Wie sich Dinge verändern können...
Noch vor Corona hatte man Greta Thunberg schon fast heilig gesprochen, da kommt ein paar Jahre später ein Gaza-Konflikt in die Quere. Und schon ist sie Nazi. Äh, naiv (klingt ja so ähnlich: Naivnazi, harg, harg!) Das eindeutige Positionieren macht es aber auch fast unmöglich, sich absolut im Recht zu wähnen, und so fällt jedes Großthema gerade sehr deutlich für die Deutungseroberer eher ungünstig aus. Ich dachte schon, dass sich jetzt alles derart verengt und auf gut und böse beschränkt wird, aber man kann sich immer noch auf die ollen Kamellen verlassen, die in Nahost wie ein ewiges Lagerfeuer - mal mehr, mal weniger – lodert. Denn so wirklich eindeutig scheint darin gar nichts zu sein, und es ist mir eine Wohltat, dass der Konflikt zwischen Israels Hartarschregierung und den Hamas nicht so eindeutig und breit in der Bevölkerung nur eine Marschrichtung einschlägt und mal zur Abwechslung selbstwirkende Spaltungseffekte im Opportunismuspalast zur Folge hat.
Es ist definitiv anders als bei Putin/Ukraine, und selbst Annalena weiß gerade nicht so recht, wohin sie tendieren soll. Ihre Einflüsterer scheinen selbst ratlos zu sein, und um wenigstens irgendwie die Gemüter des großen Herrschers von über den großen Teich zu beruhigen, würgt sie gerade jede Klimax an Gefühlsbezeichnungen hervor. Totalst brutalst analst. Töter als tot. Zwar wird sich wieder uneingeschränkt solidarisiert, um den alten, deutschen Schuldkult sowie die neue deutsche Selbstisolation zu rekultivieren, aber so einfach ist es dann doch nicht, wenn die israelische Barbarensprache ein bisschen zu sehr an ethnische Säuberungen erinnert, die man zum Überraschungsmoment des Hamas-Angriffs hervorholte, um die Rachegelüste zähnefletschend auszuspeien. Big Daddy USA hält sich sogar noch zurück und auffällig bedeckt. Gar nicht gut, wenn wir sogar das ignorieren und im drogenvernebelten Moralshakra sowas gar nicht mehr mitbekommen.
Am Spielfeldrand flennt derweilen der einst heilige Wlodomir über zu wenig Aufmerksamkeit und wird noch mal mit Taschengeld ruhiggestellt. Ein bisschen wedelt man noch mit dem Europapark-Fähnchen vor seinem Gesicht herum, aber ob man sich das bei all den Terminen und Solidaritätsritualen später noch merken kann, wage ich bei dieser Nebelampel stark zu bezweifeln. Wenn sie denn überhaupt noch so lange aushält, denn aktuell lugen ja an allen Ecken die Holzfäller hervor, die mehr oder weniger heimlich am Ampelmast sägen. Und wenn nicht extern, dann ist man schon selbstzerstörerisch genug, neben sich selbst auch noch das Land völlig alle zu machen.
Ob der vielfältigen Auswahl an Themen, die zu Empörung, Übermoralisierung und was sich sonst so zur Routine entwickelt hat, verliert die Ampel wirklich sehr schnell ihre Souveränität. Sie selbst hat das in dem Ausmaß noch gar nicht vollständig erfasst, auch wenn jetzt mal so ein bisschen migrantenmäßig gehandelt wird. Eher zaghaft, um noch ein bisschen das alte Selbst zu erhalten. Es wirkt allerdings wie das maulige Greifen nach dem Müllbeutel, den man nach Tagen lästiger Wiederholung endlich in die Tonne verfrachtet – es aber abzusehen ist, dass der nächste Müllbeutel wieder nur bis kurz vor Bioexplosion der lästigen AfD-Fliege (auch wenn die grün sind) rumliegen wird.
Ich kann verstehen, wenn man in seiner Machtlosigkeit und dieser Monsterwelle an Unfähigkeit nahe der Verzweiflung ist. Was aber immer mehr zum Thema wird, dass jetzt das Gaza-Palaver dazu geeignet ist, selbst die kritischen Ecken in Verbitterung sowie in noch tiefere Spaltungsebenen zu treiben. Dieses Herumreiten auf Corona mag zwar für die Sache okay sein, aber für das eigene Geisteswohl mittlerweile zum Problem werden. Offenbar ist da ein starkes Trauma hängen geblieben, dass sie jetzt ihrerseits gleich Lockdown und Totalitärstaat an der Haustür vermuten, wenn der erste Saisonhusten in den Ohren klingelt. Man kann das etwas übergreifender betrachten und würde ihnen wieder mehr Recht geben, aber ob das bei der Masse an Beweisen für solch politische Unfähigkeit nicht eher zur eigenen mentalen Überforderung führt.
Bei mir führt das mittlerweile auch zu Ohren-Zuhalt-Momenten. Unabhängig davon, dass ich gerade auf der Nase liege und mir … na ja, halt was mit Schnupfen, Husten, Gliederschmerzen... eingefangen habe und es mir völlig wurscht ist, ob das jetzt Corona, Grippe, der heilige Husten von St. Röchel oder die Echsenmenschenseuche ist. Sis and bros – es ist November. Mehr gibt’s nicht zu sagen. Bin krank, gute Besserung, danke, bitte; wenn überhaupt. Und nicht von beiden Seiten politisch-ideologisch beballert zu werden, dass die einen mich wieder als unsolidarisch betrachten und die anderen eventuell als Zweckrebellen. Wenn mal alle ehrlich wären, interessiert das kaum noch jemanden, wobei man den Kritikern noch zugute halten kann, dass zu ihren Gunsten kaum noch jemand den Eifer mitbringt, wie er noch während der Krise zu offenen Kinnladen führte: Testen, Masken, Lockdown. Kaum noch jemand schreit noch öffentlich danach. Die wollen alle demnächst ohne böse Überraschungen zum Weihnachtsmarkt ihrer Wahl, so lange der noch bezahlbar ist.
Wir beide übrigens auch. Sollen die sich alle da draußen an ihren Heiligen und Heiligtümern einen von der Palme wedeln, wie sie wollen. Herummoralisieren und einem die Lust am Leben nehmen, bis sie sich eine einfangen. Ich habe nämlich allmählich die Schnauze voll von diesem Gelähmt-sein, das immer ein Zusammenspiel zwischen Eigen- und Fremdlähmung ist. Ich sollte mal etwas strenger zu mir selbst und allen anderen sein, die mir das Leben schwer machen. Ich mag nämlich diesen Weihnachtskitsch in rein optischer Hinsicht ziemlich gerne, weil der auch ziemlich fotogen ist. Ich bin darin jetzt nicht so ritualhörig wie etwa meine Mutter, ich mag es ihr aber nicht nehmen, weil es eher so ein liebevoller Spleen ist. Optisch schön, nur mir manchmal zu kostspielig und den eigentlichen Zweck gar nicht mehr erfüllend. Würde man den Leuten, aus welchem Apokalypsen-Anlass auch immer, das jetzt kurzzeitig vor der Nase wegschließen, dauert es wohl nicht mehr lange, bis du Berlin bald hinterm Mond gleich links wiederfindest.
Unterm Strich sollte man sich lieber wieder solch liebevoller Heiligtümer widmen. Was Kitschiges, Erfüllendes, Befreiendes. Ja, es klingt fast belehrend meinerseits in Richtung der Kritischen, aber ich denke ja fast, dass wir mal so richtig rebellisch wären, wenn wir ihnen als Totschlagargument das Leben, Genießen, Positiv-sein vorsetzen. Die sind doch alle derart zerfressen von Negativismus, Destruktivität und im Schafspelz verkleideten Neidverhalten, dass es doch kontraproduktiv wäre, ihnen noch weiter in dieser finsteren Weltanschauung auch noch Nahrung bieten würden. Lasst die doch alle rumheulen wie selbstidentifizierte Wölfe mit den Pronomen Canus/Lupus/Fidibus. Lasst sie alle, wie sie jetzt ihre vielfältigen, marginalen Auffälligkeiten zum Opferkult machen wollen, einfach sitzen und schmollen.
Ich selbst habe einen großen Leberfleck auf dem Rücken. Erwarte also, mich zur Risikogruppe der Krebsgeschädigten zu zählen. Was? Ich habe keinen Krebs? Egal. Ich könnte aber welchen bekommen. Ich will mir das Ding aber (noch) nicht rausschneiden lassen, weil ich daraus Opferkapital schlagen kann. Ich gehe also erst in die Selbsthilfegruppe der anonymen Leberfleckbesitzer, befruchte mich in meinem bedauernswerten Schicksal und schalte dann um auf Aktivist, der sich in seiner Nichtbeachtung diskriminiert fühlt. Zwar ist der Placken zu 95 % im Jahr von Stoff bedeckt und deswegen kaum sichtbar, aber ich muss ihn sichtbar machen, indem ich jetzt dauer-oben-ohne herumlaufe, mit dicken rotem Pfeil auf dem Rücken zur Stelle mit dem dunklen Fleck. Und so weiter und so fort....
Sie sehen, es wird wieder albern. Aber es ist mittlerweile so vieles albern geworden, dass es gar keinen Unterschied mehr macht, Satire oder die Realität zum Thema zu machen. Man kann das lieber abseits etwas belächeln und sich den eigenen Dingen widmen und mit halbem Auge beobachten, wann die Dinge wieder beginnen, etwas normaler zu werden. Das tut es im Moment tatsächlich, aber zu viele wollen lieber gestern als morgen die Normalität wiederhaben, die ihnen in den letzten Jahren geraubt wurde. Aber gut Ding will eben Weile haben. Dieses blasenideologische Handeln und Umgestalten hat immer eine bittere Realität im Nacken: Blasen platzen immer. Früher oder später.
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