Gut. Jetzt also die Pocken. Wenn Sie den Anfang des Streifens verpasst haben, hier noch mal das Drehbuch dazu. Ich möchte nichts spoilern, aber wenn spätestens im Januar 2023 irgendwas von Terror mit Biowaffen geschwurbelt wird, dann lesen Sie sich es noch mal durch – dann wissen Sie wenigstens Bescheid, wie es weiter gehen würde. Wie praktisch, dass sich auch Bill Gates zeitgleich zu Wort meldet und sich auf den Blockbuster „Outbreak“ beruft. Da war das Wirtstier übrigens ein Affe. Und sich auf so einen generischen, klassisch Spannungsbogen-mit-Happy-End-skizzierten Blockbuster zu berufen, ist mir dann auch zu heilandsmäßig naiv.
Die Bananenrepubliken tun jetzt gerade verdächtig still; nur – hm, ja, wer wohl? - prescht wieder vor und empfiehlt schon mal. Isolation, Impfung. Erste Warnungen. Bald verlagern sich Hamsterkäufe auf bestimmtes Obst. Die stecken sich anonyme Sexhabende hinten rein, damit auch keiner auf Ideen kommt. Ein bisschen Corona muss dann doch noch sein, und Lauterbach redet von „kollektiver Dummheit“. Wahrscheinlich meinte er sich selbst damit, keine Ahnung. Nein, irgendwas mit Herbst. Sie wissen schon. Ich kaufe mir schon mal vorsorglich Bananen und behalte die Chiquita-Aufkleber für meinen Impfpass. Vielleicht kann ich so ein bisschen zur allgemeinen Verwirrung beitragen, wenn im Herbst das große Kreischen wieder losgeht und man bald nicht mehr weiß, welche Krankheit eigentlich gerade up-to-date sei.
Verdächtig still, sagte ich. Keine neue Pandemie, sagen sie. Impfstoff da, sagen sie. Abwarten, sage ich. Nein, Leute, bei Corona haben sie auch erst einen auf unbeteiligt gemacht, ist doch China – who cares... Und bei den üblichen Verpetzigten wird auch heute wieder (wie schon vor zwei Jahren) erst mal eine ruhige Kugel geschoben und die Gegenseite als Panikmacher diffamiert. Dann kamen Bergamo und Bundespanikpapier, und alles drehte sich. Welches Bergamo und Papier kommt denn nun, wenn die Pockzidenzen hochschnellen? Werden wir nun #zeropox-Kulte erschaffen und ausleben? Wird doch ein Lockdown im Affengehege kommen? Wird... ?
Abwarten, sage ich. Wir hatten auch schon zu Corona „My Sherona“ umgetextet. Die „My Corona“-Version gab es übrigens schon Jahre vorher, da klingelte etwas bei mir, als man sich noch die Videos nicht in Massen bei Youtube mal schnell abrufen konnte. Heute wird mal schnell mit Photoshop was gebastelt oder massig Einminüter auf Videoportale gestellt. Die übliche Methode, jedem potenziellen Katastrophenereignis mit Humor zu begegnen, und sei es nur etwas Plattes. Heute leben wir im Planet der Affen und einem nicht geringen Anteil an Straßenapokalyptikern mit Internetzugang.
Ich habe keinen Nerv mehr für eine zweite Eskalation dieser Art. Wir versuchen gerade, uns so viel Lebensqualität wie möglich zurück zu erobern. Nach Frankreich alte Kolleginnen meiner Partnerin besuchen, weil die mal wieder Zeit oder Lust dazu hatten. In sprießenden Kleingärten Grillpartys veranstalten, über dies und das reden. Ein altes Normal. Und selbst wenn ich nie wirklich Gefallen am manchmal ins Kleingeistige abschweifende Geschwafel gefunden hatte, finde ich es plötzlich sogar irgendwie angenehm. Steige zwar immer erst in die Gespräche ein, wenn es darum geht, den gesellschaftlichen Ist-Zustand zu stammtischen, aber selbst der Banalokram ist mir nun doch ganz nützlich. Mehrheitlich ging es um ihren Beruf, klar, man wirft sich die Anekdoten und Ex-Kolleg(inn)en und was die heute treiben um die Ohren. Das füllt den Tag schon genug aus. Dazu ein kurzer Blick in die Zukunft der Branche. Sieht düster aus. Kenne ich aus meiner auch. Die Mitarbeiter werden immer älter und bei den Boomern mit Fachkenntnis droht die Rente. Was nachkommt, kannste reihum in der Pfeife rauchen, teils oder ganz. Weil sie schlicht begriffsstutzig sind oder Ansprüche haben, die völlig unrealistisch sind. Dazu schlechte Bezahlung und Druck. Zu viele Gründe, das Handwerk zu meiden, verständliche wie auch unverständliche. Das mag ich an der jungen Generation neben den Dingen, die ich an ihr nicht mag: sie erkennt, dass das System immer mehr auf Druck baut, weil es im Schleichtempo zu kollabieren droht und man lediglich mit noch mehr Anstrengungen zum Erhalt reagiert, statt es mal umzukrempeln.
Und mir brauch niemand erzählen, dass die „Mehrheit der Deutschen“ lieber Maske tragen und das neue Normal lieber mögen würde. Nein, wir saßen alle da, ohne Maske, gaben uns Hände, umarmten uns, standen und saßen nah beieinander. Kein Statusgehudel um Impfung, keine Anekdoten zum Corona-Alltag auf der Arbeit. Wer nun behauptet, wir würden in diesen Dingen eine Zeitenwende erleben, hat sich getäuscht. Wer sich solche Zustände gar noch herbeigesehnt hat, wird jetzt wohl seine feuchten Träume vom Sklavendasein wutschnaubend auf die sozialen Medien beschränken. Und draußen passiert jetzt das in umgekehrter Weise, wie wir Kritiker das völlig aufgelöst beobachten mussten – die Leute ergaben sich einfach in Masken- und Homeoffice- und Impfdrangsalierung. Nun jedoch nicht mehr, so viel blieb nach der Öffnung nun doch nicht hängen. Die Mehrheit der Deutschen geht jetzt wieder gesichtsnackt in Innenräume. Die letzte Bastion bleibt der ÖPNV, nun fallen bei so manchem Kunden unserer Firma auch schon die Pflichten und werden zur Empfehlung.
Noch besser abzulesen war dies am Dienstag. Wir hatten Karten, und wir wollten dort hin. Weil dort einer der Künstler einkehrte, den wir „Schwurbler“ oft auf Telegram und Co. sahen, feierten und teilten. Der auch nicht mehr tun konnte denn irgendwo an Bar und rundem Tisch 10-Minuten-Videos aufzunehmen und sich damit einen Verzweiflungsnebenverdienst einzurichten. Der 2G ablehnte und erst wieder auf Tour gehen wollte, wenn es abgeschafft ist. Und nun, am Dienstag Abend, war er im Capitol zu Gast. Michael Hatzius alias die Echse alias Thorsten und Steffi alias die Zecke... alias „Master of Puppets“. Der Subversive unter den Puppenspielern, der sich nicht noch mit den Welkes und Ehrings und sonstigen ZDF-Schleimis gemein gemacht hat. Einen Nuhr konnte ich durchaus noch durchwinken, weil er nicht so pauschal auf eine Gruppe kloppte, sondern sich nur die Hildmanns der Impfgegner ausgesucht hatte, über die er seinen Spott ergoss. Beim Zentralistischen Deutschen Fernsehen jedoch war das Gros der Moralapostel vertreten, die wokie-mäßig alle zu Nazis, Idioten und Fußabtretern niederhetzten, die nicht auf Drei „Booster!!“ schrien.
Bei der Echse und Co. hatte ich gestern jedenfalls ein sehr heimeliges Gefühl. Ein sympathisches Urvieh, ein bisschen großkotzig, mit Hang zu Starallüren, aber einfach die coolste Socke seit dem Urknall. Der Mann dahinter: ein ziemlich gewiefter Improvisateur. Interagiert gerne mit dem Publikum und suchte sich einen Zuschauer als Gastpuppenspieler aus. Freiwillige vor – irgendein übereifriger im Publikum riss natürlich sofort den Arm hoch und wurde dann auch vorgelassen. Meine Freundin und ich schauten uns schon vorahnend an: das ist einer, der die Bühne sucht. Achtung, Witzfigur!
Der Gute sollte sich auch gleich vorstellen und redete auch gleich in bühnenwirksamen Worten um den heißen Brei herum. Er sei Lehrer und dann auch Koch. Öh, joa, okay. Fragende Gesichter bei uns und allen um uns herum in Ulm... sorry, Monnem. Also wie jetzt? Morgens Mathe und Geschichte und abends Spinat und Ricotta, oder was? Er ist auch auf Youtube vertreten, ging es dann weiter, und... aaaah, jetzt kommt´s: er hat einen Foodtruck keine dreihundert Meter vom Capitol entfernt stehen! Also können alle gerne mal vorbeikommen!! Wowwowwow-oh-oh-okay. Da kommt er dann endlich mit der Sprache heraus. Hat einen Foodtruck, musste wegen Lockdown schließen und versucht sich jetzt als Influencer Schrägstrich Kochlehrer auf Youtube mit Onlinekursen. Dazu klang er auch plötzlich etwas nachdenklicher. Nicht mehr „Holladrio!“ und „Verpiss dich mal kurz, Echse, ich muss Werbung schalten.“. Okay, da keimte etwas Verständnis bei mir auf.
Und trotzdem: Uff, fremdschäm. Hatzius a.k.a. Echse ließen es sich nicht nehmen, dem Sprücheklopfer noch den einen oder anderen Spruch aus dem Ärmel entgegen zu schütteln. Gelächter und gediegenes Kopfschütteln über den „Foodfluencer“, der als Belohnung noch in eine Hasenpuppe schlüpfen und eine Mininummer mitmachen darf. Klatsch, klatsch, und nein, das war´s noch nicht gewesen mit ihm. Später in der Show wird er noch ein, zwei Male von der Echse geseitenhiebt.
Zweiter Gast ist ein ganz anderes Kaliber. Stellt sich als Hausarzt vor. Oha. Dankbare Witze. In der Pandemie war der Hausarzt-Alltag natürlich „anders“, wie er kurz umschreibt. „Ja, klar, war wohl anstrengender, Rechnungen zu schreiben.“, kam die Anmerkung von oben. Auch er durfte auf die Bühne, für einen kleinen Kartentrick.
Passend dazu das übergreifende Thema und das Motto der Show: „Echsoterik“. Viel mit Schakra, Einspieler eines Besuches bei einem Esoterik-Festival oder was Ähnliches. Dazu Kamillesträuße auf der Bühne wedeln und Tarotkarten legen. Also ein Lockdown-gestopptes Programm neu aufgelegt, wie ich später nachlese.
Und letztlich als Aufhänger eine Clownsfigur (ohne Puppe). Wo wir wieder beim Zirkus wären. Draußen geht der Affenzirkus wieder los, der soziale Internetmoloch kriegt sich nicht mehr ein vor Affen- und Bananenwitzen und anderweitig halbwilden Spekulationen, während man sich schon die Mäuler über Masken und Impfungen zerreißt (Masken sind übrigens bei Pocken Mumpitz). Am Dienstag Abend im Realuniversum dann die Gewissheit, dass das neue Normal nur noch wenige interessierte. Ein paar Mundschutzträger verirrten sich noch in die Show, die meisten jedoch saßen ohne da. Die Mehrheit der Deutschen also. Schon beim Einlass beobachtete ich jemanden, der erst mit Maske eintrat, sich umschaute und dann das Ding sofort herunterzog. Ein entgeistertes Gesicht darunter, das sagte: „Was mach ich denn hier?“ Danach genossen wir diese zwei Stunden Unterhaltung, lachten viel und schauten in viele lachende Gesichter, die eben nicht von solchen Lappen verdeckt waren. Viele genossen diese Rückkehr der Freiheit und der Kultur sichtlich. Und auch, wenn der Laden nicht ausverkauft war und man die Oberränge nicht freigegeben hatte, konnte ich ruhigen Gewissens feststellen, dass das alte Normal wieder eine Chance hätte, zurückzukehren. Wenn man es einmal ließe.
Doch da draußen gibt es immer noch einen Oberaffen, den man unbedingt als Minister haben wollte und der jetzt nicht nur bei den „Schwurblern“ für Stirnrunzeln sorgt. Aber so lange der noch im Affenstall von Lanz und Maischberger sitzen darf, ist die Neue-Normal-Welt ja noch in Ordnung. Noch hält man ihm die Bühnenplätze frei, aber wirkt er heute bei immer mehr Menschen wie der „Foodfluencer“, der sich auf die Bühne drängt. Den Arm hochreißt und dem Künstler die Show stehlen will. Und sich immer mehr zum Affen macht, weil selbst die öffentliche Meinung nicht mehr die schützende Hand über ihn hält.
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