Vielleicht kennen Sie meine früheren Texte noch, oder erinnern sich an schmissige Titel. Wenn ja, dürfte Ihnen der oben gar bekannt vorkommen – ja, den hatte ich fast wortgleich verwendet, um die Situation, vor allem der Kritiker, während Corona ein wenig perspektivisch aufzuzeigen. Darin waren wir eben zu „Schwurblern“ geworden. Die irgendwas daherreden, was wir uns aus den Fingern saugen, und warum es für die ach so Anständigen ein Freibrief gewesen war, uns derart auszuschließen.
Nun kann man meinen Blog noch mal nachlesen, und ich wette, Sie werden folgendes denken: „Könnte man 1:1 auf heute anwenden.“. Ja, das denke ich auch. Sogar Sascha Lobo war darin Thema, mit seinem Wahn nach einem „Phyrrussieg für die Quergläubigen“ - was natürlich aus heutiger Sicht eine feine Eigenwatsche für den kulturellen Aneigner und Kriegsbeilausgräber ist. Davon mal abgesehen, dass er sich seitdem nie wieder zu seinen früheren Ergüssen geäußert hat, holt er einfach die Copy&Paste-Methode seines Schlagwortgewäschs hervor und wirft mit Charakterisierungen seines Feindbildes herum wie andere mit Scheißhaufen im Reinraumlabor. Ich habe – das nur nebenbei – seine textliche Beleidigung (Teil 2) nicht gelesen, werde sie auch nicht verlinken. Man kann sich auch irgendwann diese Selbstbefriedigung der Hassgefühle nicht mehr antun, wenn sie nur noch darauf ausgelegt sind, neue oder aufgewärmte Hetzwortkreationen ins Twittersanatorium zu copypasten.
Das heißt, ich könnte einfach meinen Text von einst ebenfalls im Copy&Paste-Verfahren nach heute kopieren. Die Parallelen sind da, und sie haben in ihrer Aussagekraft nichts eingebüßt. Wozu also wiederkäuen? Man muss Lobos kreative Defizitentwicklung von „Schwurbler“ auf „Friedensschwurbler“ anerkennen. Immerhin. Andererseits: wer wirklich nicht mehr auf der Pfanne hat als „Schwurbler“, „selbstbesoffen“ und „egoistisch“ neu zusammenzustecken, hat wohl den geistigen Horizont von Nullen und Einsen, wenn einem schon bewusst ist, dass Lobo eigentlich mal für IT und Internet zuständig war. Irgendwas mit IT. Vielleicht färbt das ab auf´s Gehirn, wenn die digitale Lobotomie einen IQ von Null-Eins (wohlwollend: Eins-Null) zustande bringt. Binärbirne. Schwarz. Weiß. Null. Eins. Für mehr scheint es nicht mehr zu reichen.
Das einzige, was sich geändert hat, ist die Zeichnung der Gruppierungen. Die neue Friedensbewegung hat nicht nur das verquere Gesicht der angeblichen „Rechtsoffenheit“, auch wenn sie immer noch versuchen, die Kontaktschuld-Schiene zu fahren, die mittlerweile so ausgelutscht ist wie ein fünfzig Jahre alter Lolli. Ja, auch hier ist es reichlich unkreativ, das, was sie nicht sehen und hören wollen, immer mit der Nazi-Karte auszustechen. Und sich dann in ihrer Selbstergriffenheit die Augen ausflennen, wenn der heilige Wlodomir sie in bester Big Brother-Manier auf der Berlinale mit seiner Videoschalte in Übergröße beglückt.
Tja, zu dumm aber auch, dass ich gerade „Schöne neue Welt“ seit langer Zeit mal wieder lese und gerade an der Stelle angelangt bin, wo Bernard Marx sich zur „Solidaritätsmesse“ einfindet, sich Soma einwirft und nur unmotiviert die Hymnen und Phrasen vom Band wiedergibt, die die anderen Teilnehmer dagegen völlig drogentrunken in einen Rausch hineintreibt. Vergleiche zur Berlinale sind rein zufällig – du heiliger Ford, wo denken Sie hin?? Würde der Westen tatsächlich die gehorsame Lenina Crowne anfeuern, Bernard mal so richtig fertigzumachen, obwohl der schon vorher als Außenseiter galt? Ist auch heute schon zu viel Alkohol ins Blutsurrogat der „Querdenker“ gelangt?
Na ja, wir haben ja noch Lobo, der mit drei Gramm Soma im Binärgehirn die eingehämmerten Phrasen selbstberauscht wiedergeben kann: „Schwurbler, Schwurbler, Friedensschwurbler! An der Folterbank bin ich der Kurbler! Waffen, Waffen, Friedenswaffen! Weil sie uns den Frieden schaffen!“
Tränen.
Rauschgefühle.
Umarmungen der völligen Ergriffenheit.
Für unsere Propheten: Bill, Ugur, Wlodomir.
Der sektenhafte Solidaritätsreigen nimmt allmählich groteske Züge an, gefährlich wie belustigend. Es kommt dann wohl nicht von ungefähr, wenn mir der Leitspruch „Slava Ukraini“ wie „Slave to the Ukraine“ vorkommt. Nicht nur phonisch ähnlich, sondern auch in der Verhaltensstruktur, passend zur Heldenzeichnung und dieser unerklärlichen Unterwürfigkeit. Sehen so selbstbestimmte Menschen aus? Na, sicher nicht.
Andersrum läuft es derweilen so wie einstudiert. Halb Twitter kriegt sich nicht mehr ein, dass man jetzt für Frieden demonstrieren will. Man fühlt sich, um bei Copy&Paste zu bleiben, absolut deckungsgleich zum Corona-Diskurs zurück erinnert, mittlerweile glaubt man sogar an die Hufeisentheorie – von links und rechts in die Zange genommen. Aber, ja mein Gott – selbst schuld. Wer so eine enge Denkweise pflegt, muss sich nicht wundern, wenn man plötzlich nicht mehr so breit aufgestellt ist und von anderen Meinungen eingekesselt wird. Und es bestätigt sich ein weiteres Mal, dass die größten Hetzer keinerlei Schuldbewusstsein haben. Bleibt alles beim Alten, samt auswendig gelernter Etikettierung. Der Opportunismus hat noch so viel zu bieten, man muss ja in Stimmung bleiben – und zum Mastdarm sind sie ja auch nicht abgewandert. Sie haben sich lediglich ihre Profilnamen damit erweitert, es ist so etwas wie das Telegram der Gefügigen, die sich aber dadurch entlarven, dass sie nicht wirklich weg wollen. Aufmerksamkeitsdefizite und so.
Allerdings war es auch da wieder sehr heiße Luft, die da hinaus geblasen wurde. Fast alle noch da im Zwitscherzimmer, weil beim Urviech mit Gedärmenamen wohl nichts los zu sein scheint. Und es sind natürlich immer dieselben, die denselben, simpel gestrickten Stuss in Ad Hominem-Manier von sich geben. Soll mich/uns das jetzt völlig fertigmachen, zum Flennen bringen, uns zur devoten Haltung bewegen? Haha, wer´s glaubt.
Ich verfolge das ja ständig, bis mir die Hetzwellen irgendwann zu blöd werden. Schnell klicke und wische ich dann Twitter weg, für ein wenig geistige Auszeit, aber mittlerweile nicht mehr aus Angst vor deren Deutungshoheit oder weil ich mich angeblich der Realität (ihre, nicht meine) nicht stellen wolle. Die Gewichtung ist nicht mehr so eindeutig, und die letzten drei Jahre haben mir quasi jedes Bedenken, mich plötzlich als Schwurbler oder Nazi zu sehen und dazu noch irgendwie schuldig zu fühlen, genommen. Es zieht nicht mehr, es trifft nicht mehr.
Am gestrigen Samstag sind dann noch zwei Dinge passiert, die mich selbstbewusst stimmen. Dass ich mich so viel mit diesen Lagern beschäftigte, erwähne ich meiner besseren Hälfte gegenüber ab und zu mal. Sie nimmt das in der Regel nur zur Kenntnis und will sich ein eigenes Bild machen, oder es interessiert sie schlicht nicht. Find ich okay soweit. Doch nachmittags spricht sie mich an, als sie in ihren Facebook-Gruppen unterwegs ist und sagt: „Weißt du, was mir aufgefallen ist? Dass die Impffans irgendwie jetzt auch voll für die Ukraine sind.“
„Cool“, dachte ich erfreut. „Sie bemerkt es auch ohne mich.“
Ich versuche ihr noch grob meine Einschätzung zu erläutern, erwähne einiges, was ich oben und damals in meinem Text schon erläutert habe. Opportunismus, sektenhaft, Schlagwort-verseucht, bequeme Etiketten – all das. Sie wirkt nachdenklich. Scheint für sie logisch zu klingen. Dann werfe ich ihr noch eine Anekdote vom Morgen hinterher. Ich wollte zum Bäcker, und an der Türschwelle stand auch eine junge Frau. Zuerst dachte ich, sie wollte eigentlich nur eine Blinde hinaustreten lassen, die sich gerade hindurch tastete, doch als die weg war, blieb die junge Frau immer noch stehen. Ich fragte mich, was ihr Problem ist, also trat ich vor ihr ein. Umgehend schwätzte sie mich an: „Da ist aber sehr voll drin!“. Ein kurzer Blick von mir – drei Kunden standen darin. Ich zuckte nur mit den Achseln und entgegnete kurz: „Na, und?“
Tja. Corona wirkt nach. Also die Maßnahmen. Mich wunderte, dass die Frau ohne Maske eintrat, aber sie hatte offenkundig Skrupel, einen Laden zu betreten, in dem mehr als drei Menschen am Tresen ihre Brötchen bestellen. Man muss noch die Location etwas breiter einfassen: der Bäcker befindet sich in der Mannheimer Schwetzingerstadt – was man durchaus mit Prenzlauer Berg vergleichen kann, Altbauromantik für die "Bildungs"bürger. Da wohnen gerne solche jungen Leute, die völlig drin sind im Maßnahmenquatsch und das jetzt gar immer noch hochhalten. Am liebsten hätte ich sie noch gefragt, ob sie denn nicht Maske tragen wolle oder wie sie zu den Themen Krieg, Klima und sonstigen Krisen stünde. Aber nein – wahrscheinlich würde sie auch nur das bestätigen, was ich vermute. Und dass nur wenige Minuten Gespräch hässliche Auswüchse haben könnte, da reichte mir ihr abschätziger Blick auf mich, den ich aus dem Augenwinkel sehen konnte, als sie danach neben mir im Laden stand und ihre Waren bestellte.
Wer weiß, was mit den neuen Krisen hängen bleiben wird. Jedenfalls genau dieselben, billigen Methoden, noch mehr Spaltung, noch mehr Zynismus, noch mehr Moralismus, schlicht noch mehr von allem, was das Leben hier in letzter Zeit so anstrengend macht. Mal schauen, was im Krieg so läuft. Irgendwann wird auch der uninteressant werden, und dann muss ja wieder was Neues her. Und dann sind Lobo und seine Gates-Gazette wieder voll im Saft. Und ich kann meinen Text auch wieder einfach rüberkopieren wie er das ja selbst ständig tut. Also warten wir einfach ab – er wird irgendwann „Klimaschwurbler“ schreiben. Oder „Temposchwurbler“. „Flüchtlingsschwurbler“. Das kann er ja mittlerweile.
Nachtrag:
Ich trauere um Clemens Arvay. Ich mag das jetzt jedoch nicht in die Debatte schmeißen, weil man im ersten Gedankengang vielleicht den Fall Kellermayr wieder hervorkramen könnte. Mir geht das nur besonders nahe, weil Arvay daran „schuld“ war, dass ich die mRNA-Therapie verweigerte. Und das vor allem durch einen Link zur eigenen Studie von Biontech zu ihrer langjährigen Krebstherapieforschung, die genau das beschreibt, was wir nun bezeugen können: dass die Entzündungsexplosion im Körper zu weitreichenden Folgen führen kann. Also sich darauf bezog, was Biontech selbst herausfand und es doch durch die Krisensituation verheimlicht wurde. Man hätte sich darauf berufen müssen, wenn man nur annähernd anständig und ehrlich gewesen wäre. Was ich getan habe – was ignoriert und diffamiert wurde.
Seine Auftritte im Web und bei TV-Sendungen hatte ich etwas zwiegespalten in Erinnerung. Sein Suizid ist aber ein fehlender Baustein im Verständnis der inneren Zerrissenheit, in der er sich befunden haben musste. Sein Edit War mit Wikipedia gab ihn noch kämpferisch wieder, die Diffamierungen gegen ihn waren unter aller Sau. Dass er plötzlich abtauchte, war wohl ein Verarbeitungsprozess, der für ihn in die falsche Richtung führte. Und wie bei jeder mehr oder weniger auffällig angreifbaren Person müsste man wirklich ergründen, ob die Krisenzeit und der Umgang damit diese Entscheidung maßgeblich beeinflusst hatte.
Ruhe in Frieden.
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Holgi (Samstag, 04 März 2023 07:18)
Sascha Lobo, ja, muss man wohl kennen. Oder besser: Auch wenn man nur Überschriften liest (wie ich meistens), lernt man ihn zwangsweise kennen.
Imposant ist, welche Meinungsmache die ganzen Lobos im Stande sind durchzudrücken.
Polemicer (Samstag, 04 März 2023 09:45)
@Holgi
Beim Spiegel kannst du die meisten genau dem zuordnen. Und das nicht nur in den Kolumnen.