Nachdem #allesdichtmachen bis unter die Hutkrempe im Treibsand versank und die deutsche Journaille dachte, sie hätte die Aktion in Aufmerksamkeitsquarantäne gesteckt, folgte kürzlich plötzlich die Fortsetzung. #allesaufdentisch heißt die zweite Staffel der Aktionsreihe, und der Journalismus fühlte sich sogleich genervt. Augenrollen und Überheblichkeit, man konnte sich die Reaktionen im Vorfeld schon ausmalen. Dabei wurde kaum noch auf das Inhaltliche eingegangen, sondern zuerst die Aktion in allen Details beschrieben. Die letztliche Einordnung der Aktion ließ sich nicht selten unter den mittlerweile etablierten Sammelbegriffen zusammenfassen: „Schwurbeln“, „Querdenker“, „Verschwörungstheorie“.
Sie hätten es auch anders ausdrücken können: „Arschlöcher!“, „Verpisst euch!“ oder sonstige polemische Phrasen. Da man sich jedoch nicht als Hassredner outen will, um Facebook und Co. auf den Plan zu bringen, bedient man sich populären Etiketten, der Soft-Polemik linksliberaler Schreibtischtäter. Leute wie ich können darüber nur noch müde lächeln. Der Aufreger generiert sich oft noch über eben jene asozialen Medien, einen Unterschied zu den üblen „Schwurblern“ auf Telegram mag ich nicht erkannt haben. Oft stammen solche Kommentare von solchen mit einem stolzen Regenbogen im Profilbild, die auch gerne Umwelt- und Antifa-Aktivismus teilen. Wobei nicht nur die zweifelhafte Corona-Politik ein Abbild darüber zeichnet, was den angeblich so empathischen, solidarischen und Konsens-interessierten Menschen als übergeordnetes Narrativ so vorschwebt. Diversität durch Verbote, Diffamierung als Mittel zur Erlangung völliger Freiheit. Wer darin keinen Widerspruch findet, ist der Taube unter den Blinden.
Dass sie sich mit der Floskel herausreden, man könne doch sagen, was man wolle, ist aus ihrer Perspektive vielleicht richtig. Sie werden kaum gesperrt, geblockt, gelöscht. Dass Youtube und Co. auf Drosten- und Lauterbach-Linie sind, zeigt sich immer häufiger, und über der Aktionsgruppe von Künstlern schwebt immer noch das Damoklesschwert der Löschung. Wir erinnern uns: bei der ersten Aktion hat Youtube einfach die Suchfunktion umprogrammiert, damit man sie nicht auf Anhieb findet. Dieser kurzzeitige Entzug ist ebenfalls eine beliebte Methode geworden, mediale Aufmerksamkeit selektiv vor zu sondieren.
Nur ob diese Methoden noch bei den Menschen so ankommen wie beabsichtigt, scheint immer fragwürdiger zu werden. Je enger das Halsband um die Hälse der Bevölkerung gezogen wird, um so mehr wird sich beschwert. Nicht im französischen Sinne – wir sind im Beschweren nicht die Haudrauf-Aktivisten, die sich bei jeder Ungerechtigkeit auf die Straße stellen und Banner hochhalten. Zusätzlich dürfen wir das auch nicht mehr, wenn wir uns gegen die Regierung auflehnen; Demonstrationen haben nicht erst seit Corona einen eher zweifelhaften Ruf inne, wenn sie die Funktionalität der Nation stören. Es bleibt also nur noch der leise Protest, seitdem man sogar das Grundrecht auf Demonstration moralisiert und beschnitten hat. Der, der nicht in die Massenportale dringen soll, aber so zahlreich durchscheint, dass man mit dem Löschen und Denunzieren kaum noch nachkommt. Das kann auch kein Algorithmus alleine stemmen, also müssen Cyberabwehrzentren Abhilfe leisten. Welche wiederum nach Gutdünken ihre eigene Agenda zu verfolgen scheinen und somit sich und allen, die sie gedenken zu schützen, einen Bärendienst erweisen.
Und so fällt mit der Löschwut auch vieles unter statt auf den runden Tisch. Wir sollten nicht mehr erwarten können, dass jenes, was sich in den letzten Monaten Bahn brach, nun wieder zugunsten der Kritiker umgedeutet würde. Die Medien kämpfen kollektiv um Glaubwürdigkeit und Verkaufszahlen und haben immer noch nicht erkannt, dass sich Leser und Zuschauer, langsam aber sicher, von den klassischen Formaten und Institutionen abwenden. Das Internet hat mehr zu bieten als Facebook und Newsticker der Tagesschau – seriös oder zumindest Denkanstöße liefernd sind die vielen, alternativen Plattformen allemal, charmant bis bissig-ironisch, informativ und mitunter kontrovers. Diese kollektive Gegenwirklichkeit des medialen Spektrums scheint die alten Formate stark getroffen zu haben. Die Ängste innerhalb der Heiligen Hallen müssen derart ausgeprägt sein, dass ihnen nichts anderes mehr einfällt als die Glaubwürdigkeit ihrer digitalen Konkurrenten zu beschädigen.
Wer zu solchen Methoden greift, weiß um die Angreifbarkeit seines eigenen, inhaltlichen Arsenals, bewusst oder unbewusst. Irgendwo im Unterbewusstsein scheint die Selbsterkenntnis zu schlummern, dass es nicht besonders gut um die Evidenz der eigenen Argumente bestellt ist. Provokationen, dies offen zu legen, bestätigen den Eindruck oft durch die emotional aufgeladenen Reaktionen. Dass dies mitunter gefährlich wird, zeigt sich auch oft in deren Retourkutschen, die sich oft nur noch darin von der teils hasserfüllten Rhetorik der asozialen Medien unterscheiden, sich noch innerhalb des strafrechtlichen Graubereiches aufzuhalten. Die Macht der Sprache, die sie zuvor schon mit der Genderdebatte anstießen und somit dem Rassismus oder der Frauenfeindlichkeit Einhalt gebieten wollten, zeigt sich hier besonders deutlich, und sie beherrschen diese Disziplin hervorragend.
Doch ist die Macht der Sprache nicht die Macht durch Wissen. Wer statt „Rassist“ nun „Querdenker“ sagt, weil man das vorher mit Stichworten miteinander gezahnt hat, weiß um die Wirkung der Worte, verdrängt jedoch den Widerspruch, der sich damit auftut. Im Neusprech wird nun „Querdenker“ nicht mehr mit Pionieren der Wissenschaft assoziiert werden, sondern dem Gegenteil. Galileo, Einstein – das war einmal. Heute sind es die angeblichen Egomanen, die Unsolidarischen, gar die Mörder der Neuzeit, die „quer denken“. Sie haben etwas gegen die Platzhirschdoktrin, die als alternativlos vorgegeben war, und das macht Kritiker zu Staatsfeinden, Volksschädlingen, Unmenschen. Darin muss man Twitter und Co. tatsächlich ein wenig dankbar sein: sie offenbaren das, was sich Menschen im realen Leben nicht trauen auszusprechen. Und so ist das Framing und die Macht der Worte nur eine brüchige Hülle, die im Internet ihre Schutzfunktion verliert. Mittlerweile schießen auch sie nicht selten über´s Ziel hinaus, und Vergleiche zu Ausdrücken aus düsteren Zeiten lassen sich kaum noch leugnen.
Die beherrschende Elite, die darüber entschieden hat, was gesagt werden darf und was nicht, verliert momentan immer mehr an Relevanz. Das zeigt sich auch daran, dass sich die Künstleraktivisten und aussortierten Ressortexperten nicht einfach haben einschüchtern lassen. Armin Müller-Stahl brachte mit einem Zitat die momentane Situation prima auf den Punkt: „Hätte ich keine Feinde und keine Neider, dann wäre ich eigentlich schlecht.“ Man kann es nicht als autosuggestives Schönreden betrachten, sondern als Bestätigung dafür, dass man sie trotz der arroganten Widerworte doch noch ernst nimmt und über sie spricht. Kleine Hanswürste wie mich würde man nicht mal zur Kenntnis nehmen, bei bekannten Künstlern und Experten mit Auszeichnung wird es jedoch schwierig, sie zu ignorieren.
Vielleicht kommt die Aktion zur rechten Zeit. Lange schon stelle ich mir die Frage, wann denn endlich die Menschen und Journalisten denn mal bemerken würden, dass sie sich selbst in eine Repressionsspirale haben hineinziehen lassen. Der mehr oder weniger direkte medizinische, dann politisch motivierte Imperativ wurde merklich immer schlimmer, schriller. Vielleicht ist mit 2G und dem Umgang mit unseren Kindern nun endlich das eingetreten, was ich mir die ganze Zeit erhofft hatte. 2G bringt namhafte Staatsrechtler auf den Plan, die Doppelmoral zwischen einer feiernden SPD-Fraktion und einer Schulklasse im Maskenzwang scheint nun auch bei der schweigenden Masse angekommen zu sein.
Unter welchem Stern stehen dann all die „Schwurbler“ und „Verschwörungstheoretiker“? Leider wird heute offen über das diskutiert, was man vorher als unsagbar empfunden hat. Wer es trotzdem tat, wurde regelrecht vernichtet. Und behielten dennoch recht. Eine Rehabilitation wird es aller Wahrscheinlichkeit nicht geben. Und somit endet eine Ära, die nicht nur 16 Jahre Kanzlerschaft abschließt, sondern auch der schleichende Prozess des Einzugs des Haltungsjournalismus. Die Widersprüche liegen nun auf dem Tisch, wenn auch nicht wie beabsichtigt. Der stille Protest trägt nun Früchte, weil auch die Adressaten des Protestes dummerweise die Bestätigung dafür geliefert haben.
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