Die Journaille hat einen Knall. Egal, wie man sich im sogenannten Haltungsjournalismus ideologisch fühlen mag – momentan scheinen die Krisenmodi dafür zu sorgen, bei denen das Hirn aus der Fassung hüpfen zu lassen. In den Redaktionsfluren scheint Feuer ausgebrochen zu sein, und alle sitzen bei verschlossenen Türen an ihrem Schreibtisch und müssen ausharren, bis die Feuerwehr den Brand löscht.
Was macht man in der Zeit eigentlich? In Ruhe dasitzen sicherlich nicht. Vielleicht versucht man sich mit dem Schreiben abzulenken, doch schreibt man sicherlich in solchen Situationen keinen anekdotischen Kauderwelsch nieder. In der bedrohlichen Situation noch die Allgemeinheit zu informieren, ist doch sehr anständig, nicht wahr? Dass bei ihnen gerade das Feuer an die Tür zu klopfen scheint, würden sie uns jedoch nie verraten. Also hauen sie in die Tasten, der Selbstablenkung willen, doch verrät der abgesegnete und veröffentlichte Text allzu häufig die Panik, die via Adrenalin in die Artikel geflossen ist. Und was uns erreicht, ist keine apathische Wiedergabe des Weltgeschehens mehr, sondern der keuchende Versuch, den auf Flucht geeichten Körper mit etwas erzwungener Rationalität herunterzufahren.
Selbstverständlich wird das der Neutralität im Beruf nicht mehr gerecht. Als Leser, Hörer und Zuschauer kennt man die Hintergründe nicht und wird nun regelmäßig mit diesem halbgaren Emotionsschund zugeschissen. Während wir Blogger uns hinter unserem Laienstatus verstecken und bei Bedarf das Subjektive in den Vordergrund stellen können, ist man als Journalist in der Regel an Statuten gebunden – und da interessiert es niemanden, ob sie selbst gerade unter Druck stehen, weil die Bude brennt. Statt dass man so ehrlich wäre, die Newsseiten mit Infotafeln zu versehen („Wir bitten um Verständnis, dass wegen eines Feuers der Regelbetrieb der Zeitung ausfallen muss.“ oder Ähnliches), schreiben sie munter weiter, als wäre nichts gewesen.
Dabei hätte ich so viel Verständnis dafür, wenn es so wäre. Doch was uns da vorgesetzt wird, spottet mittlerweile jeder Beschreibung. Und nach der langen Durststrecke brauche ich gerade mal ein paar Worte zu erwähnen, um den Zustand des Journalismus treffend zu beschreiben:
Krisenbewältigung der üblen Art. Lässt man sich teuer bezahlen, mit Angstzuschlag. Währenddessen brennt das Verlagshaus ab. Irgendwann wird der Punkt erreicht sein, bis endlich die Feuerwehr löschen und gleichzeitig die Menschen bergen kann. Doch spielen sie momentan mit dem Gedanken, vorsorglich aus dem Fenster im 12. Stock zu springen, weil man lieber nicht verbrennen will denn mit Karacho auf dem Asphalt zu landen. Keine Feuerwehr, kein Netz, kein doppelter Boden. Eine Entscheidung, die es zu treffen gilt, führt weder so noch so in die körperschonende Freiheit. Denken die Betroffenen zumindest, denn wissen sie überhaupt nicht, ob die Flammen nun gegen die Bürotür züngeln oder noch weit weg sind. Vielleicht hätten sie mal für ein Sekündchen die Bürotür öffnen sollen, um die Lage zu checken – dann hätten sie bei Bedarf auch erkannt, dass das Feuer irgendwo hinten am Ende des Ganges züngelt und noch keine unmittelbare Bedrohung darstellt. Von ihnen aus könnte man durchaus zügig dem Feuer entkommen, dort über das Treppenhaus ins Freie gelangen und hätte keinerlei Schaden davon getragen.
Stattdessen verharren sie in Schockstarre in ihren Büros und klammern sich daran, dass hoffentlich eine Hilfe leistende Stelle eintrifft. Lieber spielen sie sich als falsche Helden auf, schreiben Adrenalin-gesaftet ihren Heroismus herunter, um ja nicht zugeben zu müssen, dass man gerade indisponiert ist. Niemand soll erfahren, dass sie einerseits viel zu sensibel sind, wenn Gefahr droht, andererseits sich selbst in den Hintern treten, um endlich der Gefahr in die hässliche Fratze zu schauen. Niemand soll wissen, dass die Gefahr noch weit weg ist, sie mindestens zwei feuerfeste Türen davon trennen und schließlich der einfache Weg weg davon der nicht betroffene Gebäudeflügel wäre. Nein, sie halten sich künstlich in einer Gefahrensituation, um später den Ruhm dafür zu ernten.
Ich hoffe, ich konnte die Situation genügend beschreiben und sie dem Gefühlschaos des Journalismus entsprechend einordnen – was jedoch kein einfaches Unterfangen ist. Es dürfte niemandem entgangen sein, dass darin eine völlige Umkehr von bisherigen Prinzipien zu eben jenem Haltungsjournalismus vollzogen wurde, der die zuweilen selbstsüchtigen Befindlichkeiten in Meinungskommentaren statt des schnöden Informationsauftrages in den Vordergrund stellt. In Verbindung mit einem Selbstinszenierungsportal wie Twitter als bequeme Quellenbasis kroch eben jene Gefühlsduselei in die Berichterstattung, die man allerhöchstens noch durch Sprachregelungen scheinneutral präsentieren muss. Ansonsten ist das Profile-Building auf Twitter weitaus mehr in den Fokus gerückt. Man kennt deren Selbstbeschreibungen mittlerweile zu gut: Journalist(in), Zeitung oder Sender xy, Ressort, hier privat.
Und was sie privat vom Stapel lassen, zerstört per se schon die Glaubwürdigkeit der Profession. So, wie sie derart Enzym-verstopft sie ihre Empörungstweets in die Welt setzen und damit etliche Follower anheizen. Dann klappt es auch mit den „Ratten“-Vergleichen, ohne allzu sehr ins soziale Abseits zu geraten. Bosetti darf immer noch beim ZDF ungehindert reden geschweige denn ihren bemühten Anti-AfD-“Humor“ verbreiten, Montgomery darf sich immer noch als „Weltärztepräsident“ etikettieren, und Nils Dampz arbeitet noch beim SWR. Wir erinnern uns: Ole Skambraks nicht mehr. Und der packte keine Nagetiere zum Vergleich aus, sondern kritisierte etwas Inhaltliches ohne Entwertungsparolen und Prügelandrohungen.
Wir lernen gerade unter Schmerzen, wie die richtige ideologische Haltung alles entschuldigen kann – selbst die übelsten, rhetorischen Ausraster. Dabei ist es völlig egal, ob das Feuer weit weg ist oder eben doch bedrohlich vor der Tür lodert. In beiden Situationen handeln die Journalisten irrational bis völlig hysterisch, Opferrolle oder besagter Egoheroismus inklusive. Da muss die Frage gestattet sein, ob da nicht eine komplette Generation von Journalisten ihre Berufswahl mal überdenken sollte und den sterbenden Schwan zu spielen vielleicht doch eher auf die Theaterbühnen denn in die mediale Öffentlichkeit gehört. Da lodert weniger das Feuer des Engagements in deren Köpfen, sondern nur das Stroh des rationalen Restbestandes in der Scheune.
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