Was ist das aber auch für eine Gefühlsachterbahn, die Robert Habeck da letztens an der Nordsee durchmachen musste. Die Familie konnte nicht auf´s Festland, weil da draußen eine Form von Kritik zum Ausdruck kam, die so dermaßen bedrohlich war, dass man scheinbar schon direkt in die Mistgabeln starrte, die ein paar wütende Bauern ihnen vor die Nase gehalten haben wollen. Doch alleine schon der Umstand, dass Papa Habeck gar nicht auftauchte und somit die Forderungen nach Gesprächen von draußen ignorierte, kam bei den Landwirten halt nicht gut an.
Es ist eben nicht schön, wenn einer Zunft, die sowieso schon von Bürokratie erschlagen wird und in ihrer Kernkompetenz keinen existenziell ausreichenden Ertrag erwirtschaften kann, in dieser hausgemachten Haushaltsmisere in die Tasche gegriffen wird. Wut kommt auf – ein Gefühl, das Menschen eben so haben, wenn man ihnen schadet. Sorgen, Ängste, all das treibt die Bauernzunft auf die Barrikaden, und kein kaltes Kalkül, dem Bundeswirtschaftsminister lediglich auf die Pelle zu rücken, weil sie ihn nur einfach nicht leiden könnten.
Assoziationen kochen hoch, übergriffige Beschlüsse loszutreten, nur um das eigene Versagen auf... Bauernopfer abzuwälzen. Es kommt einigen bekannt vor: Thema Corona kehrt in seiner ganzen Bandbreite zurück. In Form von willkürlichen Beschlüssen, der Dämonisierung von Kritik von angeblicher Instrumentalisierung der Proteste von rechts. Wie aus der Pistole geschossen wollen wieder mal die üblichen Verdächtigen erkannt haben, dass der Protest an Legitimation verliert, weil Rechtsradikale Stimmung dafür machen würden. Dabei ist augenscheinlich, was das bezweckt – die Proteste sollen gar nicht erst stattfinden. Man versucht sich nun in seiner kurzfristigen Brisanz an den Mitteln, die sich schon vor drei Jahren bewährt hatten – Demonstrationen vielleicht lokal verbieten, das schlechte Gewissen einzelner Treckerfahrer aktivieren, umzukehren und ja nicht mit Nazis und Co. Seite an Seite zu stehen. Also nichts anderes als eine rhetorische Vergiftung unbequemer Realentwicklungen.
Es ist eine dreiste, gefühlskalte Masche, die da auf Kritiker einwirkt, und schon wieder wird die Gefühlslage zu einem heuchlerischen Zustand von selektiver Scheinargumentation, so als wäre der emotionale Zustand von Minister*innen weitaus höher zu werten als die von „Bauerntrampeln“. Der hegemoniale Ansatz von Gefühlsbewertungen ist es auch, der die Kluft zwischen Bevölkerung und Staatsdienern ein weiteres Mal aufzeigt – zu Corona-Zeiten hat man sich auch über die jeweiligen Bedürfnisse Einzelner hinweggesetzt und die spazierenden Reaktionen darauf sogleich mit Nazi-Methoden gleichgesetzt. Auch darin nahm man die existenziellen Ängste (etwa des Jobverlustes) nicht wahr und lagerte eine Bedingung vor, dass man sich alternativlos impfen lassen soll, um die Angst abzulegen. An den Bedingungen wurde jedoch nie gerüttelt, und nur die letzte, demokratische Instanz der Impfpflichtabstimmung verhinderte letztlich das Schlimmste. Hängen blieb ein Vertrauensrekordtief in die Ampelregierung und Beliebtheitswerte unterhalb der Grasnabe.
Vieles befindet oftmals darüber, wie scharf die Kritik zum Ausdruck kommt, und bei den Bauern gibt es nachweislich eine lange Latte an Vorschriften und Voraussetzungen, die die Landwirtschaftstätigkeit in ein zweifelhaftes Licht rücken würde. Nicht die Bauern selbst entscheiden vollständig darüber, was angebaut wird und wie viel Geld sie aus Brüssel erhalten sollen, das wurde bisher zwar maulend, aber auch ohne breite Streikmotivation, akzeptiert. Da nun den Rotstift anzusetzen, ohne Verbände oder die Zunft als Ganzes überhaupt in die Diskussion mit einzubeziehen, ist nicht nur bei dem Thema eine Ignoranz, der man sich irgendwann entgegenstellen muss, weil es gar nicht mehr anders geht. Danach den Zeitpunkt für die Streichung lediglich zu verschieben, weil die Gegenreaktionen mit Verweis zum bekannten Jean-Claude Juncker-Zitates dann doch eintraten, nährt nur in weiterer Konsequenz die Annahme, dass man ihnen trotzdem irgendwann später in die Tasche greifen will.
Nun wird schon lange darüber gestritten, in welchem Maß und auf welcher Ebene denn überhaupt gestritten werden soll oder darf. Häufig starten die Debatten mit einem harten Beschluss oder einer konkreten Idee. Nun würde sich vortrefflich darüber sachlich diskutieren lassen, was daran gut sein kann und was schlecht, aber irgendwie hat es sich heutzutage durchgesetzt, die Sachlage schnell der Gefühlsebene zu opfern, wenn die Inhalte zu viele Bedenken nähren könnten. Die Voraussetzungen dafür könnte man glatt der Werbewelt entnehmen, wo heute die Produkte nicht mehr im Vordergrund stehen, sondern das Lebensgefühl, das damit verbunden werden soll. In solch heilen Welten sind ebenfalls Bedingungen vorgeschaltet, die die Gefühlslage in ein rechtes Licht rücken sollen. Etwa wird ein menschenliches Grundrecht mit einem Produkt assoziiert, sich ein Stück mehr Freiheit mit dem Kauf eines Autos oder einem Schluck Bier zu erlangen. Nie wurde in den Werbespots thematisiert, dass Staus und die Abhängigkeit des Berufspendelns gar nichts mit dem Freiheitsideal gemein hat. Alternativ dazu, dass nicht das Freiheitsempfinden exponentiell ansteigt, wenn man nur noch mehr säuft oder nur fleißig Krombacher kaufen muss, um zum Regenwaldretter höchster Güte zu werden. Es sind schlicht absurde Ideen ohne große Wirkung, auch wenn der "gute" Anlass irgendwie nachvollziehbar erscheint.
Ähnlich handhabt man es jetzt in der Politik – Verzicht oder die willige Akzeptanz von Sonderabgaben oder Steuererhöhungen werden mit einem höherem Zweck, im Nebensatz auch mit einem Gefühl verbunden. Es soll das Gewissen beruhigen, in Hochzeiten wachsendem Moralismus etwas unangreifbar Gutes für sich selbst und gerade für die Allgemeinheit getan zu haben. Nur dass es eben einen Unterschied macht, dass zum Beispiel prekär Beschäftigten das Gewissen egal ist, wenn Frauenquoten, Minderheiteninklusion oder schlicht Verzichtsappelle zur Sanierung des Staatshaushaltes als moralisierte Absichtserklärung vorgesetzt werden. Doch haben wir mittlerweile gelernt, dass dies seinerseits eine autoritäre und willkürlich-gefühlskalte Form von Politikgestaltung darstellt, die in keiner Weise die Befindlichkeiten den Abnehmer von Vorschriften, Verboten und Kollektivappellen berücksichtigt.
Ferner wird gar erwartet, dass Kritik, Wut und Hass keine Gefühle sind, die solchen Beschlüssen im Weg stehen sollen. Das allerhöchste der akzeptierten Gefühle ist noch das betroffene Schweigen, das wiederum eine kaufmännische Form von Akzeptanz beinhaltet. Denn: wer schweigt, stimmt zu. So scheint eben nur legitim, gar nicht dagegen vorgehen zu dürfen. Wer es doch tut, wird sogleich mit einer ganzen Gefühlspalette von Seite der Entscheider aus beworfen, eine ausschleifende Opferzeichnung als Drohkulisse aufgebaut. Dann menschelt es an allen Ecken und Enden, Dackelblick und theatralische Inszenierung over-actender Fühlis sollen die „egoistischen“ Menschen zum Umdenken bewegen. Diese Form des Opferkultes funktioniert so lange, wie man Leute triggern und zum Denken anregen kann. Auch zu Corona ließ sich diese Methode erkennen, zwar eher als Antithese zum Werbestrategischen, aber im Grunde ähnlich kalkuliert. Nur, dass man Verzicht von Freiheiten und individueller Entscheidung als Freiheit (für sich und alle) verkaufte.
In der nächsten Stufe geht man folglich den kalten und harten Weg von Sanktionen, Cancel Culture oder weiteren Schritten, die den angeblich egomanischen Denktrotz einzuhegen versuchen. Es muss einem nur egal sein, um zur Persona Non Grata ernannt zu werden, selbst wenn sich der individuelle Moralismus nicht mit dem kollektivistischen deckt. Das Opfern hat in dieser Phase nicht gefruchtet, die Methode schaltet von defensiv auf offensiv. Die Sprache wechselt von schädlichen Gefühlseigenschaften Betroffener zu schädlichen Gefühlseigenschaften vermeintlicher Täter. Konkreter etwa von „fühlt sich diskriminiert“ zu „Hass und Hetze“, in inflationärem Ausmaß aus der Tasche gezückt. Ob jemand tatsächlich nur darauf aus ist, Menschen zu verunglimpfen, tut dann nichts mehr zur Sache. Hier wird im weiteren Ausmaß die Wut über politisch unpopuläre Entscheidungen mit dem zerstörerischen Kalkül von Reichsbürgern und Co. gleichgesetzt und ein Höchstmaß an Bedrohungslagen aufgesetzt, die jede noch so rigorose Gegenreaktion staatlich legitimiert. Gefühle der Sankionierten sind dann egal – man muss halt mit den Konsequenzen rechnen und mit ihnen leben. Doppelmoral ist schon fast kein Ausdruck mehr für diese selektive Herangehensweise, wenn man linken und grünen Fühlis jedes schlechte Gefühl unhinterfragt abkaufen, aber jede ihrer kalten Sanktionen einfach mal so hinnehmen soll.
Verfolgt man die Historie des bäuerlichen Wirkens etwas eingehender, ist neben den bürokratisch-monströsen Fallstricken auch die Helfermentalität im Bedarfsfall zu berücksichtigen. Abzulesen etwa beim Landwirt Markus Wipperfürth, der schon länger zu einer heimlichen Heldenfigur wurde und immer noch tausende, positive und unterstützende Reaktionen auf Facebook generieren kann. Auch er ist nun auf Protest gebürstet und versucht gar, die Anlässe der Arbeitsniederlegungen im Einzelfall zu erklären. Auch er hat so seine Erfahrungen gesammelt, sei es mit der Bürokratie staatlicher Hilfskoordinierung, die im Ahrtal bekanntlich völlig versagt hatte. Aber nicht nur das – ihm widerfuhr ebenso der Furor linksaktivistischer Platzhirschhelferstellen, die sich vom Land Rheinland-Pfalz Gelder zusicherten, sich lediglich als Vermittlungsportal dazwischen schalteten und jeden Nebenbuhler oder eigenmächtig agierende Hilfskraft wie eben Wipperfürth mit Ekelkampagnen versuchten, von der Bühne zu drängen. Hier wird die grundsätzliche Empathie einer autonom handelnden Gruppe im behördlichen Maße mit Füßen getreten, geschweige denn die von Flutopfern, als dazu noch die ehemalige Familienministerin Anne Spiegel ihren denkwürdigen wie zweifelhaften Abtrittsauftritt hinlegte. Natürlich auch mit ihrer eigenen, famliären Gefühlslage als letztes (allerdings gescheitertes) Mittel zur Selbstkasteiung vorgesetzt, selbst als die harten Fakten einen Rücktritt unumgänglich machten.
Dass nun der Fähren-Vorfall nun erneut die Gefühlslage der Habeck-Sippe in den Vordergrund rückt, wird in den Leitmedien wie gewohnt thematisiert wie dramatisiert. Wieder wird das schlechte Gewissen als Drohgebärde vorgeschaltet, sich ja zu überlegen, ob man diese Form des Protestes (oder den Protest überhaupt) anwenden will. Doch dass gerade Habeck selbst schon gereizt reagiert, wenn man ihn einen Kinderbuchautor oder auch mal einen Vollidioten nennt, sollte noch lange kein Anlass sein, den „armen“ Robert unwidersprochen mal machen zu lassen. Das würde jedes Versagen durchwinken, egal wie schädlich es noch werden kann wie es jetzt schon geschehen ist. Dabei sollte doch im Hause Habeck eine positive Energie aktiviert sein, wenn der Weltuntergang in Form von Mistgabeln eines „wütenden Mobs“ der „Bauern-RAF“ droht – was Kindern nach ihren Vorstellungen nicht schadet, sollte doch auch im Kinderbuchhaushalt zum positiven Denken anregen.
Doch scheinbar weit gefehlt: die Ängste der Kinder waren wohl furchtbarer denn je. Völlig egal, was die draußen dazu anstachelte, auf die Fähre zu stürmen. Völlig egal, wenn man sich verkrümelt und sich als Minister nicht der realen Debatte stellt, die man bei Maischberger rhetorisch nicht mehr bequem abschwächen kann. Völlig egal, ob die Landwirte gerade jeden finanziellen Minipuffer verlieren und somit Ängste entwickeln, die weitaus grundsätzlicher ausgeprägt sind als das finanziell sorglose Traumtänzertum, das in der hiesigen Politik offenkundig gang und gäbe ist und mittlerweile regelmäßig als Gefühls- und Opferkarte ausgespielt wird, wenn die harte Realität die Ideologie zerstampft. Da muss nichts menscheln - es passiert einfach. Und da greift jede simple Bauernregel.
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epikur (ZG Blog) (Sonntag, 07 Januar 2024 21:50)
Das rechts-rechts-nazi-framing soll ja nicht nur die Proteste delegitimieren, sondern vor allem andere vom Mitmachen abhalten! Denn nichts fürchten Medien und Politik mehr, als dass sich die große Unzufriedenheit in der Bevölkerung zu einer gesamtgesellschaftlichen links-rechts-übergreifenden Bewegung entwickeln könnte. Denn dann gäbe es kein Halten mehr.
Das gerade Linke und die vermeintliche "Antifa" schon wieder über dieses Stöckchen springen, ist mehr als peinlich. Im Zweifel dann also immer mit der Regierung, weil bei großen Protesten könnten sich ja "Querdenker" und "Nazis" tummeln. Das ist keine linke Opposition mehr, sondern nur noch eine Lachnummer.
Auch der "Gewalt-Vorwurf" gegenüber Habeck ist verlogen bis ins Mark. Politik und Medien betreiben systematisch strukturelle und psychische Gewalt seit Jahren an Millionen von Bürgern - aber wenn die Bürger dann mal lautstark widersprechen, ist das moralisch total zu verurteilen. Klar, wir sollen alles schlucken und die Fresse halten.