Es gibt Wochen, die wirfst du lieber ganz schnell in die Tonne. Und die letzte war so eine, die Sie in der Hoffnung auf eine gute Zeit in den Händen halten wie ein Ticket zum Konzert Ihres Lieblingsmusikers. Dann jedoch fällt die Technik aus, Zuschauer verhalten sich wie der letzte Heuler, und der Held auf der Bühne hat keine Lust auf seinen Job oder fällt wegen Krankheit aus. Man ist mordsenttäuscht und angefressen. Und genau so verlief meine Woche so komprimiert scheiße, dass ich am liebsten auf irgendwas eingedroschen hätte, um den Frust mal loszuwerden.
Doch da waren die beiden Schmetterlinge. Dazu später mehr.
Bisher war auch alles relativ gut verlaufen. Relativ, weil ich immer noch und kurz wiederkehrend irgendwelchen Knatsch auf der Arbeit hatte, der mich mitunter nervös und weiterführend fahrig machte. Fehler passieren dann gehäuft, oder du siehst dich zusätzlich Fehlern anderer ausgesetzt, weil du die nicht weg delegieren kannst (weil sie selbst nervös und antriebslos sind) und bekommst natürlich als letzter Anwesender wieder den Schwarzen Peter zugeschoben. Ab einem bestimmten Punkt muss man sich dann die Grundsatzfrage stellen: Hopp oder Topp? Dazu kam es noch zu einem Personalgespräch, dem ich eine besondere Bedeutung beigemessen hatte, weil es auch in meiner Wahrnehmung und abhängig von der Entwicklung des Gesprächs darüber befinden würde, ob ich in dem Laden noch bleiben wollte.
Der Verlauf lässt sich dann so beschreiben: Sie kramten fast alles aus, was ihnen auf den Senkel ging, und warfen es mir mehr oder weniger vor die Füße. Kauten mir IHRE Vorstellungen herunter, und du weißt, dass das ganze vorherige Gerede von Selbstentfaltung und Eigenverantwortung und großmäuligen Hilfeangeboten eine Luftblase war – wenn du nicht bis ins Detail tust, wie sie es dir sagen, bist du schon in Ungnade gefallen, selbst wenn es völlig widersprüchlich ist. Und sie haben wirklich für jeden Arbeitsablauf eine Anleitung, die ich als regelrecht pedantisch betrachte, selbst wenn es um Dinge geht, die man eher einem persönlichen Stil zuordnen würde und nicht nach DIN 0815 erledigt werden soll. Dazu der Vorwurf einer angeblichen Distanz mit geistigem Schutzwall (Intro, Jungs!), als wollte ich mich abkapseln, verhalten sich aber mir gegenüber genauso, samt unipolarer Verhaltensanleitung. Ich hatte eher erwartet, dass der Wille da sein müsste, nur etwas Verständnis und Entgegenkommen aufzubringen, aber dann wird man mit dem Nebensatz düpiert, dass man sich bei Abweichungen von deren Verhaltensnorm professionelle Hilfe suchen soll. Dieser Dreckssatz ist mir nicht neu, aber es ist auch ein Beleg dafür, dass ich in diesem eingeschworenen Haufen mit meiner speziellen Persönlichkeit, egal ob labil oder nicht, nie eine Chance gehabt hätte, durchzudringen. Ich könnte ja zustimmen und die Hilfe in Anspruch nehmen – rechne mit ersten Ergebnissen in 2024.
Wenn man vor solch einer Mauer steht, ist es wohl Zeit, eine letzte Entscheidung zu treffen. Also gehe ich. Es war wieder mal einer dieser vergeudeten Monate, in denen nur die vollmundigen Versprechungen hängen blieben und am Alltag scheiterten, auch weil man anteilig zu viel damit zu tun hatte, Bilanzen pro Quartal aufzuhübschen; damit die Niederlassungsleitung Zahlen präsentieren konnte, die das Gemüt der Holding-Bosse besänftigen. Das hatte so viel Raum eingenommen, dass die Weiterbildung völlig mir selbst überlassen wurde, dann kam natürlich noch Corona dazu und dieser unsägliche Winter, was letztlich ein ständiges Hin und Her bedeutete und bei mir einen Druck erzeugte, wo ich alleine deswegen fast alles hinschmeißen wollte, weil mir die tägliche Testerei und die ständigen Beschlussänderungen einfach auf den Sack gingen. Und im Kundendienst muss man sich natürlich nicht nur mit sich selbst auseinandersetzen – die Kunden mussten auch noch einzeln auf Zugangsmöglichkeiten und Hausregeln abgeklappert werden. Mit solch einem Bürokratiemonster vor der Nase kann man nicht mal die geliebte Routine laufen lassen. Schnell bleibt das dann am unteren Ende der Nahrungskette hängen, also an uns Technikern. Wer da keinen Puffer wie einen eingeschworenen Kundenstamm und den Willen zur absoluten Unterwerfung ihnen gegenüber besitzt, kann einpacken. Und die Weiterbildungsansprüche kannst du getrost vergessen, wenn allem anderen auf der To-Do-Liste mehr Priorität zukommt.
Irgendwie war da alles Filz, eingeschworen, schwer zu durchdringen. Und trotzdem teaserten sie mich ständig mit der angeblichen „Wohlfühlinsel“ im Konzernhaifischbecken. Ständig lagen mir die Vorgesetzten in den Ohren, wie sie die Haifische von uns fernhalten würden, damit wir so wenig angeknabbert würden wie möglich, und doch schiss man uns dann im Winter/Frühling derart mit Aufträgen zu, die nur zu weiterem Verdruss führten, weil auch die Abhängigkeit von Lieferketten dem Ganzen einen Strich von vielen durch die Rechnung machten. Das war wieder mal reiner Aktionismus für die Bilanz, undurchdacht und mit Kopf-durch-die-Wand-Ansatz. Und so wuchsen die letzten Monate zu einem Dauerzustand an, was bisher nur zum Quartalsende die Hühner aufschrecken ließ. Was blieb, sind zu viele offene Baustellen und konzeptloses Seufzen, und das biss sich am Eigenanspruch in der Abteilung, alles schnell erledigen zu wollen. Und der Wohlfühleffekt war ebenfalls dahin, ich bin nur selten in den Genuss gekommen.
Ein bisschen hatte sich das im Sommer einhegen können, weil einerseits die Arbeit ausging und gleichzeitig Corona deutlich an Bedeutung verlor. Man krebste immer seltener mit Maske (die ich sowieso selten ordentlich trage) und immer weniger mit Tests und sonstigen Beschränkungen herum, und das beruhigte alle Gemüter sichtlich. Es braucht mir keiner erzählen, dass halb Deutschland masken- und maßnahmengeil wäre. Nur nimmt man hier alles viel zu oft hin und redet sich jede Situation irgendwie schön, obwohl man nicht will. Und diesen Sommer war schon zu spüren, dass die Leute eben nicht mütend gegen die „Querdenker“ waren, wie landläufig im Netz behauptet wird, sondern wirklich müde über diese ganze Politik und die damit verbundene Gesamtsituation. Die Erleichterung des Sommers kühlte ein wenig den Verdruss über die Mangelerscheinungen der Weltwirtschaft und das immer häufiger vernehmbare Stöhnen über den germanischen Alarmismus. Man blickt zu den Nachbarn, und da war mehr Sehnsucht nach deren Lebensstil in Normalität als die Selbstbeweihräucherung für die eigene Pseudo-Vernunft.
Zurück zum Gespräch. Kurz zuvor passierte etwas, das zwar banal klingt, aber bei mir immer ein bisschen wie ein spiritueller Vorbote vorkommt. Ich saß im offenen Auto, da flog ein weißer Schmetterling durch das Cockpit. Eine kleine Szene, die manche als nichtig betrachten würden, ich jedoch bin da ein wenig abergläubisch, weil man Schmetterlinge im ranzigen Hof vor Müllcontainern eher nicht antrifft. Der hier jedoch schien sehr zielgerichtet durch das Auto und so nahe wie möglich an mir vorbeifliegen zu wollen, damit mir der Wink bloß nicht entgehen sollte. Mal kurz gegooglet über die mythologische/spirituelle Bedeutung des Tieres (jaaaa, ich Esoteriker, blabla...), und es hätte ja irgendeine unpassende Bedeutung dastehen können, der in Bezug auf mein Gespräch keinen Sinn macht. Aber da steht der Schmetterling für die Macht der Wandlung und große (!) Veränderung. Also deutete ich das als übergeordnete Richtungsentscheidungshilfe und nicht als Wandel innerhalb der Truppe bzw. der Firma. Und so, wie das Gespräch verlaufen war, bestärkte das alles nur meinen finalen Entschluss.
Ein zweiter, rot-orange gescheckter Artgenosse sonnte sich wenige Tage später auf unserer Terrasse. Auch das ist sehr ungewöhnlich gewesen, bisher schwirrten fast ausschließlich nur Wespen und alle Sorten von Fliegen dort herum und nervten uns ständig. Schmetterlinge jedoch nie, weder in unserem Dunstkreis noch noch in unserem Hofgelände. Der schien aber mehr symbolisch dazusitzen, weil ich an dem Tag die Nachricht vom Tod einer meiner Onkels erhalten hatte. Es war einer der guten Onkels. Die Ausnahme in der Family väterlicherseits, die anderen aus der Papa-Sippe gehen mir gepflegt am Arsch vorbei. Doch um ihn trauere ich. Er war wie ein väterlicher Freund, und ich hatte immer gerne mit ihm zu tun, auch wenn wir uns nur selten sahen. Ein künstlerisch begabter Mensch, den ich gar als Vorbild betrachtete, weil er das durchgezogen hatte, was ich mir ständig vornehme, aber immer noch vor mir herschiebe, nämlich das Malen. Doch dann fraß ihn wie aus heiterem Himmel der Darmkrebs an, streute schnell, und das war es nach wenigen Monaten auch schon...
Mach´s gut, Horst.
Mit diesen Lasten musste ich mich im realen Umfeld schon bepacken lassen, und die sind nicht ohne, wiegen schwer. Mit dem Ballast wollte ich mich dummerweise noch vom Internet „betäuben“ lassen und muss dann dieses Gekeife um die wieder ausgekramten #wirhabenmitgemacht-Zitate und folglich den Selbstmord von Lisa Kellermayr ertragen. In mir schwoll die Halskrause an, wie deftig der Hassschmalz am letzten Wochenende wieder schmeckte, und ich ließ mich auf den Dummfug auch noch ein, mit einem Onkeltod und Arbeitsverdruss in den Hirnwindungen. Vielleicht war das auch so etwas wie das Kanalisieren von Trauer, Wut und enttäuschten Hoffnungen, und irgendwie kamen mir diese immer wiederkehrenden Twitter-Dauersirenen gerade recht. Postete hier und da, vorzugsweise die übelsten davon, voll und fand regelrecht Gefallen an der Sucht des Blitzableitens gegenüber dieser Hassbratzen. Dabei war es egal, ob sie mich überlasen oder eben nicht. Ich musste das einfach loswerden, auch wenn sie nun wieder alle Kritiker, nachdem sie tatsächlich in die Deutungsecke verdrängt worden waren, mit dem Suizid ihren Racheblutrausch mit Kanonen gegen Spatzen vergelten konnten. Man tröstet sich meist damit, dass der Spuk relativ schnell wieder vorbei ist und in der Schublade landet.
Es passte ihnen schlicht nicht, dass wir an ihrem Image kratzten, weil wir ihnen das vorsetzten, was sie selbst verzapft hatten. Ich glaube, einige von ihnen dachten schon sehr weit in die Zukunft, wenn sie als Opa oder Oma der Familie die gesammelten Zeitungsausschnitte vorlegen wollten, und dann stehen da Zitate wie „Ihr seid kein Teil der Gesellschaft mehr!“. Also ich würde mich dafür schämen, sowas würde ich meinen Enkeln nie vorsetzen wollen (außer ich will mich damit noch brüsten, was dann jedoch den Narzissmus streift). Sie werden also ob solcher Zitate nie in die Ruhmeshalle der Helden für alle einziehen, egal ob sie dann die Maske der „guten“ Moral drüberlegen wollten, wenn mal viel Gras über die Sache gewachsen ist und man das als Unbeteiligte(r) in einem anderen Kontext betrachten würde. Und das ist ihnen – da bin ich mir sicher – im Unterbewusstsein wohl bewusst. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich ihre aggressive Rhetorik so reinwaschen können, mit all der selektiven Solidarität, die vielleicht als Kurzschlussreaktion Vulnerable geschützt haben mag, aber durch ihr Lockdowngeschrei samt Pflicht- und Verbotsgeilheit im blinden Aktionismus andere Leute gefährdet haben. Und mit einer Moral wie dieser im Nacken kann man auch nicht zu hundert Prozent Sätze wie „Grenzt andere endlich aus!“ rechtfertigen – ich würde eher annehmen, dass man von Enkel und Enkelin eher böse angeguckt würde und sich lang und breit erklären müsste.
Und das ist dann das Ende der eigenen Spinnerei vom prominenten Superhelden, der seine sonstige politische Korrektheit durch ideologischen Wahn ausgerechnet in Krisenfragen unkorrekt sausen ließ. Da gibt man sich so viel Mühe, zu jedem Minimumpitz sich selbst fünf Mal vorzukontrollieren, bevor man den Mund aufmacht, und ausgerechnet bei Corona (und folgend den Ukrainekrieg betreffend) entfleuch(t)en ihnen jede sprachliche Hässlichkeit, die man zuvor so säuberlich vermieden hatte. Dass man ihnen das jetzt so dreist vorsetzt wie einen Spiegel, hat natürlich vor allem die getroffenen Hunde bellen lassen. In dem zeitlichen Zusammenhang konnte man Kellermayr und Zitatlisten jedoch schnell vermengen, und heraus kam dann die „Todesliste“. Also nichts, was zum Grübeln bei ihnen führen würde – der Suizid kam aber sowas von gelegen, den Spieß umzudrehen. Und das, bevor es irgendwann wirklich unweigerlich zur zu ihren Ungunsten verlaufenden Aufarbeitung führen würde.
Ich für mich selbst muss mich nach dem Gefühlsausbruch erst mal wieder selbst herunterfahren, um diese Suchtspirale mit eigener Kraft zu verlassen. Ich habe meinen Senf zur Genüge abgesondert, und jetzt ist mal gut – egal, ob mir meine ungewohnte Aggressivität jetzt viele Herzchen und Likes eingebracht hat. Ich verlasse mich jetzt mal eher wieder auf meine Krafttiere, die Wandel bedeuten, vielleicht sind sie zusätzlich ein Vorbote für ein Umdenken in der Gesellschaft, die in der Mehrheit nicht mehr viel auf Masken und Impfungen oder sonstigen Solidaritätsbullshit geben könnten. Großer Wandel vielleicht? Das regelmäßige Einkaufen und die stagnierenden Impfquoten nähren hier etwa die Hoffnung, auch wenn der Entwurf für den Herbst schon steht und eigentlich wieder nur für Wutexzesse sorgen dürfte. Vielleicht äußere ich mich mal nächste Woche dazu, wenn ich aus meiner Ratlosigkeit darüber herausfinde.
Und das führt mich wieder zum Heldenmythos, der auch nur funktioniert, wenn man dem Publikum oder einem Teil davon nicht vor den Kopf stößt. Zwar bin ich ein Freund klarer Worte, aber wenn es um allumfassende Zitate geht, die nicht mal die Themenlage von Künstlern, Ärzten oder Politikern streift, hat man für meine Begriffe entweder die Klappe zu halten oder sich vorsichtiger auszudrücken. Denn macht es schon einen Unterschied, ob man etwa einen Comedian nicht mag, weil sein ganzer Stil speziell und für jemanden selbst anstößig ist oder er von allen gemocht werden will und erst während des Auftritts einem Teil auf die Füße tritt. Dann sind es keine Helden mehr, sondern nur Wortführer für eine bestimmte Klientel, falsche Helden oder auch verlogene Bauernfänger. Echte Helden hingegen repräsentieren alle – dann sollen sie auch für alle sprechen.
Vielleicht sollte ich meine Bald-Ex-Truppe solchen Leuten mal vorbeischicken – die haben einen Plan, wie man sich in einer Gemeinschaft zu verhalten hat. Bei solchen Gedanken lache ich dann doch sehr grimmig und halte das Popcorn bereit, sollten gefallene Helden auf Pedanten stoßen. Das geht meist nicht gut aus.
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