Die Zeiten, als man noch über die BILD-Zeitung lachte und Medien wie den „Spiegel“ oder die „Süddeutsche Zeitung“ als journalistisch ernstzunehmende Instanz wahrgenommen hatte, sind schon länger passé. Immer mal wieder leisteten sich die größten Blätter, Sender oder TV-Formate einen Lapsus oder Skandal, der irgendwann ans Licht gekommen war, aber nahm man allgemeinhin die Medien früher als seriöser wahr als es heute der Fall ist.
Freilich stellt man sich Fragen, die man sich früher vielleicht nicht gestellt hätte: waren die Medien früher ehrlicher und neutraler als heute? Oder werden wir schon immer bewusst belogen oder mit redaktionsinterner Haltung nach heutigem Maßstab manipuliert? Immerhin stellten sich so manche „Enthüllungen“ als Betrug heraus, und sicherlich trug auch die Akzeptanz in der Öffentlichkeit dazu bei, dass solche Skandale auch ihren Platz in der deutsch-journalistischen Geschichte fanden. Heute flachst man sogar in nostalgischen Anwandlungen über solche Ereignisse, jähren sich etwa solche Paulaner-Geschichten wie die der Hitler-Tagebücher, die für alle in dieser investigativen Offenheit alter Tage für alle Beteiligten letztlich glimpflich ausgegangen sind. Wahrscheinlich auch, weil solche politisch nicht sehr brisant gewesen waren.
Das lässt sich in der heutigen Zeit so nicht mehr aufrecht erhalten, vor allem, wenn es um das Staatswohl und politische Gesinnungen geht. In den Medien herrscht offenkundig ein Anspruch vor, dass alles aus ihrer Feder wichtig, stil- und lebensbildend wie wahrheitsgetreu sein solle, selbst wenn man als Abnehmer dieser Informationslage schnell erkennen mag, dass mit unlauteren Methoden Stimmung gemacht wird. Und gerade bei der SZ ist nun jüngst eine Dynamik entstanden, mit der der Absolutheits- und Wahrheitsanspruch jüngster Kampagnen und Redaktionsdenke an seine Grenzen gerät.
Kurz gesagt: die Zeitung demontiert sich gerade selbst an den Widersprüchen, die sie selbst fabriziert hat.
Berndt, das Brot
Der Entfremdungsprozess von den Leitmedien, zu denen auch die SZ zu zählen ist, dürfte – wie auch allgemeinhin zu beobachten - konkret an der Corona-Zeit festzumachen sein. Führend in dieser fragwürdigen Zeit war beim Münchner Blatt allen voran die Wissenschaftsjournalistin Dr. Christina Berndt, die im Leitmedienkomplex wie andere einschlägige journalistische Akteure auffällig tendenziell Bericht erstattete und lange die Vorzüge medialer Aufmerksamkeit genoss. Auch, weil sie dazu beitrug, die Erzählung von nebenwirkungsfreien mRNA-Impfungen und Werbesprüche wie „sich und andere zu schützen“ lange wiedergeben zu können. Und so auch politischen Akteuren wie Karl Lauterbach geradezu sklavisch Spalier stand.
Heute ist die Journalistin nicht mehr groß durch entsprechende Artikel aufgefallen und findet wohl auch nur, wie sonst üblich, in ihren Fachressorts statt, da auch das öffentliche Interesse an Impfstoffen stark abgenommen hat. Keine sensationsgeschwängerten, medizinischen Artikel finden sich mehr, die überregionale Ausmerksamkeit erregen würden, der Alltag hat sie und uns wieder. Ob sie nun ähnlich depressiv gestimmt ist wie die namensgleiche Puppenkultfigur, soll hier nicht unterstellt werden, aber ist der Duktus ihrer jüngeren Artikel weit nicht mehr so Narrativ-konform zu lesen wie noch zu Notstandszeiten. Das kann man als gute Entwicklung lobend hervorheben, gibt es im Gegenteil immer noch andere Portale, wo man sich fast wehmütig Masken und Co. und den Sondernotstand zurückzuwünschen scheint.
Corona in den Knochen
In den Redaktionsstuben haben nun andere das Zepter übernommen, mit aktuellen Krisen und Entwicklungen zu hantieren. Frau Berndt kann man sicherlich nicht vorwerfen, an vorderster Front gewirkt zu haben, was ans Justiziable grenzt, dazu brauchte es schon den ein oder anderen Gastautor, der sich in polemischer Weise auch mal eine Diktatur herbeiwünscht, um „Coronaleugnern“ das Handwerk zu legen. Und doch hat sie lange mitgewirkt, das aufrecht erhalten, was den Gastautoren und anderen öffentlichen Akteuren in die Hände spielte, totalitäre Ideen publizistisch zu formulieren.
Was dann auch nahtlos überleitet zu den jüngsten Entwicklungen, in denen die Süddeutsche selbst zum Gegenstand von Skandalen geworden ist. Es bleibt schleierhaft, warum sich das Blatt so sehr um Kampagnen gegen ihm unliebige Gruppierungen oder Figuren bemüht – jedenfalls waren die nicht von Erfolg gekrönt. Irgendwie steckt da noch Corona in den Knochen, wo es noch möglich war, sich im Fahrwasser aller Maßnahmenfans bequem hindurchzuschlängeln, da lernt man offenbar auch die Vorzüge des rigiden Haltungsjournalismus. Ablesbar war das etwa am Onlinetraffic, da schnellten die Klickzahlen 2021 gewaltig in die Höhe, wenn auch nur als kurzer Ausreißer.
Wahrscheinlich war man erfolgsbesoffen ob der schieren Zahl und wähnte sich damit im Recht. Nun wäre es aber interesssant herauszufiltern, welche User die Klicks in die Höhe trieben. Das kann nicht ausschließlich durch Zustimmung und Mundpropaganda passiert sein. Da könnten auch solche wie der Autor dieses Textes vorbeigekommen sein, um zu Recherche- und Kritikzwecken zu blättern. Der Mainstream-Bonus war also zur Virenkrise profitabel, dass die Chefredaktion den Tenor vorgab, was die Zeitung, wie auch manche Konkurrenz im Leitmedienkomplex, zur Pflichtlektüre für Opportunisten machte.
Fragmentarischer Journalismus
Anders ist es wohl nicht erklärbar, dass man sich derart hemsärmelig dran machte, Hubert Aiwanger loswerden zu wollen. Sicher wähnte man sich dazu fähig, ist man doch Teil eines Recherchenetzwerks mit WDR und NDR, das schon häufiger in Radio und TV Erwähnung fand. Korruption und Geklüngel in der Wirtschaft offenzulegen, ist nun eine Sache, doch einen Politiker aufgrund kontroverser Aussagen auf einer Friedensdemo demontieren zu wollen, war im Nachgang ein Rohrkrepierer sondergleichen.
Nicht nur der offenkundige Zerstörungseifer innerhalb der SZ war darin völlig unverhältnismäßig. Auch wie leichtfertig man sich mit zweifelhaften Informationen füttern ließ, ist nun nicht nur für die Zeitung zu Problem geworden. Jetzt hat der Informant selbst ein Verfahren an der Backe, als dieser seine Berufspflichten den eigenmoralischen eigenmächtig vernachlässigte. Dazu hat man die Zielperson der Kampagne, Hubert Aiwanger, ziemlich unterschätzt. Das TV-Tribunal bei Markus Lanz ging ebenso in die Hose – also eine krachende Niederlage in allen Instanzen.
Hatte man denn daraus eigene Schlüsse gezogen geschweige denn das selbstkritisch betrachtet? Nein. Nach Monaten des Medienburgfriedens verdingte man sich nämlich schon an der nächsten Person, die dem Verlag nicht in den Kram passte. Auch die Plagiatsvorwürfe gegen Alice Weidel wurde durch die SZ in die Öffentlichkeit getragen. Ihre Nachweise: anonyme Plagiatssucher, die sich auf „Fragmente“ berufen. Ähnlich wie in der Aiwanger-Sache arbeitete man sich auf dünne Indizienlagen ab, was als „Teil des Recherchenetzwerks“ tatsächlich wie eine journalistisch-handwerkliche Fingerübung anmutet. Also dass man sich nicht einmal die Mühe machte, sich da ausreichend hineinzufuchsen, um die Anschuldigungen auf fundierten Boden zu stellen.
Als neutraler Beobachter verlagert sich schnell die Frage auf die Süddeutsche zurück: Reicht denen tatsächlich diese fragmentarische „Beweislast“ aus, um Kampagnen loszutreten? Das kann man lückenlos auf die aktuelle „Correctiv“-Thematik übertragen, wo es in der investigativjournastischen Profiliga eben nicht ausreicht, einzelne Flugblätter, aufgeschnappte Aussagen wie Selbstinterpretationen, verpixelte Fotos sowie Zitatfragmente als Erkenntnishammer zu präsentieren. Wenn es sein muss, bedient man sich sogar der Kulturbranche, was als Verbreitungsmittel eine neue Dimension des medialen Unfugs öffnet.
Das System Krach
Wie es anders gehen kann, hat ausgerechnet eine journalistische Reizfigur wie Julian Reichelt vom Zaun gebrochen. Zum Thema „Plagiate“ gibt es ja mittlerweile eine reichhaltige wie Konsequenzen nach sich ziehende Geschichte in der deutschen Presse- und Politiklandschaft. Das eignet sich immer, wenn im intellektuellen Spektrum der Doktortitel eine Rolle spielt, und es lässt sich gut und gerne verschleiern, wenn Zerstörungs- und Rufschädigungsabsichten einen neutralen, seriösen Charakter erhalten sollen.
Dabei ist die Praxis davon ziemlich simpel zu begreifen und im Dissertationshandwerk nur im Detail heikel. Ob Alice Weidel nun „fragmentarisch“ geschummelt hätte, ist somit nur eine Seite der Medaille. Dass aber ausgerechnet der stellvertretenden Vize-Chefredakteurin der SZ, Alexandra Föderl-Schmid, stichhaltig nachgewiesen werden konnte, ganze Textpassagen aus der gesamten Artikellandschaft übernommen zu haben, ist eine andere Hausnummer. Und fällt besonders dort auf fruchtbaren Boden, wo man mindestens skeptisch ob der haltungsjournalistischen Praxis der Münchner Tageszeitung geworden ist, geradezu dilletantisch Alice Weidel oder Hubert Aiwanger mit dünner Beweislast absägen zu wollen.
Natürlich wendet man diese Bedenken als Außenstehender zuerst bei der Zeitung als Ganzes an. Liest man sich jedoch nur ein wenig in SZ-interne Vorkommnisse ein, landet man schnell bei einer bestimmten Person (oder gar einer Position), die nicht nur bezüglich des jüngsten Plagiatsskandals schon öfter für Irritationen sorgte – dem Chefredakteur Wolfgang Krach. Das wirft auch Fragen auf, wie es denn im SZ-Bunker selbst zugeht. Und darin rumort es offenbar schon seit längerem, dass der gesamten Redaktion ein Chef vorsteht, der mit eisener Hand den Ton angibt.
Nach außen hin jedoch zeichnet sich ein völlig anderes Bild – es wurde wohl zur gängigen Praxis, zu polemisieren und beim ersten Anzeichen von Shitstorm die Büßerrolle einzunehmen. Krach und Co. knicken regelmäßig vor der öffentlichen Empörung ein – wobei gerne mitgedacht werden kann, ob und wie innerhalb des Verlagsgebäudes das Publizistische durch autoritäre Redaktionsstruktur und der damit einhergehende Gruppenduktus dominiert wird.
Vielleicht ist es sogar auf das Prinzipielle im Journalismus allgemein ausweitbar. Wenn man also weiß, dass einzelne Personen mit harter Hand regieren, interne Kritik scharf angehen und gar für die Außendarstellung das Prinzip des Quellenschutzes ignoriert, sollte sich eine höhere Instanz darum kümmern, innerhalb der Redaktion für klare Verhältnisse zu sorgen. Wer weiß, inwiefern Krach selbst dafür verantwortlich gemacht werden kann, die Aiwanger-Kampagne loszutreten, wie sehr seine eigene Sicht auf das Virus und die Maßnahmen das Wissenschaftsressort bestimmt hat und wie seine eigene ideologische Überzeugung in gedrucktem Wort herauslesbar ist. Das wäre sehr interessant zu wissen, weil es nicht nur die SZ betrifft, sondern auch den gesamten Mainstreamkomplex, dem man ja heute so einiges nachsagen kann.
Beim Leser kommt selbstredend nur das Ergebnis daraus an. Vielleicht ist es in der Redaktion und gerade bei Wolfgang Krach schon so weit gediehen, jeden Anflug von Kontroverse im Sinne des Opportunismus vermeiden zu wollen. Und dann vor dem Leitmedienkollegium brav zu Kreuze kriecht, dagegen bei Krachmaten wie Julian Reichelt zum Selbstschutz gleich mit den üblich gewordenen Etiketten um sich wirft. Letztlich macht man sich mit dem System Krach nur ständig angreifbar, und dazu braucht es nicht mal einen Kulturkampfgegner wie Reichelt, um da hinein zu geraten.
BILDungszeitung
Die Leistungsbeurteilung der SZ der letzten Jahre ist demnach eng mit der Stelle der Chefredaktion verknüpft. Und doch ist diese auch nur ein soldatisches Ausführungsorgan des Verlagsgebarens, in dem die wirtschaftlichen Interessen im Vordergrund stehen. Das hat seine eigene Geschichte, was wohl ebenfalls nicht dazu beiträgt, ungehindert der eigentlichen Arbeit nachgehen zu können.
Die Selbstdemontage der Süddeutschen Zeitung ist also nicht nur das Ergebnis jüngster Krisen und dem Umgang damit. Es bot allerdings eine breite Basis, seit Corona mit einem Schlag einen noch zweifelhafteren Eindruck zu hinterlassen. Da ist es normal, dass man als Printjournalismus am Scheideweg zur Digitalisierung und der Gratismentalität der Leserschaft ein gespaltenes Verhältnis entwickelt. Und sich so getrieben sieht, zwischen Duckmäusertum und Sensationslust hin und her pendeln zu müssen, was in dieser inkonsequenten Aufstellung nur noch mehr Kontroversen zur Folge hat.
Bliebe noch der politische Kompass zu erwähnen, der den Eindruck zu einer runden Sache macht. Die SZ gilt als linksliberal. Also genau das Publikum füttert, das aktuell den Mainstream bestimmt und nun zum diskursiven Zankapfel politischer Tendenzen geworden ist. Würde man sich mehr an eine der letzten Koryphäen tolerierbaren wie respektablen Journalismus´ wie Heribert Prantl orientieren, würde die SZ nicht selbst zur Lachnummer vom aufkommenden, tendenziösen Kampagnenjournalismus absacken, der sich mit lumpigen Methoden in die Nesseln setzt. Und müsste sich nicht die Blöße geben, so etwas wie die BILD-Zeitung des Bildungsbürgertums zu sein, die einem Moral-Geschichten aus dem Paulanergarten auftischen will.
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Mutant77 (Montag, 12 Februar 2024 19:36)
Ich muss zugeben, ich habe den Artikel nur überflogen.
Hatte aber den von Übermedien gelesen und auch wenn ich die Sache eher kritisch sehe und wie du auch, im größeren Kontext, Niggemeier recherchiert normalerweise sehr gründlich. Daher als Ergänzung:
uebermedien.de/91980/die-legende-von-der-schmutzkampagne-der-sz-gegen-alice-weidel/
Polemicer (Dienstag, 13 Februar 2024 06:59)
@Mutant77
Ich habe auch nicht immer Zeit, alles zu lesen, von daher sei es dir verziehen :-)
Nein, die SZ-Geschichte mag im Einzelfalle diskutabel sein, wobei man Niggemeier mittlerweile auch eine, wie heute üblich, Tendenz und somit ideologische Voreingenommenheit attestieren darf. Sieht bei mir auch nicht anders aus, aber ich muss mich ja auch nicht dem Establishment zurechnen und stehe hier auch weniger unter Zugzwang.
Gerade der letzte Absatz des von dir verlinkten Artikels ist verräterisch, weil er dann das ausklammert, was bei der SZ in der Gesamtheit betrachtet querläuft. Da kann er dem Blatt noch so sehr beispringen, die SZ hat Kampagnen losgetreten, und gar nicht mal wenige, und dann muss man sich nicht beschweren, wenn mal was zurückkommt.