Ja, es ist wahr. Ich habe Böhmermann tatsächlich mal gemocht. Es ist schon eine Zeit lang her, da provozierte er lediglich noch den türkischen Präsidenten Erdogan mit seinem berühmt-berüchtigten „Ziegerficker“-Gedicht. Sonst kümmerten er und sein Team sich eher um die kleineren Themen und Aufreger, seien es Hochstapeleien im deutschen Musikbusiness oder jugendgefährdende Abzocke bei Onlinespielen. Beim Finger-in-die-Wunde-legen war Böhmi schon immer voll dabei, hielt sich aber bei den großen Themen meist eher zurück.
Es sollte eigentlich einem Ritterschlag gleichkommen, als das „ZDF Magazin Royale“ von der „Neo“-Sparte ins Hauptprogramm wechselte. Gespannt fieberte ich den ersten Sendungen entgegen und war gespannt über die Ankündigung, die Sendung etwas anders zu gestalten. Bedenken hatte ich bis dato kaum welche, wenngleich man Böhmermann mitunter etwas abfällig auch als „Digitalspartenkasper“ titulierte. Duftmarken hatte er zuvor einige schon gesetzt gehabt, da würde er sich doch nahtlos neben den ZDF-Satire-Flaggschiffen „heute-show“ und „Die Anstalt“ einreihen können.
Ein ganz dickes Problem – das wusste man damals jedoch noch nicht – war Corona. Böhmi feierte im Herbst 2020 Premiere mit dem neuen Format. Also gleich drei Sendungen, die ich mir anschauen konnte, um den Lockdown-Alltag noch etwas erträglicher zu machen – Böhmi, Oli und das „Anstalt“-Duo. Jedoch war etwas passiert, was ich erst nicht wirklich wahrhaben wollte: alle drei Formate waren wie auch viele andere, bis dahin vernünftig klingende Sendeformate und Personen, urplötzlich wie auf links gedreht worden. Plötzlich hackten Welke und das Wagner/Uthoff-Duo unisono auf jedem herum, wer das Pandemiegeschehen etwas kritischer sah. Augenfällig zusammengeschustert aus selektiven Adhoc-Infos, wurde plötzlich in gut und böse eingeteilt, und gerade bei der „Anstalt“ war das völlig unüblich gewesen.
Ich zog schnell einen Schlussstrich unter meine Sehgewohnheiten beim ZDF. Was die Humorabteilung da ablieferte, erlebte ich im Grunde nur noch wie eine Dauerschelte gegen mich selbst. Böhmermann hingegen ging mir in den drei Sendungen, die ich mir noch ansah, wegen etwas anderem auf die Nerven: sein Empörungsduktus, mit dem er in einer halben Stunde einen offensichtlichen Bedarf, mal auf den Stammtisch zu hauen, politisch brisante Themen mit ideologischer Schlagseite in die Welt zu posaunen. Im Wesentlichen unterschied es sich nicht vom durchschnittlichen Twitter-Tonfall, was den „Haltungsjournalismus“ mit dem Format von rhetorischer Zurückhaltung befreite. Nebenbei entging mir, meiner schon strapazierten Pumpe sei Dank, die erste Sendung Böhmis, wo man konkret auf Corona-Demos einging. Ob er gegenüber Ungeimpften auch noch Stinkefinger zeigte oder nicht, mag zwar nicht nachzuweisen sein, aber wer schon jedem Hitlerbärtchen aufmalt und Rattenvergleiche vorträgt, dem sind auch die Stinkefinger wohl nicht zu blöd.
Nun sind wir im dritten Jahr „ZDF Magazin Royale“, und auch, wenn da durchaus Dinge angesprochen worden sind, bei denen ich mitgehe, sind es die regelmäßigen Tabubrüche, mit denen er sich bei mir keine Lorbeeren verdient. Und da spielt der bekannte Spruch „die Weisheit mit Löffeln gefressen“ durchaus eine entscheidende Rolle. Als Böhmermann bei der berüchtigten Podiumsdiskussion gegenüber Markus Lanz offen die Ausgrenzung von Experten wie Hendrick Streeck forderte, ließ dann doch tief blicken. Er weiß um seine Relevanz, und die nutzte er bei jeder Gelegenheit, politische Feinde reichweitenstark zu bekämpfen. Kaum der Rede wert, dass der Wolf im Schafspelz Desinteresse heuchelt, aber sich jedem politischen Skandal bedient, wenn es irgendwie "quotenfruchtig" sein darf - sein unlauteres Vorgehen beim Fall Strache/Ibiza spricht da Bände.
Mittlerweile haben sich gewisse Dinge verselbstständigt. Und mit ihnen einige Eklats, die selbst politische Brisanz erzeugen. Nach den Streeck-Vorfall wurden schon mal Kinder mit Ratten verglichen oder unter Schützenhilfe von Nancy Faeser der BSI-Chef Arne Schönbohm geschasst. In der Nachbetrachtung wirkt es wie ein Freundschaftsdienst ideologisch Gleichgesinnter, dass Böhmermann seiner Freundin im Geiste einen Grund servierte, in den Machtetagen Kehraus zu machen. Schon der Umstand, dass man sich von einem Satire-Format zu ernsthaften Entscheidungen um die Karriere Einzelner leiten zu lassen, ist schon ein starkes Stück. Um das noch mal deutlich zu machen: kein Recherchenetzwerk hatte im Vorfeld zu der Causa lückenlose Anhaltspunkte dafür präsentiert, lediglich fungierte die „Zeit“ im Nachgang noch als Dienstleister zur Ehrenrettung der Sendung und der Ministerin.
Natürlich zeichnete sich das Scharmützel unter der Oberfläche wie das Kampagnen-Tennis links gegen rechts. Böhmermann, Faeser und die „Zeit“ gegen die rechtskonservative Front – ein mittlerweile eingefahrenes Match, bei dem mit Enthüllungen und Gegenrecherchen versucht wird, sich gegenseitig das Wasser abzugraben. Das erzeugt bei den Abnehmern eigentlich nur Verwirrung und somit auch für einen Vertrauensverlust in die Institution der vierten Gewalt, wenn die Medien ihre Macht derart ungeniert ausspielen.
Satire ist im Zweifelsfall eine passende Ausrede dafür, jede ausgesprochene Anklage einfach stehenzulassen. „War ja nur ein Witz.“ - so die Fluchtfloskel, mit der man sich aus der Affäre ziehen kann. Allerdings sind das keine astrein recherchierten Aspekte mehr, die wahrscheinlich Ausreden nicht nötig machen würden, weil sie dann auch schnell ihre Brisanz verlieren würden und gar nicht den Weg in die Sendungen finden würden. So ist es jedoch eine Agenda, die man mit extremer Lautstärke in die Ohren des Konsumenten bekommt.
Und während man in Amt und Würden keinen satirischen Ausweg als Joker einsetzen kann, setzt Böhmermann ständig darauf, ohne ihn wirklich auszuspielen. Die Grenzauslotung ist hier im vollen Gange, so dass jeder unliebigen Figur nun immer ein Hitler-Bärtchen aufgemalt werden kann. Eine Normalisierung dieses Vorgehens mit einem Böhmermann als oberster Kommandant des völlig maßlosen Gesinnungsjournalismus passt wunderbar in den Disput, den wir gesellschaftlich heute ausfechten. Irgendwann wird der Tabubruch langweilig oder auch zum Bumerang, wenn man jedem ein solches Bärtchen aufmalt, der nur Anflüge von Kritik äußern mag.
Da wünscht man sich die Zeiten zurück, in denen Jan Böhmermann sich neben ein paar Banalenthüllungen zu präsentieren noch etwas verschmitzt in Zurückhaltung übt. Wenn jedoch gar die Politik das, was er mittlerweile veröffentlicht, als Einladung versteht, in den eigenen Reihen Reibach zu machen, dürfte der Weg zurück ins Maßvolle kein Thema mehr sein. Es kann also nur noch schlimmer werden – wie das aussieht, wird uns Böhmi sicher bald unverfroren vorführen. Und sich scheibchenweise noch mehr ins eigene Knie schießt, denn strahlend und makellos war sein Werdegang im Hauptprogramm sicherlich nicht.
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Pascal (Freitag, 30 Juni 2023 23:13)
Meinem Empfinden nach war Böhmermann, wie übrigens auch Welke immer schon hart an der Grenze zwischen gerade noch so Belustigend-Satirischem und schon Banal-Vulgärem.
Viel schlimmer war für mich der Niedergang der Anstalt.
Gerade von Uthoff hätte ich etwas anderes erwartet, wobei ich mir bei ihm nicht sicher bin, ob er sich, vielleicht aus rein wirtschaftlich motiviertem Opportunismus; denn jeder muss von etwas leben, entsprechend hat einnorden lassen.
Zumindest waren auch in den Sendungen gegen Ende der Corona-Episode noch ganz kleine, kaum wahrnehmbare Reste an Widerspruch zum Narrativ vorhanden - aber man musste gut zuhören, um sie nicht zu verpassen.
Übrigens war es nicht nur die 'Zeit', die sich in der Faeser vs. Schönbohm-Geschichte Böhmermanns eigentlich bis auf die Knochen blamiert hat.
Auch die 'Junge Welt' hat sich völlig diskreditiert, als sie während der Coronazeit mit derselben ekelhaften Penetranz Böhmermanns niederträchtige Versatzstücke weiterverbreitet und unterirdischen Spott und Häme über den Massnahmenkritiker ausgeschüttet hat. Auf dieselbe Weise hat sie damals auch Krömers mediale Reichweite erhöht.
Als sich dann Böhmermann nach dem 24. Februar 2022 aufs Russland-Bashing eingeschworen hatte, wurde er bei der 'Junge Welt' nie wieder als Fürsprecher der eigenen Sache angeführt.
Überflüssig zu erwähnen, dass es seitens der 'Junge Welt' auch nie irgendein mea culpa für die Hetze gegen die 'Covidioten' gegeben hat. Man versteckt heute das eigene verwerfliche Verhalten von damals auf dieselbe halb selbstkritische, halb vorwurfsvolle Weise wie es ein Herr Lauterbach tut.
Allerdings haben sich auch ehemalige Vertreter des politischen Kabaretts, die im Vergleich zu Böhmermann und bis zur Corona-Episode über einen einwandfreien Leumund verfügten, wie z.B. Volker Pispers, rückwirkend ihr eigenes Erbe demontiert.
Der hat sich damals auf seiner Website explizit die Verwendung seiner über viele Jahren hinweg angewandten und völlig korrekten satirischen Bezüge aufs politische Tagesgeschehen durch Massnahmenkritiker verbeten.
Holgi (Samstag, 01 Juli 2023 08:11)
Ein Kumpel brachte mir mal Böhmermanns Polizeilied mit. Fand ich mäßig. Darum habe ich in der Folge nichts mehr von ihm angesehen oder angehört. Kenne also nur seine "negativen Seiten".
Uthoffs und Pispers Verhalten kann ich mir nicht wirklich erklären. Am ehesten vielleicht durch wirtschaftliche Abhängigkeiten. Pispers ist ja völlig abgetaucht. Wenn ich tippen soll: Ihm fehlen die Worte.
Gruß: Holgi
Polemicer (Samstag, 01 Juli 2023 08:18)
@Pascal
Ich mag mal deine Ausführungen in meinem Duktus mal auf folgendes runterbrechen:
Klar war Corona eine Zäsur. Deswegen wollte ich auch mal abwarten, wer weiter die Ekelschiene fährt und wer nicht. ZDF kannste wohl mittlerweile kollektiv knicken, weil die wohl mit Wonne sich Hassbratzen wie Böhmermann, Welke oder Bosetti halten. Ich bin ja fast froh, dass Nuhr und Gäste bei der ARD noch als leichter Ausgleich zu den "mit dem Zweiten hetzt man besser"-Vertreter:innen übrig bleiben.
Pascal (Samstag, 01 Juli 2023 09:57)
Ja, eigentlich schlimm, dass man Nuhr mittlerweilen als zumindest halbwegs kritischen Geist ansehen muss.
Lange Zeit war der ja alles andere als das, sein Niveau eher, naja, 'beschränkt'; als Satiriker oder Kabarettist ist er bei mir aber nie durchgegangen, bis heute nicht. Zumindest nicht, wenn man als Bezugsreferenz das Niveau eines Hildebrandt, Hüsch, Schramm oder Pispers ansetzt.
Da fällt mir gerade ein: was ist eigentlich mit Bruno Jonas passiert?
Der hat sich, wenn mir nichts entgangen ist, nach dem Ende des Hildebrandt-Scheibenwischers recht schnell vom kritischen Geist verabschiedet. Das letzte kabarettistische Engagement, welches ich noch im Kopf hab, war, glaub ich, der Nockherberg 2004, wo er als Bruder Barnabas auftrat.
Polemicer (Samstag, 01 Juli 2023 11:01)
@Pascal
Ja, die alte Garde... die ist halt heute nicht mehr da. Wagner/Uthoff als kleiner Hoffnungsschimmer mit wirklich klasse Sendungen vor einigen Jahren haben sich eben, wie ich es beschrieben habe, völlig auf links gedreht. Und sozusagen den Zweck von Satire völlig aufhebt. Eine exklusive Tragödie.
Polemicer (Samstag, 01 Juli 2023 11:04)
@Holgi
Bei Böhmermann ist mit dem Wechsel für meine Begriffe nur das passiert, was man bei Karrieristen gerne beobachtet. Sie verwerfen ihre Wurzeln und ihren ursprünglichen Stil und machen dann auf dicke Hose. Wenn die Sender ihn auch noch machen lassen und sich daraufhin ins Höschen greifen, ist das natürlich doppelt kacke.
Pascal (Samstag, 01 Juli 2023 11:22)
Ja, ich hab immer noch Mühe damit, dass diese Entwicklung als eine nach 'links' bezeichnet wird.
Natürlich kann man den Begriff 'links' verwenden, wenn der Massstab dafür diese linksliberale, hippe, woke Blase, angefüllt mit sich als intellektuell gerierenden, in Wahrheit aber geistig verarmten Agitatoren vom Schlage einer Fester, Lang, Baerbock oder Habeck ist.
Aber genuin 'links' ist daran überhaupt nichts.
Zweifelsohne haben sich nun von Wagner und Uthoff in diese Linie eingeordnet, aus welchen Gründen auch immer; aber der Geist wie auch das Diskursniveau in dieser Sphäre ist mitnichten ein im klassischen Verständnis sozial, emanzipatorisch, freiheitlich Linkes - leider.
Die politisch linke Sphäre wurde, ohne bemerkbaren Widerstand, von verblendeten Hardliner gekapert und mit sinnentleerten aber schlagkräftigen Wortbausteinen und Narrativen wie Diversity, LGBT, Klimawandel usw. angefüllt.
Aber links ist daran, nach meinem Verständnis als alter, naiver Linker, überhaupt nichts.
Gehirnschleck (Samstag, 01 Juli 2023 18:00)
Dieter Nuhr ist bereits geschickt darin, die für die Karriere förderliche Haken zu schlagen. Denn man, erinnere (hat fast schon Bosetti-Tiefgang):
„Statistisch lässt sich feststellen: Impfen hilft! [...] Die Inzidenz ist da am Höchsten, wo die Impfquote am niedrigsten ist und da am Niedrigsten, wo die Impfquote hoch ist [...] Sehr simpel der Zusammenhang. Und eigentlich sollte der auch niederen Tierarten einleuchten [...] Und dann sagen die Leute: Die Impfung macht aber krank: Nein! Es ist die Dummheit, die uns grade krank macht. Ja? Selten war Ignoranz so tödlich, aber ich sehe es positiv: Es ist auch evolutionäre Auslese.“
https://ich-habe-mitgemacht.de/liste/nach-person/996-statistisch-laesst-sich-feststellen-impfen-hilft.html
Und Volker Pispers, der immer noch beharrlich auf seiner Webseite sein Vermächtnis einzäunen möchte:
"Aus gegebenem Anlass möchte ich mich an dieser Stelle von allen Coronaleugnern, selbsternannten Querdenkern, AfD-Fans und rechten Extremisten distanzieren.
Diese Leute mißbrauchen aus dem Zusammenhang gerissene Zitate und alte Texte, um mich in den asozialen Hetzwerken als vermeintlichen Kronzeugen für Ihre kruden bis kranken Ansichten zu präsentieren"
von seiner Seite https://pispers.com
Polemicer (Samstag, 01 Juli 2023 19:40)
@Gehirnschleck
Mir sind Nuhrs Aussage dazu oder die von Pispers bekannt.
Trotzdem unterscheide ich noch zwischen einer Bosetti und einem Nuhr. Erste macht einfach so weiter, jetzt halt mit allen Themen, die so anfallen. Und das ist für mich der Maßstab, wem ich mein Vertrauen für alle Zeit abspreche und bei wem ich noch mal alle Fünfe grade sein lassen will.
Bei Nuhr hat man wenigstens gemerkt, dass er sich dazu kaum noch äußert. Ich brauche da kein öffentliches Entschuldigungsritual, vor allem, weil die Informationslage zum Impfen so breit gefächert falsch gesetzt und verbreitet wurde, dass man es den Leuten gar nicht mal übel nehmen könnte, weil sie das nachgeplappert haben.
Mal ehrlich: Nur, weil mich mal einer ein Mal angeschnauzt hat, muss ich ihm nicht ins Fressbrett schlagen. Das muss schon ein paar Male geschehen.
Gehirnschlecks (Samstag, 01 Juli 2023 20:47)
Von Volker Pispers bin ich tatsächlich etwas enttäuscht, womit ich auch verdeutliche, dass ich seine Bühnenprogramme mochte. Die Wahrheiten in seinem Kabarett haben zu großen Teilen nach wie vor Gültigkeit, der Galgenhumor teilweise unschlagbar, weniger mochte ich seine herablassende Art seinem eigenen Publikum gegenüber, was zum Schluss ja zu einem Statement wie dem auf seiner Homepage führen musste. Und dennoch bringt er viele Sachen durcheinander. Sein Kommentar ohne Not aus der Hüfte geschossen. Am Ende aber noch Werbung für seine Produkte.
Andererseits ist jedes Gekreische und auch meine pastorale Kritik wie immer überzogen. Soll er seinen Ruhestand genießen, seine Rente, er hat geliefert. Alles gut Aber ich kann nicht anders... ich werde zum Hulk:
TV und Entourage sind mir mittlerweile sehr, sehr schnuppe (nachdem ich vor den drei Jahren zumindest noch vereinzelt Sendungen in der Mediathek anschaute), bis auf mein vielleicht unangenehmes Gefrotzel, wenn ich dabei scheitere, nach lobender Erwähnung von Volker Pispers mit meinen hilflos tastenden Händen meine Blutdrucksenker und Beruhigungspillen zu finden. Auf meiner Festplatte verdreckt immer noch ein fast zehnseitiges Pamphlet über Volker Pisper immer noch ein Dutzend Megabytes, so viel Platz, welchen ich für schöne Utopien nutzen könnte, mit Biene Maja, Flüssen aus Honig... und dem Bären aus Mordor, der mit seiner Pranke ausholt. Aaah... Wenn ich diesen Text raushauen würde, gäbe es bei den Geheimdiensten dieser Welt Alarmstufe Rot, dass rote Telefon würde vom Hörer genommen und eine amerikanische Soldateneinheit mit Steven Spielberg würde Volker Pispers retten, denn der weiß über ziemlich viel Bescheid... Sein Programm auf der Bühne war nur eine kleine Kostprobe.
Polemicer (Sonntag, 02 Juli 2023 06:12)
@Gehirnschleck
Pispers war dann auch stellvertretend wie die Aussagen von jenen, bei denen wir uns schon an vernünftige Aussagen gewohnt hatten. Auch ein Noam Chomsky wäre da zu nennen. Ich kann dann schon sehr gut verstehen, wenn man da ausrasten will - ja, muss. Da schwimmen einem die Felle davon, die man vorher noch unsanktioniert anpreisen konnte, man fühlt sich hintergangen, verraten, dem Mob schutzlos ausgeliefert. Plötzlich war man auch alles - außer normal, vernünftig kritisch, vielleicht etwas komisch, aber bisher bekam man immer mal wieder den Fuß in die Tür der Debatte. Aber damit ist wohl jetzt Schluss, mit dem Framing sind die Sicherheitsschleusen neu angeordnet und verschärft worden. Dreifache Passkontrolle und zwei mal durchleuchten ist jetzt angesagt. Was vorher noch 9/11 nach sich zog (Flughafenkontrollen und goldene Zeiten für die Überwachungsindustrie), ist jetzt auch online vorangeschritten. Da kannst du dein Pamphlet gleich in einen Safe packen und mit drölf Passwörtern versehen und schreibst am besten nur noch über Bienchen und Blümchen.
Aber auch das war meiner Meinung nach dem Moment geschuldet. Mich enttäuscht im Grunde nur, dass die sich ihrer sonstigen Fähigkeit zur inhaltlichen Differenzierung zeitweise entsagt hatten und genauso blind das wiederholten, was so weitläufig als "alternativlos" galt. Verkehrte Welt.
Pascal (Sonntag, 02 Juli 2023 10:48)
Da müssen wir uns auch an der eigenen Nase fassen; denn wir haben uns auch dieser Leute (Pispers, Chomsky et. al.) als Fürsprecher für unsere eigene Sache bedient. Dort liegt nun auch unsere Enttäuschung über diese Menschen begraben.
Sicherlich nicht ungerechtfertigterweise, immerhin sind wir als normale Menschen, Bürger unserer Staaten immer in einer Defensivposition und brauchen Leute, die über die notwenige Reichweite verfügen, indirekt auch uns Gehör zu verschaffen - das wiederum wäre aber ursprünglich primär eine Aufgabe politischer Parteien gewesen, ein Konzept, das allerdings schon lange nicht mehr funktioniert.
Und hier, denk ich, sehen wir erst die enorme Macht eines 'Spaltpilzes' wie der Corona-Agenda.
Nicht nur wurden die Menschen über viele Jahrzehnte hinweg von der Politik und den Parteien entfremdet; dieser Prozess der Entfremdung ist noch lange nicht abgeschlossen, er wird im Gegenteil immer weiter perfektioniert.
Die Coronazeit hat eigentlich für alle bis dorthin übriggebliebenen kritischen Geister die Wirkmacht der gezielten Spaltung offenbart.
Danach gab es nur noch schwarz/weiss, geimpft/ungeimpft, pro/contra Massnahmen. Die Nuancen, die Zwischentöne waren wie auf einen Schlag weg und jeder einzelne musste Stellung beziehen, in der Folge entweder den Weg in eine Art Verbannung beschreiten oder sich ins Narrativ einordnen, sich nonlens volens für die Zwecke der jeweiligen Agenda instrumentalisieren lassen.
Wir machen vielleicht auch immer noch den Fehler, dass wir uns über die einzelnen Akteure echauffieren, wie die sich jeweils positioniert haben, Böhmermann, von Wagner/Uthoff, Grönemeier etc., aber das Problem ist wesentlich grösser als das - das Problem ist eben genau die Wirkmacht dieser Spaltung, wie effektiv und weitestgehend widerstandsfrei sie durchgezogen werden konnte.
Im Rückblick sind nun aber nicht die Überzeugungstäter wie z.B. Bosetti oder eben Böhmermann das Problem.
Das 'Problem' (eigentlich ein unpasssendes Wort) sind diejenigen, die sich aus welcher Motivation auch immer haben einspannen lassen, es sei ihnen auf jeden Fall verziehen; aber es wäre jetzt ihre Aufgabe; denn ich setze bei jemandem wie z.B. Uthoff a priori die Fähigkeit zur Reflektion und Selbstkritik voraus, diese Wirkmacht im Nachhinein versuchen aufzubrechen, aufzuzeigen, wie sich die Seilschaften des Coronanarrativs überhaupt erst diese Macht ergreifen und ausüben konnte.
Und das können in der Tat nicht wir als normale Bürger, aber diese Leute könnten das, und sie könnten es heute ohne enorme persönliche Risiken einzugehen, im Gegensatz zu damals in der Hochzeit der Hetze gegen alle Abweichler.
Das wäre ein erster Ansatz zur Rückgewinnung des Vertrauens der Menschen, die sich heute infolge all der schäbigen Geschehnisse verraten fühlen und in regressivem Verhalten nun z.B. eben AfD Leute in Exekutivpositionen wählen.
Egal wie ernst es die AfD mit ihrer Anti-Massnahmen-Positionierung in Wahrheit gemeint hat, sie war de facto die einzige Stimme, die es gewagt hat, diese Kritik auszusprechen.
Würde man es mit diesem 'Keine Macht den Nazis', was gerade wieder en vogue ist, ernst meinen, müsste z.B. ein Grönemeier, der in der Vergangenheit nie um eine Anti-Nazi-Parole verlegen war, nun den Faden aufgreifen und mit allem, was die letzten Jahre geschehen ist, aufräumen und die Dinge vom Kopf auf die Füsse stellen. Grönemeier würde heute gewiss nichts dabei verlieren.
Aber es passiert eben nicht. Die Spaltung wirkt fort. Der Vertrauensbruch bleibt, und wir hier sind desillusioniert, auch gerade über diejenigen, bei denen wir das Gefühl hatten, sie würden uns als letzte Instanz noch Gehör verschaffen.