Wenn reiche Menschen ihr Geld verprassen, wirkt es ein wenig wie das Jonglieren mit Unternehmensmarken im besoffenen Zustand. Sie lachen sich schlapp in ihrer sorgenlosen Unbeschwertheit, während die Bälle in ihren ungeschickten Händen durch die Gegend fliegen, zerdeppern mitunter Glasscheiben oder rollen unkontrolliert auf die Straße – und sie lachen weiter, egal ob da Leute und Autos getroffen werden oder sich sekundäre Auswirkungen ergeben, die schädlich für die Gemeinschaft sind.
Im ersten Moment denkt man als einfacher Mensch, dass der Spontankauf von Twitter für Elon Musk so etwas wie jener besoffenen Spielchen sein muss. Er macht es halt, weil er es kann, denkt man im ersten Moment. Interessant wird seine Aktion erst, wenn man die Motive hört. Die scheinen nun immanent politisch begründet, und das hatte auch extremen Wiederhall im betroffenen Netzwerk nach sich. Plötzlich ist Land unter im bisherigen Woke-Links-Hoheitsgebiet – der ideologische Feind und dazu noch ein Kapitalist verleibt sich die Plattform ein und steckt sogleich ab, wie er sich sein neues Baby vorstellt.
Ich selbst bin da etwas zwiespältig eingestellt, weil ich per se eine derartige Übernahme durch einzelne Personen oder ideologische Idee skeptisch sehe. In dem Fall ist es beides in Personalunion, und da darf man sich nicht nur darüber freuen, dass diejenigen mal eine Watsch´n abkriegen könnten, die dir nun seit geraumer Zeit ihre eigene Agenda aufdrücken wollen. Deren Deutungshoheit auf Twitter ist nun im Kern bedroht, und da zeigt sich auch, was dort ideologisch gedeihen konnte und wer sich da bisher sehr bequem äußern durfte. Deftige Worte kommen vor allem seitens der Medienpersonen, die sich in letzter Zeit nicht gerade als neutrale Journalisten geoutet haben, sondern in ihrem Opportunismus haltungstechnisch dazu berufen, jeden kritischen Geist in die Ekelecke zu drängen. Jetzt wo ihnen das Onlinewohnzimmer quasi weggenommen wurde, ist das Geheule dermaßen groß, dass man das mit Popcorn und Bierchen angeregt beobachten kann. Es ist dann unsere Form von Asi-TV.
Plötzlich werden auch wieder die Trump-Traumata ausgepackt. All die tollen Begriffe, die der woken Zunft Extrastunden beim Psychologen bescherten, sind gefühlt reaktiviert worden und die Trauma-Schiene öffnet wieder für den Zug zur Endstation Sehnsucht. Dabei lässt sich nur erahnen, wie Musk politisch tickt – eindeutige Aussagen sehe ich selbst nur in seiner offenkundigen Abscheu gegenüber dem woken Zeitgeist, und da bin ich voll bei ihm. Da herrscht genauso wenig Offenheit vor wie in der einst düsteren, konservativen Fliesentischära, nun aber zum neuen Standard erwächst und schon Netflix und Amazon Prime Video befallen hat und eigentlich nur auf den queeren Eigenschaften ihrer Hauptfiguren herumreitet. Wobei Musk nicht einmal irgendetwas damit zu tun hat, dass die Zahl der Netflix-Abgänger in letzter Zeit stark angewachsen ist – die Zuschauer haben so schon genug von Diversitätsregeln im Filmemacherhandbuch.
Der Irrglaube einer Evolution zugunsten von absoluter Gleichberechtigung wird nun vom unantastbaren Karma aufgefressen – so einfach ist die Erklärung für mich. Die Idee fußt mit seiner Moral auf das Gute, Anständige, das die eigene Seele beruhigt. Der ewige Schuldkomplex, der allen aufgebürstet werden soll, sogar jenen, die gar keine Schuldgefühle haben müssten. Und da nehme ich mich nicht heraus. So ein paar gute Taten pro Tag ist für das eigene Harmonieempfinden natürlich immer okay. Schlimm wird es erst, wenn man dabei sich selbst vergisst oder es zur Bedingung für alle anderen macht. Dass wir als Gesellschaft den Hang verspüren, ein Extrem mit dem anderen zu bekämpfen, ist einfach sinnlos, wenn man das Pendel in der Mitte des Kreises sehen will und es trotzdem weiter antreibt. Man ist zwar froh, dass es nicht auf einer Seite einfriert und dort verbleibt, aber es schwingt eben auch wieder in die andere Richtung, auf die gegenüber liegende Seite. Und an den Rändern herrscht eine vergiftete Stimmung vor, die man nicht ständig um sich haben will.
Musks Twitter-Deal könnte sich auch wieder in diese Richtung bewegen, aber zuerst einmal nehme ich das als Troll-Aktion zur Kenntnis, die endlich mal die Twitter-Bande aus ihrer bisherigen Bequemlichkeit holt. Während sie bisher von allen relevanten Stellen hofiert wurden – von „der“ Wissenschaft, der „guten“ Politik, whatever, sah es lange nicht danach aus, als wären sie noch in irgendeiner Weise effektiv angreifbar gewesen. Das hätte ewig so weiterlaufen können, bis auch der letzte Rest Widerrede und andere Meinung in die Verunmöglichung geschoben hätte werden können. Jedoch hat sich gezeigt, dass selbst das hartnäckigste Alternativlos-Gerede keinen Pfifferling wert ist, wenn es nicht auch lückenlos nachweisbar ist. Und was im Moment mit der Kriegssituation an Debatten aufkommt, ist eben nur die nächste Spielrunde im Globalroulette. Das nächste, dominierende Narrativ wurde umgehend aufgebaut, und das verbale Gehacke geht wieder von vorne los. Wäre Musk nicht gewesen, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, würden wir uns jetzt nur an Andrij Melnyk als den neuen Karl Lauterbach die Zähne ausbeißen, während der sich einer großen, woken Fanschar erfreuen durfte. Ob die nun für die Impfpflicht trommeln oder für kriegerische Handlungen, macht im Prinzip keinen Unterschied.
Die sind nun aber mit sich selbst und den eigenen Fluchtgedanken beschäftigt. Den hat so nebenbei auch noch Christian Drosten, der nun selbst durch Wolfgang Kubickis Anfrage den Abgang macht. Corona scheint jetzt tatsächlich vorbei, weil tatsächlich die Hauptfigur im Virenspiel scheinbar nicht in „Teufels Küche“ kommen will. Die Maßnahmen-Evaluierung, die bis zum Juni angesetzt war und von der Charité-Ikone sowie unserem Bundesgesundheitsvernichter aktiv blockiert wird, sorgt wohl für kalte Füße. Nur zweiter scheint noch nicht genug davon zu haben. Und den kriegen wir auch noch klein.
Ich habe für mich mal eine Zwischenbilanz gezogen und bin unter dem Strich ganz zufrieden damit, was wir kritischen Geister erreicht haben. Dass man sich durch dieses verdammt bärenarsch-dunkle Tal Corona durchkämpfen musste, war eine Sache, die ich sicherlich nicht noch mal erleben möchte, und obwohl man nun immer im Hinterkopf behalten muss, dass das nicht das letzte Mal gewesen sein könnte, kann man auch seine positiven Lehren daraus ziehen. Man kennt nun die Mittel der Übergriffigkeit, den „sanften“ Druck – wie das alles vonstatten geht, und beim nächsten Mal wird es nicht wie ein Meteor aus dem Nichts auf uns einschlagend sein. Mir ist jetzt schon egal, was man von meiner Meinung auf Twitter hält, weil ich eher auf Wagenknecht-Linie bin (wieder mal bzw. immer noch). Dass sich Konflikte solchen Ausmaßes entwickeln und das irgendwie als Grundzutat der menschlichen Existenz akzeptiert werden müsste, damit bin ich mittlerweile relativ klargekommen, aber nicht das Vorantreiben mit der Dampframme, die dir Kriegsgeilheit oder Übergriffe auf die medizinische Selbstbestimmung erst noch mit Zucker in den Hintern bläst und danach einem Zwang unterwirft, wenn man nicht spuren will.
Und dass die Welt in der ideologischen Grundordnung heute völlig Kopf steht, in der die Menschenfreunde und Weltenverbesserer plötzlich diejenigen sind, die nach Krieg und Zucht und Ordnung schreien, ist ein gespiegeltes Gebilde von Wertvorstellungen – an die gewöhnt man sich entweder oder eben nicht. Die Popcorn-Methode, sich damit nicht gemein zu machen, ist noch die bequemste, aber nicht die einfachste. Man tendiert meinungstechnisch immer zu einer bestimmten Richtung, die zur Auswahl steht. Und lässt sich so in den Strudel der Debatte ziehen, dem man nur durch die Neukalibrierung der eigenen Gedanken entkommen kann. Dass ich mich bisher den großen Themen nicht entziehen konnte, liegt an meinen Wertvorstellungen, meinen Hang zur subjektiven Klugscheißerei und meiner Sorge vor dem Verlust meines Status Quo. Vielleicht bewerte ich das alles zu sehr über, messe dem zu viel Bedeutung bei, weil ich mich sowieso eher in den Randregionen bewege, wo sowieso niemand hinschaut. Meine Bedeutungslosigkeit in der Gesellschaft werde ich auch nicht durch Twitter ändern können, wenn ich nicht dieselbe Ruchlosigkeit an den Tag lege wie jene, die wissen, wie man sich Gehör verschafft. Weder in Lautstärke noch in der Form ist es mir gelungen, Menschen an mich zu binden.
Vielleicht ist meine Bedeutungslosigkeit auch etwas Gutes in der Welt der Geltungsbedürftigen. Vielleicht ist das der Ausweg, alles vom Rand aus zu betrachten und sich nicht zur Zielscheibe zu machen, selbst wenn man eine Meinung haben darf, die nicht jedem bzw. der Mehrheit gefällt. Bisher hat das Twitter und die Meldemumus nur auf mich gelenkt, als ich Tage der Wut durchlebte und auch derbe Worte in die Welt blökte. Das war aber nur ein seltenes Phänomen gewesen, und da ich keinen Hang zum Extremismus verspüre, werde ich auch in diesem toten Winkel der politischen Wahrnehmung verbleiben können.
Das wird kaum die DSGVO-Zenseure beeindrucken noch einen Elon Musk, die weiter in ihren Ego- und Echokammern ihre großen Auftritte wahrnehmen. Mir wird wahrscheinlich so etwas nie vergönnt sein, und vielleicht ist das auch besser so. Sollen die mal mit ihren Jonglier-Nummern angeben und die Bälle effektvoll durch die Gegend pfeffern – ich werde nicht noch in die Szene laufen, um auf einem auszurutschen.
Zur Abwechslung noch ein paar Anekdötchen aus der Heimblase.
Irgendwie geraten wir gerade in unserer Gegend an die Geheimtipps der Nachhaltigkeit. Ja, ein bisschen grüner leben ist nicht nur schlecht, vor allem hatte ich in letzter Zeit die Nase voll von lapprigen Industriebackwaren aus einem der mindestens zweihunderttausend Filialen der Bäckerkette in unserer Gegend. Und zum Discounter zu gehen, über die manche meinen, die seien sogar besser als der Bäcker-Multi, stimmt sogar unter Umständen, aber im Grunde derselben Massenabfertigungsstrategie mit tiefgefrorenen, minderwertigen Zutaten unterliegt.
Mein neuer Bäcker war eine reine Zufallsentdeckung, weil die nur ein paar Hausnummern weiter von einem Corona-Testzentrum liegt. Nach dem Stäbchen hielt ich noch Ausschau nach einem Laugenstängchen, und der unscheinbare Laden war eben in der Nähe. Doch schon davor stieg mir dieser Geruch in die Nase – ein Geruch, den ich schon Jahre nicht mehr gerochen hatte. So intensiv nach sich aufheizendem Teig riechend, Steinofenodeur, so richtig urig, natürlich. Seitdem bin ich Stammkunde und könnte mich in deren Schrippen, Baguettes und Brote hineinlegen.
Ein weiterer Laden befindet sich tief im Rhein-Ried. Ein Hof, wo man ordentlich essen gehen kann, auch einen Obst- und Gemüseladen hat und Kuchen als Sahnehäubchen anbietet. An einem sonnigen Ostermontag wollten wir die mal antesten, mit Kaffee und Kuchen. Der Google-Sternenhimmel über ihnen. Zum Feiertag proppevolle Bude dort, Anstehen für freie Plätze war angesagt. Corona war hier nur noch Thema in den bedeckten Gesichtern einiger weniger, wie auch bei der Belegschaft – aber keine Konflikte, gegenseitiger Respekt. Statt uns jetzt auf unbestimmte Zeit die Beine in den Bauch zu stehen, holten wir uns einfach zwei Stücker zum Mitnehmen und spazierten etwas abseits ins Ried, pflanzten uns auf eine wilde Grünfläche und verspachtelten genüsslich den Kuchen vom obligatorischen Papptellerchen. War also ein Picknick wider Willen. Und wieder: keine Industrieware, selbstgemacht und eine Geschmacksexplosion aus alten Zeiten oder eben aus dem eigenen Backofen, wenn man es kann. Zeitnahe werden wir auch mal bei denen essen gehen, der exzellente Kuchen versprach jedenfalls schon viel.
Sollte diesbezüglich eine Zeit der kulinarisch hochwertigen Renaissance entstehen, bin ich voll dabei. Zwar las sich die Speisekarte des Hofes ein bisschen sehr geschwätzig, mit Image-Building und mehreren Seiten Vorgeplänkel, aber wenn statt Gelaber auch mal hinten raus etwas Anständiges kommt, dann verzeiht man auch eine langweilige, gefühlt endlose Laudatio beim Gala-Essen.
Zuguterletzt ist neben dem Sommerurlaub endlich auch noch Pfingsten verplant. Wir werden mal wieder ein paar Tage nach Holland fahren. Hotelzimmer mit Seeblick nahe Amersfoort. Darauf freue ich mich schon total. Ein bisschen See- und Freiheitsluft schnuppern, altertümliche Stadtkerne angucken und die Natur genießen. Und ein paar hoffentlich tiefenentspannte Holländer treffen.
Kommentar schreiben