Als ich noch im August die Gerüchte um die Parteigründung eines „Bündnis Sahra Wagenknecht“ kommentierte, war ich mir nicht sicher gewesen, ob das im Detail erfolgreich werden könnte. Natürlich muss man abwarten, was eintreten wird, und es lässt für mich nur konkrete Spekulationen zu, wenn das auch mit Zahlen und Daten unterfüttert würde, um wenigstens ansatzweise Einschätzungen abgeben zu können. Daher war meine vorherige Einschätzung eher Kaffeesatzleserei.
Auch aktuell läuft die Geschichte unter verschiedenen Voraussetzungen, wobei Zuspruch und Kritik am kommenden Start einer neuen Partei sich bisher noch die Waage halten. Sahra Wagenknecht ist immer noch eine Reizfigur und mit einigen ihrer politischen Aussagen ganz gewiss nicht Mainstream. Das macht sie per se angreifbar, zumindest hält man nicht hinter dem Berg, ihr etwa besondere Nähe zu Putin vorzuwerfen oder – freilich mal wieder – „demokratiegefährdend“ zu sein. Dass das Mumpitz ist, tut nichts zur Sache, denn sind wir es ja mittlerweile gewohnt, dass Debatten allzu schnell verkürzt werden und Ad-Hominem-Schwenks erfahren, wenn die Ankläger inhaltlich leer dastehen.
Ironischerweise zeigt sich gerade die Linke selbst so. Dabei wirkt die fast schon bedauernswerte Restepartei mit ihren jüngsten Auslassungen schon im Vorfeld ihrer beabsichtigten Neuausrichtung wie ein geprügelter Hund. Es gibt eigentlich nichts, was sich die Wisslers, Riexingers und Schirdewans exklusiv ins Parteipamphlet schreiben könnten, nur opportunistische Lippenbekenntnisse im Machtmantel der Grünen und symbolische Parolen einstiger, exklusiver Befähigungen wie Sozial- oder Wohnungspolitik, die man dazu noch ziemlich unkommentiert hat fallen lassen, als auch die letzten Respektspersonen der Linken im neuen Gewand den Rücken kehrten.
Daher wirkt es von außen so, als wären die letzten Schreie aus dieser Ecke nicht nur schrill, sondern auch mit deutlicher Verzweiflung behaftet. Gutes Beispiel der sozialmedial momentan sehr umtriebige Luigi Pantisano, der sich kaum noch einkriegt vor lauter Endzeitstimmung (das aber natürlich nicht ansprechen will) – in einem Tweet kam noch ein lapidares, sarkastisches „Tschüss!“, wenige Zeit später muss er noch mal draufhauen. Das unterstreicht ja weniger seine Meinung, sondern eher seinen Zustand der Angst vor dem abschließenden Zerfall seiner Partei. Auch Janine Wissler wirkt da völlig profil- und kopflos, wenn sie noch in die Kamera eine Zukunft der Partei ohne Wagenknecht kolportiert und heute so klingt, als wolle sie nicht wahrhaben, dass Wagenknecht jetzt wirklich die Partei verlässt.
Daraus lässt sich eindeutig ablesen, dass man schon lange das Geschacher lediglich ertrug, um sich mit der Popularität Wagenknechts noch im großen Spiel zu halten. Doch das wird demnächst enden. Die schrillen Reaktionen zeigen schon die Urängste auf, dass der drohende Existenzverlust im Hinterkopf schon mal angekommen ist und nur noch nicht vor dem bitteren Ende ausgesprochen werden will.
Ähnlicher Gesichtsverlust droht nun auch in der rechten Ecke. Sollte Wagenknecht tatsächlich etliche Kleinere-Übel-Wählerschaften um sich scharren können, beträfe das vor allem auch die AfD-Abtrünnigen, die der Mainstream bisher erfolgreich aussortiert hatte, was natürlich den Blauen zugute gekommen war. Bisher zumindest, hat man sich teilweise vom Sich-mit-der-Partei-arrangieren zu mittelfristigen Überzeugungstätern gewandelt. Doch hat gerade jüngst die AfD sehr viel kurzfristigen Erfolg überkommen, was auch bedeutet, dass Wechselwählerstimmungen gleichzeitig ebenso viele Wählerstimmen kosten würde, wie aktuelle Umfragen annehmen lassen.
Es wird mächtig unterhaltsam werden, sollten die Unkenrufe über schon mal vorausgeschickte Umfragewerte in tatsächlichen Wahlergebnissen vorliegen. Nicht unterhaltsam in den blanken Zahlen, sondern in den Reaktionen über die blanken Zahlen, die das Potenzial eines mittleren Erdbebens haben könnten. Und das wird immer wahrscheinlicher.
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Juri Nello (Sonntag, 22 Oktober 2023 19:27)
Das wäre zwar für.mich eine Alternative, aber Illusionen mache ich mir da nicht. Parteien von links haben es bisher nie großartig über 2 % geschafft. Schon gar nicht in Krisenzeiten und mit rechtem Zeitgeist kämpfend.
Noch dazu wird das Netz maßgeblich von rechten Denkpanzern aus den Juneitet Steht's dominiert.
So in fünf bis sechs Jahren, falls der Zeitgeist und die Krisen mitspielen sollten, dürfte evtl. mit Erfolgen zu rechnen sein, die sich allerdings in Grenzen halten werden, es sei denn, man könnte noch lokal, wie die KPÖ in Austria, punkten.
Aber warten wir es mal ab. Ich kann mich ja auch irren. Das letzte linke Projekt, was an den Start ging war (glaube ich) Linksgrün und da hat man nie wieder etwas von gehört.
Publicviewer (Montag, 23 Oktober 2023 01:33)
In 5 bis 6 haben wir kein Fleisch, kein Individualverkehr, CBDC's und Digitale Identität und die herrschende Klasse ist ganz kurz vor erreichen der Agenda 2030.
Dann ist es viel zu spät irgendwelche Restlinken in irgendeine Partei zu vereinen.
Juri Nello (Montag, 23 Oktober 2023 09:11)
Es gibt Schlagworte, die lösen mehr aus, als selbst Migration, Autobahn oder Heizungsgesetz. Links ist eines davon.
Polemicer (Dienstag, 24 Oktober 2023 06:28)
@beide
Man darf das natürlich nicht zu naiv sehen und sich jetzt BSW als Heilsprojekt für alles vorstellen. Es ist noch viel zu früh, um irgendwas zu konkretisieren. Mir ist es wichtiger, die Momentaufnahmen unter die Lupe zu nehmen.