Als ich letzte Woche über meinen Wankelmut berichtete, ahnte ich schon, dass die nächsten Wochen verdammt anstrengend würden. Nicht nur, dass mich die neuen Beschlüsse noch mehr in die Schraubzwinge klemmten, sondern dass man immer öfter den Eindruck gewann, je mehr sich das Ausland nun dem Virus „ergeben“ will, um so vehementer lehnen sich Karlchen und seine Schergen dagegen auf. Jetzt wird wieder wegen hoher Zahlen hier und da eingeschränkt, so als wollten sich alle in besserwisserischer Scheinkonsequenz dem Trend entgegenstellen, nur um sich bei Gelingen als große Helden aufzuspielen. Prestige möge hier vor Gesundheit gehen.
Jedoch offenbart sich das immer mehr als ein Spiel mit dem Feuer, und die Debatte verschiebt sich immer mehr in ein gleichwertiges Pro und Contra. 2G und Impfpflicht – Gott, bin ich froh, dass ich mit meiner Einschätzung richtig lag. Hier würden sich die Geister scheiden, spekulierte ich noch, als 2G und die ersten Impfpflicht-Gedanken hochploppten wie Gedankenblasen. Immer noch steht meiner Hoffnung einer Abschwächung der Maßnahmen dieser harte Kern von ZeroCovidern entgegen, die mit ihren unbeirrten Forderungen weiter unangenehmes Bauchgrummeln verursachen. Sie sind es wahrscheinlich auch, denen sich unsere Minister verpflichtet fühlen, der Rest kann von ihnen aus bleiben, wo der Pfeffer wächst. Aber diese Geringschätzung wird nun auch mit den Zahlentricksereien des RKI auf alle übertragen, die sich bisher als „Freigeimpfte“ wähnten.
Zwar hat sich nun ein beachtlicher Anteil bereits Geimpfter schon boostern lassen, doch sehe ich etwa am Impfzentrum unweit meines Kunden keine Schlange mehr – nur noch gelangweilte Security-Kräfte, die so langsam Furchen in den Asphalt laufen. Derweilen sorgt das Regelchaos sowie die neue Klassifizierung von Geimpften untereinander für eine Art stilles Entsetzen – man hört und sieht keine laute Empörung, aber es wurde plötzlich sehr ruhig. Vereinzeltes Kopfschütteln und das Köpfe-Zusammenstecken, wenn man sich wirklich mal beschwert. Ein Indiz für den kollektiven Augenöffner? Ich weiß es nicht, aber plötzlich ist alles, was vorher so leichtfüßig und selbstverständlich schien, bleischwer geworden. Dass das einfach nicht ausreicht, die Leute auf die Barrikaden zu bringen, entsetzt mich mehr als dass es nicht wundert.
Dass nun immer mehr Staaten um uns herum die weißen Flaggen hissen, erfüllt mich mit einer großen Genugtuung. Auch zu wissen, dass sie selbst genug von übertriebener Vorsicht haben. Das treibt uns und unsere rigiden Partnerstaaten immer mehr in die Enge. Mit Taschenspielertricks braucht man dann nicht mehr anzukommen, und medizinische Eingriffe zur Pflicht zu ernennen kann man, wenn man auch nur einen Funken Menschenverstand in sich trägt, doch eigentlich nicht mehr ernst nehmen. Diese „Menschen sterben“-Schallplatte ist so dermaßen ausgenudelt, dass man sich nur noch die Ohren zuhalten kann und das Weite sucht. Herr Habeck hat da, mal eingeschoben, ein ähnliches Problem, aber er ist Politiker und Minister, das kann man nicht mit „Durchnudeln“-Sprüchen wegwischen.
Natürlich wird man wieder als Quasi-Mörder betitelt, als unsolidarisch und egoistisch, weil man ja nicht an die Bedrohten denken würde, kein „Lebensretter“ sein wolle. Es ist mir mittlerweile schnuppe, was sie denken. Wenn ich jetzt jeden im Krankenhaus bedauern müsste und die Bevölkerung zu ZeroKrebs, ZeroSchlaganfall oder ZeroUnfalltoter anstacheln würde, würde ich mich umgehend selbst einweisen. Natürlich sterben Menschen, und natürlich ist das bedauerlich. Aber was schwirrt denn jenen, die das so irgendwie nicht ertragen wollen, im Kopf herum, unsere Bemühungen zur Verhinderung von Toten vervielfachen zu müssen? Ich habe auch schon gehört, dass diese Extremaktionismus als eine Art Selbstläuterung verstanden werden soll – sie sehen sich selbst im Verhalten anderer, und scheinbar können sie es sich selbst gegenüber nicht ertragen, wenn man nicht ähnlich betroffen scheint wie nahe Angehörige einer verstorbenen Person. Da schwingt gerne das eigens kreierte Dilemma mit: Habe ich mich genügend empathisch gezeigt? Komme ich gerade zu kühl rüber, nur weil ich nicht weine? Oder ganz kultisch-religiös: Komme ich in die Hölle, wenn ich mal keine Anteilnahme zeige? Die Frage hatte ich mir auch schon bei meiner Oma gestellt, als ich mit versteinerter Miene vor ihrem Grab stand.
Ich fühle eben kein großes Bedauern, was meine Oma betrifft. Sie war richtig mies zu mir gewesen, und wenn ich nun um sie geheult hätte, wäre es nicht ehrlich gewesen. Nur ein Akt der emotionalen Anpassung gegenüber anderen, denen wirklich was an ihr lag. Warum sollte ich also für andere, die ich überhaupt nicht kenne und die mich im gesellschaftlichen Kontext noch als Idioten oder noch schlimmer hinstellen, auch noch ins Taschentuch schnäuzen? Wir würden ja dann jeden Toten exklusiv bedauern, doch wer zahlt dann meine Miete? Taschentücher und literweise Rotz sicherlich nicht. Der Aktivismus vom Menschenretterwahn auch nicht. „Lebbe gehd weidää.“, sagte einst der weise Fußballphilosoph Dragoslav Stepanovic.
Es geht demnach nicht um das, was ich an Gefühlen nach außen trage. Weder meine Mimik noch meine Aussagen als solches sollten Außenstehende dazu veranlassen, meine Gefühlswelt zu beurteilen und die bei Bedarf auch noch zu sanktionieren, wenn sie nicht so wirkt wie bestellt. Nur vergessen sie eine maßgebliche Sache dabei: sie selbst sorgen dafür, ob ich mich ihnen verbunden fühle oder nicht. Also sollten sie auch etwas dafür tun, dass ich mich ihnen verbunden fühle, und das nicht nur durch moralisch-drohgebärdende Sprüche oder institutionelle und ideologische Abhängigkeiten. Auch wenn es ein Tabu ist: Mir ist es egal, was mit jenen passiert, die mir das Leben zur Hölle gemacht haben. Wer erwartet da noch die Fähigkeit zur Empathie? Andersrum dann die völlige Nicht-Auseinandersetzung mit dem Meinungsgegner, da ist schneller die Blocktaste gedrückt oder hässlicher Kommentar zur verblichenen, verhassten Person ausgesprochen als man bis drei zählen kann. Alles – wie immer – eine Frage der Perspektive.
Hierin ist ein Gezeitenwechsel eingetreten, einer, den ich schlicht nicht mehr ergründen kann. Wir können noch so sehr mit neuen Technologien ankommen – sterben werden wir so oder so. Und wenn Menschen sterben, hat das was mit den Angehörigen zu tun (abgesehen von Gewalteinwirkung natürlich)? Man vermenschlicht trotzdem das Virus als Feind, gar als Mörder oder Bedroher an unseren Körpern. Und wer dieses Spiel nicht mitspielt oder sich „unverantwortlich“ dem Schicksal fügt, dass Viren eben nur Viren sind, wird nun mehr oder weniger der „unterlassenen Hilfeleistung“ oder – ganz abstrakt – der Wissenschaftsleugnung bezichtigt. Was das soll? Es erschließt sich mir kaum, nur bis dahin, dass gerade jung wie alt einem völlig absurden Missverständnis des Wertes Leben auf den Leim gehen. Mit Slogans wie „jeder Tote ist einer zu viel“ ist mir auch im chronologischen Sinne noch nie ein solches Klammerverhalten untergekommen.
Ich habe mich schon länger davon verabschiedet, zu klammern. Das einzige, was ich bewahren will, ist ein funktionierendes System, in dem ich mich relativ frei bewegen kann, mit gut definierten und begründeten Regeln als Rahmung. Es mag ja auch schön sein, Rechte von Frauen zu stärken, Ungleichheit zu behandeln und Diskriminierung einzudämmen. Jedoch wurde darin im Verhältnis kaum etwas erreicht, sondern einfach nur durch Ideologie anders gewichtet. Für mich heißt das: man drischt schon wieder auf mich ein, nur diesmal nicht nur als Querulant in einem Team, sondern gleich zum Staatsfeind gemacht. Nur weil eine starre, ideologiegetriebene Sturheit vorherrscht, die so 2020 ist, dass man daran verzweifelt. Dass jede Änderung von Erkenntnissen auch in die Maßnahmen einfließen müsste, aber eher zum Gegenteil führt. Eigentlich ist es noch schlimmer geworden: die Verschärfungen, die Verbote und Einschränkungen, werden nur noch mit Moral oder Profilierung begründet – und das trotz aller evidenten Entwicklungen. Immer häufiger erwische ich mich dem Gedanken, dass da ein Plan hinter stecken könnte, immer häufiger sehe ich alle, die jetzt auf mich eindreschen, als Handlanger, die ihren Rettern/Erlösern blind ins Verderben folgen würden. Und das alles unter dem Vorwand, etwas zu retten – die Solidarität, Leben oder den Staat. Entweder das oder eine ängstliche Getriebenheit unter dem Zahlenmonster Inzidenz und der Fehleinschätzung, dass man Spatzen nur mit Kanonen bezwingen könnte.
Tun kann man dagegen fast nichts mehr, außer abwarten und hoffen, dass sie sich selbst ins Abseits schießen. Die Chancen stehen bislang nicht schlecht, aber sie wehren sich noch mit Händen und Füßen. Und genau das macht mir extrem zu schaffen. Auf der einen Seite die Zuversicht, das Debattieren auf ganz anderen, offenen Ebenen, auf der anderen Seite die wachsende Angst, dass jede weitere Verschärfung und die offensichtlichen Lügen, Drohungen und Verboten mich dermaßen den Hals zudrücken, dass ich kaum noch Luft bekomme. Auch macht es mir Angst, all die Stellen, Institutionen und Personen, auf die man angewiesen sein kann und irgendwann auch wird – Ärzte, Beamte, prinzipiell jeder, der etwas über mich zu entscheiden hat, sich nun ganz simpel und willkürlich bei Nichterfüllung eines Impfstatus dazu entscheiden kann, mir Hilfe zu verweigern.
Wenn das keinen Zwang, keine Ausgrenzung oder sonstige Aussonderung bedeutet, dann kommt man nur noch zu dem Schluss, dass der Wahnsinn nicht nur in den Köpfen unserer „Team Übervorsicht“-Faschismusanwender angekommen ist, sondern in jedem Pflichterfüller, jeder Heulboje, jedem Impfarschkriecher da draußen, die auch noch die Macht haben, dich ungestraft zu beschimpfen, zu bespucken oder sonst wie zu erniedrigen. Bisher habe ich den Prügelknaben noch mitgespielt, einfach nur aus dem Grund, mich nicht deren Niveau anzupassen. Aber so langsam habe ich das Gefühl, dass sich das so lange weiterziehen könnte, bis ich vor einem extrem hohen Bußgeld sitze oder bald ein Jahr Beugehaft oder vielleicht noch schlimmeres ertragen muss.
Ich habe das jetzt in meinen Texten schon so oft wiederholt, aber mit jeder Eskalation flammt es wieder lichterloh auf. Ich beneide jeden, der das noch einigermaßen abwinkend ertragen kann und sich auch entsprechend unantastbar macht. Ich kann das nicht. Ich befinde mich in der schlimmsten Zwickmühle meines Lebens – ich will nicht einfach ein Störenfried sein, weil ich jetzt Lust darauf habe. Es geht hier um mein Innerstes, meinen Körper, der sowieso schon anfällig geworden ist, und in der Abwägung zwischen Krankheitsvermeidung durch Aufpassen oder Impfung tendiere ich lieber zu erstem. Klingt eines wie das andere vernünftig, aber irgendwelche Verblendeten da draußen erkennen das nicht an. Jetzt fühle ich mich dort hineingetrieben, wo ich nicht hin wollte, wofür ich mir den Arsch abgearbeitet habe, um nicht mehr dort hineinzustolpern, wo ich mal war – in die greifbare Nähe des Verlustes einer sorgenfreien Existenz. Und ich bin nicht bereit, mich in jedweder Hinsicht für diesen Erhalt an die Macht zu verkaufen. So viel Würde und Stolz sollte sich jeder Mensch da draußen doch noch erhalten, aber selbst dazu sind sich offenkundig einige nicht mehr zu schade und sich für die Pflichterfüllung zu entwürdigen.
Und so sehe ich ständig dieses Bild vom Karlchen vor mir – dieses regungslose Gesicht, der scheinbar nie lächeln kann, der sich seine Argumente zurechtstammeln muss, der dir hinterrücks das Messer in den Rücken rammt, wenn der Gehorsam nicht erfolgt. Und sollte er es tatsächlich schaffen, mich via Impfpflicht an die Nadel zu zwingen, dann wird das so laufen wie bei meiner Oma oder allen anderen, und das mit vollem Kalkül. Denn jetzt stehe ich tatsächlich kurz vor der Gretchenfrage, und dazu kommt meine tiefste Verachtung für dieses Gebaren.
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Ratze (Samstag, 22 Januar 2022 00:40)
*applaudiert*
Wohl gesprochen. Mehr kann ich da auch nicht sagen.
Struppi (Freitag, 28 Januar 2022 12:49)
Ich denke was bei diesen Leuten vor allem passiert ist, dass sie "Opfer" brauchen, suchen und finden, die sie für ihre eigenen Status brauchen.
Bei all den Themen die du hier aufzählst, geht es nie darum wirklich etwas zu ändern, Privilegien zu hinterfragen oder Leid zu mindern. Es geht immer darum, dass die Personen die lautstark tönen, wahrgenommen werden als die "Weltverbesserer". Das war auch das was mich schon in meiner Punkzeit genervt Weltverbesserer die nichts ändern.
Früher(tm) waren diese Leute die Minderheit, wir nannten sie Hippies. Aber das Oligarchentum hat gut erkannt wie man diese Menschen für die eigenen Zwecke gebrauchen kann. Da deren Fanatismus und Gläubigkeit fast genau so benutzbar ist, wie der von Nationalisten o.ä. kann man sich mit deren Hilfe jeden Markt neu aufbauen und jede Ausbeutung anderer Verschleiern, wenn nur dahinter etwas "Gutes" steht.
Wie hieß es mal? Wir sollen aus der Geschichte lernen. Ja man könnte lernen, das egal zu welcher Zeit die Massen sich steuern lassen und immer denen die die Erfüllung versprechen glauben und folgen. Und dabei ist jedes Opfer Recht.
Sascha (Sonntag, 30 Januar 2022 14:04)
"Ich denke was bei diesen Leuten vor allem passiert ist, dass sie "Opfer" brauchen, suchen und finden, die sie für ihre eigenen Status brauchen."
Wer Opfer braucht, hat keinen Status, oder baut ihn auf wie Pappfiguren, um Masse zu simulieren. Schaumschläger, Luftpumpen, die Opfer klein machen, um sich groß zu machen. Mich nervt im Endeffekt nur, dass man denen so sehr auf den Leim geht.