Sensibel zu sein, soll erst mal kein Grund sein, eine Haudrauf-Mentalität zu stützen. Trotzig Zynismus vorzuleben ist genauso kontraproduktiv wie momentan Gefühlslagen als Totschlagargument hervorzuholen, wenn man gesellschaftlich ins Hintertreffen gerät. Der Debattenextremismus, der sich zwischen „Fühlis“ und „Ewiggestrigen“ ausbreitet, hat noch lange nicht ausgedient, die Fronten sind derart verhärtet, dass ein Ausweg momentan nicht möglich scheint. Ich bedauere das zutiefst, auch weil ich mich selbst ein wenig zwischendrin verorte.
Sich bin sicher nicht der gestählte Typus des hemdsärmeligen Menschen, der alles anpackt, aber bin ich im Gegenzug auch nicht gerne völlig im Opfermodus hängen geblieben, der bei jedem Anflug von Kritik den sterbenden Schwan spielt. Wenn man sich allerdings selbst in der momentanen Kontroverse um Sensibilität oder Cancel Culture positionieren will, findet man sich wie beschrieben im Niemandsland wieder. Da mag ich mich wiederholen, wenn man schon andere Themen beackern will, aber man ist es mittlerweile gewohnt, dadurch zum Prellbock für beide Seiten zu werden. Man muss sich ja auch allmählich grundsätzlicher entscheiden, ob man auch in der Mitte standhaft bleiben will oder sich am besten, wie jüngst Thomas Gottschalk, davon zurückzieht. Das ist wahrscheinlich das Bedauernswerteste am kulturellen Charakter westlicher Nationen heutiger Tage.
Was ist in diesem Debattendilemma denn am schlimmsten? Manche meinen, man könne nicht mehr alles sagen wie früher. Andere meinen, man sollte nicht mehr alles sagen wie früher. Das klingt ja alles catchy und populistisch, also bedient natürlich Gleichmeinende, die sich dann parolenhaft als Kollektiv für eine ideologische Sache aufbauen können. Nun höre ich zwischen den Zeilen von vielen den Drang heraus, ich solle mich auch mal richtig positionieren, will das aber selten wirklich tun, weil ich alleine durch meine etwas ambivalente und breit denkende Persönlichkeit nicht vollends etwas zuordnen kann. Weder bei den „Fühlis“ noch bei den „Ewiggestrigen“, obwohl dann als Zünglein an der Waage der Wokismus in die Presche springt und eine Absolutheit für sich propagiert, der ich mich nie komplett ergeben will. Aus Prinzip schon mal nicht, wobei ich wenigstens darin prinzipientreu bleiben kann.
Wokismus hat für mich zwar ideologische Tendenzen (deutlich links), zieht sich aber auch anderswo hindurch, was ihn nicht per se linkspolitisch macht. Dass der sich jetzt bis zu Corporate Identity-Floskeln von imagebewussten Unternehmen durchgefressen hat, in denen man Diversität predigt, ist ja alles im Grundsatz zu begrüßen, aber sieht die Realität doch oft anders aus. Das kann dann schon ein Unterschied zwischen Ideologie und Idealen sein: die behandelt man nicht im politischen Spektrum, sondern rein im marketingstrategischen Sinne, und heute lesen sich Firmenprofile wie der Inbegriff von moralischer Integrität. Ob das eher Lippenbekenntnisse sind, weiß man erst, wenn man die Interna kennt. Klar, dass man in diesem Verkaufssprech schnell ins Schwarz/Weiß-Denken verfällt, es im Voraus entweder naiv gut findet oder grundsätzlich skeptisch ist. Die Wahrheit liegt dann irgendwo dazwischen, tendenziell zumeist dann eine oder die andere Seite bestätigend. Jede Person, die auch nur ansatzweise vernünftig drauf ist, würde mir da Recht geben.
Das wollte ich nur noch mal loswerden, aus Gründen. Derweilen passiert ja aktuell wieder sehr viel, wozu man seinen Senf abgeben kann, vor allem, wenn sich die Hampelampel mit ihrer Agenda immer mehr vom Weltgeschehen entfremdet. Wie selbstverliebt sie ihren Klimafonds in Dubai bewirbt und gleich noch mehr Steuermillionen verschwendet – und wenn wir schon von Geldern reden, die scheinbar allen zugute kommen sollen außer uns selbst. Mir geht wirklich das Messer im Sack auf, wohin wir unsere Steuern hin pfeffern, so als gäbe es hierzulande keine Probleme, die man zu lösen hätte. Dazu noch der moralische Furor, mit dem wir eine Art Bringschuld in die Welt setzen, die mit dem Geldverprass verbunden werden. Denn braucht man mir nicht erzählen, dass das milde Gaben sind, die man ohne Erwartung einer Gegenleistung in Geldkassetten für den Notfall stopft. Und wie mundfaul man plötzlich wird, wenn Entwicklungshilfe oder Bronzen nicht dort ankommen, wo sie hin sollen: zum afrikanischen Volk etwa. Kein Wort der Kritik aus dem Reichstag, null. Aber dann an China und Russland rummeckern.
Dazwischen kommt nach langer Zeit unser allerliebster Bundes-Karl wieder mal auf´s Tableau. Natürlich sind ihn bezüglich noch sehr viele Baustellen offen, die er wohl durch Abwesenheit versucht, sich aus dem Gedächtnis aller Betroffenen zu tilgen. Seine völlig verfehlten Reformansätze, und von Corona-Aufarbeitung wollen wir erst gar nicht anfangen. Da ist es Wasser auf unsere Mühlen, wenn Stimmen aus dem Ausland rüberschwappen, die unserem „Laxxficher“ mal ordentlich was auf´s Fressbrett geben. Ja, wir müssen uns alle bedauern, dass wir sowas im Amt ertragen müssen.
Allerdings scheint sich Karlchen mal wieder aus der Deckung zu wagen, weil wieder Saison ist. Impfungen anpreisen - da kennt er nix, und wenn das Land flach liegt, dann muss man gleich wieder die Werbekeule hervorholen. Die drei Milliönchen Auffrischimpfer, das geht mal gar nicht, weder für den Gesundheitsschutz wie auch für den Nutzen, sich unzählige Ampullen zu bestellen, die jetzt in den Lagern versauern. Parallel dazu laufen wieder vermehrt Menschen mit Lappen im Gesicht herum, und irgendwie fühle ich mich schon wieder leicht bedroht, das könnte wieder zur Kollektivhandlung und Mehrheitskonsens werden. Zum Glück, und das beruhigt mich dann doch wieder, berührt das nur Hausrecht und Individualentscheidung – so bin ich ein paar Tage nach ersten Berichten, dass in den ersten Krankenhäusern wieder Maskenpflicht ausgerufen wurde, in einem an ein Klinikum angegliederten Ärztehaus zwecks Schilddrüsennachuntersuchung eingekehrt. Masken Fehlanzeige. Keine Pflichten, keine besonderen Hinweise und Verbalpenetrationen. Nur auf TwiXter neben Grippesaison wieder Schissersaison vor Verschwörungen diabolischer Durchseuchungsfanatiker. Das hat sicher nicht denselben Stellenwert wie zu Pflichtzeiten, aber die kommen tatsächlich wieder aus ihren Blauer-Himmel-Löchern, um gar nicht mal so alte Zeiten aufleben zu lassen, wo sie nur ihre Angstneurosen in die Welt blöken mussten und alle ihre Vliesfetzen zückten.
Da spült es dann die wahren Sensiblen an die Oberfläche, die eine Zeit lang ihre öffentliche Relevanz feiern konnten. Doch Gott sei Dank bleibt das aus. Ich wäre sonst noch völlig verzweifelt, samt Hirnbrei, Herzinfarkt und Bauchschmerzen.
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