Nach etwas Kurzurlaub und natürlich pünktlich eingetretener Routine, um sich wieder mal eine Woche im Krankenbett-hüten zu üben, war ich quasi gezwungen, etwas Internet-abstinent zu bleiben. Ein wenig überraschend, dass ich damit jetzt weniger Probleme hatte. Erst spät fiel mir auf, dass ich nicht wie ein Alki mit irren Augen durch die Straßen torkelte, um nur irgendwo am nächsten Twitter-Schnäpschen zu nuckeln.
Das Gekollere und der zwangsläufige Muskelkater für das angehende Sixpack, das sich gerade unter dem Onepack antrainiert, wird dann kurzfristig zum Tagesgeschäft. Da hast du keinen Kopf für die politische und gesellschaftliche „Normalität“, die da heißt: Krise, schlimm, schlimmer, rituelle Tötung zugunsten der heiligen Greta, wir werden alle sterben, und so weiter. So ganz kannst du dich dann nicht vom täglichen Wahnsinn fernhalten, weil der jetzt in blumigen Worten Einzug in die Werbewelt gehalten hat. Ich hatte mich wirklich lange erfolgreich vom TV-Bullshit abgekapselt gehabt, doch irgendwie will man dann doch wieder die Berieselungsmaschine anschmeißen, um keine Totengräberstimmung im Wohnzimmer ertragen zu müssen.
Ich dachte, es ist eine gute Abwechslung, mit dem Fire TV-Stick durch die Accounts zu zappen, aber auch in diesen Sphären bist du heute nicht mehr von Werbung verschont, vor allem wenn du zu geizig bist. Youtube ist heute verdammt nervig geworden, wenn es zu einem Stunden-Podcast an den unpassendsten Stellen Clips zwischenschaltet. Und was du eine Zeit lang gut ignorieren konntest, wird dir nun auch im Wehwehweh eingetrichtert. Hundertprozentig blöd war ich diesbezüglich jetzt nicht, aber ich wusste auch, was ich nicht verpasste. Rama ist nämlich jetzt kein Butteraufstrich mehr, sondern ein gutes Gefühl für den Klimaschutz. Blabla, nachhaltig, blabla. Inhalte verschwinden in den Fußzeilen, auch wenn das bei Werbung natürlich ein wenig absurd klingt. Stepstone kann in meinem Kopf lesen und penetriert mich derweilen so derbe, dass ich mal ganz schnell nach einem neuen Ich-hab-den-Job-Job suchen sollte. Bis. Zum. Erbrechen.
Abgesehen von diesen absurden Slogans, bei welchen ich kaum einen Sinn erkenne, wird die Machart der Spots immer berechnender und austauschbarer. Das wichtigste für die Produktion sind jetzt andere Dinge als lustige, kleine Minigeschichten zu kreieren oder sich tatsächlich Werbesprüche zu überlegen, die man dafür geeignet hielte, in die Umgangssprache überzugehen. So etwas wie „Geht nicht, gibt’s nicht.“ oder die frei interpretierbare Version des berühmten IKEA-Werbespruchs „Wohnst du noch oder lebst du schon?“. Heute haben wir den Ich-hab-den-Job-Job. Uff. Leute, geht’s nicht noch verkopfter und dumpfer?
Dazu wirst du mit Baukastenwörtern und Sätzen bombardiert. „Entdecke“, „genieße“, „erlebe“, heißt es heute, und das in gefühlt sechzig Prozent aller Anzeigen und Werbespots. Ist Ihnen vielleicht auch schon aufgefallen, ich erwähn das nur noch mal. Diese Fremdeinpflanzung von Gefühlen im Zusammenhang mit banalsten Produkten macht jetzt aus der Kurzzeitsüße auf der Zunge in der Straßenbahn eine Odyssee ins Reich der grenzwertigen Gefühlserfahrungen im allerschönsten Abenteuerparadies der Welt. Zumindest rhetorisch. Irgendwie wollen sie immer tiefer rein in deinen Kopf, damit du mit dem neuen 40-Euro-Zimmerbrunnen virtuell in die Sphären eines Besuchs bei einem x-beliebigen Wasserfall in Island vordringen sollst.
Drunter geht es wohl nicht mehr. Trotzdem macht es noch einen Unterschied, wenn dir im Wohnzimmer ein mickriges „Pitsch-Plitsch-Glucker“ in die Ohren dringt oder real das Rauschen von Wassermassen am Bodensee-Rheinfall oder der Küste der Côte-d´Azur. Man kommt sich vor, als würden die Werbemacher nur noch Werbung für die Verzichtenden und Stubenhocker (IKEAs Slogan würde so zu einer traurigen Realität) machen, um ihnen ihre Unlust, vor die Tür zu gehen, mit hirnmanipulierenden Simulationen von Naturwundern und Ersatzerfahrungen, verpackt in exotische Produkte, zu reproduzieren. Aber ich kann jenen nur aus eigener Erfahrung sagen: vergesst es. Nehmt eure Beine und - wenn möglich - etwas Erspartes in die Hand und holt euch die Erfahrungen vor Ort selbst ab. Kein Produkt der Welt und keine Computersimulation kann das je gleichwertig wettmachen.
Also nichts Neues im Unwesen der Werbewelt, die ähnlich imagefixiert ist wie die noch etwas krasser auftretenden Klimakleber und üblichen LGBTQ-Nappsülzen. Passend dazu: ich habe auch erst wieder in einem Anfall von Kurzzeitschwäche auf Twitter vom „Pride Month“ erfahren, der auch sofort von rechts eine „Stolzmonat“-Ohrfeige gewatscht bekommen hat. Ich brauchte natürlich erst mal wieder ein bisschen, das zu kapieren, aber da ging kampagnenmäßig wieder einiges ab, was dann teils auch wieder den Weg ins Altpapier und die AAS (hihi!) fand. Schnell wieder wegzappen. Twitter wird gerade verdammt anstrengend, vor allem wenn dir der Algorithmus ständig die übelsten Quatschtweets der Woke-Ideologen vorsetzt. Nein, ich habe keine Lust, mit denen zu diskutieren. Nein, ich sehe keine Grundvernunft mehr in deren Auslassungen. Tag X mit Maske und „Höhööö, ich hab ´ne Mülltonne angezündet.“ - damit muss ich mich nicht mehr auseinandersetzen. Deren Entscheidung. Seht, was ihr davon habt. Macht euch ruhig zum Affen, dann muss ich es nicht tun.
Mal ganz zu schweigen von Follower-Klau und undurchsichtigen Likes, die dir zwar in der Klingel-Sektion angezeigt werden, in den Tweets aber nicht. Irgendwas läuft da und auch nicht rund, dazu fehlt mir mittlerweile der Antrieb, das fundiert auseinander zu pfriemeln. Es ist ärgerlich, nervig. Wenn so künstlich Reichweite beeinflusst wird, kannste mich mal. Mittlerweile schaue ich nur noch rein, um das Trending zu sehen, und das ist mittlerweile nur noch Hamsterrad-Modus. Die immer selben Empörungen in anderem Gewand sind so langweilig geworden wie die Ausschlachtung des Superhelden-Genres im Kino oder eben jeder gefühlt zweite Entdecke-Genieße-Erlebe-Werbespot.
Bleibt eigentlich nur noch „digital detox“. Stand heute fasse ich mir teils schon selbst an den Kopf über mich selbst. Es gab Phasen, da wollte ich nur kurz reinstöbern und ließ erst ein bis zwei Stunden später vom Portal ab. Einfach, weil alles so irre ist, was darin läuft, und das auch noch ausgefochten von Menschen, die irgendwo in seriösen Positionen zu finden sind. Journalisten, Wissenschaftler – also auch dort, wo man eigentlich erwartete, eine ordentliche Diskussion führen zu können. In diesen Detox-Wochen will man noch nicht mal mehr mit denen in Kontakt geraten, weil auch dort Hopfen und Malz verloren gegangen ist. Heute linse ich kurz rein wie in ein Kindergarten-Spielzimmer, das man akustisch bei geschlossener Tür nur sehr gedämpft wahrnimmt, und wenn du die Tür öffnest, schmerzt der Affenstall empfindlich in den Gehörgängen. Man muss sich letztlich dazu dressieren, die Tür dann auch schnell wieder zuzumachen, bevor die Faszination vor der Abscheu Oberhand gewinnt.
Ich brauchte dann dringend was anderes als Werbung und Twitter. Einfach mal wegkommen vom Negativen und den fremdverpflanzten Scheinwelten. Auf Youtube mal zwei interessante Kanäle abonniert, neue Bands für mich gefunden. Im Grunde tue ich im Moment wohl genau das, was anderen auch so vorschwebt, indem sie sich in etwas Gutes flüchten, was die politischen und gesellschaftlichen Realitäten (die künstlich aufgeblasenen in Verbindung mit den unvermeidlichen) kaum noch mehr hergeben. Man kann das alles nur noch mit Abstand ertragen. Gendert euch selbst. Lügt euch selbst ins solidarische Gewissen. Heuchelt mir ruhig einen vor, wenn ihr zu blöd seid, das nicht auch noch glaubwürdig verkaufen zu können. You will not get me with that. Your political agenda is me wurscht.
Es ist aber auch nicht verwunderlich, wie sehr sich immer mehr vom Drang, sich gewinnbringend in wichtige Debatten einzubringen, verabschieden. Das ist einerseits schade, andererseits verständlich. Die Leute haben halt keinen Bock mehr, gegen Wände zu reden, wenn man nicht so gestrickt ist, das eigene Leiden zu genießen oder Popcorn-like zu beobachten und zu kommentieren. Vielleicht bringt es wirklich nichts mehr, die Bubbles vom Gegenteil überzeugen zu wollen, weil man denen gar nicht mehr beikommt, weder mit Argumenten noch mit bösen Sprüchen. Vielleicht muss man sie einfach machen lassen, bis es ihnen den dritten Schlaganfall in drei Monaten beschert oder irgendwann doch die Erkenntnis eintritt, dass das alles nur noch sinnlos ist. Dann sollen sie sich aber auch bitte nicht beschweren, warum ihnen nichts Gutes mehr widerfährt oder sie sich für nichts mehr begeistern können außer Empörung und Geschrei.
Irgendwie scheint es auch ein Ausdruck dessen zu sein, was ich häufig vermute: all die Heile-Welt-Verpflanzungen fruchten nicht. Alles, was medial die Absicht hegt, uns in Ruhe, Glück und Besonnenheit zu versetzen, wird nicht einfach so adaptiert. Da kann mich die Snickers-Werbung auch noch so oft nudgen, wie sie will – ich bin weder das exakte Abbild des Stoffels, der vor dem Biss in den Riegel die Umgebung nervt, noch die Type, die ich nach dem Verzehr sein soll. Oder so. Ja, verkopft, ich sagte es schon. Ideale, die immer mehr zur Realität werden sollen. Je unrealistischer diese Ideale werden, um so mehr will man sie nicht. Wenn noch die deutsche Miesepetrigkeit dazu kommt, fühlt man sich dazu vom Teufel verführt.
Schließlich noch kurze Einblicke in meine Kacksessions. Keine Angst, ich beschreibe jetzt nicht Farbe, Aggregatzustand und Häufigkeit meines Stuhlgangs. Ich habe in letzter Zeit vermehrt die Lust, etwas Ordentliches außer Blogtexte zu lesen, allerdings eher als Klolektüre. Immerhin bin ich dadurch in den letzten Monaten zu ganzen drei Büchern á 250 Seiten im Durchschnitt gekommen. Kürzlich hatte ich das neueste Buch von Vince Ebert fertig gelesen: „Lichtblick statt Blackout“. Natürlich passend zur Klimahysterie und die nagende Energiefrage. Ich bin nicht bei allem seiner Meinung, aber ich denke, er nennt von seiner Sparte aus die Probleme, vor allem aber auch die Möglichkeiten, denen man lieber nachgeben sollte als sich in negativen Gefühlen über Untergänge zu ertränken. Dazu eine Anmerkung einer miesen Rezension zu seinem Buch: der schreibt im Gegensatz zu Ebert Solar als alternativlos hoch. Ob das jetzt eine Rechenschlacht um Kilowatt oder Kilowatt/Stunde begründet oder inwiefern die Platten effektiv sind, will ich gar nicht beurteilen, aber: hier liegt im Rezensenten eine Falschannahme vor, man könnte jetzt jeden Haushalt autark mit Solar versorgen. RWE, Vattenfall und Co. werden einen Teufel tun, ihr Brot und Lohn jetzt an jeden Einzelnen abzutreten. Auch das bestätigt für mich die Kurzsichtigkeit in einer Debatte, bei der wir heute erst so richtig losgelegt haben.
Ich habe dadurch mehr Erkenntnisgewinn als bei den virtuellen Schlachten. Vielleicht eine gute Strategie, Verstimmungen zu lindern und wieder einen Mehrwert im Leben zu sehen. Sollen die sich mal schön die Köpfe einschlagen. Und während ich körperlich krank auf der Nase lag, gesundete ich zwangsläufig im Geiste ein wenig. Witzig, irgendwie. Ich muss nur noch meine Detox-Phasen so beibehalten, dann sieht die eigene Zukunft so positiv aus, wie es Ebert gerne hätte. Wenn man mich mal lässt - denn irgendwie zieht einen der Sog der sozialen Stimmung immer ein wenig mit ins Verderben ...
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