Wenn Luisa Neubauer die geballte Faust nach oben reckt, wirkt es im Bewusstsein der gezeigten Geste etwas satirisch. Die Nachfahrin des geldschweren Reemtsma-Clans ruft zum Klassenkampf auf – und das nicht ihr standesgemäß für Wirtschaftsliberalismus oder pro Kapitalismus, sondern dagegen. Sie als deutsche Greta Thunberg aus reichem Hause ist bei allen Klimafragen seit der legendären Bundespressekonferenz 2019 zur leitenden Stimme einer Klimabewegung geworden, die zur Sachfrage allerhand zu sagen hat und dabei noch von der Wissenschaft mitgetragen wird. Doch schwingt immer der Vorwurf mit, dass ihre Aktivitäten und ihr Reiseverhalten dem zuwider läuft. Die junge Frau ist also nicht nur Ikone der deutschen Weltverbesserer:innen geworden, sondern auch Symbolfigur für die Diskrepanz zweier Systeme, die sich gegenseitig das Wasser abgraben.
Dass Reichtum und Klimaaktivismus sich nicht mehr ausschließen, ist kein Geheimnis mehr. Man nehme nur die Bill & Melinda Gates-Stiftung, die sehr viel Geld in ihre Appelle zu Nachhaltigkeit und globaler Gerechtigkeit steckt. Ferner wird die „Letzte Generation“ mit Förderung von Ölmilliardärin Aileen Getty zum Fulltime-Job, und auch andere, gewichtige Figuren wie George Soros sind in der selektiven Finanzierung einer solchen Klientel nicht geizig geblieben. Und eben Luisa Neubauer, die ihren Aktivismus finanziell wohlgebettet ausleben kann.
Ergo: Das Klima zu retten und die Gesellschaft zu verbessern kostet Geld. Viel Geld. Dass nun ausgerechnet Nachfahren von Ölmagnaten oder Suchtmittelherstellern Weltuntergangsfantasien entwickelt haben, die ihren Vorfahren geschuldet sein könnten, hat schon etwas Ironisches. Auch dass pauschal keine arme „Sau“, sondern mehrheitlich wohlstandsbehütete Einfamilienhausbesitzer mit mindestens drei Autos in der Garage und deren Affinität, die Welt berufsbedingt sowie aus Lust und Laune zu bereisen, das Klima retten will und gleichzeitig ihrem eigenen Reichtum die Eigenrelevanz entzieht, ist schon eine Leistung. Natürlich ist es gern gesehen, wenn Ölmilliarden dem Planeten zur Abwechslung dienlich sein wollen und Tabakkohle direkt oder indirekt der Gesundheitsförderung zur Verfügung gestellt wird.
Aber einen Systemsturz herbeizuführen – ist das noch zielführend?
Oft liest man Namen wie Gates, Soros oder Getty mit dem Etikett der Philanthropie. Menschenfreundlich nennen sie sich. Das erscheint wie ein schlechter Witz, kennt man die Methoden, mit denen Gates und Co. ihren Reichtum überhaupt erarbeiteten. Man wird sicherlich kein Milliardär, wenn man lieb und nett ist. Übergeordnet scheint es in der New Economy neuer Chic zu sein, sich nicht so hartherzig aufzustellen wie die Vorfahren. Nur spricht aus diesen milchgesichtigen Technologiemogulen und Berufsphilanthropen eben das Geld, das ihnen letztlich doch wieder ein hohes Maß an Arroganz mitgibt. Sie können sich gerne so aufführen, aber Wasser predigen und Wein trinken ist in dem Zusammenhang der Gipfel der Scharlatanerie.
Dazu gesellt sich der Bedarf, die alten Strukturen aufzulösen, die „grauen Männer“ im Dreireiher ihrer Machtposition zu entledigen. Die werden von eben solchen philanthropisch gelabelten Technokraten ersetzt; man setzt jetzt auf kalte, binäre Digitalisierung, die dazu noch vermenschlicht wird. Auch so ein Widerspruch, der nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass uns heute nur andere Könige beherrschen. Und heute nicht mehr im nationalen Maßstab denken, sondern gleich global. Und tragen dabei keine Dreireiher mehr, sondern aufgeknöpftes Hemd und Pulli drüber oder nur eines davon, Sneakers und Jeans dazu. Die New Economy gibt sich heute nerdig, nahbar im Banalo-Look, ist jedoch unter der Kumpel-Schale mindestens so kühl berechnend wie einstige Mogule.
Auch die Anarcho-Fassade im Klimaaktivismus wirkt zuweilen sehr künstlich. Natürlich hat man Vorbilder, das Guerilla-Image von einst zu übernehmen, ist allerdings nur ein Abziehbild der Lebensrealitäten eines Che Guevara oder der RAF. Für echten Staats- und Systemterrorismus sind sie letztlich doch zu staatsgläubig geblieben – vielleicht auch, weil sie der Staat und das große Narrativ dabei nach Kräften unterstützen. Ein solcher Klimaaktivismus bedeutet nur alter Wein in neuen Schläuchen und ist sicherlich kein grundsätzliches Auflehnen, etwa gegen die germanische Spießigkeit der 60er Jahre. Es ist keine Revolution, es ist ein Flickenteppich altbekannter Aktivismusthemen, lediglich noch garniert mit neoliberaler Chuzpe sowie überbordender Seriendramatik.
Ich muss zugeben, dass mich Luisa Neubauers Auftritt auf der Bundespressekonferenz 2019 neben Volker Quaschning, Eckart von Hirschhausen und Maja Göpel durchaus beeindruckt hatte. Die Wirkung, die die BPK dadurch erzielte, tat ihr Übriges, mal einen Gedanken an Lebensstil und Verschwendungssucht zu investieren. Doch kratzte man zu dieser Zeit noch angestrengt an der Oberfläche eines Themenkomplexes, der einer ordentlichen Evaluierung bedurfte. Die Komplexität, etwa in der Darstellung astronomisch bedingter Witterungsänderungen (Stichwort Eiszeit) oder einer lückenlosen Aufklärung des Schadenpotenzials des CO2-Aufkommens, würde in der Fülle von Forschungsprojekten durchaus Sinn machen. Doch seit drei Jahren weiß man, wie schnell Alarmismus mit Halbwahrheiten zusammenlaufen kann und so ältere Erkenntnisse völlig ignoriert.
Das ist mit ein Grund, warum ich die Klimafrage nicht unhinterfragt schlucken will. Zu viel Moral steckt in dem Thema, und die heutige, sture Moral läuft zu häufig den Realitäten zuwider. Zu viele Widersprüche tun sich in den Lösungsansätzen auf, etwa im Ausbau erneuerbarer Energien. Die bräuchte viele Flächen, die in Deutschland jetzt schon Mangelware sind, will man etwa den Landschaftsbau noch weiter einschränken. Dazu die ineffektive und witterungsabhängige Technik. Es müsste schon ein hoher Verarbeitungsgrad der Solarzellen bei Sonneneinstrahlung verfügbar sein, um solche Parks zu rechtfertigen. Mehr heißt hier vielleicht auch mehr, kostet aber nur Fläche und sieht dazu nicht schön aus. So wird schnell augenfällig, wie sich gerade im ländlichen Raum Proteste gegen Windkraftanlagen formieren, und die initiieren nicht die Christsozialen oder Liberalen, sondern naturaffine „Biodeutsche“, die sich ihrer Umgebung verbunden fühlen.
Nun ist Frau Neubauer schon ein paar älter geworden und ist derweilen nicht immer moral-rein in Erscheinung getreten. Da darf also eine junge Frau im TV auftreten und wird so zur Galionsfigur hochstilisiert wie die „heilige“ Greta Thunberg, wirkt aber auf mich wenig sachbezogen und dazu schwer arrogant. Auch das gründet sich auf den Erfahrungen mit der Pandemie, abschätzigen Blicken in Talkshows á la Melanie Brinkmann oder Alena Buyx grundsätzlich skeptisch gegenüber zu stehen. Auch bei Frau Neubauer hat sich eine augenscheinliche Arroganz ausgebildet, die mich eher dazu ermutigt, ihre Thesen auf den Prüfstand zu stellen. Selbstverständlich schmückt sie ihre Aussagen mit „der“ Wissenschaft und meint, damit jede Gegenrede im Keim ersticken zu können – was entsprechende Akteure und Kollaborateure wie Quaschning auf den Plan bringt. Doch auch in seinen Statements steckt zu viel Aktivismus, der einen Realitätscheck durchlaufen müsste.
Also sind wir wieder in ideologischen Gefilden angelangt, die die FFF-Führungsfigur mit unüberlegten Posts untermauert. „How to blow up a pipeline“ des schwedischen (!) Umweltaktivisten Andreas Malm hielt sie unlängst als Lektüre hoch und kicherte dabei vielsagend. Mit solchen Provokationen untergräbt man selbst die eigene Glaubwürdigkeit, egal ob als Scherz gedacht oder eben nicht. Allzu oft geraten solche Scherze in den falschen Hals, und dann ist es nicht mehr weit bis zur Undebatte um „Hass und Hetze“ in bester Doppelmoral. Wer die Thematik ernst nimmt, unterlässt es einfach, solche Bücher zu bewerben – vor allem, wenn gerade die „Letzte Generation“ droht, Pipelines abzuschalten.
Sie hat sich also die eigene Reinheit versaut, mit der sie für ein Thema eintritt, und jede Überheblichkeit oder Provokation schneidet die Welle der Unterstützung scheibchenweise ab. Allem voran schlägt der Aktivismus mit der Werbung zu Anleitungen für terroristische Akte die Seriosität aus dem Fokus und wandelt sich in eine ideologische Scheindebatte um Rechthaberei und Platzhirschmentalität. Bisher konnte Frau Neubauer in ihrer Dauerpräsenz ungehindert schalten und walten, doch hat sich schnell meine Begeisterung für ihren damaligen Eindruck, den sie 2019 hinterließ, verfinstert.
Ein Thema steht und fällt auch mit seinen prominenten Verkündenden, und wenn die eine Verhaltensänderung zu ihren Ungunsten durchmachen, wird auch das Thema in seiner Relevanz schnell versinken. Man ist eher gewillt, die Schwachstellen eines Anlasses zu suchen und wird auch bei der Klimadebatte fündig. Vielleicht sind es natürliche, ungeschriebene Gesetze, die dies bedingen, aber egal, welche höhere Macht für die Entwicklungen verantwortlich ist – der Heiligenstatus der Neubauer-Statue stürzt gerade in sich zusammen. Auch wenn sich der mediale Komplex gerade wieder alle Mühe gibt, dies zu stützen und mit affinen Themen zu unterfüttern.
Scheinbar lamentieren wir wieder auf Ebenen, die Deutschland einen Sonderstatus einbringt, um uns zu etwas zu bewegen, das im globalen Ausmaß kaum Auswirkungen haben wird. Nun gäbe es tatsächlich Aspekte, die man ansprechen müsste – aber hört man von Fridays For Future denn den Flächenraub durch mehr Windräder und Solarparks? Nein, eben nicht. Werden Flächen denn großflächig renaturiert, was natürlich bei mehr Windkraft nicht möglich ist? Nein. Wird erwähnt, dass mehr CO2 auch die Bäume anregt, den Stoff zu binden und in Sauerstoff zu verwandeln? Und dass eine Abholzung der größere Faktor bedeutet, der Luftqualität zu schaden? Nein. Das wird jedoch wohl kaum Umweltsäue wie China beeindrucken, es uns gleichzutun.
Ich rede nur von Stichpunkten, die der Debatte hinzugefügt werden könnten. Aber wie so häufig wird eine für sie Pro-Argumentation unipolar geführt, sei alternativlos. Und schon wieder fällt eine Themenhoheit in sich zusammen, weil sich der Aktivismus erdreistet, sich quasi mit Geld sogar Argumente und Themenkomplexe anzueignen. Unter diesen Bedingungen wird eine Revolution im Geiste gar nicht stattfinden können, etwa wenn NGOs und Lobbygruppen Themen für sich vereinnahmen und somit ein unlauteres Spiel spielen. Das ist – nennen wir es ruhig beim Namen – eine subtile Form von oligarchischer Korruption.
Und es ist ein Widerspruch für das sozialistische Herzensprojekt einer ideologischen Gruppe, die sich durch kapitalistische Mittel ihre Wunschwelt einkauft. Und sollte der Kapitalismus dadurch enden, ist es immer noch ein kapitalistisches Produkt. Also auch keines, das eine Revolution von unten bedeuten würde, denn „die da unten“ haben gar nicht mehr die Macht, die Möglichkeiten oder gar die Befugnisse, so etwas wirksam in Gang zu setzen. So bleibt es ein Spiel von Eliten für Eliten, die es Anderen unter ihren Bedingungen aufzwingen wollen. Ja - gar müssen, um im Spiel zu bleiben. Der Einsatz ist dabei denkbar hoch: es geht um die Planeten als All-In in einem perfiden Pokerspiel, das sich nur wenige erlauben können. Und das ist kein Sozialismus, dem man siegesbewusst die Faust nach oben reckt. Das ist gekaufter Individualismus zwecks Selbst- und Machterhalt.
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