"Wenn du das Bedürfnis nach Kräftigung empfindest - ziehe dich zurück von der Welt." - Henry David Thoreau
Wir sind aus dem Urlaub zurück. Leider. Muss man leider so sagen, denn von den Eindrücken im Kopf, die unser Gastgeberland der Ferienflucht 2022 so zu bieten hatten, bin ich so angetan, dass ich nur mit innerem Widerwillen die Rückkehr nach Hause antreten wollte. Man kann den Franzosen vieles nachsagen, aber habe ich schon die zwei Urlaube zuvor (2017 und 2018) erfahren dürfen, dass einige Klischees über unsere EU-Nachbarn in vielerlei Hinsicht nicht (mehr) wahr sind.
Auch das Klischee über deren Landessprachenprotektionismus kann man nun getrost in die Tonne kloppen. Ich habe zwar versucht, meine verstaubten Französisch-Kenntnisse wieder aus dem Schrank zu kramen, was im Ansatz sogar funktionierte, aber wenn die jeweiligen Leute merkten, dass ich Ausländer bin und so sehr mit der Sprache haderte, switchten manche gar automatisch auf Englisch um. Cool. Danke. Merci beaucoup. Also war da nichts mit „die Franzosen haben keinen Bock, eine andere Sprache zu sprechen“.
Nun hatte ich auch umgehend am Tag der Rückkehr den direkten Vergleich parat, weil wir Hunger hatten und irgendein Restaurant aufsuchten, weil unser Stammitaliener noch halb in Betriebsferien war und erst einen Tag später öffnen sollte. Also landeten wir im Brauhaus, weil sie mal wieder Lust auf deutsche Küche hatte. Das Brauhaus, das quasi ein Anbau der Eichbaum-Brauerei ist, ist so etwas wie ein Statussymbol in Mannheim, mit der lokalen Brauerei im Hinterhof und dem großzügigen Außenbereich herrscht dort oft reges Gästetreiben. Zudem war am Donnerstag Schnitzeltag – die Hütte war natürlich voll.
Bisher war ich ein Mal dort essen gewesen und hatte nur wechselhafte Erinnerungen an den Ort. Schnitzel mit pampiger Panade und Pommes aus der Großhandelspipeline gingen an dem Tag zu hunderten über den Tresen, und die „Monnemer“ ließen sich natürlich die Gelegenheit zu einem XXL-Fleischlappen für 7 Euro nicht entgehen.
Wir also dort angekommen und waren doch ein wenig über die rege Geschäftigkeit überrascht, und die Bedienungen wuselten mit Bergen von Tellern um uns herum. Ein Wuseltyp hatte ein „Hallo.“ für uns übrig, alle anderen hatten einen Blick drauf, der dich nicht willkommen hieß. Die hätten wohl gerne, dass man Geld verdienen kann - ohne die lästigen Gäste. Niemand begrüßte einen, wies zu keinem Tisch. Das war reinste Großkantinen-Atmosphäre, wo aus der Küche Geklirre und Geschepper das Ambiente im Innenbereich dominierte. Heimelig fühlt sich anders an, auch wenn das Mobiliar ansprechend ist und man sich mit der Wanddeko etwas Mühe gegeben hatte.
Die Bestellung selbst lief normal ab und das Essen war auch in Nullkommanichts serviert, aber schmiss man uns das Essen regelrecht vor die Füße. Der Teller knallte lautstark gegen das Tischholz. Da. Erstick dran. Wir schauten uns an. Boah. Klar: wir waren verwöhnt. In Frankreich ein anderes Bild, da saßen wir etwa eines Abends im „Le Salon“ in Carquairanne, wurden standesgemäß begrüßt und von der Hausdame mit der Kreidetafel im Anschlag über die täglichen Gerichte informiert. Trotz der Kommunikationsschwierigkeiten ging das angenehm vonstatten, sie hatte jeden Moment ein breites Lächeln für uns übrig. Im Brauhaus dagegen die ultimative Geringschätzung. Wenn du schon so dreist bist, hier einzukehren, dann friss, zahl und geh schnell wieder...
Natürlich ist das französische Gegenbeispiel ein auffällig besonderes, weil wir in anderen Restaurants so bedient wurden, wie man es allgemein hin kennt. Nur war eben dieser Mentalitätsunterschied deutlich geworden – die Franzosen hatten einfach Bock auf ihre Gäste, egal, wo wir einkehrten. Zurück in Deutschland hingegen wird man mit der Stoffeligkeit „begrüßt“, wegen der man aus dem Land flüchtet.
Zusätzlich begrüßt dich die Politik pünktlich zu unserer Rückkehr mit der Neuauflage des Infektionsschutzgesetzes. Das große Kotzen breitete sich in mir aus, auch wenn es in gewissem Maße keine Überraschung war. Die FDP zog es vor, den Betriebsfrieden innerhalb der Ampel zu sichern statt ihren großmäuligen Ankündigungen Taten folgen zu lassen, und dafür zog sie nicht nur bei mir Verachtung auf sich. Sie war wie häufig das Zünglein an der Waage, und ihr war es wichtiger, in der Regierungsblase die Wogen zu glätten, statt auf das Volk zu schauen. Gut. Wir haben verstanden. Wir kümmern euch einen Dreck, dann beschwert euch nicht über den heißen Herbst.
Ich baue nur noch auf eine Weit- und Umsicht, die im Ausland endlich wieder in die Normalität führen dürfte, während wir hier aller Voraussicht nach den bisherigen Irrsinn einfach so weitermachen wie sonst. Wenn die Nachbarn in der EU dann in der Herbst- und Winterwelle keine oder nur zielgerichtete und kurzzeitige Maßnahmen ergreifen und wir das flächendeckend ob der wachsweichen Beschlüsse mit Option auf den gesamten Instrumentenkasten wieder einführen, dann freue ich mich schon auf die Reaktionen. Weil vieles darauf hindeutet, dass der Standarddeutsche es nicht aushalten kann, wenn man von allen Seiten beäugt und belächelt wird – egal, wie narzisstisch oder perfektionistisch er veranlagt ist. Dann werden sich die Twitterblasen wieder die Diagramme und Inzidenzen um die Ohren hauen und wir bewegen uns nur durch Schubsen wieder einen Schritt in die richtige Richtung, den andere in der EU schon lange hinter sich haben.
Man würde ja hoffen, dass Lauterbach als Leitfigur in diesem kranken Spiel irgendwann eine Grenze erreicht, die das ganze Kartenhaus zum Einsturz bringt. Doch da gibt es zu viele Helfershelfer, die das wackelige Gerüst aufrecht erhalten – und das von einer ganzen Reihe anderer Stümper, die mit Schlotterknien auf den Herbst starren und dazu noch Abnahmegarantien an Big Pharma und ihre eigene Ekelmoral zu erfüllen haben. Bei jeder Gelegenheit linste ich in Straßenbahnen und Busse, wo die Masken immer noch Pflicht sind und ein Großteil die auch trug – in Paris als Vergleich dagegen nur noch ein paar wenige, die die Dinger teils noch nicht mal richtig aufgesetzt hatten. Ansonsten wieder angenehm vollständige Gesichter, in die man blicken konnte. Eine andere Welt mit letzten Überresten, die sich von Macron haben „nerven“ („emmerder“) lassen.
Schließlich rundete noch das Wetter die exklusiv deutsche Griesgrämigkeit ab. Es schüttete wie aus Eimern, zeitweise, dann kurze Sonnenabschnitte, bis die nächste Wolkenwelle heftige Gewitter anbrachte. Wie passend, nach Deutschland zurückzukehren und gleich dieses Schietwetter vorgesetzt zu bekommen, während in Frankreich der Wettergott häufig genug ein Nachsehen hatte, auch wenn wir dort auch mal in einen Schauer gerieten oder der uns von Ausflügen fernhielt.
Back to normal, hieß also die Devise – Schietwetter, Schietpolitilk, Schietmentalität, gleich alles komprimiert uns auf den Tisch geknallt wie das Schnitzel XXL, oder besser Schietschnitzel XXL. Vielleicht war der Urlaub nicht der beste und ereignisreichste in den letzten Jahren, aber der nötigste bisher. Ich hatte wirklich lange gebraucht, um mein Standgas an Aufregung wieder zu entgiften. Dann kommt man heim, wenn man sich mal ein wenig regeneriert hat, bekommt den Mist im großen Packen vor den Latz geknallt und könnte schon wieder ausflippen. Vielleicht schaffe ich es dieses Mal doch, mich von dem Irrsinn zu entkoppeln und einfach mein Ding durchzuziehen. Obwohl mir bewusst ist, dass man so etwas alleine nur schwer stemmen kann. Irgendwie hoffe ich ja doch, dass die Leute jetzt mal wirklich, ganz ernsthaft die Schnauze voll haben und die EU-Nachbarn uns derart vorführen, dass es die hiesigen Gemüter noch weiter hochkocht.
Denn nur so wird das ganze Theater irgendwann mal doch zu einem Schlussakt finden, statt immer nur dieselben Effekte hervorzaubern zu wollen. Weil ich mit meiner Kraft einfach am Ende bin und das kaum noch ertrage, ohne mit jedem Aufreger in der Magengrube die Implosion zu provozieren.
Ich mach ja viel Blödsinn mit, aber irgendwann ist auch mal Schluss.
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Holger (Samstag, 10 September 2022 12:24)
Der Auslandsaufenthalt scheint ja echt angenehm gewesen zu sein. Gut so!
"Schließlich rundete noch das Wetter die exklusiv deutsche Griesgrämigkeit ab."
"Wie passend, nach Deutschland zurückzukehren und gleich dieses Schietwetter vorgesetzt zu bekommen"
Klingt das vielleicht ein bischen nach "deutscher Griesgram"? ;o)
Nach der relativ langen Trockenheit und dem ständigen medialen Dauerfeuer, daß wir alle qualvoll in der Dürrehölle verbrennen müssen, empfinde ich Schietwetter nicht mehr als Schietwetter. Zumal die mediale Endlosschleife eher an die Nudelung von Mastgänsen erinnert, und das eigene Empfinden doch ein wenig davon abweicht. Zumindest als Hundebesitzer auf dem Land (Mittelfranken).
Bereits im April legten die Walderdbeeren ordentlich los. Da ich manchmal dem Hund (Labrador) ein paar Hände voll von den süßen Dingern sammelte, kam er auch bald auf die Idee, selbst mit der Nase danach zu stöbern. Klingt wie ein Trüffelschwein. Ernte satt.
Dann fingen die Himbeeren an um Aufmerksamkeit zu buhlen. Manche etwas kleiner, aber teilweise Daumennagel groß. Dicht gefolgt von den Blaubeeren. Auch hier fand ein Abwehrkrieg durch den Hund statt. Ebenfalls Ernte satt.
Die Brombeeren hatten sowohl gute als auch schlechte Momente. Zuerst viel und prall. Zuletzt tatsächlich eher mickerig trocken. Aber kein Grund zur Sorge. Mehr Sorgen bereitet mir, daß der Hund sich nochmal einen Dorn im Auge einfangen könnte. Aber dann läßt man ihn einfach nicht an die Büsche ran.
Etwas verwundert hatte mich dann die Erzählung einer Kollegin, daß es dieses Jahr fast keine Beeren (Himbeeren, Blaubeeren, Brombeeren) für Eisdielen zu kaufen geben sollte. (War auch so eine Meldung in den Medien) Schließlich wuchs das Zeug an Feld- und Waldwegen überreichlich.
Manche Apfelbäume stehen ohne Früchte da, andere wiederum sind übervoll. Die Äpfel im Garten unseres Vermieters erreichen teilweise Kindskopfgröße.
Nach dem ersten größeren Regenschauer (wohl etwa Deckungsgleich mit deiner Heimkehr) wird der Rasen hinter dem Haus und die Wiesen auf den Gassistrecken auch wieder grün.
Also: Schietwetter ist auch Leben.
Ich weiß ja auch nicht, was man gegen die Bräsigkeit der Masse der Deutschen tun kann. Geholfen haben meiner Frau und mir aber die vielen Ausflüge mit dem Hund in die Natur. Rauskommen. Sauerstoff tanken. Naturgeräusche statt Medienbeschallung. Sich sorgen wenn der Hund krank ist. Froh sein, wenn der Hund wieder gesund ist. Sehen wie die Natur wieder auflebt. Sehen wie die Natur wieder in den Winterschlaf geht. Dann wieder sehen, wie die Natur wieder auflebt.
Neue Gassistrecken ausprobieren. In einen bisher unbekannten Wald fahren und die dortigen Waldwege erkunden. Im Herbst mit einem Pilzbuch durch die Wälder streunen. Schauen was man davon essen könnte, oder was generell so dort wächst. Ratgeber über essbare Wildpflanzen durchschmökern und dann einfach mal ausprobieren. (Springkrautsaat ist lecker, die Ausbeute aber eher mau.)
Dabei nur Zeit mit Lebewesen verbringen, die man mag. Den Kreislauf des Lebens bewußt erleben. Sich über die Freude des Hundes freuen, wenn der Hund ein Wasserloch zum baden findet. Sehen wie die Frau sich entspannt. Apfelbäume entdecken und in einer Hundekottüte genug für einen Apfelkuchen mit heim nehmen. Stundenlang ohne zu denken drei kleine Eimerchen mit Blaubeeren oder Brombeeren vollpflücken. Marmelade daraus kochen. Erkennen, daß man etwas sinnvolles getan hat. Einfach nur mal dastehen und mit leerem Kopf in die Wolken starren. Ohne Zeitdruck. Durchatmen. Hmmmmmmm...
Die Tierheime suchen eigentlich immer freiwillige Gassigänger die gelegentlich mit den Hunden spazieren gehen und ihnen etwas Auslauf verschaffen. Man tut etwas sinnvolles (Ansichtssache). Die Leute in den Tierheimen sind dankbar (meistens). Und das Beste daran: Hunde sind keine Menschen.
Vielleicht solltest du es mal ausprobieren.
Ansonsten: Willkommen zurück.
Polemicer (Montag, 12 September 2022 10:04)
@Holger
"Klingt das vielleicht ein bischen nach "deutscher Griesgram"? ;o)"
In Zügen vielleicht, und meine Texte mögen das auch teils so darstellen, aber mir sagte mal ein Kollege, ich wäre so hoffnungslos optimistisch und warum ich denn so wenig misstrauisch wäre �
Jana (Dienstag, 13 September 2022 14:32)
Deine Frankreich Beschreibung klingt so schön, das hätte ich im Elsaß auch gerne diesen Sommer erlebt. Stattdessen wurden wir nach 1 1/2 Stunden Wartezeit nicht bedient, eine weitere Sprache wie Französisch war nicht erwünscht, sodass wir hungrig wieder von dannen zogen. Das selbe habe ich schon vor vielen Jahren in der Normandie erlebt... sodass ich arg unter einem französischen Bräsigkeits déjà vu litt. Während wir auf der deutschen Rheinseite sehr freundlich behandelt wurden.
Aber ich weiß, das geht auch anders, in der Bretagne spricht man sogar englisch und ist freundlich zu uns Deutschen :-) Schade das die soweit weg ist... Du siehst, zwei Urlaube, völlig verschiedene Erlebnisse. Aber vll. ist das Elsaß zu nah an Deutschland dran, um französische Gastfreundschaft zu erleben und der deutsche Griesgrammief zieht bis in die Vogesen...
Polemicer (Mittwoch, 14 September 2022 07:48)
@Jana
Danke, dass du dein Erlebnis schilderst. Im Elsass haben wir auch solche Erfahrungen gemacht, und sicherlich sind meine Ausführungen nicht auf alle zutreffend, vielleicht sogar verzerrt.
Wenn du Zeit und Lust hast, kannst unseren diesjährigen Ausflug über die Grenze hier nachlesen (da erwähne ich auch kurz das Verhalten dort) :
https://polemica-blog.jimdofree.com/2022/04/18/frieden-freiheit-flammkuchen/