Das hatte gesessen. Wagenknecht sprach, und sie waren – wie erwartet – empört bis in die Haarspitzen. Zu geil, was darauf folgte: die „Kritik“ ging medial sehr offen in die Richtung „soll sie doch zur AfD“, was bisher öfter nur Twitter-Sprech gewesen war, aber nun macht man in den demokratisch legitimierten Etagen denselben Mist wie diese Social-Medie-Helden. Wahlweise kommt – und das ist neu – ihre realistische Einschätzung zur Wirtschaftslage hinzu, und schon wird ihr eine Abhängigkeit vom Kapitalismus zugeschoben. Das ist doch kein links mehr, raunen sie jetzt. Jetzt sei es egoistisch wie die FDP. Leute, die haben den Schuss nicht gehört.
Als in der WELT-Debatte Spahn und Hofreiter gemeinsam auf sie einprügelten, roch es schon verdammt nach Zweckehe schwarz-grün in drei Jahren. Nächster Hint dazu, dass beim CDU-Parteitag gefühlt die Hälfte des Tages übers Gendern gejammert wurde. Doch scheint Merz ganz zufrieden zu sein, wie die Grünen ihre Realpolitik da gerade voranbringen, wie ihnen die Wähler scheißegal sind und sie wie die Bluthunde auf Putin losgehen und einfach mal das tun, was die CDU bisher nicht gewagt hat zu tun. Ich flöte schon mal sarkastisch das übliche Orgellied zur Hochzeit an. Tüüüüüü-tüd-düdüüü...
Dass schwarz-grün mittlerweile sehr gut geht, wissen wir ja seit Kretschmann. Der ist jetzt nicht nur der Waschlappen der Nation, das „Maosen“ lässt er jedoch immer noch nicht, nachdem man ihm eine eingeschenkt hatte. Seine revolutionäre Erkenntnis jetzt: wenn man ins Bett geht, soll man den Thermostat an der Heizung herunter drehen. Ja, scheiß die Wand an! Gut – okay – kurz ´ne Lanze gebrochen: da scheint es tatsächlich einige zu geben, die ballern die Heizungen noch im Sommer auf, und unter 29 Grad Raumtemperatur wird nicht gelebt. Das erinnerte mich daran, als meine Eltern sich eine Eigentumswohnung kauften. Wir landeten dann in einer, die vorher von Amis bewohnt war, und da erfuhren wir von deren Heizverhalten: sie ließen die Heizung einfach ganzjährig an und rissen die Fenster auf, wenn es zu heiß wurde. Auch im Sommer. Die Kosten kümmerten sie nicht, das übernahm die Army. Ferner blätterte ihnen die Tapete von der Wand, sie reparierten es mit einem Tacker (!). Wir zogen etliche Klammern aus der Ytong-Wand.
Das nur der Vollständigkeit halber. Das ist immer der Grund, der mir im Hinterkopf haften bleibt, wenn ich mich über die Grünen auslasse, nämlich dass ihre Einsparungstipps und manche politische Entscheidung in die Richtung gehen, die ich sogar grundsätzlich begrüße. Entscheidend ist jedoch das Wie. Wir sind jetzt wirtschaftlich und zivilisatorisch in eine bestimmte Richtung gerutscht, und jeder einigermaßen rational denkende Mensch kommt darauf, dass man Veränderungen nicht mit dem Vorschlaghammer durchboxen soll. Zu aufwändig, zu teuer, teils gar nicht machbar. Jetzt wird schon an den ganzen Infrastrukturen herumgewerkelt, alles müsste sich komplett ändern, und das auch noch im Affentempo. Wer den Sprint nicht schafft, fällt unten durch. Und genau das passt mir nicht. Das ist noch arschiger als die FDP, der die Naturburschen und -burschinnen ja grundsätzlich Egoismus unterstellen. Und hier wird echte Empathie mit Hypermoral ausgestochen, und das in einem Maße, wie man es sich vorher nie vorgestellt hätte.
Und doch wird wie die wilde Hilde reformiert und Pläne geschmiedet, die Habeck, Baerbock und Co. so „sympathisch und zielstrebig“ machen. Klar – mit dem Kopf durch die Wand, da kann man schon mal Applaus spenden für so viel Chuzpe. „Außer Spesen nichts gewesen“ würde allerdings in der aktuellen Lage besser passen. Der Applaus der Kleinbetriebe ist keiner der Begeisterung mehr, sondern rein ironisch gemeint. Habeck versucht sich ganz sympathisch in Zielstrebigkeit und versetzt die Kleinbetriebe lieber in Winterschlaf á la Eisdiele statt in die Insolvenzverschleppung. Auch hier wieder, etwas Teilverständnis, denn: rein juristisch betrachtet ist man noch nicht völlig im Eimer, aber vielleicht ist das die offenkundigste Lebenserfahrung von grünen Dauerstudis, am unteren Limit zu leben und sich durch die drohende Privatinsolvenz hindurch zu mogeln. Wäre doch auch was für die Betriebe, sich ein Nebenstandbein als Überlebenskünstler aufzubauen. Man kann ja in den Medien eine neue, geile Kenngröße verkünden: Insolvenz statt Inzidenz – wo wir wieder bei Corona wären.
Ja, ich weiß, niemand will´s mehr hören. Aber zusätzlich zu den realwirtschaftlichen Problemen will das Karlchen jetzt auch noch seinen selbst kreierten Überstatus zumindest teilweise aufrecht erhalten. Doch grinste ich letztens doch sehr dreckig, als er nach Israel reiste, begleitet von WELT-Redakteurin Kaja Klapsa. Ihr Artikel scheint das zu bestätigen, was ich vermutete. Lauterbach reist also ins „Labor der Welt“ und hat schlicht keine Ahnung, wie die dort damit mittlerweile umgehen. So brüstet er sich noch naiv damit, dass Deutschland für den Herbst die strengsten Maßnahmen in Europa beschlossen hat – ja, da gab er es sogar offen zu, zuhause würde dann angepisst auf andere europäische Länder verwiesen, die doch auch noch Maskenpflicht im ÖPNV haben und so. Doch jetzt, mit „O bis O“ als vorauseilendes Gesetzespaket, während man von den Nachbarn geschweige denn von Israel eher nach der Devise „abwarten und eventuell reagieren“ handeln will. Impfkampagne ohne Druck, Verabreichung von Paxlovid. Und Lauterbach jammert noch den Generalsektretär des israelischen Gesundheitsministeriums voll, von wegen böse FDP und kritische Bürger. Und Nachman Ash düpiert ihn einfach. „Wir machen in Eigenverantwortung.“, so seine sinngemäße Aussage samt Achselzucken. Bäm!
Also bekommen wir den Corona-Scheiß im Jahr Drei noch mit den Gas- und Stromkosten obendrauf. Ich male mir das folgendermaßen aus: Ein Restaurant muss schon mit gestiegenen Kosten rechnen, wird dazu wahrscheinlich weniger Gäste haben, weil die sich nicht mal ein Geburtstagsessen bei ihnen leisten können. Dann kommen noch die Maßnahmen dazu, den Kontroletti über den Impf- und Teststatus zu machen (natürlich eigenverantwortlich, weil der Restaurantbesitzer ja anständig vorsichtig ist). Und wird vielleicht nicht selten erleben müssen, wie die Leute als Reaktion auf das wieder eingezogene Nachweisregime Kehrt machen und abziehen. Letzte Woche Impfstatus verloren, die Corona-Warn-App springt plötzlich auf Rot, keine Lust auf Maske oder sie werden erst gar nicht eingelassen, wenn sie keinen negativen Test vorweisen können. Sargnägel im 10er-Pack.
Ich bin mittlerweile nur noch so drauf, jeden Fitzel Versagensoffenbarung zu feiern. Egal, ob wir diesen „hohen Preis zahlen“ müssen oder nicht. Ja, es ist zynisch und wenig Hoffnung verbreitend; aber wie will man mit Hoffnung weiter arbeiten, wenn man ständig und beständig den Vorschlaghammer zu spüren kriegt? Auch wenn viele jetzt versuchen, sich irgendeine Parallelexistenz zu basteln, um dem Irrsinn irgendwie zu entkommen (was ich sehr gut verstehen kann und was ich auch teils selbst versuche), kann man ihm eben nicht ganz entkommen. Was bringt mir mein eigenes Wolkenkuckucksheim, wenn man immer noch vom System abhängig ist und an die Schläuche angeschlossen ist, die uns den Lebenssaft entziehen und uns eine Matrix ins Gehirn übertragen, damit wir als deren Batterie weiter existieren können? Der Mensch ist leider nicht nur ein Ding, das man benutzen kann, ohne selbst eine gewischt zu kriegen, weil das Ding nicht benutzt werden will. Wenn der Geist nicht kontrolliert wird, wird man den Menschen in seinem erdachten Zweck auch nicht kontrollieren können. Und hier versuchen nun immer mehr Menschen, sich durch Preppen und Parallelgesellschaft vom System abzukanzeln. Und das nicht, weil das System kurz vor dem absoluten Kollaps stünde, wie manche vermuten – sondern weil es sich wandelt. Und zwar eindeutig und in bester Salamitaktik in die Gefilde, die wir aufrechten Demokraten doch ständig so kritisieren.
China etwa. Keiner will es so richtig wahrhaben, aber irgendwie haben unsere Machthaber Gefallen an deren Methoden gefunden. Gerade die Deutschen sind da ganz eifrig dabei – mehr Kommunismus wagen, meinte sogar schon jemand. Und vergaß so nebenbei, dass Kommunismus nur das Endziel des Sozialismus ist oder was es bedeutete, in der DDR leben zu müssen. Andere reden offen über Sozialismus und denken im Stillen, wie toll es doch wäre, mit einfachen Lösungen zu agieren statt noch diesen lästigen, demokratischen Pluralismus ertragen zu müssen. Das sagt man zwar Rechten oder Despoten zu, aber findet es reizvoll, diese bequeme Form von Machtausübung anzuwenden. Also arbeitet man eher am Sprachgebrauch, um uns dazu den Mund wässrig zu machen. Etwa den Unterschied zwischen „schlecht“ und „nicht gut“ - für abstrakte Denker ist es dasselbe, aber man kreiert so divergentes Fühlklima. Und dazu immer wieder China, China, China, das man in ihrer systemischen Ausrichtung noch offen angreift, aber die Mittel ganz praktisch findet, die unverhohlen angewendet werden. Selbst über die immer noch verhängten Teil-Lockdowns schweigt man sich immer noch auffällig aus. Die paar Berichte, die man kurzzeitig, etwa bei der Tagesschau, zu lesen bekommt, machen den Bock nicht fett.
Nun kommt in diesem ganzheitlichen Konstrukt noch die personifizierte Standleitung in die Brüssel-Büros hinzu. Da kochen nämlich gerade seit kurzem Meldungen hoch, man wolle EU-Staaten zum Stromsparen zwingen, oder da beschwerte sich sogar die FAZ kürzlich ganz unverblümt über neue Mediengesetze, die beschlossen werden sollen. Wenn so etwas schon zur Sprache kommt – wie viel China ist denn da schon auf dem Weg? Natürlich liest sich das schon als Freifahrtsschein seitens unserer Gorch Fock-Vollblutpfuscherin mit einem Faible für digitale Mülleimer, die Informationsfreiheit nach Gutdünken zu gestalten. Sag ich jetzt mal so diplomatisch wie möglich und verkürze gleichzeitig, weil wir Deutsche unsere Flinten-Uschi ja zur Genüge kennen- und schätzen gelernt haben. Mit ihr als Bindeglied zum Herrschaftsanspruch in der EU ist aber auch wieder nicht alles eitel Sonnenschein, weil die Bündnispartner sich immer mehr dagegen wehren.
Also: irgendwie will nichts wirklich so klappen wie erdacht. Immer diese Quertreiber gegen die Solidaritätsrufe, diese Sturköpfe, die sich nicht unterhaken wollen, diese Nachbarstaaten, die einfach nicht auf Linie sind. Und ja: ich feiere das. Dann bin ich eben der Politikzyniker geworden, den sie nie haben wollten und es trotzdem regelrecht in diese Richtung trieben. Nur weil ich das Wie so nicht akzeptieren will. Und ich werde mich erst recht nicht von Frau Wagenknecht distanzieren, selbst wenn es wie die AfD klingen mag. Denn seit wann ist die Forderung nach Frieden durch Verhandlungen statt Waffen denn plötzlich rechts? Das hätte man mal Gorbatschow erzählen sollen – der dreht sich gerade im Grab um...
Kommentar schreiben
simulacron (Samstag, 17 September 2022 15:18)
Zynismus ist eine verbale Hilflosigkeit, die das Elend toleriert, in dem Glauben, man hätte ja Widerstand geleistet.