Bevor ich mich dem aktuellen Vorkommnis widme, ein Teildisclaimer. Weg waren sie nie wirklich gewesen. Sie hatten nur einen anderen, niedrigeren Stellenwert in der Gesellschaft. Sie sind Verordnungspedantisten, geben einen Dreck auf Gemeinschaftsgeist oder – im kleinteiligeren Sinne – auf ein gesundes Nachbarschaftsleben. In diesem, unseren Lande hat man schon immer sehr viel Energie, Geld und Aufwand investiert, dem Nachbarn an den Karren zu fahren. Manchmal wegen Nichtigkeiten, die erst durch dieses Scheuklappendenken Gesetztestexte und Rechtsprechung nötig machten, manchmal betrifft es aber auch alle, wo man sich etwa im Rahmen von Ordnungswidrigkeiten kleine Ausnahmen genehmigte.
Man nannte sie schon abfällig „Freizeitsheriffs“ oder „Meldemuschis“. Irgendwelche Übereifrigen gab es schon immer, nur befindet die Rahmung außenrum darüber, welchen Stellenwert solche Leute in der Bevölkerung einnehmen. Klar kann man sich Gesetze und Verordnungen nicht dauerhaft so zurechtbiegen, wie man das für richtig hält, aber sollte man nicht auf jedem Pferd herumreiten, wenn man schon in den eigenen vier Wänden nichts zum Drauf-Herumreiten oder Herumgeritten-werden hat.
Ein Beispiel ist mir letztens selbst widerfahren. Zur groben Einordnung: ich wohne in einem Stadtteil mit vielen engen Gassen, die Parksituation ist schwierig. Da ich einen Firmenwagen nutze, muss ich mir eben, wie so viele andere auch, in der Gegend einen Parkplatz suchen, und bisher unterlag es wegen nicht markierter Parkflächen dem Duldungsprinzip, dass man dort halb auf dem Gehweg parkt. Nur wenige Stellen sind offizielle Parkflächen, die überwiegende Mehrheit in der Gegend muss quasi auf diese Duldung hoffen. Wer da als Pedant eine Goldgrube für die Stadtkasse wittert und auch brav meldet, wird bei uns sicherlich keine Schulterklopfer bekommen und einen halben Stadtteil auf die Palme bringen.
Nun flatterte mir kürzlich ein Knöllchen ins Haus. Ich hätte verbotswidrig auf dem Gehweg geparkt. Wahrscheinlich ist das auch so, doch parke ich schon jahrelang am Gehwegrand, einfach weil ich keine private Stellfläche habe und das viele genauso tun (müssen). Bisher wurde man nur aufgeschrieben, wenn man explizit in Halteverbotszonen hielt oder sonst wie besonders dumm auffiel. Doch offenbar hat sich die Stadt auf die Fahnen geschrieben, jetzt verstärkt gegen Gehwegsparker vorgehen zu wollen.
Zumindest kam vom neuen OB (CDU) so eine Ankündigung Anfang Oktober 2023. Er wolle verstärkt die Gehwegparker ins Visier nehmen. Keine vier Wochen später wurde ich auch schon aufs Korn genommen, das Knöllchen trudelte allerdings erst vor kurzem bei mir ein. Nun streift das wie schon beschrieben das Duldungsprinzip und wie schnell man durch „Freizeitsheriffs“ angeschwärzt werden kann. Der Hammer beim Bußgeldbescheid war ja nicht, dass das Ordnungsamt das eigenverantwortlich abgefahren und sanktioniert hätte – eine Privatanzeige hat das Amt erst auf den Plan gebracht. Die Adresse des Privatiers/Meldenden steht mit auf dem Bescheid.
Natürlich bin ich sauer. Natürlich musste ich mich erst mal in solche Verordnungsparagraphen einlesen. Und natürlich erfüllt es den Bestand einer Ordnungswidrigkeit. Die sind aber bisher als stilles Übereinkommen übersehen worden. Jahrelang, quasi eine stillschweigende Vereinbarung. Und höchstwahrscheinlich auch, weil man Verständnis für Leute wie mich hat(te), die ihre Karre beruflich brauchen. Das wäre wahrscheinlich auch so weiter begangen worden. Doch passieren gerade in letzter Zeit Dinge, die dieses ungeschriebene Gesetz angreifen. Nicht nur die konkrete Ankündigung des OB ist ein Bausteinchen darin, sondern auch einige Aspekte im gesamtgesellschaftlichen Sinne, die diesen Geist des Anschwärzens auch noch fördern.
Natürlich denkt man als entsprechend Informierter an Größeres und sieht sie im Verbund als eine gefährliche Entwicklung. Nehmen Sie nur mal Stichworte zusammen, interpretieren Sie sie als Ganzes, dann dürfte Ihnen das bekannt vorkommen. Bei mir ging der rote Gedankenfaden von den damaligen Freizeitsheriffs, führt zu Jutta Ditfurth als stellvertretender Oberanschwärzerin während Corona, die aus dem Fenster starrt und sich fragt, wer von den Nachbarn sich illegal zusammenfindet, über Einrichtung von Meldestellen, wo man ab jetzt Falschparker (und alternativ dazu bei Bedarf alles) melden kann bis hin zur rot-grünen Regierung, die dem schon durch die Medien bekannten Niclas Ticket und Antrieb freizuschaufeln. Die schaffen nämlich gerade die Infrastruktur, solche „Meldemuschis“ hochzuzüchten wie einen Persilschein für ihren Pedantismus/Moralismus auszustellen.
Wenn das Methode wird, wird es noch hässlicher werden. Und ganz allmählich versteht man wohl auch im Westen, wie es dem Osten vor dem Mauerfall ergangen sein muss – wie man sich durch´s Leben tasten muss, um ja keine anstößigen Dinge zu tun, die einen dieser eifrigen, inoffiziellen Staatsbediensteten auf den Plan bringen könnte. Und wenn das bald zum Komplettprogramm in diesem Land wird, dann heißt es nicht „Er ist wieder da!“, sondern „Sie sind wieder da!“ - die IM aus der Stasi-Ära. Klar: den Sprung vom Falschparken zur Stasi zu wagen, kann man jetzt als übertrieben auffassen. Da entgegne ich: wenn es nur das wäre... Da wird gerade im kollektiven Geist, durch dieses gesamtheitliche Pedantisieren aller Lebensbereiche, einer Neo-Stasi der Weg bereitet.
Dass man sich in „progressiven“ Kreisen so auf die alten, knorzigen Nachbarn eingeschossen hatte, um deren veraltetes Weltbild zu zerstören, aber gleichzeitig die Strukturen schafft, um sozusagen nur die Nachfolgegeneration gleichen Schlages (oder gar schlimmer) zu indoktrinieren, müsste es die Alarmglocken läuten lassen. Nun, wahrscheinlich müssen jetzt erst mal so einige Opfer solcher Meldungen werden, am besten aus Nichtigkeiten heraus, dann als Straftatbestand gemäß eines uns alle so super schützenden „Demokratiefördergesetzes“ justiziabel werden. Erst dann wird so manchen dämmern, in welche Staatsform wir gerade abdriften.
In der Regel sind nicht die Regeln das, was uns zusammen definiert. Eher ist es in jedem Wirkfeld und zu jedem Regelwerk angebracht, Sinn und Unsinn zu ergründen. Doch leider hat sich vor vier Jahren ein anderes Denken durchgesetzt: Mindernöte in ihrer Bedeutung aufzublähen wie auch ein Hyperverständnis von Pflichterfüllungsmotivationen. Bei den alten spielte noch ein bisschen das Revierdenken mit, das mitunter derart ausgeprägt gewesen war, dass man selbst in den eigenen Garten gewachsene Äste zum Streitthema vor Gericht erkor. Heute ist Revierdenken keine offen vorgetragene Motivation mehr. Da ist man bemüht, ständig das „Solidarische“ in den Vordergrund zu stellen, dabei ist es doch genau dieselbe, egomanische Reviermasche wie einst. Nur framt man es eben nur anders, um sich irgendwie von den Alten noch abzuheben.
Nun weiß ich nicht einzuschätzen, ob die Type, der ich das Knöllchen verdanke, das nur meinetwegen getan hat. Oder ob er tatsächlich die Aussagen unseres Oberförsters im Rathaus derart für bare Münze genommen hat und nun quasi seine Freizeit damit ausfüllt, durch die Gassen zu tingeln und das Ordnungsamt via Kurzwahltaste einen Freiwilligendienst anbietet. Ferner würde mich noch interessieren, ob ich der einzige bin oder man alle aufgeschrieben hat. So oder so – es ist ein Unding, uns derart ins offene Messer laufen zu lassen und uns mit derartigen Methoden auf den Senkel zu gehen. Da geht man schon für seinen Unterhalt schuften, muss sich dann langwierig und den örtlichen Begebenheiten geschuldet ins Quasi-Halteverbot auf den Gehweg stellen, und dann kommt noch so jemand daher und nervt dich noch zusätzlich.
Da wüsste ich gerade nicht, wie ich reagierte, wenn ich das bezeugen würde. Wenn etwa ein Niclas da stünde und gerade wieder seine „Pflicht“ tut. Normalerweise gehört solchen Leuten gehörig der Kopf gewaschen, sich um ihren eigenen Mist zu kümmern, etwa sich auf das Studium zu konzentrieren oder einfach mal durch Gassen gehen. Einfach so. Ohne Hintergedanken. Aber das kannste heute ja vergessen, wo so einige derart moralisiert und polarisiert ihrem Übereifer freien Lauf lassen dürfen. Da wird der Bereich von straßenverkehrsrelevanten Ordnungswidrigkeiten nur stellvertretend für ganzheitliche Übergriffigkeit stehen.
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