Ist das nicht eine turbulente Zeit im Moment? Wir hassen, hetzen, diskutieren und moralisieren uns gerade an so vielen Fronten die Lippen fransig, dass das Popcorn gerade unter der Alufolie anfängt, immer stärker aufzugehen. Bald dauert es nicht mehr lange, und es macht „Paff!“. Popcornregen, der gegen alle Wände klatscht - Rauhfasertapete mit Karamellgeschmack.
Der Tankrabatt-Kuhhandel läuft auf vollen Touren, und man greift schon mal zu Herzpillen, wenn man nur einen Blick auf die Anzeigetafeln der Tankstellen wagt. Ja, auch nach Gasembargo (also der Versuch dessen), Waffenlieferungsversprechen, die scheinbar noch am Schalter H, drittes Stockwerk, Korridor Q, dritte Tür rechts festhängen, weil man den Passierschein A38 beantragen muss. Dazu baff dreinschauende Idiotie in den Gesichtern der Moralsoldaten, hacken sie ihren Frust in die Touchscreens, ein dreistes Leugnen, Relativieren und aus-der-Haut-fahren, dass du aus drölfzig Kilometer Entfernung ihr Gejammer noch vernimmst. Man googlet schnell noch, was die Ukraine so an Exportprodukten verteilt, und schon sind wir drin im Schlamassel der Ölkrise an der Salatbar.
Egal, schnell weg aus dem Stadttrubel – am besten klimagerecht mit der Bahn. Was für ein Glück, dass das 9-Euro-Ticket (warum nicht 10 oder 8,99?) nach Sylt lockt. Sylt – das bedeutet frische Nordseeluft und Reiche nerven. Was für ein Pech, dass man in Zeiten von Corona keine Lust auf Masse und dann noch auf Sylt brechend volle Flaniermeilen zu erwarten hat. So links-grün gekapert wäre die Insel wohl noch nie gewesen wie mit dieser Göttergabe grüner Schienennachhaltigkeit. Zu schade aber auch, dass das nur für einige Wochen hält, denn danach sieht es wieder nach Preiserhöhung aus. Die Gesichtsbaffheit zieht sich dann schon mal in die Haut ein.
Dem allem übergeordnet: Rekordinflation. Also nicht nur Öl und Mehl und später die Bahn werden preislich anziehen. Alles wird. Vom Würfel Hefe bis zur Dreiundfuffzig-Meter-Yacht. Alles. Gas, Wasser, Strom, Immobilienpreise. Brot, Brötchen und selbst Kuchen.
Und das scheint die Wokisten nicht zu stören. Die kleben sich lieber auf den Asphalt und tanzen via TikTok grüne Moralitäten in die Welt, weil Moral die Leute nicht auf dumme Gedanken bringt: bloß nicht die Heizung aufzudrehen etwa. Wenn Sie Single sind, sollen Sie sowieso weniger daheim herumhängen, sondern Leute daten. Und wenn´s klappt mit dem Baggern, dann dürfen Sie auch wieder die Heizung aufdrehen, wenn Sie nach dampfenden Korpulationsritualen mehr als nur eine Decke und Kuschelmomente brauchen. Mit Moral sind Sie auch endlich in der Lage, sich und Ihre drei Hoden ins Gespräch zu bringen, weil die sonst niemand zur Kenntnis nehmen würde. Dann lieber Hautfarbe. Hautfarbe zieht immer und unmittelbar. Dunkelstarkschwarz oder gelb gesprenkelt – Sie dürfen das zur Kenntnis nehmen, aber darüber reden? Bloß nicht! Sonst Nazi. Frisuren cool finden dürfen Sie auch nicht. Und die auch haben wollen erst recht nicht. Sie dürfen auch kein ausländisches Essen mehr essen, oder Ihre einheimischen Schnitzel mit Kurkuma oder sonstigen Exotitäten variieren – kulturelle Aneignung. Früher sollte man noch die Saisonernten guter, doitscher Böööden auf dem Teller haben. Heute auch, aber nur aus Respekt vor anderen Kulturen. Das Ergebnis ist dasselbe, wir aßen und essen nur noch Einheimisches. Na, als ob das nicht mal eine sehr gewiefte Art und Weise ist, Faschismus als Antifaschismus zu tarnen. Gender Studies statt Rassenlehre.
Ja, da isser wieder: der Nazi-Vergleich. Allmählich habe ich echt einen spitzbübischen Spaß daran, sie mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Alternativ kann man zusehen, wie sie sich immer weiter selbst ins Abseits schießen. Und wenn nicht ich oder andere anwesend sind, da nachzuhelfen, dann macht das Olaf Scholz – auch wenn er es meiner Lesart nach gar nicht gemeint hatte. Spricht in Stuttgart von „dunkleren Zeiten“ und so, als ihn wieder mal ein paar Klimaaktivistens beim Auftritt stören und so. Die natürlich voll am Abdrehen. Allen voran Bundesklima-It-Girl Luisa „und so“ Neubauer, die gleich Twitter zukackt und somit die Medien gleich mit. Gerangel, Geschrei und Gehirndurchfall um ein Thema, das natürlich mehr daraus resultierte, dass Frivoler-Freitag-Fetischisten... Verzeihung, Fridays For Future-Nasen von den Affenpocken gestochen ihr „Over-Gasping“ nicht mehr unter Kontrolle bekommen. Petition ist natürlich gleich raus.
In Frankreich ist man da ein bisschen direkter bei den Klimaheinis und -heinissinnens, schmeißt Torten auf die Mona Lisa. Warum eigentlich? Weil es als Ölgemälde ebenfalls boykottiert werden soll? Oder wurde nur die Kunst eines alten, weißen Mannes besudelt? Besudelt wurde dabei nur die Schutzscheibe und im Endeffekt alle Suchaktionen nach der Logik für die Aktion. Logik ist bei den Apokalyptischen Sitzern auch keine zu finden. Aber das kennen wir ja alles schon von Dreadlock-Faschos, die scheinbar immer nach der Maxime Drei-Mal-um-die-Ecke-gedacht in Aktion treten. Hat nichts mit der Sache zu tun, aber egal.
Natürlich ist das C-Thema auch und immer noch in diesem wunderbaren Chaos vertreten. Wie sollten die letzten zwei Jahre auch einfach so sang- und klanglos verschwinden? Die üblichen Herbstwellen-Tröten haben scheinbar Heimweh nach ihrer Aufmerksamkeit, und Obertröter Karl tut das, was er seit zwei Jahren schon tut. Studien lesen, diese twittern und deswegen auf PK´s einpennen. In einem Moment hätte das Timing nicht besser sein können – als ein Journalist ihm eine Frage stellte und das Wort „Systemabsturz“ aussprach, sackte sein Kopf wie auf Stichwort nach unten. Bzzzzz - "Bitte starten Sie das System neu.". Na ja, dass der Karl-PC wohl selbst völlig virenverseucht ist, wissen wir schon länger.
Vielleicht sollten wir alle mal „in uns gehen“. Chaos mal Chaos sein lassen, sich abwenden und durchatmen. Ja, sicher, es ist durchaus unterhaltsam, sich auf allerlei Themen zu stürzen, und während ich hier schreibe, ploppen bestimmt noch weitere Aufreger auf. Momentan habe auch ich mehr Spaß daran, in einer ruhigen Arbeitswoche das Handy zu zücken und mich durch zig Kurzmeldungen und siffigen Online-Senf zu ackern. Aber statt mich darüber aufzuregen und deren Dummheit geraderücken zu wollen, setze ich hier und da ein paar bös-witzige Kommentare ab, die sie sowieso kack-ernst nehmen und sich noch mehr aufregen. Meist wird man dann geblockt. Was mehr über sie aussagt als ihnen lieb ist. Gerade die größten Hetztröten vertragen nicht mehr als fünf Mal ironisch gefärbte Gegenrede. Ich frage mich da lediglich, ob denen nicht auffällt, was sie da tun und ob sie mehr mit Blocken zu tun haben, als sich um ein Sachthema zu kümmern.
So blöd wie es klingen mag: ich habe tatsächlich in diesen letzten zwei Jahren ein bisschen was über Resilienz und Kritikfähigkeit gelernt. Immerhin kann ich heute ganz gut unterscheiden zwischen sachbezogener und unangebrachter Kritik. Von übelsten Kommentaren ganz zu schweigen, aber da ist auch Schweigen, ergo Ignoranz, das beste Gegenmittel. Noch vor „Phase C“ hätte ich mich über jeden Bullshit aufgeregt und hätte dann Kommentare erhalten wie „Du nimmst aber auch alles sehr ernst.“. Stimmte leider auch.
Im Moment kann ich so ein wenig über den Dingen schweben oder es zumindest mit etwas nüchternem Abstand betrachten. Und ironischerweise brauchte es dazu eine Situation, die mich im Mark bedrohte. Das halbe Jahr Ampelkoalition und deren Drängen auf die Impfpflicht war tatsächlich ein wahrer Kampf mit mir selbst. Einknicken? Sich doch die Spritze verpassen lassen? Dann wieder ein paar Hoffnungsschimmer, kleine Leuchttürme am Horizont. Ständiges Hin und Her des eigenen Handelns, es hinauszögern und dann doch schon das Telefon in der Hand haltend und auf die Nummer des Impfzentrum starrend, starr vor Angst, bevor man sich dazu überwinden müsste, die Nummer einzutippen.
Nein, ich habe es nicht getan.
Es folgte noch eine Phase der Selbstfindung im mittleren Herrenalter. Natürlich ist es legitim, sich bei der Bedrohungslage verkriechen zu wollen oder wenigstens zwiespältig zu reagieren. Eigentlich wird das gerne mal als Schwäche ausgelegt, aber nach einer langen Zeit des Suchens bin ich mir sicher, dass es eher eine Stärke ist. Selbst wenn man auf andere wie ein Schluck Wasser in der Kurve aussehen mag. Es hilft jedoch, bei all der Abwägerei und mit Zeit so etwas wie einen Rundumblick zu gewinnen, und wenn man den hat, dann kann man auch sehr entspannt das Twitter-Gewitter ertragen und sich sogar bequem böse Provokationen leisten, ohne auch nur Anteil an jenen zu nehmen, die sich und ihre ach so ganz-superdoll-wichtigen Anliegen ernster nehmen, als man es selbst jemals getan hätte. Und es sind nicht nur die noch ideell ausgerichteten jungen Menschen da draußen, sondern gar die, die mindestens in meinem Alter sind und von denen man eigentlich erwartet, dass sie etwas altersmilder sein müssten. Die kreischen stattdessen genauso laut.
Als ich am Mittwoch früher nach Hause kam und nicht im Berufsverkehrschaos stand, sondern wider Erwarten kaum daran gehindert wurde, mein Heim zu erreichen, wurde mir auf dem Balkon etwas bewusst: man gewöhnt sich sogar an Lautstärke und Dauerstress. Ich saß da, rauchte, und zu meiner Verwunderung war das sonst übliche Hintergrundrauschen der Autos von der Hauptstraße her sehr gedämpft gewesen. Im ersten Moment war diese Ungewöhnlichkeit ziemlich entspannend, im zweiten jedoch übermannte mich ein Unbehagen. Gewohntes war einfach nicht da, und du denkst für einen Moment, dass irgend etwas Mieses diesen Moment zerstören würde. Man erwartet es geradezu, weil es in den letzten Monaten und Jahren ständig passierte. Mein sonstiges Chaos-Dauerrauschen ist hingegen ein Mückenfurz gegen das, was im Moment an Chaos in der Welt passiert. Da gibt es keine ruhigen Phasen mehr, wir hangeln uns von einer Extremsituation zur nächsten. Und ja – es ist wunderbar. Irgendwie.
Kommentar schreiben
Art Vanderley (Samstag, 11 Juni 2022 21:02)
"nach Sylt lockt"
Christian Ehring, Kabarettist, zum "Einfall" kleinerer Horden von Punks auf Sylt, die ein wenig JetSet gucken wollten:
"Überall seltsame Leute, die schon am Vormittag anfangen zu saufen. Und dann noch die ganzen Punks."