Bingen macht ja schon Spaß. Nein, nicht die Stadt, sondern „bintschen“ - Serien durchackern. Da mich der Riesenhaufen an neuem Zeug allerdings nur wenig interessiert, sucht man alles nach Sendungen ab, die man schon kennt, die man früher sehr gerne gesehen hat oder die als Lückenfüller für die totale Planlosigkeit herhalten können.
Ich erinnerte mich wieder mal an diese Zeiten, als ich vor ein paar Monaten vor einer „RTL Samstag Nacht“-Best Of-Scheibe stand. Mein Gott, ein Gassenhauer aus meiner Jugendzeit, und die Show war auch immer Gesprächsthema im Freundeskreis gewesen. „Samstag Nacht“ war gesetzt, Pflichttermin, im Timer des Videorekorders eingestellt. Natürlich hatte ich mir das Teil gekauft und war zumindest happy mit dem zusammengeschnittenen Inhalt.
Nun haben ein paar Kanäle gerne mal altes Zeug bei Youtube eingestellt, und niemand kam auf die Idee, auf ihre Sendungsrechte zu pochen. Gut so. „Samstag Nacht“ ist übrigens nicht frei verfügbar, da hat RTL einen Riegel vorgeschoben. Sonst hätte ich mir wohl die Blauscheibe nicht gekauft. Kurz nachgedacht, und man gerät da schnell an die Klassiker des Spaßfernsehens, wo in diesem Fall Hugo Egon Balder die Finger mit drin hatte. Und man landet bei „Genial daneben“, die Sendung, in der Comedians Fragen von Zuschauer beantworten müssen.
Klar, dass man nach der langen Zeit erst wieder reinschaut, um abzuwägen, ob die Sendung heute noch taugt. Ist der Zeitgeist zur Zeit der Erstausstrahlungen noch gültig? Ist es gut gealtert? Ist es noch witzig, wo wir heute doch anderen Humorvoraussetzungen ausgesetzt sind? Sind die Fragen noch interessant?
Ich muss jetzt hier keinen Trommelwirbel einfordern, weil ich die Sendung eben schon seit einigen Wochen binge. Klar, dass man sofort Vergleiche zu heute zieht. Im Grunde ist es keine Sendung, die sich eine besondere Bedeutung im größeren Sinne zuschreibt. Sie ist einfach banal, wie eine lustige Runde beim Scrabble, in der es weniger um Scrabble geht, sondern um das Miteinander. Und wenn Comedians ihren Gehirngulasch in Impro-Manier anwenden, um diese Fragen zu lösen, ist das umso unterhaltsamer. Die Rätselfragen handeln auch nicht von etwas Bedeutsamem, handeln eher von zweideutigen Eigennamen für Fachkundige oder Kurioses aus Geschichte oder Gesellschaft.
Auch spielen die Eigenheiten der Gäste eine Rolle, und da war ich auch gespannt, ob ich damit ein Problem mit manchen Komikern hätte, denen ich in der Corona-Zeit meine Affinität aufkündigte. Oliver Welke wäre da zu nennen. Oliver Kalkofe mit Abstrichen. Muss sagen, dass es mich nicht störte, außer dass ich ihre etwas zynische Einstellung zu deutschen Stereotypen darin schon erkannt haben mag (unabhängig von den Sendungen, durch die sie schon bekannt geworden waren). Da passt es dann doch wie die Faust auf´s Auge, dass Welke heute bei der „heute-show“ den Obermoralisten gibt und und ein ähnlich gepoltes Autorenteam ihm die Besserwisser“gags“ mit politischer Schlagseite serviert. Auch die „heute-show“ hatte ich früher noch gerne geschaut, dass nebenbei. Heute jedoch quillt ihnen die politische Gesinnung aus allen Poren, und mit Corona war dann endgültig Schluss. Kann auch sein, dass ich mich irre oder ich mich völlig geändert habe, aber ich gehe davon aus, dass sich das Format einfach zu seinen Ungunsten verändert hat.
Wenn ich das ein wenig analysieren will, kommt mir noch ein Klassiker in den Sinn - „Ein Herz und eine Seele“. Ja, die Komödie mit einer unheimlich dummen Hausfrau und ihrem unheimlich giftigen Klein-Adolf Tetzlaff. Vordergründig betrachtet eine sehr derbe Altherrensprüche-Komödie, die sich aber von heutigen Formaten darin unterscheidet, dass sie sich auf der zweiten Ebene selbst disst und den Wandel der Zeit der 68er sehr gut wiederspiegelt. Etwa wenn Alfred seinem Schwiegersohn ständig „Sozen“-Sprüche um die Ohren haut und sofort Kontra kriegt.
Bei den heutigen „Staatsfunk“-Formaten ist da nichts mehr mit echter Selbstironie. Die dreschen nur auf andere ein und feiern sich dafür. Dabei sind sie auch nur die Tetzlaffs der Neuzeit, allerdings ohne den „Sozen“-Gegenpart, verfügen also über ein sehr eindimensionales Verständnis von Comedy. Sie sind die Guten, sie sind unantastbar, und alle anderen mit anderer Meinung sind schlecht. Das sind dann die Fronten, auch in der Comedy-Welt, die sich aufgebaut haben - und da reichen die AfD-Vergleiche und der FDP-Diss, um sich selbst zu legitimieren. Höhö, Bernd Höcke, höhö. #Querdeppen - muahahaha!! Fickificki - ROFLLMAO. Darüber lachen sie auch noch beim 498. Mal. Gehirngulasch ist ausgelöffelt.
Wenn man weiß, dass die Bosettis und Welkes und Reinerses im TV den Humorton angeben, dann sucht man auch schnell das Weite. Wer mit dieser Selbstüberschätzung Comedy machen will und auch von dieser Stand-Up-Mechanik insofern davon profitiert, dass nur noch das eher unkritische Publikum brav Beifall spendet (ob sie das wirklich mögen oder nicht, ist dabei egal) und man die eigene Ideologie im Einklang mit der Sendermeinung verkünden kann, hat wohl nur eine begrenzte Zeit lang Mehrwert. Mittlerweile ist die ständige Wiederholung der Haudrauf-Sprüche in seiner Zielgruppenorientierung abgenudelt, und da muss man schon sehr ideologie-affin zu sein, um darin noch etwas Witziges zu sehen. Wer das nicht mehr erträgt, sucht sich eben das Gegengewicht, die Nuhrs und Hatziuses oder Eckarts.
Man müsste schon beide Humorfronten gleichberechtigt schauen, um ein echtes Gleichgewicht zu finden, aber man fühlt sich heute oftmals vor der quälenden Wahl zwischen Pest und Cholera. Eines allein bedient mich nur, wenn ich mich auch ideologisch etwas affiner zeige, und das ist genau das Dilemma, in dem wir alle stecken und wohin wir uns treiben lassen. Es gibt noch Ausreißer, die auch mit Selbstironie und Weitblick arbeiten, die sind aber nicht in der Vormachtsstellung und eher als humoristische Jury zu betrachten, der man zu wenig Bedeutung beimisst.
Wenn es politisch wird, bedeutsam und im staatlichen Ausmaß wertend, ist das so. Ansonsten bleibt heute nur noch die anekdotische Ich-Comedy übrig, die häufig nach dem Schwank-aus-meinem-Leben-Muster funktioniert. Wenn man allerdings kreativ-defizitär veranlagt ist, sind diese Schwanks auch nur einen müden Gluckser wert, sei es inhaltlich, in der Präsentation oder der Hasenfußmentalität, zu der sich gar einstige Hofnarren zu stolz waren. Anderen mag das ausreichen, mich langweilt sowas immer schnell. Und wenn darüber hinaus ein Bielendorfer von „Zellhaufen“ spricht, um sich dann bei der ironiebefreiten Anklage hinter dem Komikeremblem zu verstecken, willst du dich mit solchen auch nicht via Bildschirm anfreunden. Satire und Moral sind eben kein unzerstörbares Schutzschild für faschistoide, völlig ernst gemeinte Ekelsprüche.
Und da wir in solchen Zeiten leben und uns bespaßen lassen, wandere ich lieber in die Vergangenheit aus. Wo man derbe Sprüche noch als Spaß verstand und sofort erkannte, dass die Sprüche klopfende Person sich im selben Atemzug noch selbst runtermacht. Wem es danach dürstet, dem möge ich ans Herz legen, „Genial daneben“ zu schauen. Oder „RTL Samstag Nacht“. „Alles nichts, oder?“. „Ein Herz und eine Seele“. Loriot. Sketch-Up. Nonstop Nonsens. Suchen Sie sich was aus.
Nur wenn Sie über „Blinddarm“ oder „Bernd Höcke“ lachen, sind Sie hier wohl falsch. Dann empfehle ich das nächste Klärwerk, damit das Ambiente stimmt.
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J. Salz (Sonntag, 26 März 2023 06:06)
Stimme dem zum größten Teil zu.
Es fehlt mir aber in der Aufzählung der Gott des politischen Kabarett: Volker Pispers.
Das der in Rente gegangen ist, betrauere ich noch heute.
Benjamin Moses (Sonntag, 26 März 2023 09:09)
Hallo, tja das war damals eben eine andere Zeit. Und das meine ich nicht im guten Sinne.
Bernie (Samstag, 01 April 2023 10:08)
Kann dem auch nur zustimmen und weise auch auf eine andere Beobachtung hin, die ich gemacht habe - wo sind die kritischen Karikaturisten hin? Es scheint, die sind ebenso mausetot wie die Kabarettisten. Oder irre ich da? Ich hoffe es, aber bei den Chef-Karikaturisten Deutschlands fällt mir 2023 die selbe Einseitigkeit auf, die der Blog-Artikel hier richtig beschreibt.
Sollte man dazu nicht auch einmal was schreiben?
Gruß
Bernie
Polemicer (Samstag, 01 April 2023 17:14)
@Bernie
Danke dir sehr für deine Anmerkung. Bei Karikaturisten habe ich jetzt nicht so genau hingeschaut, die Gewichtung ist aber, wie du richtig erwähnst, ähnlich einseitig geworden. Allerdings müsste ich mich damit mehr auseinandersetzen, um einen adäquaten Text zu verfassen.
Bernie (Sonntag, 02 April 2023 15:28)
@Polemicer
Danke für die Antwort.
Schade, aber kannst es dir ja auch mal überlegen - übrigens falls du Material für Opportunisten - auch bei Karikaturisten - suchst hier findest du Beispiele dafür....unglaublich das Bashing dort seit dem Corona-Virus, jetzt gegen Putin und dann gegen Russland - der Humanistische Pressedienst ist aber auch mit Vorsicht zu beachten, trotzdem der Link www.hpd.de.
War selber mal begeisterter Leser, das der Humanistische Pressedienst eine Art Nachdenkseiten für die säkulare Szene darstellt, aber mittlerweile ist der auch zum systemtreuen Opportunistenverein verkommen.
Übrigens, die Karikaturen sind - teilweise - von sehr bekannten Karikaturisten, und sind durchwachsen - manche sind neutral, ich weise hier nur auf die unneutralen hin, die mir wie Kriegspropaganda für den "Wertewesten" vorkommen....die gibt es leider dort auch.....wir befinden uns eben auch in einem "Informationskrieg" und da gilt es, zumindest für mich, generell vorsichtig zu sein - bin neuerdings sogar bei vorgeblich unpolitischen Reiseführern auf Propaganda gestossen....tja, das Buch habe ich hergegeben, aber daraus gelernt man muss sogar hier aufpassen, wer was - mit welcher Motivation - schreibt. Schade eigentlich, da mich das Land und die Leute interessiert haben, aber nicht die Politik darin, die gegen Russen und alles russische ging....war ein Reiseführer über die Ukraine, den ich länger schon nicht mehr gelesen habe, aber diesmal wieder hervorgekrammt habe und lange vor dem Februar 2022 gekauft habe....tja, egal, jetzt ist er weg und ich um eine Lektion in meinem Leben reicher....zurück zu den Karikaturisten, mir ist noch gut in Erinnerung wie man sich damals über Mohammed-Karikaturen aufgeregt hat - dann kam der Anschlag auf Charlie Hebdo in Paris, und alle waren entsetzt, aber machten weiter mit Karikaturen - nur diesmal eben "sozial Schwache" bashend und gegen andere Länder, die dem Wertewesten, in dem wir leben, nicht in den Kram passen.
Wie schon gesagt, auch in interessantes Thema....und wollte nur mal darauf hinweisen bevor das untergeht - auch hier zeigt sich die Doppelmoral unseres "Wertewestens"
Gruß
Bernie
Polemicer (Montag, 03 April 2023 18:34)
@Bernie
Die Idee mit der Thematisierung der Karikaturen finde ich grundsätzlich interessant. Leider habe ich Moment so viel in der Mache (auch etwas Längeres zur Corona-Zeit), dass ich kaum noch hinterher komme. Dazu bin ich ja auch noch beruflich eingebunden, deswegen würde ich mir die Idee erst für später aufheben können. Außer du hättest da was im Petto... ;-)
Bei hpd.de schaue ich rein, lese gleich was von CeMAS und klicke gleich wieder weg. Auch so ein Verein, der mit Extrem-Framing arbeitet und natürlich gleich Telegram pauschal im Visier hat. Das mit der Doppelmoral ist sicherlich mit das Schlimmste, was sich im Moment durch alle Bereiche frisst.