Mir ist letztens zuhause und draußen eine interessante Sache aufgefallen. Auch weil der weiblich gelesene Teil meines Haushalts das letztens unbedingt loswerden wollte, und irgendwie scheint es da draußen derart zu brodeln, dass mir der Satz jetzt schon mehrmals untergekommen ist. Im Groben hat man schon gespürt, dass das große Abgewinke, das Relativieren und die bis dato optimistische Grundhaltung so einiger Menschen im Land nicht mehr da ist. Mich selbst hatte das in der Vergangenheit immer rasend gemacht, weil mir diese Sorglosigkeit nicht bescheinigt gewesen war und ich die Abwinker mehr oder weniger deutlich anstoßen wollte, mich mitzunehmen, mir meine Probleme abzunehmen oder wenigstens mich zu leiten, dass es mir besser gehen solle.
Natürlich hat das kaum jemand gemacht. Was schon ziemlich verärgert. Aber wenn du die Gründe und Motivationen nicht kennst, ist dieser Ärger einfach völlig unbegründet – zumindest weiß ich das aus heutiger Sicht. Ich habe mich schließlich mit viel Aufwand und dann auch glücklicherweise mit meiner Partnerin, die mir ständig auf den Haxen stand, aus der damaligen Misere ziehen können. Ohne Hilfe hätte ich das niemals geschafft, und ich bin heute so unendlich dankbar dafür, dass ich sie in meiner prekärsten Phase meines Lebens kennengelernt hatte, wir zusammen kamen und sie mich ohne Wenn und Aber in der Sache unterstützt, aber auch gefordert, hat.
Es gibt ja auch genügend bindungswillige Menschen, die Leute mich grundsätzlich meiden. Es ist ja auch anstrengend, ein Häufchen Elend als Partner zu wählen, wenn man weiß, man müsste in dessen Oberstübchen erst mal gewaltig ausmisten. Bei uns beiden war das natürlich mit anderen Voraussetzungen in die Beziehung gegangen, und ich wollte sie nie mit meiner Ohnmacht behelligen. Doch es dauerte auch nicht lange, da trat das zwangsläufig hervor, wurde zum ersten üblen Streitthema, was unserem Vertrauensverhältnis in der ersten Zeit natürlich nicht gut tat. Sie selbst war da auch schon vorbelastet gewesen, und da war ich dann und verschwieg ihr meine Probleme, die irgendwie auch zu ihren passten.
Man mag es vielleicht noch nachvollziehen können, dass ich ein wenig im Zwiespalt steckte und gleichzeitig tatsächlich davon ausging, dass Gläubiger ein Siebgedächtnis hätten. Weit gefehlt, und so hatten mich die Altlasten auch im Schoße meiner Partnerin irgendwann doch wieder ausfindig gemacht. Die Realität kennt da manchmal kein Erbarmen, und wenn jemand Geld sehen will, sowieso nicht. Das war auch Teil meines damaligen Realitätsschocks, der über mich hereinbrach, und auch wenn das alles, was dazu führte und danach ein aufwändiges und anstrengendes Abtragen und Selbstausmisten bedeutete, will ich diese Erfahrung mit dem heutigen Abstand trotzdem nicht missen. Man ist vor sich selbst gewarnt, und wenn das Prinzip der Eigenverantwortung noch ausschließlich oder im großen Maße noch greift, hat man letztlich selbst in der Hand, was man aus seinem Leben macht.
Einen Schritt weitergedacht atme ich heute diesbezüglich erleichtert aus, dass mir das noch in der Schröder-/Merkel-Zeit passiert war. Dass wir beide stetig zusammengewachsen sind, dass ich heute ein Plus und kein fettes Minus auf dem Konto habe, dass wir uns gegenseitig Linderung verschaffen können, wenn die jeweiligen Altlasten im Kopf mal wieder situationsbedingt ins Bewusstsein drängen. Ja, es klingt tatsächlich wie ein Kitsch-Märchen mit Blink-blink-Happy-End.
Doch: „Läbbe geht weidä.“, wie einst der große Philosoph Dragoslav Stepanovic meinte. Was er nie ergänzte: im Guten wie im Schlechten. Es musste nur Corona und eine neue Bundesregierung passieren, und schon sitzt du wieder im Hamsterrad, sich Sorgen zu machen. Klar, im physischen Alltag wird wohl die Wahrscheinlichkeit vom Auftauchen importierter Messerakrobaten ziemlich gering sein, aber wenn die Wahrscheinlichkeit sich massiv erhöht, wird man irgendwann hellhörig. Da greifen schnell Dinge ineinander – vom Bewusstsein über diese etwaige Bedrohung, den Aufwand, die überhaupt hier aufzufangen und hinzuleiten, von der gesamten Infrastruktur, die man dafür bemüht.
Ein wehleidiges Gesicht aufsetz... wenn es nur um Flüchtlingspolitik ginge, wäre es bei weitem nicht so schlimm und vielleicht auch unangebracht, sich darüber so in die Haare zu bekommen. Dass das heute schon Version 2.0 ist, macht es schon mal schlimmer, weil man nichts daraus gelernt zu haben scheint. Ja... wenn es nur das wäre... seufz... Dackelblick... aber wird ja heute wirklich kein Ressort, kein Bereich, keine Struktur von dieser Stümperei verschont. Ein paar symbolische Ausbesserungen, denen man sich noch verbunden fühlt und die gut finden kann gleichen da gar nichts aus. Nein – ich fühle mich tatsächlich wieder in die Zeit von damals zurückversetzt, spüre schon wieder die Kräfte, die einen runterziehen. Nur heute mit dem Unterschied, dass wir alle, die es betrifft, keine Schuld haben. Wir leben diesmal nicht über unsere Verhältnisse, die Verhältnisse leben über uns.
Es fängt schon beim Banalsten an. Nach dem Einkaufen staunst du Bauklötze beim Blick auf den Kassenbon. Die Jahresabrechnung der Heizkosten waren schon Grund genug, die Zornesröte ins Gesicht zu bekommen, Gebühren hier und sonstige Preisanpassungen da nagen bedenklich am Toleranzlevel. Meine Partnerin ist da sehr penibel drin, und selbst wenn wir jetzt nicht spontan wegen der allgemeinen Überteuerung am Hungertuch nagen müssen, bemerkte ich, wie ihr das furchtbar stinkt. Kotzte sich letztens mal so richtig aus. Vom Dackelblick auf Hassblick schaltend.
Und dann der Satz, den ich eingangs andeutete: „Früher habe ich mich für Politik nicht wirklich interessiert.“
„Es gab nie wirklich besondere Anlässe, sich darin zu informieren. Aber seit Corona muss man das ja tun.“, fügte sie noch hinzu. Ja, wenn man in relativer Sicherheit lebt, neigt man dazu, sich politischen und gesellschaftlichen Themen absichtlich gar nicht, beiläufig oder höchstens auf ins eigene Universum einwirkende Einzelthemen bezogen zu widmen. Man ist dann nicht verdrossen darüber, sondern eher fahrlässig damit umgegangen. Ich kann und konnte das verstehen, allerdings war ich eher der Typ, wenigstens oberflächlich besser Bescheid wissen zu wollen, doch seitdem uns ständig Krisen heimsuchen und man nun im Allgemeinen und detaillierten Lebensbereichen nur noch Nachteile erfährt, fühle ich mich dazu genötigt, mich noch mehr zu informieren.
Corona war selbstredend das Einschneidendste, was uns ereilte. Nicht nur im Offensichtlichen, dass wir in jedem scheiß Westland mehr oder weniger vor verschlossenen Türen standen, uns die Möglichkeiten geraubt wurden, zu tun, was uns beliebte. Uns jede Spontanität verwehrt blieb und man nur durch akribische Planungen und Recherchen erfuhr, was man tun durfte oder nicht. Es war eine zermürbende Zeit gewesen, und es hatte nicht viel gefehlt, da hätten 2G und Co. uns überall und ohne Skrupel die Türen vor der Nase zugeknallt. Ohne Verschnaufpause kam dann Putin als nächstes „Virus“ daher und trieb unsere politischen Laiendarsteller zu Höchstleistungen des Versagens. Man kann ruhigen Gewissens behaupten, dass nicht die ursächlichen Personen und Mikroben an unserem Niedergang schuld sind. Es ist eindeutig das Management, wie man darauf (über)reagiert.
Wir werden immer noch wütend, wenn wir an die Zeit zurückdenken. Aber man fühlt sich ob dieser Erfahrung plötzlich nicht mehr so gelähmt, seit man sich eher um Informationen bemüht. Es kümmert auch hierin niemanden ernsthaft mehr, wem man den Warnaufkleber anpappen will, als wäre dieses Portal und jener User unseriös. Man sollte sich vorher überlegen, ob man eine Gegenmeinung auch argumentativ niederreden kann. Wer mit Stigmatisierung oder Kontaktschuld arbeiten muss, weiß entweder, dass ein Widerspruch vorhanden ist und der das eigene Dogma konterkariert, oder man ist tatsächlich im Glauben gefangen, recht zu behalten, und das würde wiederum die Schärfe rechtfertigen, gegen andere mit Beleidigungen, Verboten und Pflichten vorzugehen.
Wer das über sich ergehen lässt oder gar noch mitträgt, hat wohl weniger einen Anspruch darauf, das verstehen geschweige denn eigenverantwortlich bewerten zu wollen/können. Das macht aber nur einen geringen Anteil in der Bevölkerung aus, wenn man sich nur die Umfragen anschaut, an denen man sich allzu gerne orientiert. Die allgemeine Akzeptanz schwindet nun auffällig – und selbst wenn es so wäre, dass man sich mehrheitlich nur vom Mainstream berieseln ließe, zweifeln immer mehr Menschen an der Vertrauenswürdigkeit des eingeschlagenen Weges einer einseitigen „Wahrheit“. Dazu betrachte man schlicht Klickzahlen auf Youtube oder das Verhältnis von Likes zu Kommentaren (inklusive deren Gehalt) auf TwiXter. Es ist offensichtlich, dass der Mainstream nicht nur mit seinen Dogmen bei vielen Leuten nicht mehr ankommt, sondern durch die Enthüllungen und Widersprüche immer mehr das Vertrauen verliert.
So wird Bildung und das Informiert-sein auch zu einer Waffe. Man will nicht nackt in eine Schlacht ziehen, in Friedenszeiten muss man sich auch nicht unbedingt bewaffnen. Das mag ein Grund sein, warum einige sich bisher wenig mit Nachrichten beschäftigt haben, man kann es auch mal eine lange Zeit lang ignorieren. Doch wenn zu allen Themen Kosten-Nutzen-Rechnungen zu unserem Nachteil ausfallen, rechnet man gegen. Und das erklärt auch den prozentual ansteigenden Vertrauensverlust in den Mainstream, wenn der beginnt, sich Naturgesetze mit der Brechstange zurecht zu biegen oder auf Big Brother macht.
Das trieb mich dazu, mich mehr als sonst, und sie dazu, sich jetzt doch überhaupt mal bezüglich Politik, eingehend(er) zu informieren. Wir wollen bewaffnet sein, und selbst wenn wir uns den Momenten geschuldet machtlos und ohnmächtig fühlen müssen, dass wir vier Jahre lang nicht viel ausrichten können, um diesem Wahnsinn zu begegnen. So bleibt uns wenigstens das Gedächtnis, ihnen am Stichtag in der Wahlkabine die Quittung zu präsentieren. Die Verdrossenen – das sind dann höchstens der Anteil der Nichtwähler, die sowieso nicht mitgestalten wollen, höchstens Politik mit „gut“ oder „schlecht“ bewerten und sich zurückziehen. Alle anderen würde ich so gar nicht als politikverdrossen ansehen, weil sie sich Wissen aneignen und ihre Freizeit damit „vergeuden“, sich auch noch mit harten Themen uns alle betreffend zu beschäftigen.
Das war nicht immer so gewesen. Auch wir mussten uns erst mal zusammenraufen, einen Konsens finden, uns in Themengebieten annähern, was auch mal zu Streits führte. Während Corona jedoch kam wir irgendwann an den Punkt, der uns wirklich einte - wahrscheinlich die Impfung. Und dass wir beide dachten, dass wir sie nicht brauchten. Und nun sitzen wir abends gemeinsam vor dem TV und schauen uns „Schwurbelfilmchen“ an und hören staatsgefährende Podcasts. Wir brauchen regelmäßig die Antithese zu irgendwelchen, aufgeschnappten Nachrichten. Und das, weil es immer notwendiger wird, denn wenn man Kanzler-Botschaften oder Parteipoporz für voll nehmen würde, wären wir alle ganz sicher und wohlhabend und müssten uns in dieser „wehrhaften Demokratie, in der man gut und gerne lebt“ keine Sorgen machen müssen. Die Realität erzählt allerdings was anderes, und deswegen sind wir so gar nicht politikverdrossen wie man aktuell versucht, das eigene Versagen auf AfD und Nichtwähler zu schieben.
Kommentar schreiben
epikur (ZG Blog) (Sonntag, 20 August 2023 22:09)
Sie bereiten weiter und weiter den roten Teppich für die AfD vor. Nicht nur, weil sie die Bevölkerung dahin treiben. Nein, sie etablieren und installieren schon mal präventiv alle Repressionsapparate. Cancel-Culture. Diffamierung. Meldestellen. Beweislastumkehr. Hypermoralismus. Ich höre die Woken in 20 Jahren, wenn eine schwarz-blaue Regierung solche Methoden verwenden wird, "Faschismus" rufen. Denn erst dann ist es "Faschismus". Vorher nicht.