Der erste, große Wahlblock nach der Formierung der Ampelkoalition spricht eine deutliche Sprache: die Ampel hat versagt. Es bliebe noch im Einzelnen zu evaluieren, warum Parteien da gelandet sind, wo sie jetzt stehen – klar ist, dass man der amtierenden Bundesregierung eine knallrote Wange für ihre „Keine Rote Linien“-Politik verpasst hat.
Auch müsste man genauer hinsehen, wie viel Bundespolitik in die Landtagswahlen eingeflossen ist, wobei natürlich auf eine Personalie besonders viel Augenmerk gelegt wurde. In anderen Punkten dürfte die Bundesampel sehr viel Einfluss auf das Wahlverhalten gehabt haben, ein weiterer Punkt sind die Skandale und Kampagnen, die offensichtlich darauf abzielten, Parteien und Personen einen Denkzettel zu verpassen und gehörig nach hinten losging.
Wie zeichnete sich das also, nach Parteien gestaffelt, ab? Folgend der Versuch einer Einschätzung.
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CDU
Einen Merz-Dämpfer haben die Menschen in Bayern und Hessen wohl kaum dazu veranlasst, sich von der Partei zu distanzieren. Zwar ist Söder ein Sonderfall mit seiner CSU, aber konnte selbst sein strittiger Opportunismus nichts daran rütteln, dass die Christsozialen ein ähnliches Ergebnis wie 2018 einfuhren. Das mag für bayrische Verhältnisse historisch schlecht sein, dennoch ist es kein komplizierter Beinbruch in veränderten, politischen Zeiten.
Einzig die Hessen-CDU hatten den größten Landesfaktor zu verzeichnen. Hier spielte der Bund kaum eine Rolle, Boris Rhein wurde im Zuge des Rücktritts von Volker Bouffier ordentlich zum Nachfolger ernannt und hat sich schnell einen Sympathiebonus erarbeiten können. Die Causa Merz mit seinen strittigen Aussagen war hier offenkundig kein Thema.
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SPD
Vor fünf Jahren hatte die Bayern-SPD einen historischen Tiefgang erfahren und 10,9 % verloren. Nun hat sie noch mal 1,3 Prozent eingebüßt und somit nur den massiven Abwärtstrend bestätigt. Man muss sich nur zurückerinnern – die SPD war bis 2018 trotz der Übermacht der CSU noch bei ca. 20 % gewesen, und dass der wichtigste Grund für diese Wahlwatschen, der da lautet: „Die Partei soll sich in der Opposition erneuern“, im Grunde bedeutet, sich mal grundsätzlich selbst auf den Prüfstand zu stellen, hat der aktuelle Spitzenkandidat wohl kaum zur Kenntnis genommen. Stattdessen markierte er mal kurzzeitig den Einheizer hinter dem „gefallenen Engel“ Olaf Scholz und hatte auch sonst keine Markenkerne zu bieten, die die Partei von den anderen abheben würde. Nur platte Parolen und Profillosigkeit.
Die Hessen-SPD hatte natürlich im Vorfeld schon einen dicken Hund namens Nancy Faeser am Bein hängen. Warum man sich zu dieser Entscheidung durchrang, wird wohl ein Rätsel bleiben, aber war sie von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Dann noch gebeutelt von Skandalen und einem autoritär-hinterlistigen Politikstil, konnte das kurz- bis mittelfristig nur nach hinten losgehen. So ist der Brückenschlag zur Bundespolitik selbsterklärend und maßgeblich für den massiven Stimmenverlust der SPD für eine solch zweifelhafte Kandidatenwahl.
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Grüne
Themenpolitik wie Klima/Energie und Flüchtlingskrise beeinflusste nach Aussagen der Wähler am meisten das Stimmverhalten, und so kann die Partei am allerwenigsten von einem Lokalbonus profitieren. Die Hessen-Grünen waren im Wahlkampf kaum präsent, in Bayern dagegen nur schrill und laut, was sie sich erwartungsgemäß momentan noch schönreden. „Stabil“ kam als Statement aus Berlin – Fakt ist, dass die völlig versemmelte Energiepolitik und das widersprüchliche Verhalten zur Flüchtlingspolitik für minus 5 % und in Bayern für minus 3,2 % gesorgt haben. Diese Selbstbefruchtung kann allerdings nach den Wahlen von Bedeutung sein, ob man nun den Schließungskurs der Bundesgrünen auch weiter umsetzen will. Was anzuzweifeln ist, weil sie ihre Energieagenda zuvor schon stur durchgeprügelt haben.
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Freie Wähler
Ganz klar: Hubert Aiwanger hat von der SZ-Schmierenkampagne deutlich profitiert. Und so ist absehbar, dass eine Koalition mit der CSU weitergeführt werden wird. Mehr muss man eigentlich kaum erwähnen, außer: dem Volk auch mal polemisch-proletarisch nach dem Mund zu reden kann durchaus hilfreich sein. Die Wählerwanderung zeigt auch bildhaft den Anspruch der bayerischen Bürger auf Bodenständigkeit, konnte sie doch aus allen Parteien Stimmen für sich abziehen, außer bei der AfD.
In Hessen noch kein Thema, hat der Bayern-Effekt allerdings auch dort schon gewirkt, und so kommt die Partei immerhin schon auf 3,5 %. Tendenz steigend.
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Linke
Aus reiner Fairness und dem noch nicht abgeschlossenen Geschacher um Sahra Wagenknecht ist hier die Halbierung der Wählerstimmen in beiden Bundesländern noch nicht eindeutig zu kategorisieren. Noch immer sind gerade die Reizthemen Friedenspolitik und die identitätspolitische Neuausrichtung der Partei in der Waagschale, aber nicht eindeutig als Begründung für den Niedergang zu identifizieren. Was letztlich auch darüber befinden würde, welcher Flügel für das Debakel verantwortlich gemacht werden darf.
Dazu müsste eine neue Wagenknecht-Partei sowie die ersten Wahlen mit beiden als gegenseitige Konkurrenz zu Buche stehen. Allerdings muss konstatiert werden, dass immer noch die Parteiführung und die Bundesvorstandsprogrammatik das Profil der Linken formt, so dass anzunehmen ist, dass man diese Neuausrichtung in der Bevölkerung nicht sehen will. Die Kurzschlussentscheidung, das Ausschlussverfahren in Katerstimmung schon am nächsten Morgen zu erneuern, spricht allerdings Bände, dass man nicht gewillt ist, Selbstkritik zuzulassen. Da sie jedoch einen großen Anteil an das Nichtwählen und Sonstige verloren hat, nehme ich an, dass man sich in die Grauzone einer Warteschlange stellt, um bei einer Wagenknecht-Parteigründung in beiden Ländern sowie im Bund in den Startlöchern zu stehen.
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AfD
Man muss nicht um den heißen Brei reden, um festzustellen, dass die Partei gerade ihren zweiten Frühling erlebt – nun auch im Westen der Republik. Thematisch festzumachen vor allem und synchron zur aktuellen, zweiten Flüchtlingswelle, die noch intransparenter gehandhabt wird als noch 2015/2016, was natürlich auch am Durchwinken und den Privilegien ukrainischer Kriegsflüchtlinge liegt und gar nicht in relevante Statistiken einfließt. Dieses Stillschweigen und sonstige Verdrusserscheinungen haben der AfD schon zum zweiten Mal massive Gewinne beschert.
Nun hat man wohl auch im Westen die Faxen dicke, die ständigen „rechtsradikale und demokratiefeindliche Partei“-Beschwörungen noch für voll zu nehmen. Das Problem ist demnach nicht die Partei selbst, sondern der Umgang mit ihr – und hier scheint man im Nachgang immer noch nicht verstanden zu haben, dass man sich rhetorisch mal einer Selbstreflexion unterziehen sollte. Die Wahlgeschenke, Flüchtlingszuzug plötzlich doch begrenzen zu wollen, wird erst in den nächsten Monaten darüber entscheiden – ob das nur eine Wahlbauernfängerei ist oder nun doch endlich mal konsequent durchgezogen wird. Ansonsten könnte die AfD endgültig und rein am Stimmenanteil abzählbar zur regierfähigen Partei anwachsen. Dann hilft auch das ständige Lamentieren und Distanzieren nichts mehr, gerade aus der linken Ecke, die gerade die Quittung für ihre polarisierenden Parolen erhalten haben.
Fazit
Viel Ländliches haben die Wahlen in Bayern und Hessen mehrheitlich kaum bestimmt. Es ging vor allem darum, der Bundesampel ihre Grenzen aufzuzeigen, und gerade dort ist seit 2021 so viel Porzellan zerdeppert worden, dass man nicht noch zwei Jahre warten wollte, es als Wähler auch mal aufzuzeigen. Der Trend ist eindeutig auf Ohrfeige eingestellt, und die Ampelparteien sollten aufhören, ihre schlechte Position noch weiter als Erfolg verkaufen zu wollen. Und sollten sehr aufpassen, sich nicht noch weiter im pauschalen „Rechtsruck“-Gejammer zu verlieren, weil man schlicht zu überfordert wirkt, die echten Probleme im Land anzugehen. Ob daraus die CDU sowie die CSU davon Kapital schlagen und letztlich Verwertbares beschließen kann, muss sie allerdings ebenfalls unter Beweis stellen und sich endlich davon verabschieden, nur Politik anti AfD zu betreiben. Doch genau das ist bei den Identitätslinken immer noch nicht angekommen, und ein „Weiter so“ oder sich noch mehr anstrengen zu wollen, die AfD loszuwerden, ist nur ein weiterer, trauriger Höhepunkt des Realitätsverlustes im stramm linken Flügel.
Relevante Links:
Wahlergebnisse und Infografiken Bayern
Wahlergebnisse und Infografiken Hessen
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Holger (Mittwoch, 11 Oktober 2023 10:57)
"die Ampel hat versagt."
Den Eindruck hat man aber nur, wenn man ein deutscher Wähler und Steuerzahler ist, und eine andere Erwartung an die neue Regierung gestellt hatte.
Eine ganze Menge Leute und Gruppen scheinen doch schließlich ganz gut an den Entscheidungen dieser Politikdarsteller zu verdienen. Die würden vermutlich nicht von "versagt" reden.
Aber ganz ehrlich, wer von dieser Regierung (egal in welcher Zusammensetzung) ernsthafte Politik zum Wohl der deutschen Bevölkerung erwartet hat, der ist hoffnungslos naiv.
Polemicer (Samstag, 14 Oktober 2023)
@Holger
In gewisser Weise hast du ja recht. Die Zweideutigkeit von "versagt" und die Zustandsbeschreibung der Ampel finde ich ebenso zweifelhaft, aber wenn man das einzig am Prinzip Anspruch und Wirklichkeit festmacht, ist "versagt" schon mal eine richtige Einordnung.
Was wir noch dazu denken, müsste man anders einordnen. Aber ist mein Wortschatz ehrlich gesagt langsam erschöpft, dieses Desasterkollektiv noch weiter zu beschreiben.
Pascal (Samstag, 14 Oktober 2023 15:03)
"Aber ist mein Wortschatz ehrlich gesagt langsam erschöpft, dieses Desasterkollektiv noch weiter zu beschreiben."
Wie wahr, wie wahr!
Hier haben sich vollumfänglich alle höhnischen Zwischenrufe nach dem Abgang Merkels - dass man sie dereinst noch vermisste, weil es noch schimmer anstatt besser werden würde, bewahrheitet. Wer hätte gedacht, dass dies so problemlos wie es mir der Ampel der Fall ist möglich sein kann.
Zweifelsohne wird es auch einfach so weitergehen, selbst wenn die Ampel in Bezug auf die Migrationsthematik eine andere Herangehensweise aufgreifen sollte. Abkaufen wird ihr das kaum jemand. Ebenso wenig wie das ganze woke Themensetting bei der Linken dazu geführt hätte, dass die Leute diese statt die Grünen wählen, wird das migrationskritische Klientel in Zukunft eine der Ampelparteien wählen; dort wird man beim Original AfD bleiben, noch dazu, da das Thema Migration nur ein Teil eines grösseren Komplexes ist, dessen Teilfragmente man bei den Blockparteien auch weiterhin nicht mit der Kneifzange anfassen will und wird.
Das hat ja die gute Saskia 'Covidioten' Esken bereits angekündigt - einfach immer weiter Richtung Abgrund, komme, was da wolle. Die Ampel definiert, was der demokratische Diskurs ist und was nicht, da gibt es bekanntlich kein 'Ja, aber', wie der Herr Scholz selbst sagt, wobei er das gewiss nicht nur auf die aktuelle Krise Israel/Palästina bezieht, sondern es als Maulkorb für jederlei Kritik an den Ampelumtrieben versteht.