Leuchtet denn da ein Schimmer der Hoffnung, dass die Linke mal wieder zu ihren Wurzeln zurückfindet? Plötzlich wird dort auch von einem „heißen Herbst“ gesprochen – Anlass egal. Wie die Motivation zustande kommt, auf die Straße gehen zu wollen und einen gepflegten Wutwinter/Mutwinter zu kredenzen, um diesen zahlreichen Ungerechtigkeiten auf den Zahn zu fühlen, kann nur etwas Gutes bedeuten. So ganz allmählich breitet sich etwas aus, was dieser Ampel zumindest von unten her ordentlich Feuer unter dem Hintern machen könnte.
Ich hoffe nur, das sind keine leeren Worte mehr, denn mittlerweile kann man die unmittelbaren Probleme und Undinge, die uns da übel mitspielen, gar nicht mehr an zwei Händen abzählen. Die Ampel schafft es ganz wunderbar, wirklich jeder Gesellschaftsschicht auf die Füße zu treten – außer einer bestimmten Richtung, und die hofiert sie und überhäuft sie mit Geschenken. Und da wittert man den Goldtopf am Ende des Regenbogens. Immer mehr beschleicht einen das Gefühl, „die da oben“ müssen oder wollen uns die Früchte ihres Totalversagens aufbürsten, weil sie mit zwei linken Händen versuchen, einen Nagel in die Wand zu schlagen, verfehlen aber ständig das Ziel, dass wir heute ein riesiges Loch in der Wand bestaunen dürfen. Jetzt sollen wir das reparieren, ohne Bezahlung – ganz im Gegenteil, sie verlangen auch noch was dafür. Dreist, dreister, Ampel.
Wenn die Linke mal standhaft bliebe und sich nicht mehr den Establishment so kotzig anbiedern würde, könnte sie tatsächlich wieder eine ernstzunehmende Alternative werden. Doch erst müsste sie sich von dem woken Ballast befreien, der die Partei noch durchzieht. Sie sollte sich ihrer Kernklientel zurückbesinnen, der Arbeiterschaft, der sie mal nahe gestanden hatte. Eine Copy/Paste-Programmatik zu den Grünen braucht niemand mehr, und ja, okay, ein schöner Tag macht noch keinen Sommer. Aber man darf ja noch hoffen, dass die Transhuldigenden*innen bald zu Grün wechseln.
Man muss sich allerdings mal etwas breitflächiger umschauen. Alles, was sozialpolitisch momentan so läuft, ist in der Menge sprengstoffverdächtig. Und Deutschland macht jetzt nicht in bei Corona auf Alleingang, sondern auch in der Hypermoral gegen Putin, verzettelt sich nicht nur ein-, sondern mehrmals in Entscheidungen und zahlt jetzt tatsächlich den „hohen Preis“, den Baerbock noch im Februar angekündigt hatte. Immerhin hat sie Wort gehalten. Was sie sich davon versprechen, kann ich mir nur so erklären, dass sie ihre eigenen Umsturzpläne, ihre eigene Abscheu gegenüber dem Land, das sie jetzt mitregieren, nun in Taten gießen. Jetzt, wo sie es können, machen sie den großen Reibach.
Nicht, dass ich selbst jetzt plötzlich mein Land verteidigen will, weil ich selbst ein Problem mit der germanischen Mentalität habe. Aber ich muss ja irgendwie darin zurechtkommen, wenn ich nicht mit dem unbändigen Willen gesegnet bin, die Beine in die Hand zu nehmen und diesem scheiß Land „Adieu“ oder „Ciao“ oder anders „du kannst mich mal“ zuzurufen. Wer weiß, vielleicht liefert mir die Ampel ja nun die letzten Gründe, bald zu verschwinden. Meine Partnerin und ich reden in letzter Zeit häufiger darüber, aber das ist jetzt eher Kopfkino, das letztlich an der Bequemlichkeit und dem Ist-Zustand scheitert, weil es uns wohl noch nicht scheiße genug geht. Aber: Winter is coming. Wenn man nun die ganzen Preissteigerungen sieht, die wiederum Deutschland übereifrig und sehr exklusiv vorantreibt (und noch einen Batzen draufpackt), dann willst du deinerseits fast schon den Umsturz planen und diese Nichtskönner und verlogenen Pseudomoralisten in grün (+ roten Sprenkeln) zum Teufel jagen. Einfach nur, weil sie einen nicht in Ruhe leben lassen und dafür noch Geld verlangen.
Ja, meine Aversion gegen sie bricht gerade reihum Rekorde auf der Richterskala, und ich entwickle eine Wut auf diese gepamperten Überlebenskünstler, die Politik, würden sie nicht ihre Ideologie noch so offen darlegen, wie einen Spielplatz betrachten, wo ADHS-Kinder die anderen ständig piesacken und mächtig nerven. In einer gewissen Abstrahierung wirkt es bei ihnen so, als würden sie immer noch im Larifari-Modus während der Unizeit laufen, wo man nur Dienst nach Vorschrift macht, schlurfig von der Mensa zum Safe Space-Raum trottet und gleichzeitig die eigenen Interessen dem Pflichtablauf aufbürdet, was nichts weiteres als egomanische Selbstumgestaltung von Etabliertem bedeutet. Mischen sozusagen den Laden auf, weil sie Bock drauf haben.
Das einzige, was sie interessiert, ist Klima und Queer. Das eine als Totschlagargument gegen jedes lästige Realthema, das andere als Randerscheinung mit und durch Randgruppen, die man zur großen Sache aufpustet. Dass man sie nicht diskriminieren soll – das gebietet schon der Anstand. Aber dass sie jetzt eine öffentliche Präsenz verlangen, kann ich nur mit einem krankhaften Geltungsbedürfnis verbinden. Die Fassade dazu ist ein Provinzschauspiel von Menschlichkeit und Anteilnahme. Und ständiges Opfergehabe und die Dämonisierung ihrer ideologischen Feinde, die man nicht mal als Feind betrachten müsste, würden sie nicht ständig versuchen, alles um sich herum zu vereinfachen, um sich selbst als komplexeres Wesen aufzuwerten. Ist es wirklich so? Nun, versuchen Sie mal einen Streit unter diesen Aspekten auszufechten, dann werden Sie schnell merken, dass sie bezüglich vieles nicht immer einfach und zu differenzieren ist. Bei Ihnen wird aber schnell die Pauschalkeule geschwungen, weil Sie angeblich so simpel gestrickt sind. Cis, rechts, Hetzer – geht schnell, und man muss die Attribute nur streifen, um verdächtig zu sein.
Häufig schlägt das über in das übliche Gezeter zwischen den Generationen. Für mich sind sie aber diese Generation... nun, wie nenne ich sie denn jetzt? Generation X, Y, Z – das kennen wir alles schon, aber es beschreibt in keinster Weise den Zustand einer Generation, wie sie sich wesentlich gibt, welche Verhaltensmuster gehäuft auftreten. Ich bin immer vorsichtig, von „infantil“ zu reden, weil ich das teils selbst noch bin. Ein bisschen Kind zu sein hat noch niemandem geschadet, vor allem in Zeiten wie diesen, wo es fast schon notwendig ist, das mit einem Teil kindlicher Naivität auszublenden, bevor man jede Krise in sich aufsaugt und wegen Materialermüdung zusammenbricht. Diese Generation ist jedoch anders, weitaus verträumter und idealistischer, aber auch anspruchsvoller denn je, die Brut des Helikoptertums. Sie könnten Kunstfiguren sein und dann wiederum nur der Schauspielcharakter dahinter, die nach 20 Jahren „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ als reale Person mehr von ihrem Rollentypus vorleben als sie selbst zu sein.
Wenn sie mal drin sind im Medienzirkus, wenn Blitzlicht und das Über-sie-reden zum Alltag gehört und sie denken, das sei mehr Voraussetzung als die Arbeit selbst, kann man sich aufführen wie der letzte Heuler und sich irgendwie im Gespräch halten. Das gilt gleichermaßen für die Schauspielerei wie die Politik, und irgendwo haben beide Berufe auch essentielle Gemeinsamkeiten. Der Todesstoß für beide ist einzig, sie zu ignorieren. Und deswegen sind gewisse Allüren oftmals eine gefährliche Gratwanderung. Der Zirkus und die Konsumenten müssen mindestens noch einen Unterhaltungswert davon haben, egal, ob sie hinter den Kulissen ihre Assistenzen anschnauzen, weil die falschen Blumen auf dem Tisch stehen. Dem Konsumenten ist es egal, ob die Crew unter den Allüren leidet, Hauptsache der Star auf der Bühne kann mit Glamour punkten und das Publikum irgendwie beglücken.
In der Politik ist das noch weit einfacher zu handhaben. Da braucht es nicht mal so viel Schauspielunterricht oder gar eine erbrachte physische Leistung, die jeder sieht. Es reicht ihnen der genannte Aufkleber mit einer Tätigkeitsbeschreibung. „Hello, i´m Emilia, politician“ etwa. Namensschild als Kompetenzlabelling, und damit sei dann alles abgegolten. Emilia ist bisher nur damit aufgefallen, ihre Vorstellungen einer besseren Welt verkünden zu dürfen und eben ihre erbärmlichen Bühnenshowimitationen ungehindert in die Welt zu senden, dazu viele einstudierte Gesichtsausdrücke. Da ist alles dabei: von irre bis völlig irre. Das alles wäre in Augen vieler nicht so schlimm, wenn man dahinter zumindest Selbstironie erkennen könnte, sich ein wenig angreifbar machen würde. Aber die meint das ernst. Und so labelt sich eine ganze Truppe von Ideologen als eben jene Klimaretter und Sonderlinge, die auf ihrem imaginären, roten Teppich stehen und auf den Extraapplaus warten.
Schließlich gibt es noch einen riesigen Unterschied zwischen Schauspiel und Politik. Erstes ist kaum in der Ausdrucksform limitiert und kann auch im realen Leben dazu dienen, Menschen für sich zu gewinnen, ohne die Folgen beachten zu müssen. Man darf nur gewisse Grenzen nicht überschreiten. Politik ist hingegen gnadenlos und immer noch an Leistungen und Entscheidungen gekoppelt, die sofort den Promifaktor beeinflussen. Früher musste man bisher nicht viel angestellt haben, um aus dem Amt gejagt zu werden – heute verspricht jede zwielichtige Figur im Politzirkus Unterhaltung und ein fast schon schmerzhaftes Toleranzniveau Gleichgesinnter. Doch da draußen, auf den Plätzen der Republik, weht ihnen ein anderer Wind entgegen, das mussten schon Habeck und Scholz erfahren. Da gärt die Wut, da ist die Toleranz schon unter Bodeniveau.
Nun mag es nicht so griffig klingen, aber ich wähle mal den Begriff der Generation „Starallüren“. TikTok sei dank, das Portal der Ein-Minuten-Politik und Schlagwort-Avatare, die nur auf Kurzparolen zeigen oder sie betanzen. Weil einfach einfach einfach ist. Und zuweilen irre. So zumindest das Mantra grüner Politik, und man muss schon dankbar gewesen sein, dass niemand von den Linken sich dem auch noch angeschlossen hat, während man sich schon im fortgeschrittenen Alter bei der SPD dafür teils nicht mehr zu blöd ist. Dieser Digitalopportunismus ist nicht nur infantil, sondern im Bedarf der Sache schon völlig fehl am Platze. Identitätspolitik generiert sich gerade als digitales Werbeplakat mit schmissigen Parolen, die aber nichts anderes als das Abbild ihres Blasendenkens ist und in keinster Weise der Gemeinschaft dienlich ist. Im Kern dreht es sich nämlich nur um sie selbst.
Die Linke ist für mich immer noch einer der letzten Rettungsanker für meine Überzeugungen, auch wenn ich von ihrem zuvor eingeschlagenen Weg gar nicht begeistert war. Und wenn sie jetzt endlich hält, was sie verspricht, nämlich auf die Straße zu gehen und diesen krisengeschwängerten und selbst geborenen Auswüchsen endlich deutlich und physisch entgegen zu treten, dann würde ich ihr sogar wieder mit Wohlwollen begegnen. Es braucht endlich mal wieder einen „heißen Herbst“ oder sonstige Mut- und Wutmentalität. Das würde zwar wieder zur Framing-Kanonade seitens der angeblichen Demokraten führen und wieder viel Standhaftigkeit abverlangen, aber es wäre schon rein zahlenmäßig ein Zeichen, dass es so nicht weitergehen kann. Und wenn dann nicht nur kleinere Gruppen auf den Straßen flanieren würden, wäre die Realität auch im Medienzirkus nicht mehr zu leugnen und zu verschweigen. So viele Nazis hat Deutschland dann jetzt doch nicht, auch wenn das gerne so hingestellt wird, um Knüppel, Hunde, Heckler und Koch auf sie loslassen zu können.
Noch eine private Anmerkung hinterher:
Ab Donnerstag fahren wir in den wohlverdienten Urlaub. Die Franzosen waren ja so lieb, pünktlich zum August die Maßnahmen voll herunterzufahren. Das führte in den letzten zwei Jahren zu Auswegen, als noch Italien in dem Maßnahmenwahnsinn einigermaßen harmlos dastand. Nun werden wir aber wieder zu den „Franzacken“ rüberswitchen. Ob das jetzt eine Schreibpause bedeutet oder ich morgens beim Kaffee hier und da mal etwas bloggen möchte, wird sich zeigen. Vielleicht sind wir derart beschäftigt, dass ich gar nicht dazu komme, oder wir genießen die Zeit und ich kann dann noch ein paar Texte einhacken. Wer weiß.
Halten Sie die Ohren steif, vielleicht sieht und liest man sich. Auf jeden Fall in spätestens 3-4 Wochen.
Habe die Ehre.
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epikur (Freitag, 19 August 2022 21:28)
Erhol Dich! Tanke Energie und Lebensfreude! Anders ist der Wahnsinn nicht mehr auszuhalten.
Offline ist das neue Bio. ;-)
Juri Nello (Montag, 22 August 2022 13:15)
Ich finde das nicht besonders neu. Das ist eher typisch deutsch. Im Übertreiben war der Deutsche schon immer prima. Die Demokratie musste demokratischer als demokratisch sein, das Nationale nationaler und der Krieg total. Geendet hat es noch jedes Mal in einer Katastrophe. Anders lernt der Deutsche nicht.