Woher kommt das Wort „Presse“?
Natürlich meine ich nicht etwa das Ding, das Autos in handliche Würfel verwandelt. Natürlich meine ich die Drucktechnik, die Papier in handliche Würfel verwandelt. Und die früh am Morgen, wenn die Welt noch schläft, schwarmartig ausbüchst, die Kioske zu besetzen. Vielleicht haben heutige Bedienstete, die sich mit ihr und durch sie ihre Brötchen verdienen, da zu viel in die schlichten Worte hineininterpretiert und die Doppeldeutigkeit außer Acht gelassen. „Presse“ oder „Druck“ - wenn man fast zu blöd zum Scheißen ist, kann es schon mal passieren, dass man die Wortbedeutungen schon mal durcheinanderbringt. Und den hydraulischen Akt mit dem, was mit Geschreibsel und dem Stapeln von Papier zu tun hat, verwechselt. Kann schon mal passieren – in Zeiten, in denen Papier einen Endkampf gegen Touchscreens ausfechten muss.
Es ist mal wieder Buzzword-Time, was mir ein Vögelchen auf der Terrasse zugezwitschert hat. Irgendwann die Woche lag mir das Wort auf der Hirnrinde – Presse hier und Presse da, Autowürfel und Papierwürfel. Beides verbunden mit derselben mechanischen Dynamik, während es tiefersinnig schon wieder zweifelhaften Charakter bekommt. Metamäßig sind Druck und Presse natürlich auf ihre eigene Art eine eigene Gewalt (noch so ein martialisches Wort) mit dem Anspruch als Korrektiv, die Demokratie zu stärken. Nur weißt du dadurch schon zwangsläufig, wenn die gewichtigsten Presseorgane ihrer Filterfunktion gegenüber der Macht und Mächtigen nicht mehr nachkommen, der Druck nicht mehr dorthin geht, wie es mal angedacht war.
Uns kritischen Geistern kommt das selbstredend nicht neu vor. Ich habe das letztens mal etwas abstrakter gedacht und komme immer nur zu dem Ergebnis, dass ich mich ständig von der Presse unter Druck gesetzt fühle. Ich soll ständig dies tun und so denken, meine Ansichten überdenken und ja nicht in Versuchung geraten, auch nur annähernd Positionen zu vertreten, die nach ihren Vorstellungen von Demokratie und Freiheit eine Gefahr für diese Prinzipien darstellen würden. Ganz so, als wäre ich schlicht zu blöd zu wissen, wann konkret die Trennlinien zu unseren dunklen Zeiten überschritten werden würde.
Das Irre an diesen an sich hehren Anliegen ist, dass man schleichend mit diesem Aktivismus die Schnittmengen mit den dunklen Zeiten auch noch vergrößert. So wird ein Minderheitenanliegen zum Bumerang, weil man viel zu schnell mit den Grenzbegriffen hantiert, die Mehrheit zu Nazis macht. Und in dem Kräfteverhältnis in der Politik, wo es heutzutage sowieso keine parteipolitischen Abgrenzungen mehr zu geben scheint, die große Mehrheit der parteiübergreifenden Distanzierungsparolen gegen eine große Mehrheit der Bevölkerung warnt, Dinge nicht mehr ansprechen zu dürfen. Die wollen das aber, weil auch sie noch ein wenig Restverstand übrig haben, demokratisch legitim Kritik zu üben und wollen das natürlich auch in einer Wählerstimme oder eben der „vierten Gewalt“ abgebildet sehen. Doch jetzt müssen wir selbst diese Aufgabe übernehmen, weil man unsere Anliegen nicht nur nicht ernst nimmt, sondern uns auch noch um die Ohren schlägt.
Wenn einem diese Möglichkeiten immer mehr genommen werden, driftet man also – künstlich herbeigeführt – in die verruchten Ecken ab, weil das aufgebaute Narrativ gnadenlos ist. Und wir sehen nun Parteien und affine Medien immer mehr als Feind an, weil sie uns als Feind betrachten. Hier wird sogar derselbe Fehler zwei mal begangen (2015 und heute), und immer noch sollen wir nicht über vielschichtige, überlagernde Probleme sprechen dürfen, die etwa mit Flüchtlingsströmen einhergehen. Oder inwiefern Klimahysterie überhaupt gerechtfertigt ist. Oder inwiefern jeder grüne Aktionsplan unsere innere Sicherheit gefährdet und das nicht nur reine Panikmache ist, sondern auch eine konkrete Gefahr für die eigene Wohlfühlzone. Wenn ich es mir recht überlege, machen sie denselben Fehler sogar immer und immer wieder, bis jetzt zumindest.
Wäre dieses Land noch alt-normal geblieben und hätte es sich nicht von den Statuten aus den USA hätten überrumpeln lassen, würden wir nicht beständig von der vierten Gewalt penetriert und provoziert werden. Das geht jetzt schon seit Jahren so, und niemand kann behaupten, dass das keinen Einfluss auf die Realität hätte. Wenn zu viele persönliche Befindlichkeiten die Presse dominieren und das auch noch missbräuchlich auf die Bevölkerung einwirken will, haben wir ein gewaltiges Problem mit den maßgeblichen Schaltstellen der Macht. Wenn selbst die Gewaltenteilung und deren „Auf-Linie-Mentalität“ zentralistisch verengt wird, wirkt es immer mehr repressiv auf die machtlosen Bürger ein und wird so – unabhängig von Moral, Inhalten und Legitimität – in Grundzügen zu einem Schreckensregime.
Nun passiert allerdings auch etwas, das man sich erstens erwünscht und in dieser Demokratie eine zwangsläufige Entwicklung darstellt. Nachdem man gnadenlos aussortierte, wer in der Presse wohin Druck ausüben soll, sprießen auffällig viele Formate aus dem Boden, die diese Lücke wieder auffüllen. Natürlich im Internet - also dort, wo man als linksaktivistischer Gralshüter der Moral schon derart gewütet hat, dass nur noch einen Schweizer Käse des Sagbaren übrig gelassen wurde. Die Löcher im Presseerzeugnis sind derweilen derart groß geworden, dass ich quasi nur noch per Zufall ein Stück Käse beim Reinbeißen erwische.
Letztens habe ich mir ein Interview von Ralf Schuler mit dem Kolumnisten Harald Martenstein angeschaut. Martenstein war bekanntlich auch Opfer des Ausmistens im Pressebetrieb, und das passierte nur, weil er sich erdreistete, eine grob anklagende Etikettierung wie „Antisemitismus“ in seiner gewohnt feingeistigen Art zu sezieren. Und somit selbst Opfer wurde. Es ist nicht nur seine beruhigende Art zu sprechen, die mich da abholte – auch in seiner Wortwahl empfinde ich ihn überhaupt nicht gleichzusetzen mit solchen Stammtischblökern, auch wenn das unweigerlich bei den linken Gralshütern stammtischblökisch so behauptet wurde. Martenstein empfinde ich sogar als einen lieben Onkel, mit dem ich mich als Kind auf eine Steintreppe gesetzt hätte und mir begierig seine Lebensweisheiten anhören würde.
Leider verkümmert diese Gepflogenheit immer mehr, weil wir auch immer mehr vereinzeln, selbst bis in die Familie hinein. Und immer weniger von diesen lieben Onkeln haben, die erstens die Zeit für solche Erzählungen haben und zweitens auch nicht mehr die Lebenserfahrungen wie auch die empathischen Fähigkeiten mitbringen, es Kindern auf diese Weise mitzugeben. Dabei wäre es ein wichtiges Gegengewicht zu diesem Zeitalter der Massenhysterie und des Drucks, mit der Brechstange Überzeugungen auf uns eindreschen zu wollen. Und bemerke, wie unruhig ich selbst innerlich geworden bin, was eine Kaskade der Adaption des allgemeinen Stimmungsbildes ausgelöst hat und mein Bedürfnis nach Ruhe und innerlicher Ausgeglichenheit immer weiter konterkariert. Wenn ich nicht bald effektiv etwas dagegen unternehme, werde ich in dieser Lautstärke und den permanenten Einschlägen auf mein Denken und Leben bald selbst in mich zusammenbrechen. Dabei blieb mir besonders (sinngemäß) Martensteins folgende Aussage im Hirn haften: „Man muss das Recht haben, „nein“ sagen zu dürfen. Und die anderen sollten dies ertragen können.“
Bisher dachte ich, dass ich das noch irgendwie schaukeln kann, indem ich als Gegenmaßnahme mein Umfeld anpasse. Alles ausmiste, was schlecht für mich ist. Und dann merke ich plötzlich, dass ich das ähnlich handhabe wie das, was ich – siehe oben – so anprangere. Vielleicht ist das Ziel das richtige für mich, aber der Weg dahin der falsche. Gerade die letzten drei Jahre führten dazu, dass ich diesen Kampf gegen das Narrativ unbemerkt zu einer meiner Lebensaufgaben aufgebläht habe und sich alles, was Ablenkung und das Leben selbst ausfüllend für mich wäre, in den Hintergrund gerückt hat und nur noch grob identitätsstiftend als Post-It auf meiner Stirn klebt. Und das nur durch wirkliches Tun angehe, wenn etwa ein Urlaub in trockenen Tüchern ist, um die nächste Flucht physisch anzutreten. In Gedanken gelingt mir das nur noch, wenn der Druck derart auf mir lastet, bis der Nervenzusammenbruch droht und man nur noch die Möglichkeit hat, sich gewaltsam frei zu schlagen.
Ein Punkt, der mir die ganze Zeit auf die Füße fällt, ist meine Annahme, ich würde, indem ich mich in die unbequemen Situationen stürze, daran wachsen. Die ungeschönte Wahrheit ist: Nein, es funktioniert wohl nicht mehr. Vielleicht liegt es am Alter, vielleicht auch an der geistigen Inflexibilität, die sich mittlerweile einschleicht. Aber vielleicht habe ich nun auch eine Ahnung davon, dass ich vielleicht doch in die bequeme Spur zurückfinde und mich Druck und Konflikte nicht mehr aussetzen sollte. Das hätte ich vor 20 Jahren noch tun können, aber in diesen Jahren habe ich zu viele Enttäuschungen erfahren und bin so oft daran gescheitert, dass vielleicht jetzt der Moment gekommen ist, davon endgültig Abstand zu nehmen und einen Weg zu wählen, der endlich der richtige für diese Attribute ist, die ich mir so herbeisehne. Ruhe, Zufriedenheit, Glück. Vielleicht.
Im Umgang mit der Presse ergeht es mir ähnlich. Und nicht nur der Presse als Papierdruckerzeugnis, sondern auch im Sinne von psychischem Druck, der mit Gewalt auf mich einwirken darf oder soll, weil ich in der Fehlannahme gefangen bin, es würde mir gar guttun. Nein. Tut es nicht. Es macht mich nur noch mehr fertig. Immer und immer wieder.
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