach die Kriegshandlungen einzustellen, doch erwähnt sie mit keinem Wort das, was die NATO bisher dazu beigetragen hat. Offenbar bedarf es keiner Rechtfertigung, Sanktionen anzuwenden und Waffen herzustellen wie zu liefern. Hierzulande hatte man also ein grundprogrammatisches Wahlversprechen gebrochen, nach außen hin fühlt man sich der Zugehörigkeit zu USA, NATO oder entsprechenden Thinktanks (Transatlantiker und Co.) eher verpflichtet und berechtigt denn gegenüber dem eigenen Wählerwillen.
Also doch eher opportunistisches Kalkül? Augenscheinlich wird zu jeder kontroversen Thematik das Internet zeitnahe und gruppiert mit Reaktionen geflutet. Nach spontaner, eigenverantwortlicher Reaktion sieht es jedenfalls nicht aus, die Gefühlsmasche ist nur eine eingespielte Methode, die eigene Relevanz zu vergrößern und die politischen Gegner so defensiv wie möglich zu halten. Gefühle sind hierzu Wirkverstärker, und so wirkt es höchst widersprüchlich, Baerbocks „menschelnde“ Aussagen mit ihren mürrischen Gesichtsausdrücken zu verbinden. Sind diese nun einstudiert oder wirklich Projektion ihrer inneren, aufrichtigen Gefühle?
Etwas anders stellt es sich bei Robert Habeck dar, der offenkundig Probleme damit hat, sachlich zu bleiben. Auch bei ihm muss man das situativ betrachten, ob er sich gerade im „Kreise der Lieben“ aufhält oder sich in der Öffentlichkeit kritischen Fragen stellen muss. Einen ersten Hammer lieferte er bei Sandra Maischberger mit seiner berühmten Aussage über betriebliche Insolvenz. Nun versuchte er nicht, mit galanter Phrasendrescherei die Kritik abzubügeln, sondern ging hier noch einen Schritt weiter und deutete Reales, also dass eine Insolvenz eine Insolvenz ist und keine Pausentaste für den Produktionsablauf, einfach fantasierend um. Durchaus war das eine Spontanreaktion und Selbstrechtfertigung mit ersten Gehversuchen einer Beweislastumkehr.
Das ist nicht nur ihn betreffend eine nicht zu leugnende Eigenschaft, Reales und Unwiederbringliches trotzdem noch zum eigenen Vorteil umzudeuten. Dass die Gegen“argumente“ dadurch zwangsläufig immer unrealistischer werden, scheint ihm ihn bezüglich nicht mal aufzufallen. Die dogmatische Einengung wie etliche Realitätseinschläge scheint ihn gleichermaßen gefangen wie umzingelt zu halten. Oft reagiert er dann dünnhäutig, wenn ihm Unvorhergesehenes widerfährt. Anderes, wie etwa seine „dienende Führungsrolle“-Aussage oder die austauschbare Reaktion gegenüber Florian Warweg von den NachDenkSeiten, sind wohl eher der nachgewiesenen Verbundenheit zu Fücks, Beck und deren LibMod-Programm geschuldet.
Häufig muss man vieles mitdenken, wenn öffentliche Personen Kritik ausgesetzt sind und wie sie darauf reagieren. Können sie sich dann mit ihrer Stammeszugehörigkeit herausreden oder stehen sie unvermittelt alleine auf weiter Flur? Bei zweitem wird es erst richtig interessant, weil unberechenbare Faktoren zu mehr emotionaler Ehrlichkeit drängen und führen. Deswegen könnte man die orchestrierte Empörung der Grünen normalerweise ignorieren, weil sie berechenbar wie Agenda-konform ist.
Nun sind die Grünen nicht die einzigen, denen man das vorwerfen kann. Es ist noch keine zehn Jahre her, da war dies die prägendste Eigenschaft, die man der AfD richtigerweise nachsagte. Sich über alles empören, aber keine Lösung anbieten, hieß es durch die Bank. Etwas Wahres war da schon dran, und die „Ultima Ratio“-Geschichte von Frauke Petry, sich mit Waffen an Grenzen zu stellen, hatte schon etwas Inhumanes. Und doch erfüllt sich in bestimmten Maße die Theorie des Hufeisens, trotz ideologischer Unterschiede, die größer nicht sein könnten. Die Methodik des Reagierens und die Eindämmungsstrategien, der anderen Meinung das Wasser abzugraben, könnte man 1:1 auf beide Parteien anwenden.
Allgemeiner ausgedrückt bedienen sich vorrangig AfD und Grüne ähnlichem Populismus. Ob der links oder rechts ist, und ob eine Seite der „richtige“ und „gute“ Populismus sein soll, tut nichts zur Sache. In der Position einer Oppositionspartei ist es immer einfacher, Dinge zu polarisieren, in der Machtposition allerdings erwartet man etwas anderes als Gefühlspolitik – einfach weil die Gefahr besteht, diese Macht zu missbrauchen. Und das bezeugen wir aktuell mit etlichen Gesetzentwürfen, die einzig der Meinungsregulierung dienen sollen und verfassungsrechtlich ein No-Go sind. Und alles basiert auf der Unfähigkeit der Konfliktbewältigung, die – wie wir das im Kindesalter schon kennengelernt haben – zum Petzertum und gruppendynamischen Spaltungen führen.
Inwiefern das höhere Ideal zur Umformung eines Staates eine Rolle spielt, ist ein Kulturkampfthema, das noch lange nicht abgeschlossen und sortierbar ist. Es ist schwierig, das momentan präsente Gesamtbild der Grünen einzuordnen, in dem sie so viel Wert auf Moral, Humanwerte und Ausgleich legen, aber fast schon erschreckend altkonservativ daherkommen und sich gar bisher bedingungslos dem Weltpolizeistaat USA unterordneten. Und nun gar darin einen ideologiegeleiteten Emanzipationsschub durchmachten, nimmt man nur Habecks letzten USA-Besuch zum Beispiel. Das ist besonders heikel, kennt man die Reaktion der Amerikaner schon aus der Vergangenheit, wenn man die verlangte Loyalität zu ihnen in Frage stellt (Stichwort Irak-Krieg).
Offenbar ist ihnen dieses Abhängigkeitsprinzip nicht bewusst. Weder bei China noch bei den USA halten sie sich zurück, preschen voran, quasi angestoßen von den eigenen Idealen ihres Weltdenkens, unterlegen es gleichermaßen berechnend wie eigenmotiviert mit emotionaler Breite. Man kann nur zuschauen und sich darüber beömmeln, wie abwechselnd innen- wie außenpolitisch die Brandmauern des echten Lebens ihren Idealismus bremsen. Und ihr innerstes Selbst freilegen. Erst dann wird man ihren wahren Charakter erkennen, irgendwo verhaftet zwischen Bildungslücken, Unkenntnis, Besserwisserei und genervtem Schnauben, wenn es nicht so läuft wie sie sich das vorstellen. Und du weißt, dass sie da nicht drüberstehen können. Ihnen ist die Sache ernst, von vorne bis hinten.
Mir kommt dieses Verhalten bekannt vor. Oftmals gibt es zwischen mir und ihnen eine Diskrepanz, aber auch viel Schnittmenge. Nicht im Augenblick vielleicht, aber im Prinzip und zeitlich versetzt, doch sind die Parallelen zwischen mir damals und den Grünen heute deutlich zu sehen. Unterschiede sind die Zeiträume wie die des Alters. Und das genau ist es, was mir persönlich kirre vorkommt, wenn du selbst als kleiner Pimpf mit deiner Eigenschaft, alles oder vieles persönlich zu nehmen, in den Verarbeitungs- und Optimierungsprozess übergehst und du Gleichaltrige in verantwortlicher Position siehst, die sich verhalten wie du damals.
Ich könnte ihnen nur den Rat geben, Illusion und Realität gleichberechtigt zu behandeln und es sportlich zu nehmen. Nicht ihre Ideen mit einem dicken Fell überziehen, sondern ihre Reaktionen, wenn es in die Defensive geht. Es bringt rein gar nichts, den Idealismus anderen aufzuregieren, egal ob man nur einer von vielen oder gleich Minister ist. Was das genau bedeutet, sehen wir ja jetzt – viel Trotz, viel Ablehnung, viel Widerspruch. Vielleicht ist es sogar eine Art doppeltes Hufeisen. Und viel entgeisterte Reaktion auf den dünnhäutigen Abwehrmechanismus, den sich Grüne so sehr auf die Fahnen schreiben und ihre unsägliche Gegenstrategie, die sich so deckungsgleich anfühlt wie die ihres politischen Feindbildes. Und das Tragische daran ist, dass das andere Parteien ebenfalls befallen hat. Das wieder in vernünftige Bahnen zu lenken, wird immens schwierig werden – wenn es nicht schon zu spät ist.
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