Ich wechsle zu X. Ich schaue mir die Hashtags an. Ich wische durch die ersten zehn Posts. Ich verschwinde.
Klar – irgendwie Kloßbrühe, was aktuell so wieder im Empörium abgeht. Aber trotzdem überrascht es nach so langer Zeit immer noch, dass die Kreischweltmeister immer noch nicht ihren Zenit überschritten haben. Mit jedem Prozent mehr auf der Haben-Seite der AfD-Wählergunst wird immer mehr Dreck über sie ausgegraben. Ob das tatsächlich so ist oder nicht, interessiert mich immer weniger, auch weil ich – aus welcher Motivation auch immer heraus – die Partei nicht wählen werde. Ich bin doch viel zu unvölkisch und wenig arschliberal gepolt, in der Partei eine eigene Überzeugung repräsentiert zu sehen.
Und doch geht mir das Gekreische mit jedem Kampagnenboost gegen sie immer mehr auf den Seier und finde es immer irrer, wie man sich auf etwas bis zum Exzess einschießen kann, als wäre die Demokratie tatsächlich nur durch diese Blau-auf´m-Bau-Partei gefährdet. Offenbar krächzt es noch nicht genug bei den Smombies, die Twitter und jetzt X trotz aller Fluchtgedanken immer noch nicht verlassen haben und auf Dauerbetrieb schalten, weil sie wohl noch immer nicht alles gesagt haben wollen, was sie vorher schon X-mal (ja, Wortwitz) wiedergekäut haben. Sie haben den Raketenantrieb nur auf nächste Stufe geschaltet, neu geschärft, noch mehr Brandmauer – Ignition! Ab in den Bluesky geschossen, Fehlfunktion, abgestürzt, die Brandmauer brennt, weil selbst gezündelt und schließlich das Streichholz in die falsche Richtung geschmissen.
Dabei hatte man so schöne Ansätze gelernt. Mal auszuweisen, wenn es zu viel wird. Neiiiin, natürlich probt man bei dem Gewissenstango die Rolle rückwärts, und nun brennt nicht nur die Brandmauer, sondern schon die Hütte, die es damit zu schützen galt – eben wegen der Umfrageergebnisse. Kaum auszudenken, der Altparteienkomplex wie all die braven Leitmedien hätten auch nur einen Anteil an Schuld am Höhenflug der AfD. Irgendwie kommt es mir, etwas tiefer gedacht, so vor, als wüssten sie alle von ihrem Versagen und machen in dieselbe Richtung nur noch etwas mehr. Irgendwann muss es ja klappen, und dann stehen ja noch einige taktgebende Wahlen an. Natürlich hilft es in ähnlicher Weise, Kopf voraus durch die Wand zu wollen, und man sieht ja, wie der Beton schon leicht abbröselt. Einfach weitermachen, dann ist das Loch irgendwann auch groß genug geworden. Dass man sich dabei eher das Hirn zermatscht, bis man den Schmerz oder gar nichts mehr spürt, darf nicht geltend gemacht werden.
Aber mal ehrlich: was sollte dieses Bisschen Abschieberei? „Neue Härte“, hieß es von leicht wohlwollend bis mega-empört je nach Haltungsgazette. Für mich war das ein bisschen mit Schuldgefühlen eingepisstes Treibmittel, das so wenig Effekt hat wie mit dem kleinen Finger einen Titanen umhauen zu wollen. Es war eher ein wenig „dazu gezwungen sein“, aber sicher keine Überzeugungshandlung, also auch wieder nur von hinten blau penetriert worden zu sein. Scheiß Dilemma, wenn man zu gerne alle bei sich aufnehmen will, aber die Wählergunst nun im Zeitraffer schwinden sieht, dann ein bisschen Wählerwillen motzig und halbherzig bedienen muss und letztlich doch wieder in das alte Gekreische zu verfallen, weil man mordssauer ist, sich zu solchen Gedanken und Handlungen getrieben gefühlt zu haben. Und da hat man noch nicht mal an Grenzen der Umsetzbarkeit gedacht, weil kein Geld mehr da ist und jeder humanistische Antrieb auch mal Grenzen hat.
Greifbar wird der schmerzende Anus eben vorrangig auf X, die Wutröte in den Gesichtern hat noch nie so schön geglüht wie zuvor. Dann packt man wieder „Geheimpläne“ aus. Irgendwas mit „Remigration“ und die ganz leichte Interpretationsüberleitung von "Remigration" zu „Deportation“. Man konstruiert sich selbst ein drittes Reich herbei, um es zu verhindern. Jetzt wird es allzu spruchreif, was sie bisher – warum auch immer - nicht konkret aussprachen. Es klingt für mich wie der erste Großerfolg nach der NSU-Story (you wish!), der aber alleine schon dadurch Zweifel nährt, weil der „Faktenvercheck“ Correctiv ja immer die Wahrheit sagt... häufig. Fast immer. Oder so. Und hat natürlich wieder rein gar nichts vom Plan gemein, AfD-Verbote prüfen zu lassen. Zack! Da sind auch schon die ersten „Beweise“ dafür per Express überstellt worden.
Empör! Empör! Schäum! Ächz! Krawumm!
Ein AfD-Verbot zu prüfen ist wahrscheinlich noch dünner als das damalige bei der NPD. Wir wissen heute, was passierte – nämlich nur die personelle Versprengung in politisch ähnlich gelagerte Gefilde. Ich wiederhole mich da gerne, weil man schlicht schon ein schwaches Ergebnis von damals versucht nun „besser“ zu machen, obwohl das noch weniger begründbar ist. Und im Glashaus mit Steinen zu werfen macht noch weniger Sinn. Eigentlich gar keinen. Hätten sie gerade in dieser ideologisch-moralischen Schleimscheißerei vor einiger Zeit eben nicht „mehr Diktatur wagen“ wollen, Kinder oder Ungeimpfte nicht mit „Ratten“ verglichen oder solche Scherze, würde ich ihnen eben auch nicht ihre Hybris im Umgang mit Bevölkerungsgruppen oder Parteien an die Birne werfen wollen. Nazi-Sprech von Nazi-Jagend:innen, das ist schon ein ganz großes Kaliber von Doppelmoral.
Diese „Geheimpläne“ sind, würde man die Fronten umkehren, genau demselben „Verschwörungstheorie“-Gemurmel entsprungen. Die einen fabulieren halt über CIA oder tiefen Staat, die anderen von nebenwirkungsfreien Impfungen oder Geheimplänen. Vielleicht ist nur der Unterschied, dass wir Ungeimpfte (und immer noch Lebende) sie mal machen lassen und lieber zum Popcorn greifen statt jetzt kollektiv widerempört zurückzufauchen, auch wenn Sachzwänge immer noch gebetsmühlenartig gefordert werden müssen. Zumindest mehrheitlich in den Ecken, in denen ich mich so bewege. Man hat den satirischen Mehrwert dort schon erkannt und kann das Theater bis zum Gloryhole-Finale mit Rachearschfick in vollen Zügen genießen. Denn ist bisher überhaupt kein überzeugtes Umdenken geschweige denn Umschwenken eingeleitet worden, was wohl einfach nur bedeutet, die AfD noch größer und größer und größer zu machen. Nein, ich will die auch nicht groß haben, aber ich und ähnlich Tickende haben keine Lust mehr, gegen taube Ohren und zermatschte Köpfe zu reden. Ein bisschen Hufeisentheorie erscheint die einzig logische Denkkonsequenz at the moment, aber ich glaube tatsächlich daran, dass die in völlig blinder Überzeugung den Mehr-Weg weitergehen wollen.
Man könnte ja einfach mal zuhören. Aber nein. Lasst sie einfach weiter besserwissen, bis die AfD sie selbst mit voller Breitseite und absoluter Mehrheiten im Rücken als erstes abserviert. Das hätte dann eine besondere Bedeutung von „die eigene Medizin schlucken“. Man wollte die Zündung für den ersten Tempoboost erreichen, zündelt aber selbst und bei sich selbst, bis alles plattgebrannt ist, sogar die eigene Brandmauer.
Mir kocht da immer eine bestimmte Assoziation hoch: die von Marvel-Filmen. Es ist einfach nicht genug, die Kuh noch weiter zu melken, und um noch irgendwie Aufmerksamkeit zu erregen, wird man in den Drehbuchideen immer bescheuerter geschweige denn verkopfter. Ich hatte mir die (vorerst) abschließende Thanus-Finalepisode noch angetan. Doch schon vorher wurde mir bewusst, dass man nicht „back to the roots“ gehen wollte, weil ich etwa die ersten „Captain America“-Filme in ihrem Moralsetting ziemlich gut fand. Danach war alles nur noch verkopft-übertriebener Mumpitz mit Effektsoße, eine Karikatur ihrer selbst, und doch muss die Melkkuh noch weiter Milch liefern, die sie schon gar nicht mehr produzieren kann.
Ähnlich wenig holt man potentielle Wählerstimmen noch ab. Man sagt sich als Politik- und Filmfan: Schreibt endlich wieder gescheite und nachvollziehbare Drehbücher, die nicht nur höchst autistisch veranlagte Philosophiegenies verstehen, dann würde man euch keinen Eselshut oder eine Clownsnase aufsetzen, an dem sie sich auf X auch noch Wochen später die Zähne ausbeißen. Wäre es nur das von vielen Themen, die es zu beackern gäbe, aber da hat man wieder die Eskalation geliefert, die es brauchte, neue Filme in der Reihe „Mehr vom Gleichen und noch viel krasser“ zu drehen. Also haben wir schon wieder einen Superbösewicht, der jede theoretisch erreichbare Dimension wie ein Multiversum bedroht und die gerettet werden muss. Sowas kann man eben nur auf X ernsthaft erleben, verkündet von den immer gleichen Gesichtern.
Ich gerate jetzt selbst an die Grenzen des Sagbaren, weil ich mich an die Grenzen des Vorstellbaren getrieben sehe. Immer dieselbe Leier wiederzukäuen ist schon rein rhetorisch mit absoluten Grenzen verbunden, während die dort selbst von Abschiebeplänen zu „Deportation“ überleiten und sich die nächste Raketenstufe zum direktmöglichsten Nazi-Vergleich ersponnen haben. Man kann nur kurz anmerken: Noch ist die AfD in keinem Parlament federführend. Noch könnte man immer noch ernsthaft Politik machen, die der Partei die Themen zurückklaut. Stattdessen macht man immer weiter mit demselben Quatsch und hat immer noch nicht erkannt, dass man selbst dazu beiträgt, Thanos 3.0 mit neuen Superkräften und noch mehr Eroberungsgeheimplänen in wirre Drehbücher zu schreiben. Sie denken, weil es früher so erfolgreich war, kann man es noch weitertreiben, doch dass es nur zur Selbstertüchtigung gereicht und alle anderen gelangweilt weggehen, haben sie offenbar noch lange nicht verstanden.
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epikur (ZG / Blog) (Samstag, 13 Januar 2024 23:40)
Ehemalige Blog-Kollegen und Zero-Covid-Freunde, beschwören sogar eine "Wahnsee-Konferenz 2.0" herauf: https://fliegende-bretter.blogspot.com/2024/01/ronny-des-monats-sonderausgabe.html Ist das nicht schon Holocaust-Verharmlosung?
Natürlich gibt es bei der AfD rechtsextreme Leute. Nur, dass sie mehr abschieben und Migration begrenzen wollen - ist ja nun wirklich kein Geheimnis! Diese Medien-Agenda zu pushen, um "Argumente" für ein AfD-Verbot zu haben, ist so durchschaubar, wie peinlich.
Alle anderen Parteien könnten ja die Migration und die damit verbundenen Probleme thematisieren, anstatt jede Debatte zu unterdrücken und als "rechts" zu framen. Weiterhin könnte die Regierung endlich Politik für und nicht gegen die Bevölkerung machen - das würde der AfD schon genug Stimmen kosten. Stattdessen hat man sich entschieden, der AfD mehr und mehr Wähler zu zu schieben.
Pascal (Sonntag, 14 Januar 2024 19:00)
Unter einer Gleichsetzung mit irgendetwas aus der Adolf-Zeit macht man es heute eben nicht mehr. Da muss schon gleich von Beginn an verbal richtig geklotzt und nicht erst gekleckert werden, immerhin geht es um die Verteidigung des besten Deutschlands aller Zeiten.
Dumm halt, dass die meisten Leute dem Vernehmen nach in ihrem persönlichen Leben nicht den Eindruck haben, in wirklich guten Zeiten zu leben.
Aber das ist bestimmt nur ein Kommunikationsproblem. Irgendjemand in der Ampel hat vermutlich irgendetwas dem dummen Bürger nicht gut genug erklärt.
Der bildet sich ohnehin nur ein, es gehe ihm schlecht; meint jedenfalls Holger Lengfeld, seines Zeichens [sic] Soziolog:_*innen in der Kulturzeit auf 3sat:
"Zukunftsnöte: Wie real ist der Niedergang? - Gespräch mit Holger Lengfeld
Fühlen wir uns ausgeliefert, müde - und haben dann auch noch Angst vor Armut und vor dem gesellschaftlichen Abstieg? Nein, sagt der Soziologe Holger Lengfeld, uns gehe es überhaupt nicht schlechter, und die Mittelschicht werde auch nicht dünner. Im Gegenteil, es gehe uns so gut wie noch nie. Wir sprechen mit dem Soziologen über seine Thesen."
https://www.3sat.de/kultur/kulturzeit/die-grosse-erschoepfung-sendung-vom-09-01-2024-100.html
Polemicer (Montag, 15 Januar 2024 06:34)
@epikur
Wenn die einen ideologisch getrieben abschieben wollen und die anderen das krasse Gegenteil, ist es eben ein Dilemma, wenn die Sturheit nichts lösen und nur Recht haben will. Wenn wir nur noch in diesen Ebenen um Sachthemen streiten, dann kannst du die Demokratie wirklich gleich abschaffen, egal wer das will.
@Pascal
Der Bericht ist doch nur ein weiterer Beschwichtigungsversuch und dumme Masche, der Gegenseite das Wasser abzugraben. Die holen immer genehme "Experten" mit rein, und der Herr ist wohl Stammgast geworden (der Lauterbach der Soziologie):
"[...]Er tritt zudem regelmäßig in TV-, Radio-, Print- und Onlinemedien als Vermittler von sozialwissenschaftlichen Forschungsergebnissen an eine breitere Öffentlichkeit auf.[...]" -Wikipedia
Pascal (Montag, 15 Januar 2024 13:50)
"Der Lauterbach der Soziologie"
:) eine passende Analogie
Natürlich läuft das hier im Fall der Kulturzeit, die mittlerweilen auch eine infame Hetzsendung geworden ist, genau so wie bei Lanz & co.
Ich frage mich bloss immer, wie entrückt von der Realität diese Medienmacher eigentlich sind, dass sie weiterhin den Leuten solchen Stuss wie den von Lengfeld zumuten. Klar, natürlich können sie aus all den kumulierten Sachzwängen heraus nicht anders; aber so langsam müsste doch irgendwie die Erkenntnis einsetzen, dass ihnen ein erheblicher Bevölkerungsanteil diesen unterkomplexen Schwachsinn nicht nur nicht mehr abnimmt, sondern ihn als das auffasst, was er ist - nämlich ein Schlag ins Gesicht, zumindest ein unmissverständliches Signal der Geringschätzung oder eben sogar regelrechter Verachtung gegenüber der grossen Mehrheit der Bevölkerung, die schlicht von ihrer Hände Arbeit leben muss.
Dass sie mit dieser verächtlichen Haltung gegenüber den normalen Bürgern, mittlerweilen seit Jahren, genau die Entwicklung fleissig alimentieren, die sie ständig moralisch brandmarken, müsste jedem halbwegs intellektbegabten Mensch wie Schuppen von den Augen fallen - und die Medienhohepriester sehen sich ja selbst gerade als die Intelligentia des Landes.
Vermutlich sind die Gründe ganz einfach: Elitedünkel und Verachtung für den Pöbel. Es macht wohl keinen Sinn, dieses Phänomen auf intellektueller Ebene erfassen zu wollen.