Ich habe noch Mitteilungsbedarf. Diese Ervin/Dara/Scurrows/usw.-Geschichte treibt mich momentan noch gedanklich um, und mal unabhängig von dieser lästigen Daily Soap-Dynamik bin ich tatsächlich erstaunt, welchen Mehrwert man sich auf anderen Ebenen aus der Story ziehen kann. Klar – ich habe meine Präferenzen, wem ich da mehr gewogen bin, aber ich mag ja nicht nur die Twitch-Schlammschlacht ansehen und mich lediglich daran laben, mit dem Finger auf jemanden zu zeigen und ihn auszulachen. Allerdings fällt es mir ehrlicherweise schwer, Leute wie Dara wirklich als fundiert argumentierenden Menschen wahrzunehmen, wenn selbst die genehmen Gesprächsrunden auf seinem Kanal dieselben Diskussionsmuster offenbaren.
Bei ihm kommen nämlich immer dieselben Floskeln hoch. Und das bestätigt auch meine vorher nur in groben Zügen wahrgenommene Diskussionsbasis zwischen ideologischen Lagern, und die ausgedehnte Streaming-Mechanik von Twitch und wie sie Personen darin entfalten können ist so etwas wie der Lupenblick auf das billige, sehr verkürzte Twitter/X-Geraune. In meiner Naivität, davon erst abgeholt werden zu müssen, ist das schon ein ausschnitthafter Augenöffner gewesen, und man bekommt tatsächlich einen Insight-Blick, wer hinter irgendwelchen anonymisierten Profilen stecken mag und wie die im Dialog auf mich wirken.
Jetzt fühle ich mich tatsächlich von der Vorstellung angefixt, mit Leuten wie Dara mal in den direkten Diskurs zu gehen, weil mir bisher in der Realität eine echte Debatte mit Leuten seines Schlages verwehrt gewesen war. Konkret würde ich jedoch zuerst versucht sein, seine Floskelhaftigkeit auflösen zu wollen. Inwiefern er andere Meinungen überhaupt ernst nimmt, wie er das so oberflächlich immer behauptet und dann schnell in den Rechts-Nazi-Schwurbel-Duktus flüchtet, wenn seine Gesprächspartner sich weitaus ergebnisoffener und vor allem besser vorbereitet präsentieren als er selbst. Und sich somit als gleichwertiger Gesprächspartner mehr oder weniger subtil disqualifiziert.
Für die gesellschaftliche Debatte angewendet ist es durchaus fruchtbar, dass seine argumentative Aufstellung auch auf das Gesamte übertragbar ist. Auf sachlicher Ebene gerät er schnell in die Defensive, wähnt sich trotzdem im Recht und sieht es auch nicht für nötig, seine formulierte Agenda auch entsprechend zu untermauern. Anschließend, in dieser Defensivposition, zückt er regelmäßig die Selbstprofilierung (linker Aktivist/Pädagoge), wo wir wieder auf der Identitätsschiene fahren, wenn die Sachebene seinerseits in die Sackgasse führt. Und wenn das für ihn nicht auf fruchtbaren Boden fällt, wird auf Angriff geschaltet, worin er durchaus viel Sitzfleisch hat.
So viel Bashing erlaube ich mir jetzt, anderes wiederum kann man gar nicht verkürzen. Irgendwo sind seine Motive ähnlich linker Parteilinie in ihrer Neuausrichtung ja okay, aber steht dem ein breiter Widerspruch entgegen, der ihm da im Wege steht. Das sind nicht nur AfD-Populismus oder seine Hassbilder wie Reichelt und Co., was man als breit aufgestellter Mensch bejahen kann, aber auch die Realitätsmasse, dem er allzu wenig Beachtung schenkt und sie sogar „politisch bilden“ will. Also sie seinerseits indoktrinieren will, zu seinen ideologischen Gunsten.
Nun betreibe ich aktuell etwas „Bubble-Hopping“, klicke von Dara zu nius.de, das ja nicht nur aus Julian Reichelt besteht. Sondern auch von ernstzunehmenden Journalisten wie Ralf Schuler, der seinerseits eine politische Positionierung vertritt, bin als nächstes bei Wagenknecht und Ervin/Proletopia, lese dazwischen bei den Leitmedien quer, schaue bei meiner eigenen Ideologieblase und den Blognachbarn rein – und fühle mich tatsächlich sehr gut aufgestellt, wenn ich einfach mal nicht mit dem Anspruch in diese Bubbles gehe, sie auf ihre vermeintlichen Fehler zu sezieren. Selbst Reichelt als Einzelperson nicht, obwohl er wirklich eine Giftkröte ist und der Vorwurf des Populismus nicht von ungefähr kommt.
Doch brauchen wir Leute wie ihn ebenso wie rational Linke alias Ervin oder eher Liberale wie Wolfgang M. Schmitt, um dem Lili-Mainstream im Bedarfsfall (und das passiert immer öfter) auf die Finger zu klopfen. Dara gehört halt leider dazu, weil er allzu leicht die vorherrschende Erzählung schluckt und sich hinter einer Rechthaberei versteckt, die sachlich dünn ist und zu sehr auf Übergriffigkeit setzt. Wenn jemand wie er sich jetzt der realen Welt ausgesetzt sieht, in der sein politischer Werdegang als Aktivist nicht nur im Selbstbefruchtungsraum stattfindet und nun auf gesamtgesellschaftlichen Widerspruch stößt, dann muss man da einhaken und sich seinerseits meinungsstark aufstellen, bevor da noch weiter die linksneoliberale Linie ungebremst weiter marschieren kann.
Bisher, also sagen wir grob durch die Flüchtlingskrise vorgeplänkelt, aber auch unter meinem Radar laufend, war vor allem Corona ein massiver Augenöffner gewesen. Wahrscheinlich sehen das viele genauso, weil sich nicht nur schleichend etwas verschoben hatte, sondern massiv, groß, auffällig. Was vor allem dem Wokismus urplötzlich sehr viel Reichweite und Relevanz verschaffte, und wir tappten noch lange im Dunkeln – so musste noch aufwändig „Wir schaffen das“ zu „Wir schaffen das wohl eher kaum“ herbeidebattiert werden, und wenn wir jetzt wieder an Zuwanderung in derselben Weise herangehen, wird die prophetenhafte Vorstellung von der praktisch nebenwirkungsfreien Fachkräfteimpfung nicht nur langweilig oder lästig, sondern zu einem noch viel heftigeren Zankapfel als noch 2015. Und die AfD bedankt sich schelmisch grinsend für die nächsten Prozentpunkte. Was Dara und Co. allerdings immer noch nicht verstanden haben, und so plappern sie immer noch in Verkürzungen wie „sich positionieren“ oder „distanzieren“.
Häufig sind es nur Zuschreibungen auf einem imaginären Plakat, auf das sie sich berufen. Das mag auch erklären, warum sie auf Ideen wie Quoten in Unternehmen oder im Kabinett kommen. Das einzige, was ihnen an Persönlichkeitseigenschaft oder Geschlecht zu eigen ist, wird zur Expertise erhoben und dann noch als Anteil in Gremien und Gruppen eingefordert. Ob die dann dafür geeignet sind, ist egal. Ihnen steht es nach ihrer Lesart qua Geburtsrecht zu. Hat fast schon etwas Feudales, ganz nach Prinz-König-Blutlinien-Prinzip. Was auf der Strecke bleibt, ist letztlich die Leistung und der Wille zur Leistung. In ihrer Welt wird Leistung wohl eh als Drohung verstanden; etwas, was vielleicht als Fettnäpfchen in den Raum gestellt wird, damit man reintritt und dem Leistungsfordernden einen Grund zur Diskriminierung liefern würde. Also aus reiner Boshaftigkeit und nicht mit einer guten Zielsetzung versehen. Die Guten sind nur jene, die der Leistung abschwören.
Dies mag für so manchen Traditionalisten und „Ewiggestrigen“ unter Umständen sogar zutreffen, sind aber weder strukturell oder so etwas wie gesellschaftlicher Konsens. Eher beschleicht mich das Gefühl, dass die neuen Bildungsmechanismen in der heutigen Phase dazu führen, dass viele Menschen im Debattenraum arglos und unwissend umhergehen und in ausgelegte Fallen tappen. Etwa, wenn man plötzlich lernt, dass dies jetzt kulturelle Aneignung sein und das als diskriminierend wahrgenommen werden soll und man selbst gar nicht die Absicht hegt, unter diesen Vorwänden zu sprechen oder zu handeln. Vielleicht mag auch damit keine böse Absicht verbunden sein, aber scheint in der progressiven Ecke ein übelst ausgeprägtes Misstrauen allem und jedem gegenüber ins Denken eingesickert zu sein, ein destruktives Welt- und Menschenbild. Was sie als Anlass verstehen, selbst dagegen vorgehen zu müssen, und mittlerweile – nachdem wir in etliche Fallen getappt sind und einen Lern- und Erkenntnisprozess durchlaufen haben – festhalten können: abgesehen von Moral und hehren Motiven ist ihr Sprechen und Handeln kaum von dem unterscheidbar, was sie selbst für gefährlich halten und man unbedingt bekämpfen müsse.
Wären Leute wie Dara wortwörtlich „radikale Demokraten“, würden sie alle Ungerechtigkeiten bekämpfen wollen. Sei es gegenüber schwarzen wie weißen Menschen. Sei es gegenüber Homo- wie Heterosexuellen. Sei es gegenüber Grünen oder der AfD. Sei es gegenüber Staaten, egal welcher Herrschaftsform sie unterliegen. Und noch so viel mehr, was als ungerecht empfunden werden kann. Doch genau da hakt es im Denken der „Progressiven“, da sie ihrerseits Feindbilder erschaffen haben. Noch können sie auf den Rückenwind setzen, der aus den Macht- und Medienetagen zu ihnen herüberweht und sie dazu antreibt, ihr Handeln zu untermauern, doch so langsam dreht sich dieser Wind. Das ist sicherlich auch der Tatsache geschuldet, dass sie sich selbst wieder in die Defensive bringen, unvorbereitet und lediglich mit dem Moralargument oder mit billigen Etiketten bewaffnet in die Schlacht zu ziehen. Das ist bei Einzelpersonen entschuldbar, bei Medien und Politik wohl kaum.
Mit diesem Gefühl von Selbstzufriedenheit blicke ich den Entwicklungen entgegen, weil auch die Komplexität der Themen und Entwicklungen zu Lasten derer verläuft, die sich noch im Glauben von einem sicheren und lebenswerten Deutschland wähnten und nun erfahren müssen, dass es an diesen Grundfesten bedenklich beginnt zu wackeln. Dass der Puffer schwindet und aufgebraucht ist und es jetzt ans Eingemachte geht; und was als gefährdend kolportiert wird, nicht von Nazis und Schwurblern und sonstigen Figuren herrührt, sondern von jenen, die das behaupten. Und dass etwa Dara schon in seiner Titulierung eine widersprüchliche Figur darstellt – radikal ist er, ein astreiner Demokrat nicht.
Damit soll das Kapitel Dara auch erst mal erledigt sein. Eigentlich taugt er nicht mal als ernstzunehmende Figur in diesem bösen Spiel, aber ist er ein williger Soldat in diesem neototalitaristischen Feldzug des linksliberalen Wokismus´. Vielleicht bin ich nicht so der Schnellmerker in diesen Erkenntnisprozessen, weil ich das aus bestimmten Ecken schon zuvor mehrmals gelesen und gehört habe – aber will mich mal damit herausreden, dass mein Anspruch an Ergebnisoffenheit eher solche Offenbarungsmomente bremst denn eine etwaige Lernschwäche. Ich mag mir nur keine Gesamtbewertung anmaßen, wenn ich nur Fragmente kenne und das Puzzle noch nicht zu einem erkennbaren Bild zusammengesetzt habe. Also muss man nach meiner Lesart zuerst die Themenkomplexe einzeln abklappern, bis sich daraus ein Gesamtkomplex herauskristallisiert.
In dieser Phase finden wir uns alle momentan wieder, und das ist gut. Und deswegen sehe ich jetzt den Moment gekommen, Dinge aktiv und konkret anzusprechen – weil ich mir sicher bin, wem ich dies entgegenbringe, bevor ich in Versuchung gerate, es auf Menschen anzuwenden, die das gar nicht betrifft. So als würde ich jedem Glatzenträger gleich unterstellen, ein Nazi zu sein. Das darf Dara gerne so denken, aber derart diskriminierend schießt man sich eben schnell ins Abseits. Es liefert sogar noch mehr argumentative Munition, um uns an größere Gegner zu wagen. Und die heißen aktuell Ricarda, Nancy oder Frank-Walter. Was nicht ausschließt, dass wir uns bei einem Sieg später nicht um Alice, Tino und Björn kümmern müssten. Da sind wir schon etwas radikal demokratischer aufgestellt als unser Freund Dara.
Das kann Bubble-Hopping durchaus bewirken. Und ich bin trotz des Leidens, das mir widerfuhr, dankbar dafür. So kann man gestählt in die Zukunft blicken – auch wenn es anstrengend wird. Aber ich mache mir die Welt auch nicht einfacher als sie ist.
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