November 2022 – sie bescherten wohl jedem Hersteller von Klebstoffen Rekordumsätze, kauften die Regale mit Konservenfutter leer und verhalfen der allgemeinen Kunst zu neuer Aufmerksamkeit. Man sollte ihnen dankbar sein, wie sie Altes, Traditionelles wieder ins kollektive Bewusstsein rückten, damit uns wieder gewahr wird, was wir denn so aufwändig erhalten wollen und welchen Wert das für den Erhalt unserer Menschheitskultur bedeuten mag. Ja, da sage ich „Danke!“.
Bisher hatte die Kunst für sich betrachtet den Status des Elitären inne und rangierte für die bürgerliche Popkultur unter ferner liefen. Ein Betätigungs- und Gedankenfeld für die Gleichnis- und Bildnisklientel, die sich bedeutungsschwanger in Denkerpose vor Gemälden aufbaut, auf der Lesebrille herumkaut, um intelligent zu wirken und darüber hirngespinstete, welche höhere Bedeutung zwei rote Quadrate auf grauem Hintergrund hätte. Sollte man die mit Tomatensuppe bewerfen, wäre wohl tatsächlich damit zu liebäugeln, der Kunst einen plötzlichen Mehrwert verpasst zu haben. Wahlweise wäre die Bekleisterung mit flüssigen Lebensmitteln bei Kleckerkünstlern wie Jackson Pollock vielleicht gar nicht aufgefallen.
Somit nun zur Gruppierung von #LetzteGeneration, die sich und unweigerlich der Kunst einen Aufmerksamkeitsschub verpasste. Es ähnelt mitunter einem Kunstwerk, sich derart in die mediale Öffentlichkeit zu aktivisieren. Doch ähnlich der Symbolik von zwei roten Quadraten auf grauem Hintergrund kommt man auch bei den Klimaaktivisten höchstens nur sehr schemenhaft dahinter, welche Gleichnisse für deren Aktionen denn die richtigen sein mögen, um zu verdeutlichen, warum Tomatensuppe auf Jahrhundertgemälden von Van Gogh oder Monet ein geeigneter Augenöffner sein soll. Man fragt sich, mittlerweile sogar bei den bisher affinen Klimaschützern, was die hohe Kunst zum Klimawandel denn beigetragen haben mag – Erklärungen driften zuweilen derart ins Groteske ab, bis man nur noch in der Machart der Werke einen Querverweis zu Stichworten in der Klimadebatte findet. Ich meine gelesen zu haben, dass sie sogar ein Ölgemälde mit dem Aktivismus-Slogan „Just stop oil!“ in Verbindung gebracht hatten. Mehr konnte man da gar nicht querverweisen – da stand eben nur „Öl“ als Wortverbindung im Raum.
Derartige Erklärungsversuche verlaufen immer häufiger in kognitive Sackgassen. Auch die Aktion, im Supermarkt eine ganze Tüte Lebensmittel zu kaufen, um sie in Berlin auf die Straße zu werfen und so auf die globale Hungersnot, wahlweise auf Lebensmittelverschwendung, aufmerksam machen zu wollen, entbehrt nicht einem gewissen Maß an massiver Verblödung geschweige denn zweckfremder Verschwendung samt einem hohen Rang mit Aussicht auf den Weltpokal der besten Realsatire. An Ideen scheint es den Aktivisten nicht zu fehlen, bei der Umsetzung jedoch schütteln nicht nur die Kritiker heftig ihre Köpfe. Die Bildhaftigkeit solcher Aktionen weicht leider allzu oft einem Bumerangeffekt, bei dem letztlich nur Unverständnis und Fremdscham adäquate Reaktionen sind.
„Danke“ zu sagen, fällt in solchen Fällen ziemlich schwer. Wer würde dem halb verhungerten Kind in Shithole-Afrika denn weismachen wollen, dass es nötig wäre, Lebensmittel auf den Asphalt zu werfen und sie entsprechend ungenießbar zu machen? Die würden sich in ihrem Schwächezustand wahrscheinlich nicht mal empören können, und letztlich wäre ihnen egal, ob der Salat mit Asphaltkrümeln serviert würde. Der Überlebenstrieb hätte es in den Magen hineingetrieben, stattdessen landete es in der nächsten Mülltonne, genau so, wie man die Verschwendung von Lebensmitteln in der westlichen Welt so normal findet wie Schuhe-zubinden.
Also darf man sich trotzdem bedanken, auch wenn einem dabei ein Kloß im Halse stecken bleibt. Der „außerparlamentarisch“ verlängerte Arm grünen Idealismus´ protestiert zuweilen an der Realpolitik vorbei, in der wiederum die einstige Friedenspartei einen harten Crashkurs absolviert und sich wacker zu behaupten versucht. Dass sie nun lieber Kohle scheffelt und verbrennt statt der Luft eine Verschnaufpause zu gönnen und „nur“ Brennstäbe als Abfallprodukt zu akzeptieren, geht vom ökologischen Standpunkt aus sogar den Aktivisten zu weit – irgendwie wollen die Grünen nicht mal die Asphalthocker zufriedenstellen. Bleiben nur noch die Bürohocker übrig, die lieber ihren Bürgerpflichten nachkommen und dabei brav und bequem alles abnicken, was ihr Kreuzchen auf dem Wahlzettel so verkündet - egal wie widersprüchlich es sein mag.
Wie wenig egal es anderen ist, muss man schon als Erfolg verbuchen. Selbst wenn die Glasscheiben als Schutzwall vor Tomatensuppe und Co. den vollen Wert von unsterblichen Künstlern geschützt haben mögen, weiß man plötzlich wieder um den ideellen Wert von Kunst als Zeugnisse der Menschheitsgeschichte. Weil „es die einzige Spur ist, die unser Dasein auf der Erde hinterlässt“. Leider scheinen die Aktivisten völlig aus der Spur geraten zu sein. Vielleicht mag es ihnen lästig erscheinen, wenn man eben wie erwähnt nur längere Zeit vor einem Bild steht und über die höhere Bedeutung dessen sinniert – da gibt es niemanden außer vielleicht die Audioguides, die einem das Denken abnehmen. Doch bei einer unselbstständigen Generation, die kaum noch ohne Apps oder staatlichen Arm-aus-der-Sonne-Leger auskommt, mag dieser Standard, über Dinge zu diskutieren und sie tiefer zu erfassen, mittlerweile zu anstrengend sein.
Daher empfinde ich solche Aktionen wie die mit der Tomatensuppe als einen Ausdruck von Geringschätzung gegenüber der Kunst, die sich - wenn überhaupt - lieber in banalster Popkultur verortet fühlt und sich gleichzeitig nur Zitaten und Bildnissen bedient, die die Plumpheit ihrer Ideen entlarvt. Bisher lässt sich nur begreifen, dass man mit simpelster Methodik Bilder als Bühne für ihre Forderungen aussuchte. Große Geldwerte als Anzugspunkt für eine effektive Aufmerksamkeit. Nun ist deren Aktivismus in vielerlei Hinsicht nach hinten losgegangen – sie haben den Fokus nun eher auf die Objekte bzw. Ziele ihrer Handlungen gelegt. Und da bin ich wirklich dankbar, dass man der Kunst an sich wieder etwas mehr Aufmerksamkeit schenkte, die im Laufe der Zeit seine Bedeutung verlor wie ein besonderes Sammelstück, an dem man sich satt gesehen hat und das im Regal verstaubt.
Das freut nicht nur die Klebstoffindustrie, sondern auch Museen, Autohäuser und wo sie sich selbst bald noch ankleben mögen. Dem Klima wird es genauso wenig helfen wie Menschen, die wegen der Proteste und nicht des Klimas in Lebensgefahr geraten könnten. Auch das ist eine Kunst, diesen Protest, unabhängig von den Kollateralschäden, selbst zur Kunst zu stilisieren. Ab diesem Punkt ist es nur leider nicht mehr witzig. Mit solchen Rechtfertigungen im Hinterkopf lässt sich so einiges weiter ausloten wie die Methoden eines verwöhnten, heranwachsenden Kindes, dem die Eltern viel zu viel durchgehen lassen. Wenn da nicht irgendwann ein wirkungsvolles Machtwort gesprochen wird, eskaliert es einfach so weiter, bis die Schäden irreparabel geworden sind.
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