Ein bisschen Layla-Gaga wummpte noch entfernter durch die Gazetten, und man ist selbst ein bisschen erstaunt darüber, welch politische Sprengkraft hinter diesem Banalo-Song zu stecken schien. Gut, es ist so einer dieser Sommerloch-Empörungen, aber die Wokies und deren Gegner haben mal wieder das Kunststück fertig gebracht, aus einem Stammtischthema der unteren Kategorie kurzzeitig ein Großereignis zu machen. Nur weil die Stadt Würzburg, in der scheinbar Schneeflocken mit Hornbrille, drei Haarfarben und viel Moral-Asthma sitzen, ihrer Alltagsödnis wenigstens etwas Relevanz beiführen wollten. Mittlerweile haben sie auch schon wieder, besonders seit Corona, eines der Billiggesetze im Petto, die sie nach ihrer Wahnvorstellung über Grund-, Straf- oder sonstige bisher maßgebliche Gesetze erhebt: das Hausrecht. Das kam die letzten Jahre über besonders über Facebook zur Sprache, das noch vor dem DSGVO gerne ähnlich hausrechtlich lustig vor sich hinzensierte und das heute höchstens nur noch als Scheinargument vorbringt, seit sie dem staatlichen Demokratieschutz unterworfen wurden.
Vor einigen Jahren noch war das Hausrecht so etwas wie das Universalwerkzeug im Milieu von verrauchten Kneipenstuben, und da schlägt man schnell die Brücke zum Stammtischniveau. Also handeln Facebook und die Moralverfechter genau nach diesem Proletenmaßstab, würde ich mal behaupten. Wenn sich also eine Stadt darauf beruft, wirkt das nicht seriös – man sieht vor dem inneren Auge einen siffigen Kneipier in vielfacher Ausführung in der Stadtverwaltung sitzen, wie sie Schlagerfans oder Musizierende aus dem Festzelt verbannen. „Alte, mach keinen Stress, du meckerst nicht an meiner Moral rum, klar? Und jetzt verpiss dich aus meiner Würzburg!“ Eintrag ins Notizbüchle auf der Seite „Hausverbote“: -Layla, schöner, jünger, geiler (blond, Puffmutter). Gleichgesinnte klatschen Beifall, der Rest könnte solches Verhalten aber auch, je nach Umstand, als ein wenig übertrieben betrachten. Wenn man noch die üblichen Etiketten „rassistisch“ und „misogyn“ drüberpappt, ist der Kurzskandal garantiert.
Für den Freiheitsgedanken ist es beruhigend zu wissen, dass der Song danach um ein Vielfaches mehr via Spotify und Co. abgerufen und gespielt wurde. Und manche kümmerten diese Verbote nicht, der Song lief trotzdem. Der Schuss ging nach hinten los. Und damit verstummte schnell auch wieder die Aufregung darüber, scheinbar ist Musik, für sich stehend, mit Melodien und Songtext, nicht die geeignete Arena, Erfolge beim Stigmatisierungskreuzzug einzufahren. Der Song selbst reichte scheinbar nicht, um eine Grundsatzdebatte darüber zu stricken, also schalten wir um zu Nena.
Die wurde kurz nach Layla nämlich wieder zum Nachfolgeeklat, und das erreichte sogar wieder die einschlägigen Newsportale. Nena durfte nämlich wieder ins TV, als Gast von Florian Silbereisen und dem MDR. Ja, die „Querdenker“-Nena, die – anders als Xavier Naidoo – keine Kinderfickerei im Keller von Klaus Schwab, George Soros oder sonstigen Mäzenen vermutete, sondern einfach nur Käfighaltung bei Open Air-Konzerten und Impfzwang ablehnte. 2021 führte das noch zu glühend rote Birnen im #TeamWissenschaft(TM), denen auch nur die „paar wenigen Querschwurbler“ widersprachen. Heute, grob ein Jahr später, muss man dem MDR danken, dass sie sich hinter ihre Entscheidung stellen und die Politik ein wenig ausklammern wollen. Und ja: Nena darf zur Prime Time die Leute mit „99 Luftballons“ vollschwurbeln.
Auch das habe ich wieder mal nur im Trending von Twitter mitbekommen, aber es war einerseits eine Wohltat, davon zu erfahren, aber andererseits natürlich auch die Hetzbagage einen auf Dreifach-Layla-Shitstorm machen würden. Da war die Musik auch kein Thema mehr, sondern lediglich ihre sonstigen Statements. Ganz billig waren die Vergleiche mit Alice Cooper, die gepostet wurden und mit „Schwurbeloma“ oder Ähnlichem unterlegt. Nun - Nena wurde wider Erwarten auf der Bühne abgefeiert. Und ich selbst grinse breit, weil wir uns wenige Tage zuvor „Ich, einfach unverbesserlich 3“ anschauten. Der Bösewicht, der musikalisch ausschließlich mit 80er Popsongs begleitet wurde, wurde eben in einer Szene nicht durch Songs wie von Impfwerbern wie Grönemeyer oder Westernhagen aus dem Radiowecker geweckt. Die kennen die Macher des Films über den großen Teich höchstwahrscheinlich nicht. Nein, da lief Nena.
Ich kann mir jetzt vorstellen, wenn die Wokies diesen Querverweis mitbekommen hätten, dann hätten sie auch schnell die üblichen Ultra-Kurz-Assoziationsketten gezogen: Bösewicht-Nena. Vielleicht noch, dass Balthazar Bratt geistig in den 80ern hängengeblieben ist – ewiggestrig halt. Dass in der Synchronsprecherliste auch noch Marco Rima aufgeführt ist, würde die Schwurbelverschwörung ganz dolle abrunden. Zumindest habe ich mir das glücklicherweise hier nur ausgedacht und bringe die Hetzies nicht noch auf dumme Ideen. Obwohl – so wirklich kreativ ist hierzulande kaum noch jemand, wenn sich die Top 50 in den aktuellen Singlecharts alle gleich anhören oder man neben Quizshows nur noch die immergleichen Krimiformate (Tatort – aus welcher Stadt? Der Tote in *hier bitte Traumreiseziel einsetzen*) auswählen kann.
Wen würden sie denn als Gegenpart in die Arena schmeißen? Vielleicht den melancholisch-destruktiven Schluck-Wasser-in-der-Kurve Billie Eilish, der ebenfalls kurzzeitig Aufmerksamkeit sicher war, als sie an Covid erkrankte und den mittlerweile zur Parole erwachsenen Satz aussprach: „Ohne Impfung wäre ich gestorben.“. Zusätzlich meinte sie noch, dass ihre Eltern wegen der Impfung sich nicht angesteckt hätten – zu der Zeit war die Impfwelt übrigens noch in Ordnung, wobei das der Zeitraum gewesen war, wo wir uns noch so derbe über die Wirksamkeit von Moderna und Co. streiten mussten. Heute wissen wir ja wohl, dass der Schutz nur sehr begrenzt hält und ihre Aussage, dass ihre Eltern und Freunde sich wegen ihrer Impfung nicht angesteckt hätten, nach heutigen Maßstäben einfach nur populistischer Unsinn ist und nun massenweise Geboosterte flachlegt.
Und natürlich Grönemeyer – der mehrfachst Geimpfeste bekam leider einen Realitätsschock, als er nach seiner und der Tourcrew Krankheit die ganze Tour absagen musste. Da stand er also mit hochgezogenen Schultern und verkündete seine Ratlosigkeit auch noch derart medienwirksam, dass wir „Schwurbler“ in großes Gelächter ausbrachen, auch weil Herbie nicht gerade freundlich gegenüber Ungeimpften mahnte und warnte. Also taugt der auch nicht wirklich als fundierte Gegenstimme zu Nena, die beim MDR eben doch sehr agil auf der Bühne herumhüpfte und dann doch für ihr Alter sehr frisch aussieht, im Gegensatz zum Faltenrocker Alice Cooper mit seinen 74 Jahren. Da sind noch 12 Jahre Luft bis dahin. Als Vergleich also auf jeder Ebene ziemlich gaga.
Apropos Gaga – die war ja auch noch dabei. Ihre Extravaganz hatte sie mal ganz Schlabberlook-like mit einem Foto im Hoodie durchbrochen. Gut, das Teil, das sie trug, kostete mehrere hundert Dollar, war von irgendeinem Modefuzzi „kreiert“ worden, sah billiger aus als das, was ich mir nach reiflicher Überlegung gerne mal bestelle oder kaufe und hatte dieses Billigdruck-“V“ draufgeklatscht. Erst dachte ich, sie wäre ein Echsenmensch aus der Serie „V – Die außerirdischen Besucher kommen“, aber leider stand nur „Vaccinated“ darunter. Also billige Impfwerbung auf einem KiK-lookalike-Hoodie für ein paar hundert Schlappen. Nichts für die Masse, sonst hätten sie sich bei Primark die Teile aus den Händen gerissen – man hätte nur noch rätseln müssen, ob sie das wegen des Aufdrucks oder der Lady getan hätten. Schwierig.
Mit der Kunst ist es sowieso schwierig geworden die Tage – entweder haben sie ein Problem wegen des Zuschauerschwundes, oder man unterzieht Künstler erst mal einer Gesinnungsprüfung. Es ist aber auch ein blödes Eigentor, dass sie sich da geschossen haben, und momentan scheinen nur Auftritte und Veranstaltungen zu funktionieren, wenn ein Fernsehsender oder Streamingmogul die Finger im Spiel hat. Fragen Sie doch mal Torsten Sträter, Hazel Brugger, Sarah Bosetti oder Karl Lauterbach. Die konnten in den Comedy-Formaten fast immer auftreten und mussten sich keine Sorgen machen.
Äh...halt... Karl Lauterbach???
Ja, die Witzfigur macht jetzt auch noch soufflierte Comedy. Auf Amazon. Also quasi das Dankesgeschenk für Milliarden Mehreinnahmen während Lockdowns und Maßnahmenterror. Da muss man sich doch erkenntlich zeigen. Bald wird er wohl noch in Lieferando-Werbespots zu sehen sein und bei allen seinen öffentlichen Terminen freundlich unterstützt von Moderna, wahlweise Pfizer. Steht dann bei Lanz, Maischberger oder Anne Will im Abspann – unten rechts in kaum leserlichen Buchstaben. Oder er sitzt alternativ wie ein Fußballtrainer im Sakko samt Werbestickern da.
Es ist ja keine besondere Erkenntnis mehr, dass das Karlchen seine Existenz nicht durch gute Arbeit oder echtes Sich-kümmern rechtfertigt. Da kann so viel Gesundheitsminister auf dem Revers stehen wie es will, mit Talkshowauftritten selbst hat man noch nichts geleistet. Aber gut, das passt in diesen Experten-Kult, und das Karlchen fühlt sich mittlerweile so wohl darin, dass er zuweilen sogar seine Politik lieber im TV als in den Hallen der Macht verkündet. Die blähen ihre Relevanz und auch die Stimmgewalt, auch für die Meinungsgruppe, via Medien derart auf, dass sie nur froh sein können, dass ihnen da niemand oder nur ein paar lästig-mickrige „Querdenker“ in die Suppe spucken. Und so steht dann auch etwa die Sendezeit-Allzweckfüllmasse Eckart von Hirschhausen (natürlich dem „Kabarett“ entwachsen) auf der Liste. Man würfelt Formate und Figuren mittlerweile so häufig durch, dass man an ihnen, egal zu welcher Sendezeit oder Printausgaben und seit neulich auch im Internet, kaum noch entkommen kann. Und dann ist da so jemand wie ich, der alleine schon wegen dieser Omnipräsenz, verteilt auf ein paar wenige Gesichter, die Glotze ausschaltet. Wenn du dann später mit ihren neuen Youtube-Kanälen beworben wirst, schreist du verzweifelt in den Raum und glaubst, die verfolgen dich.
Da wundert es fast nicht mehr, wenn die Klatschpresse denen noch zusätzlich Relevanz verschafft, und neben den häufig erlogenen Geschichten über Familiendramen noch die Konsistenz des letzten Stuhlgangs zum Thema machen könnten. Nicht dass wir schon sehr gesättigt wären. Man wird, wenn man auch nur ein bisschen den Drang verspürt, über den Tellerrand zu schauen, in die Kleinkunst getrieben, doch ist die in Teilen durch eben diese supertolle Solidarität entweder kaputtgegangen oder muss um ihr Dasein fürchten.
Man kann grob zusammenfassen, dass die Segnung durch Medien nicht selten darüber entscheidet, wer einen Elitenstatus erhält. Dann ist man auch schön aus dem Schneider, und da hilft auch kein Lockdown mehr, die in existenzielle Nöte zu bringen. Grönemeyer, Westernhagen, Campino und Co. - die gehören quasi zum auserkorenen Kunst- und Kulturgut, werden gehegt und gepflegt, die das natürlich gerne mit affirmativen Gesinnungskommentaren bezahlen. So entspannt sich eine Realsatire, die immer neue Höhen an Absurditäten erreicht, wenn der einstige Zivi-Punk plötzlich seinen Wehrdienst nachholen würde. Nee, grotesker geht’s kaum, unglaubwürdiger sowieso. Aber das ist ein ähnliches Irre-Niveau wie Lauterbach auf Comedy-Bühnen, dazu noch gepampert von Nicht-Ulknudel Hazel Brugger (ich hoffe, sie blieb seit ihrer Ankündigung frei von Ungeimpften) – die sind sich für nichts mehr zu blöd, wenn die große Bühne lockt.
Aufrichtigkeit und etwas Reststolz kann man sehr einfach an der Garderobe bei Anne Will und Co. abgeben, wenn man nur ein wenig die versteckte Gesinnung der Leitmedien wiederholt – das ist bequem und spült Geld in die Kassen, Gefälligkeitsdienste dieser Art kennt man etwa aus der Wirtschaft zur Genüge. Nena hat dies jedoch nicht getan und prompt den Mainstream gegen sich aufgebracht. Und ja: ich beobachte das mit einer großen Genugtuung, wenn bei den Mainstreamisten der Spaltungsplan kein zweites Mal aufgeht und sie sich online derart darüber auskotzen, bis es ihnen aus dem Hinterausgang qualmt. Wäre doch was für die Klatschpresse.
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