Es war ein Glanzstück einer selbst durchorganisierten Hilfeaktion und gleichzeitig Ausdruck politischen Versagens auf ganzer Linie. Es war ein historisches Dokument von Herrschsucht und versuchter Vorteilnahme, ein Zeugnis despektierlichen Verhaltens in einer Extremsituation. In seiner Gesamtheit war es – man muss es so deutlich sagen – eine krachende Bruchlandung für eine (Landes-)Regierung wie auch für bestimmte Institutionen sowie Einzelpersonen.
Die Geschichte um die Jahrhundertflut im Ahrtal ist bezugnehmend auf das eigentliche Ereignis schnell erzählt – Starkregen setzte ein, ließ den Fluss erschreckend schnell über die Ufer treten und begrub durch gnadenlose Physik ganze Dörfer unter sich. Über 130 Menschen starben in den Fluten, Tausende standen innerhalb von Stunden vor den Trümmern ihrer Existenz. Die Auswirkungen dieser Katastrophe waren monströs, und bis heute noch kämpfen Menschen um den Aufbau oder finanzielle Entschädigungen.
Und doch ist nicht dieses Ereignis für sich gesprochen die wirkliche Katastrophe, sondern die Art und Weise, wie man in offiziellen Kreisen damit umging. Und teils immer noch mit umgeht.
Querdenker schlimmer als die Flut
So hart es klingen mag, erscheinen Widrigkeiten im Krisenmanagement erst mal fast normal. Nicht immer verlaufen Hilfsaktionen oder Entschädigungen reibungslos ab, unbürokratisch oder rein selbstloser Natur, doch bisher blieb den Deutschen nicht nur der Schrecken eines über sie einbrechenden Naturereignisses im Kopf, sondern auch in der Folge die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung oder respektabler Umgang damit seitens der Politik. Gerne erinnern wir uns daran, wie Staat und einzelne Bürger gemeinsam mit anpackten, um das Schlimmste zu verhindern. Zurecht feierten wir 2003 die „Sandsackhelden“ der Bundeswehr und die gegenseitige Hilfe an der Elbe. Kritik an Ursachen und der Blick in die Zukunft verhießen allerdings nichts Gutes, weil gerade in den gefährdeten Regionen der präventive Hochwasserschutz leidlich in staatliche Hand genommen wurde. Wo wir wieder bei bürokratischen Blockaden wären, die scheinbar billiger sind als Dämme für die Blockade von Wassermassen zu bauen.
Es schien wohl nur eine Frage der Zeit zu sein, wann sich die nächste Katastrophe Bahn brechen würde, und als hätte uns Corona 2021 nicht schon genug zugesetzt, kam die berüchtigte Ahrtal-Überschwemmung quasi zur Unzeit. Während Deutschland sich noch massiv mit dem Virus auseinandersetzte und sich von einer Extremmaßnahme zur nächsten ächzte, mochte – wie böse Zungen behaupten – keine Sorge größer gewesen sein als der Anstieg der Inzidenz im Katastrophengebiet und gleichzeitig der Eifer, die Gegend von ideologischen Unreinheiten zu säubern, bevor man überhaupt mit schwerem Gerät anrücken wollte. In den ersten Wochen dominierten gar die mutmaßliche Instrumentalisierung der Flut seitens „Coronaleugner“ und „Querdenker“ die Schlagzeilen. Und statt schwerem Gerät tauchte auch erst ein vom Staat beorderter Impfbus in der Region auf.
Die zweite Flut
Während man sich in den Behörden noch damit auseinandersetzte, wer überhaupt zur Hilfe der betroffenen Menschen durchgelassen werden sollte, hatte sich der Landwirt Markus Wipperfürth wie andere seiner Zunft schon lange ein Herz gefasst und selbst mit den Aufräumarbeiten begonnen. Wipperfürth sollte bald zu einer Schlüsselfigur werden, denn lässt sich an seiner Person ablesen, inwiefern die Gefahr der Instrumentalisierung weniger von den „Querdenkern“ in den wenigen Wochen nach dem Vorfall ausging. Selbst heute kommen noch widerliche Machenschaften ans Licht, die überhaupt kein gutes Licht auf die verantwortlichen Stellen wirft. Da waren die verhassten „Querdenker“ noch das allerkleinste Übel in dieser langen Liste von Skandalen, die sich im Nachgang über das Ahrtal bis in die Regierungsetagen ergoss.
Während man ihn im Netz als Helden abfeierte, war der Landwirt den Behörden schon früh ein Dorn im Auge. Scheinbar aus einem ganz simplen Grund: weil er zuerst vor Ort war und eigenmächtig Hand anlegte. Und die Aufmerksamkeit durch seine Videodokumentation auf Facebook, die er ganz schlicht mit seiner Handykamera festhielt, auf sich ziehen konnte. Schon früh blies ihm ein harter Gegenwind ins Gesicht, sich zu erdreisten, selbstlos und unmittelbar ins Katastrophengebiet zu ziehen und umgehend tätig zu werden, ohne auf ein Okay von höherer Stelle zu warten. Und das auch noch zu veröffentlichen. Die Videos lesen sich in der Nachbetrachtung tatsächlich wie aus einer Parallelwelt heraus nach außen getragen, und das Konfliktpotenzial, sich gar mit der Polizei als Bremsklötze für die Aufbauarbeiten anlegen zu müssen, entfaltete sich darin wie ein Zeugnis der Schande für offizielle Stellen. Und das war nur ein grober Umriss zu den unmittelbaren Scherereien in den Wochen nach dem 14. Juli.
Handfest sind nur die Skandale
Ein noch dickerer Hund waren die anschließenden Eklats, die bald an die Oberfläche gelangen sollten. Zuerst war da die unrühmliche Rolle des lokalen Landrats. Die Vogelstrauß-Taktik eines Vorstehenden, dem eigentlich die Aufgabe der nahen Koordination eines Rettungs- und Aufräumeinsatzes zukam, ließ im Grunde schon erahnen, wie viel Potenzial eines handfesten Skandals in der ganzen Sache steckte.
Es brauchte auch erst einen Untersuchungsausschuss, um zu erfahren, dass selbst die rheinland-pfälzische Ministerin Anne Spiegel nicht wirklich Feuer und Flamme für ihre Bürger war, die in Not geraten waren. Die Sorge um ihren kranken Ehemann soll gar nicht das Thema sein und ist auch voll nachvollziehbar, aber ist ihre Position sicher nicht dazu geeignet, die Work-Life-Balance in einer Notsituation dieser Tragweite vorzuschieben. Ihre unsägliche Pressekonferenz, in der sie öffentlich in Tränen erstickten Worten um Entschuldigung bat, war dazu eine Farce sondergleichen und einer Ministerin unwürdig. Bevor Sie sich beschweren ob der Schärfe in der Kritik – hilft Gendern für die Freigabe?
Doch da ging noch was in diesem Skandal-Reigen. Auch beim Innenminister Roger Lewentz schien das Bedürfnis nach Rückzug mehr zu gewichten als unprätentiöse Hilfe auf den Weg zu bringen. Auch er stolperte letztlich darüber, mehr gewusst zu haben als er vorgab. Auch er musste seinen Hut nehmen. So hatten wir schon drei Verantwortliche, die sich ihrer immensen Verantwortung versuchten zu entziehen und lassen nur den Schluss zu, dass Anpacker-Mentalität für sie keine Tugend ist. Und ab diesem Punkt ließ sich festhalten, dass sie Handfestes nur in den Skandalen fabrizieren können. Ein tatkräftiges Krisenmanagement war bis dahin nicht zu erkennen.
Als wäre es nicht genug der Schändlichkeiten gewesen, sorgte auch noch kurzzeitig der Eklat über die ehemalige RTL-Reporterin Susanna Ohlen für Furore. Und auch bei Malu Dreyer stellt man sich entsetzt die Frage, ob sie denn überhaupt eigenverantwortlich dazu fähig ist, Mitgefühl zu zeigen. Oder ob man das eigene Gefühlskorsett lieber an Ghostwriter abgibt.
Gute und böse Hilfe
Derweilen war man als Beobachter schwer über die Selbstorganisation der freiwilligen Helfereinheiten beeindruckt, die dank Wipperfürth und Co. Hilfe aus ganz Deutschland mobilisierte. Die Unterkünfte organisierten, Schutt wegräumten, Lebensmittel und Güter verteilten, und, und, und. Es war, wie schon 2003, eine dezentral und unpolitisch koordinierte Welle der Selbstlosigkeit, die ein Gefühl der Ergriffenheit und Hoffnung erzeugen konnte. Gewissheiten stärkte. Es gibt da draußen noch Menschen mit dem Herz am rechten Fleck und die da sind, wenn man sie dringend braucht.
Aber auch die Gewissheit, dass sich Ungebührliches, Entsetzliches zeitgleich durchsetzte und gar dazu führte, dass zeitweise gar nichts passierte. In dieser Reihe der schändlichen Skandale rund um die Ahrtal-Flut ist die jüngste Enthüllung zwar nur konsequent, aber auch ein neuer Quantensprung an Abscheulichkeiten. Und wieder wurde Wipperfürth zur Schlüssel- und schließlich auch Symbolfigur für Stichworte wie politische Instrumentalisierung, fragwürdige Ausschreibungsprozedere und ein zweifelhaftes Gebaren in Regierungskreisen.
Als ihm die „Querdenken“-Bewegung Hilfsgelder anbot, lehnte der Landwirt ab. Ich denke, es war schwierig, zu entscheiden, wie man mit einer medial vergifteten Gruppierung umgehen soll, wenn die Not mit jedem Cent hätte gelindert werden können. Malu Dreyer hingegen hatte wohl weniger ein Problem mit einer politisierten Gruppierung und vergab – entweder naiverweise oder kalkuliert – einen Auftrag zur organisierten und offiziellen Hilfe an eine Frankfurter Eventmanagerin. Zuvor jedoch wurde das Netz rund um Wipperfürth und andere Helfende offenbar durch eine Schmierenkampagne ihnen gegenüber geflutet. War es Zufall, dass Wipperfürth und Co. zuerst auffällig zeitnah schlechtgeredet und diffamiert wurden und danach Gelder an eben jene Missy Motown sowie eine im Hintergrund strippenziehende Frau aus Bayern genehmigt wurden? Heute liest es sich, als hätten Malu Dreyer und die Landesregierung ein seltsames Verständnis von Hilfsbereitschaft. Wenn Hilfen erst die Mühlen der Bürokratie durchschreiten müssen und jeder eigene, inoffizielle Antrieb, eine helfende Hand zu sein, als „nicht erwünscht“ oder gar „böse“ klassifiziert wird.
Linker Hass
Die Hasskampagne gegen die Selbstlosen lässt nur den Schluss zu, wie ein Playbook linken Aktivismus´ mit unlauteren Mitteln Dinge an sich ziehen will. Welche Rolle führende Politiker und Politikerinnen darin spielen, lässt sich lediglich durch Kontobewegungen und Beobachtungen erahnen. Wie anders ist es zu erklären, dass etwa vermeintlichen „Querdenkern“ Hilfsangebote verboten und gar Helfern, die sich unabhängig von jedweder politischen Selbstzurechnung eigenmächtig aktiv geworden sind, eine rechtsextreme Gesinnung angedichtet werden?
Und wie schon zu Corona wurde ein „Faktencheck“ zwischengeschaltet, der als Filter zwischen den Attributen „gut“ und „böse“ fungierte. Mit Wahrheit hatte dies rein gar nichts zu tun, sondern lediglich mit einer perfiden Strategie der Machterlangung, indem man eine gesamte, funktionierende und unabhängige Organisation, mit den Ellenbogen und unlautersten Mitteln verdrängen will. „Gut“, „böse“, „rechts“ oder „Querdenker“ sind dabei in ihrem Gehalt beinahe schon zu vernachlässigen, würde es nicht konkret Teil einer Rufschädigungkampagne sein und gerade in der Hochzeit der Pandemiesituation ein bequemer Etikettenschwindel, mit dem man der Konkurrenz mit einer Blutgrätsche aus dem Spiel foulen kann.
Ob die dubiose, vorbestrafte Strippenzieherin aus Bayern und auch Missy Motown selbst in ihrer auffälligen Haarpracht dem linken Lager zuzuordnen ist, soll in diesem Zusammenhang weniger das Thema sein. Jedoch ist die Verwendung der Rechts-Keule sowie die Anwendung jeden Mittels, unliebige Menschen zu Rechten zu stempeln, ein deutliches Zeichen einer bedenklichen Entwicklung – weil sie gar noch üblich geworden ist.
Rufgeschädigte Helden
Vor dem Hintergrund einer Naturkatastrophe werden das massive, politische Versagen, die Anlässe und Methoden der Instrumentalisierung allzu deutlich. Und das nicht oder nur sehr abgeschwächt vorangetrieben durch „Rechte“ oder „Querdenker“, sondern nun mal deutungsgeführt von dem linken Spektrum zuzuschreibenden Akteuren, deren einzige, gehandelte Errungenschaft war, sich Gelder zu sichern, Personen zu positionieren und offenbar keinerlei messbare Hilfe für die Betroffenen vor Ort zu mobilisieren.
Inwiefern diese Methoden den Ahrtal-Bewohnern Hilfe garantierte und wie viel tatsächlich bei ihnen ankam, lässt sich den Berichten zufolge gar nicht beziffern – im Gegenzug erreichten uns hauptsächlich die einzig ungefilterten Infos über den Stand der Dinge durch die Linse von Wipperfürths Handy. Was letztlich kein Verwaltungsmonster sein musste, das auch noch wenig Belastbares zustande brachte, sondern dort anpackte, wo es nötig wurde. So steht nicht den Bewohnern nach der Flut das Wasser bis zum Hals, sondern jenen, die sich auf offiziellen Ebenen Gelder abgriffen und rein gar nichts Verwertbares für die Menschen im Ahrtal getan haben außer in weiterer Konsequenz den Ruf anderer zum eigenen Vorteil vernichten zu wollen.
Die gute Absicht der „Helfer-Stab gGmbH“ soll dabei nicht in Abrede stehen, allerdings versteht sich Motowns Hilfsorganisation lediglich als Vermittlungsportal zum Netzwerken. Also als nichts, was im Dreck wühlen würde oder sich dem Anblick von angeschwemmten Leichen unter den Massen von Schutt ausgesetzt hätte. Auch ihre Rolle als gutmütige Vermittlerin bleibt ungeklärt und fragwürdig, da auch sie unter den Schließungen von Gastrobetrieben zu leiden hatte – da kam die Finanzspritze im Helferkostüm wohl gerade recht. Bei all dem Eifer, Hilfe in ein monetäres Regierungskorsett zu zwängen und alle wegzubeißen, die ungefragt tätig wurden, bleibt in diesem Trauerspiel nur eines hängen: die wahren Helden sind die, dessen Ruf man - gedeckelt von Staatsgeldern - versuchte zu beschädigen.
Der Planet möge sich bitte zurückhalten
Abschließend kann man nur entsetzt feststellen, dass Verantwortliche in Sachen Krisenmanagement – auch in diesem Einzelereignis – in den letzten Jahren nur noch durch Scheitern, Planlosigkeit und Symbolismus in Erscheinung treten. Als Bürger hofft man schon unweigerlich darauf, dass uns ja keine Katastrophe mehr heimsuchen möge. Nicht, weil die Angst vor dem eigentlichen Ereignis so groß wäre, sondern weil man ja nicht unter die Fittiche derer gelangen will, die diese Krise dann bewältigen muss. Man bettelt den Planeten regelrecht an, die Menschen vor Naturereignissen zu bewahren, bevor es Politik, Medien und dubiose Helfende völlig versauen.
Wenn nämlich der Fokus eher darauf liegt, im Schrecken des Moments, wie im Ahrtal geschehen, eher Impfstoffe loswerden zu wollen als Leichen unter Trümmern, sich nur als Helfende zu inszenieren, um dann Kapital daraus zu schlagen und letztlich noch selbstlose Menschen verächtlich zu machen, was dann auch noch durch offizielle Hilfsgelder gepolstert wird, sollte man sich allmählich Gedanken darüber machen, wem wir da denn unterstellt sind.
Das sind lange keine Helmut Schmidts mehr, die das Heft in die Hand nahmen und alles Hilfreiche mobilisieren, um Betroffenen schnellstmöglich eine Linderung in der Not zu verschaffen. Selbst ein Gerhard Schröder sorgte 2003 für umgehende Hilfen, die auch ankamen. Doch unter einer Malu Dreyer geschweige denn Angela Merkel, die eher untätig Symbolpolitik betrieben und sich lieber darum kümmerten, die Worte ihrer offiziellen Statements zu sortieren, möge bitte keine Katastrophe über uns hereinbrechen.
Denn ist zu dem langwierigen Schrecken ein neuer Verdruss bei den Betroffenen im Ahrtal hinzu gekommen. All die Versprechungen von unbürokratischer Hilfe kam teils bis heute nicht bei ihnen an. Stattdessen feiert man sich selbst und lässt die Betroffenen links liegen, geschützt von bürokratischen Hürden und einer ideologischen Reinwaschung, die völlig am Kern und der Notwendigkeit der Sache vorbei geht.
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