Liest man sich momentan so durch die Kanäle, entsteht bei mir der Eindruck, die wollen zu einem großen Ding ausholen. Sie wissen schon: Umbauplan, große, tolle Ziele für eine bessere Zivilisation und einen auf Hochglanz polierten Planeten. Das passt dann aber nicht auf das Geheule, Gekreische, Ge-“alles-ist-scheiße-und-gefährlich-und-kaputt-“rede. Die wissen teils selbst nicht, welchen Gefühlsstau sie gerade ausleben müssen, jedenfalls kann ich mal wieder nur mit Mühe Twitter ignorieren, weil sie dort tatsächlich täglich, stündlich, minütlich irgendeinen Themenwichs aus der Suppe fischen. Erdverbrennung steht kurz bevor, einundzwanzig Grad im Mai ist definitiv zu heiß (hä??), und es ist im Juni zu trocken (sagen sie uns im Mai – doppel-hä??).
Immer mal wieder Skandälchen und Shitstorms. Geben sich die Klinke in die Hand, Shitstormtennis zwischen den Todfeinden links und rechts des Ideologieäquators. Momentan zeichnet sich keine Schlagseite ab, Graichenclanstadt versus Rechtspopulistenhausen. Es steht momentan im Tie Break 8:8. Sie dreschen sich wutschäumend die Anklagen um die Ohren und über das Netz, der Becker-Hecht wird jetzt Standard-Move. Fehlt nicht mehr viel, dann wird jeder Ballwechsel von einem Special-Move begleitet - Flikflak. Plopp. Breakdance-Einlage. Plopp. Moonwalk. Plopp. Salto Mortale. Plopp. Doppelter Rittberger. Plopp. Gut getimter Bungeesprung. Plopp. Jodeldiplom. Plopp. Mozarts Fünfte. Plopp.
Ich warte schon auf den außerirdischen Pudding, der alle Spieler frisst – und übrig bleibt ein einsamer Schotte, der mit sich selbst spielt. Daran hätte ich jetzt meinen Spaß gehabt. Aber so absurd wird es leider nicht, wir haben nur den Wokismus und deren erbitterte Gegner, die keinen Spaß verstehen. Alles ernst nehmen und wütend, mit Schaum vor dem Mund, einen zynischen Spruch nach dem anderen ins gegnerische Feld dreschen. Moralo fatale. Plopp.
Warum ich Twitter momentan nur stoßweise ertrage, liegt einerseits an meiner Tageslaune, andererseits am Algorithmus. Der spült dir jetzt jeden Matchgegner an erste Stelle in der Timeline, und der wiederum heult sich die Augen aus, weil ihm nun jeder Matchgegner in die Timeline gespült wird. Ich finde es grundsätzlich gut, wenn man derart miteinander konfrontiert wird, aber wenn du ständig solche Intelligenzbestien wie den Tino vor der Nase hast, will ich mein Ticket zu den Resilienz Cup Championships gerne zurückgeben. Die Übelsten von der anderen Seite krieg ich gar nicht mehr mit, und man erfährt den nächsten Eklat – Episode 3345 - auch erst über die Kaiserschmarrnclowns. Ist auch nicht das Gelbe vom Ei, Herr Musk.
In einem ruhigen Moment kommt man nicht umher zuzugeben, dass man sich mittlerweile an Gestalten anhängt, die man noch vor einigen Jahren als schmierige Schmutzfinken abgetan hatte. Und sich geschworen hatte, sich denen niemals solidarisch zeigen zu wollen. Ein Reichelt, ein wenig Kellner, irgendein CDU-Pfosten, der in der Opposition sein Denken wieder gefunden hat, oder ähnlich Gepolte. Und das auch nur, weil die andere Seite, der du dich mal verbunden gefühlt hattest, völlig austickt. Aus jeder Mücke einen Elefanten macht. Ja, selbst das wäre ja alles halb so schlimm, würden sie den Rest der Bevölkerung in diesem elefantösen Wahn mal in Ruhe lassen oder wenigstens die Geduld aufbringen, ihre Anliegen eingehend und gut begründet an den Mitbürger zu bringen. Aber nein – da wird so derart rhetorisch über die Stränge geschlagen, weil sie denken, anders würde man niemand mehr überzeugen können. Aber: wer schreit, lügt. In diesem Fall wird jeder Schlag mit einem übertriebenen Stöhner begleitet. Plopp. „Möööööaaaaah!!“.
Tino ist da ein besonderer Vertreter dieser Panikzunft, der erst mal seinen vermeintlichen IQ ins gegnerische Feld schlägt. Was soll mir das bitte mitteilen? Dass ich jetzt beeindruckt sein soll? Dass er sowieso alles besser weiß? Ich könnte seine Aussage ja glatt für einen Witz halten, würde ich seine Postergüsse nicht als Ganzes gelesen haben (weil mir das ja jetzt der Algorithmus vorsetzt). Bei dem Gesamtbild kann er ja nur seinen IQ aus hundertdreißig Einzelposts zusammengezählt haben. Zwischendrin kommt ja wirklich mal was Verwertbares bei ihm heraus, aber das ist mehr oder weniger nur der kümmerliche Rest, für den wir Linke mal gemeinsam eingestanden waren. Der Spaltpilz Wokismus mit Klimahäubchen hat das jedoch alles zerstört. Keine Lust mehr auf diesen Identitätsscheiß, der jetzt künstlich alles an die Oberfläche spült und dem einen Bärendienst erweist, für was wir uns mal stark gemacht hatten. Was wirklich mehr Diversität, Umweltschutz und Gerechtigkeit in die Sache gebracht hat.
Was ihnen momentan zeitgeistmäßig wichtig ist, hat schon lange den Weg des Nachvollziehbaren verlassen und übertritt nun bei jedem Aufschlag die Linie. Regelverstoß. Fault. Erich Monsterkitzler klärt jetzt Kinder auf. FUNK spricht jetzt mit seiner Yoni. Kindern wird das Muttertagsbasteln verwehrt. Und überhaupt – den Kindern wird jetzt die pseudo-erwachsene Linksmoral aufgedrückt. Und die ist – wie erwähnt – spaßbefreit und mit Dekadenz-ADHS verseucht. Alles ganz toll und super und wichtig und frei, im gleichen Atemzug aber auch schlimm und gefährlich und weltuntergangsmäßig, und das muss man dann verbieten. Weil sie es so sehen, muss jetzt das Kind das auch so sehen. Wenn man die Alten, Zufriedenen und Selbstbewussten mit dem eigenen Trauma nicht mehr erreicht, geht man halt an die Kinder, weil die ja neugierig, füllbar und naiv sind. Von denen bekommst du in der Regel keine Gegenrede, und du kannst ihnen deine eigene Untergangswelt noch überstülpen.
Das ist dann kein Tennis mehr, das sich letztlich nur dadurch entscheidet, wer mehr Wumms im Schlag oder einen Ticken mehr Spielübersicht hat. Das ist nur noch unidirektionales Curling, das viele entweder blöd oder verschroben finden, weil für sie die Besenschrubberei so witzig ist. Dann gibt es noch welche, die das als ernsthaft strategisch wertvolles Spiel betrachten, aber wenn das niemand für eine Philosophiestunde im TV oder für ein Videogame adaptiert, ist es auch nicht wirklich gehaltvoll. Weder produktiv noch im übertriebenen Maße unterhaltsam wie das Wettbewerbsgewichse, das momentan etwa die Spielshows im Fernsehen dominiert. Da braucht es eben solche Übertreibende, Narzissmus- oder ADHS-Verseuchte, denen das klassische Tennis schon zu langweilig geworden ist. Die jetzt Matches verlangen, in denen im gemischten Doppel Erich Monsterkitzler und Yoni Winterscheid gegen Adolf Hitler und Wladimir Putin antritt und vor jedem Ballwechsel eine komplette Choreografie vorgeführt wird. Darunter geht’s nicht mehr.
In dem Zusammenhang wäre es mal interessant zu erfahren, was noch über Nadsi und Kommunismus als Pauschalkeule angebracht werden kann. Das sind doch nun wirklich die Gipfel der Verurteilungen, die man bei ständiger Benennung nicht mehr toppen kann. Eigentlich ist es ein spätrömisches Gesamtbild, das nur noch scheitern und abstürzen kann. Bis irgendwann die menschliche Vorstellungskraft an die absolute Obergrenze gerät und zum Fallen verdammt ist. Ich habe tatsächlich den Eindruck, dass wir in diesen Grenzregionen angekommen sind und auch kaum noch Grenzverschiebungen vollziehen können. Denn wenn sogar das Drag Match langweilig wird und seine Faszination oder das Empörpotenzial verliert, willst du einerseits gar nicht wissen, ob sie noch eine Steigerung hinbekommen und wie völlig absurd das noch werden kann. Es ist einfach too much.
Das liegt ja nicht nur daran, dass alles ganz superschlimm wäre und man ganz superduperdolle dagegen steuern müsste. Eigentlich ist alles ganz easy oder zumindest beherrschbar. Wenn man nur mal die Schnauze halten oder es mit ein paar Vorüberlegungen angehen würde. Nur wenn sie von „Kipppunkten“ oder „alles Nadsi außer Yoni“ reden, willst du ja schon wissen, ob das noch rational erklärbar ist und warum gerade die Machtetagen das so mittragen. Und je mehr du dich da reinfuchst, dem Geld folgst und den Verbindungslinien im Clan-Geflecht, kommst du auf nichts anderes wie einen Geheimplan, einen höher gestellten Zweck, den sie dir nicht verraten, weil du dann wirklich Grund dazu hättest, das nicht gut zu finden.
Ich will ja mal durchatmen und in mich gehen und das Ganze mal einordnen, Worte suchen und eine Beschreibung formulieren, wie das Weltgeschehen gerade als Bild wiedergegeben werden könnte. Aber da gerate ich schnell an die Grenzen meiner eigenen Vorstellungen – dabei kann ich schon ziemlich kreativ werden. Momentan gelingt mir aber nichts mehr als ein Tennis-Match aus Absurdistan aus dem Kopf zu quälen, das mit dem eigentlichen Sport gar nichts mehr zu tun hat. Ja, selbst die Game Designer, die ja, wenn sie Tennis mit Superkräften aufpimpen wollen und keinen Anspruch auf Realitätstreue anmelden, an die Grenzen ihrer Kreativität stoßen. Würde nur noch fehlen, dass sie in letzter Konsequenz einen Special Move mit einem Atombombeneffekt einbauen würden, aber dann wäre entweder das Spiel abrupt zu Ende – oder es wäre künstl(er)ischer Betrug.
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