Das linke Spektrum dreht sich. Mal sind es 360 Grad, mal sind es 2 mal 180 Grad, wobei der einfache Rittberger von Annalena sicher nicht der sportlichen Ertüchtigung dienen sollte. Der war hochpolitisch an Putin gerichtet und im Stille-Post-Spiel in ihrem eigenen Gehirn gleich doppelt falsch beim Absender angekommen. Da verendet man Europa halt mal, betreibt E-Autos mit Kobolden, reist hunderttausende von Kilometern in Länder, die sie wahrscheinlich auf dem Mond entdeckt hat. Zusammen mit ihrem Wirtschaftsmärchenonkel bildet sie das Traumduo für die Chronisten, die Collagen in der Abteilung „Kuriose Sternstunden“ erstellen. Die rhetorischen Grenzerfahrungen sind schon etwas Besonderes, wenn man etwas zum Lachen braucht. Weniger witzig schaut man letztlich in den Geldbeutel, wenn man zum Heizungsumbau genötigt wird, der feuchte Traum vom Ernährungsdiktat oder eine 520-Grad-Wende vom gebrochenen Wahlversprechen der Kriegsabstinenz auf dem dünnen Eis der Glaubwürdigkeit gesprungen wird.
Jetzt werde ich noch linker. Aber auch ernster. Ist ja aktuell der Anlass überhaupt, lieber noch ein paar Schritte zurückzutreten und sich den Themenwahnsinn so weit wie möglich weg anzuschauen, der aktuell die neue Eskalationsstufe gezündet hat. Wie lange es noch dauert, bis man evident von „RAF“ und „Terrorismus“ reden darf, fragen Sie? Nun – beim Fall Lina E. sind wir immerhin schon mal in der dunklen Ecke der Selbstjustiz angekommen. Das ist bisher, rein geopolitisch, noch unser höchsteigenes Problem, mit dem wir uns da herumschlagen, aber schon Sprengstoff genug, wenn man das auf die linke Eskalationsrhetorik der letzten Jahre herunterbricht und sich ausmalt, welche globalpolitischen Folgen das haben könnte.
Ja, wirklich, mir wird es langsam ernsthaft mulmig, darüber nachdenken zu müssen, wie sich eine mehrschichtige Radikalisierung einschleicht, in der etwa die Antifa für sich selbst entscheidet, wen sie zum Nazi stempeln will und wie sie dagegen vorgeht. Das sind keine Hirngespinste mehr, kein Orakeln, da könnte sich eventuell etwas formieren. Nein, wir sind über diesen Punkt mittlerweile hinaus. „Der Kipppunkt ist überschritten.“, würden die Aktivismus-Klimatologen jetzt sagen. Wir sehen gerade, wie sich das „Links“, mit dem ich und andere mittlerweile gebrochen haben, ihre eigenen Wenden stufenweise ausgeführt haben.
Die erste 180-Grad-Wende war natürlich zu Corona. Da hatten wir Alt-Linken erst schon sehr perplex dreingeschaut, als sie sich dem Staat plötzlich anbiederten, ihnen doch bitte, bitte die Freiheiten einzuschränken. Es war wohl ein Träumchen für die bisher heimlich gedachten Fantasien einer neuen, totalitären Zeitenwende mit Current-Thing-Anlässen, die ihnen derart gut in den Kram passten, dass etwa das Vermummungsverbot zur Vermummungspflicht wurde. Wie einfach es gewesen war, ideologisch konträre Demonstrationsanlässe verbieten zu lassen. Wie angestachelt sie in den sozialen Medien klatschten,Schäferhunde auf Demonstranten loszulassen, und in dem Punkt dürfte auch der rote Faden verlaufen, der nun zum Lina E.-Momentum führt.
Und im Moment greifen auch noch andere Aspekte dazu ineinander. Natürlich ist auch der AfD-Hammer einer davon. Dass sie nun in Umfragewerten mit der SPD gleichgezogen hat. Und da wiederhole ich mich noch mal sehr gerne: mir ist die AfD im Grunde scheißegal. Ich werde der Partei in keinster Weise durch Klickzahlen, Abos oder sonstigen Vergünstigungen Vorschub leisten. Schon gar nicht in einem Kreuz an der Wahlurne. Weder das noch im persönlichen Eifer, mich von ihr distanzieren zu müssen, nur um nicht in die öffentliche Gewissensfalle zu treten, ein Nazi zu sein. Ich weiß selbst, was und wer ich bin, dafür brauche ich keine Idioten, die mir etwas aus der Ferne einreden wollen, weil ich etwa ein falsches Wort ausspreche oder vielleicht naiverweise ein Kleidungsstück trage, das sie zu der Annahme verleiten würde, ich wäre so jemand. Denselben Fehler hatte ich in meiner Kindheit schon begangen und weiß, wie sehr man sich zum Affen machen kann, jeden, der Glatze trug, gleich zum Nazi zu stempeln. Das war noch zu Zeiten von Bomberjacken und Springerstiefeln gewesen – heute braucht man nicht mal mehr diese optischen Zurechnungen, da reicht schon ein falsches Wort oder eine entsprechend inhaltliche Zustimmung, ja, vielleicht sogar nur der fadenscheinige Eindruck dazu, weil du nicht dagegen wetterst, und du bist Nazi. Ich sehe die Blauen höchstens als statistische Erhebung über den Stimmungsgrad in der Bevölkerung, und diese 18 % sind nur der Beweis für das Scheitern der Linken, sie loswerden zu wollen. Und ich werde den Teufel tun, sie für ihre Wahlentscheidungen zu verurteilen.
Ich fabuliere hier ja nichts Neues mehr, aber aktuell wird das wieder durch die Newskanonade höchst relevant. In meiner Hirnbubble kommen dazu immer wieder Assoziationen hoch, die ich in meiner Vergangenheit erfahren und selbst vorangetrieben hatte. Die Glatzengeschichte ist eine davon, aber auch Dinge wie meine Zeit in der Antifa war in diesen Zeiten von Bedeutung, weil die zumindest in meinem Dunstkreis keine ideologischen Feldzüge planten oder spontan von Zaun brachen. Wir lebten nur für die Musik und mussten uns nur gegen rechte Feldzüge wehren, wenn es akut wurde. Bei Lina E. und ihr Schlägertrupp hingegen gärte das zuerst, wurde zu einem Plan und schließlich zur Umsetzung dieses Plans. Also nichts, was mit Fahrlässigkeit oder Notwehr zu erklären wäre, sondern planvollem Anwenden von Gewalt.
Was mich zur zweiten 180-Grad-Wende bringt, weil jetzt plötzlich die Bestrafung einer kalkulierten Tat wie dieser in den sozialen Medien den Hass auf das System zurückgebracht hat. Nun ist der Staat nicht mehr das Gute, weil er ja jetzt nicht mehr sein Regime notstandsgesetzeskonform gegen den ideologischen Feind anwendet, sondern wieder gegen sie selbst. Für mich heißt das zwar, dass die alten Rechtsverhältnisse vor Corona einigermaßen wieder angewandt werden, bei der Antifa jedoch ist da eine vom Staat zuvor flankierte, neue Radikalisierung vonstatten gegangen, die in aktivistischen Gefilden des linken Spektrums das Handeln bestärkte.
Da wird jede linke Opferplakatierung letztlich zur Farce. Wer jetzt noch von den Klimaaktivisten oder angeblich rassistisch Beleidigten meint, er würde seinen Status als Opfer aufrecht erhalten können, obwohl er schon längst von der Untätigkeit abgekommen ist und ins Handeln gewechselt ist, sollte sich ernsthaft mal Gedanken darüber machen, ob er/sie/ens noch ganz dicht in der Birne ist. Das gilt übrigens auch für diejenigen, die sich öffentlich wohl kaum an die Seite der Antifa-Feuerschürer stellen würden, sich aber online bequem solidarisch mit ihnen zeigen. In diesem Wendemanöver-Chaos ist dann letztlich das dröhnende Schweigen verräterisch, wenn man Gewalttaten mit Hammer und Chlor entweder wortlos belässt oder gar damit relativiert, dass man da gerade (vermeintlichen) Nazis die Sprunggelenke zertrümmert und die Haut verätzt hat.
Wenn sich Linke und Rechte zum großen Faustgelage treffen wollen, dann soll das so sein. Ich komme aus Zeiten, da war das mehr oder weniger so gang und gebe und auch irgendwie duldbar gewesen. Doch was aktuell in die gesellschaftliche Mitte drängt, weil auch Teile von ihnen das irgendwie gut finden mögen, schlägt dem Fass den Boden aus. Und dazu muss die rechte Ecke noch nicht mal tatkräftig etwas dazu beitragen – in der Ecke ist es sogar verdächtig ruhig geworden. Vielleicht auch, weil man die Linken zu nichts mehr provozieren müsste, damit die sich gesellschaftlich selbst ächten müssten. Die tun das schon in eigenem Antrieb zur Genüge, in der auch die breite Mitte allmählich an ihre schweigenden Toleranzgrenzen stößt.
Aber das setzt sich hierzulande auch nur wieder sehr schleichend durch, wie sich gerade wieder zeigt, weil die öffentlichen Galionsfiguren nicht mehr allzu affine Statements abgeben, was vielleicht endlich zur Selbsthinterfragung der eigenen Moral führen könnte. Das ist aber noch abzuwarten – einerseits wegen der Entwicklungen, die noch folgen, und wie sie sich später dazu äußern werden. Dazwischen wird sich ja gerne zur Ablenkung anderer und sich selbst gegenüber an anderen Reizthemen abgearbeitet – d.h., wenn das Lina E.-Thema für sie nicht so dolle unterstützbar ist, kann man sich schnell wieder in LGBTQ-Aufreger oder sonstigen Wokismus flüchten.
Das sind keine Wenden mehr, sondern Ausweichmanöver, bis das dünne Eis im Ganzen letztlich bricht...
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Holger (Samstag, 03 Juni 2023 12:36)
Die großen Fragen dieser Zeit:
Wie sollte eine überlebenswillige Gesellschaft mit antisozialen kriminellen Gewaltätern umgehen, die von der Regierung gefördert, der Justiz geschont und den Hauptmedien ignoriert wird?
Und wie sollte eine überlebenswillige Gesellschaft mit dieser Regierung, dieser Justiz und diesen Medien umgehen?
Ist unsere Gesellschaft überhaupt noch überlebenswillig?
Vereinzelt zucken Teile der Gesellschaft noch, aber im großen und ganzen würde ich behaupten: sie fängt schon an zu riechen.
Juri Nello (Sonntag, 04 Juni 2023 12:56)
Welche Gesellschaft? In der narzisstischen Gesellschaft gibt es nur Alpha- und Nutztiere.