Ich mag die Grünen nicht. Nicht, was Sie jetzt denken mögen... jaja, der alte weiße Mann, Ewiggestriger, sabbelsabbel… den Rest erspare ich mir jetzt. Wir kennen die Sprüche und Labels zur Genüge. Ich habe per se nichts gegen Grüne rein persönlich, aber häufig sind es die Eindrücke und die vorgelebte oder propagierte Lebensweise, die mich mindestens stutzen lassen. Mittlerweile aber auch erschrecken und erzürnen. Das Problem ist nicht mal die Moral, die ihnen, den Linken und Liberalen und vor allem den Grünen, anheim ist, sondern die Art und Weise, wie sie sie errreichen wollen.
Meine Nachbarn sind so welche von denen. Dass sich mittlerweile das Verhältnis schwer abgekühlt hat, soll mir nur recht sein, aber dienen sie mir immer als Modell-Grüne für die Art und Weise, wie wenig progressiv und viel mehr konservativ sie eigentlich sind. Dabei rede ich nicht von ihrem Wahlprogramm; das dürfte bekannt sein. Es sind die Begegnungen, im Treppenhaus, auf dem Weg zur Haustür, und was danach hängenbleibt. Zusätzlich auch die Dinge, die passieren, wenn du am wenigsten damit rechnest. Von den alten Spießern ist das wohl bekannt und bisher offensichtlich gewesen – Smalltalk am Gartenzaun, lächeln, Interesse heucheln. Aber wehe, ein Ast wächst auf´s eigene Territorium, dann artet das schon mal in einen Krieg aus, da würde gar Putin anerkennend einen Flunsch ziehen.
Der Unterschied von den neuen zu den alten Spießern ist deren Mentalität. Sie sind nicht offen aggressiv, sondern mehrheitlich passiv. Sie säuseln dir noch den guten Nachbarn vor, selbst wenn sie dir schon das Auto schrottreif gekloppt hätten (was sie eher nicht tun). Sie sind darin perfider, und vielleicht ist das sogar noch nerviger und aggressionsfördernder als die offene Feindschaft, in der man sich noch in die Augen starrt, wenn man gerade das Allerheiligste in Anwesenheit des Widersachers auseinandernimmt.
Korrekte, moderne Menschen zertrümmern dir nicht deinen Mercedes, sie suchen nach Fehlern. Und sie finden Fehler. Garantiert. Und sei es nur "egoistisches" Handeln und Denken. Falsch oder ungünstig parken, dass man mit dem Kinderwagen etwas beschwerlich aus der Haustür kommt, zu laute Musik, die irgendwen da draußen vom Nachtschichtschlaf wecken könnte, ein Witz, der bei einigen wenigen in den falschen Hals geraten könnte, oder man ist nur einer Meinung, die sie selbst anwidert. Sie wühlen gerne in den Kleinigkeiten. Präventive Ansprachen sind ihr Steckenpferd. Sie verlagern, ganzheitlich betrachtet, das Spießertum vom Physischen ins Psychische.
Gefühle, Empfindungen, Emotionen – heute sind sie die Maßgeblichkeiten für alles Mögliche. Selbst bisher rationale Themenfelder wie „die“ Wissenschaft oder Politik sind derart von Emotionen durchströmt, dass sich Physis-Psyche-Umkehr auch auf den Diskurs niedergeschlagen hat. Und hier dominieren Grüne, Woke, Aktivisten die Geschicke. Das muss nicht verwundern, denn mit einer gutbürgerlichen Gesellschaftsschicht, die sich für die Gartenarbeit den Landschaftsbauer herbeiholt oder im digitalen Zeitalter gar keine Zeit mehr mit Shoppen verplempert und lieber die Lieferfahrer für Niedriglöhne 16 Stunden täglich ackern lässt. Ihnen fliegen die gebratenen Tauben also in den Schlund. Und ich, der sich sein Vordach auf der Terrasse selbst zusammengezimmert hat, kann das nicht nachvollziehen.
Da bleibt bei Ihnen viel Zeit für Kopfkino, Autosuggestionen, Gedanken, die sich um Metathemen drehen. Mitunter wird man dabei sehr kreativ. Oder hatten wir je eine Debatte um Geschlechterwahl, kulturelle Aneignung oder ähnlichem? Mir erscheinen solche Auswüchse nach dem Prinzip „wenn man zu viel Zeit hat – wie kann man Grundsätzliches noch weiter zerpflücken?“. Anders kann man es sich fast nicht erklären, warum Rassismus plötzlich den Kolonialismus implizieren muss oder bereits Erreichtes und lediglich Ausbaufähiges, etwa bei der Geschlechtergerechtigkeit, ins Gegenteil verkehrt und das Patriarchat zum Matriarchat gewandelt hat. Und so durchzieht die Meta-Welt nun den Kosmos des Realen. Das ist nichts anderes als Extremindividualismus, nun noch unter dem Dach kollektiver Moral vereint – und das wiederum formiert eine vermeintliche Solidargemeinschaft, die immer mehr in Schwarz/Weiß-Denken verfällt. Die Moral schubst die Kultur des Streitens an die Ränder und bläht sie auf. Und während wir eine Scheinschlacht um links und rechts führen, vergessen wir die Inhalte, die leider zu schnell in Schubladen gepackt werden. „Ordnung muss sein.“, auch das ein Déja-vu zu altherrischen Zeiten.
Und dass das Unwissen – oder auch die zeitliche Verengung der Wahrnehmung – dazu führt, dass man es mit lauter Fachidioten zu tun hat, die sich am Grundwissen vorbeigemogelt und ihre eigenen Welten zurechtgebogen haben (allerdings auch unter Anleitung irgendwelcher Profs im Hörsaal, die wissen, dass das junge Gemüse leicht zu handeln ist). Es macht keinen Spaß mehr, mit den meisten zu diskutieren. Austarieren, Experimentieren, das alles wirkt sinnlos, weil niemand mehr dafür empfänglich scheint. Unter dieser woken, grünen, scheinprogressiven Engstirnigkeit, Ernsthaftigkeit, Verbissenheit macht das keinen Spaß mehr. Und das führt in ein persönliches Dilemma, weil man mit den alten wie den neuen Spießern nicht wirklich was zu tun haben will, während die sich so fürstlich gut miteinander verstehen.
Ich war ständig darin gefangen, musste mich denen unterordnen, während man mir diese Verbissenheit versuchte einzuimpfen. Na ja, dass ich mit Zwangsimpfungen bekanntlich meine Probleme habe, wird auch das nicht an mich gehen. Ich wünschte mir nur, dass man sein Leben leben kann, aber irgendwie gibt es da draußen immer welche, die entweder offensiv oder hinterrücks ihre manischen Triebe auf andere projizieren wollen. Da einen Konsens auf gleichberechtigte Existenz zu finden, scheint ein Ding der Unmöglichkeit geworden. Und selbst wenn sie es dir in wunderschöne Worte verpacken – es ist eine ständige Übergriffigkeit, und der kann man nur noch mit rigoroser Egal-Einstellung begegnen. Man muss quasi zum Egoisten werden, um nicht durchzudrehen, und das führt wiederum zu neuen Entrüstungsstürmen.
Das rein menschlich zu betrachten, mag da helfen. Aber ist man ständig konfrontiert mit eben jener Heuchelei, dass der emotionale, individuelle Faktor oft unbemerkt dem Zweck zum Opfer fällt. Die Welt der Hintergedanken, die sich durch Banales zuerst in Stellung bringt, um auszuloten, ob man ideologisch gleich tickt. Das reicht vom Wetter gerade mal bis zum Gemeinsamen, und das ist bei den Nachbarn nicht gerade viel. Sie haben brav ihre zwei Kinder geworfen, wir nicht. Der Große von denen ist sowieso ein unfreundlicher Knochen, dürfte jetzt sechs sein, aber so weit kommt es auch nicht, mal zu fragen. Es interessiert mich auch nicht mehr. Die Kleine ist da lebhafter, zumindest mit ihren zwei, zweieinhalb. Interessierter, offener, freundlicher. Schon die Ausreißerin im Hause Spießer. Hoffentlich bleibt sie so.
Wir können das nur aus der Ferne begutachten, weil es uns im Grunde nicht kümmert. Aber ist das nur der halbe Grund, denn brauchen sie unbedingt Gleichgesinnte, um das eingehender besprechen zu dürfen. Ist es dann kulturelle Aneignung, wenn man Interesse am Leben der Kinder anderer hat? Muss man selbst „betroffen“ sein, um über Erziehungsmethoden und Lebensweg der Kids reden zu dürfen? Wer weiß, als was man uns dann wahrnehmen könnte. Vielleicht Versager. Schaffen es nicht mal, eine ordentliche Familie zu gründen. Vielleicht auch zu unkonventionell? Wirken auf sie wie die Freigeister, denen man schon grundsätzlich nicht trauen sollte? Oder – im Idealfall – denken sie dasselbe über uns wie wir über sie? Dann suchen sie sich deckungsgleiche Leute, am besten 100 % genau angepasst.
Mir ist schon bewusst, dass das kein Thema mehr für mich sein sollte. Im Grunde ist es auch so, ich grüble sicherlich nicht ständig über deren Leben und warum wir nicht im guten Kontakt zueinander stehen. Neidisch bin ich noch weniger. Im Moment huscht dieser Gedanke eben doch an mir vorbei, zugunsten dieses Textes. Ich komme letztlich zu dem beruhigenden Schluss, dass es nicht die gleiche Wellenlänge ist. Zu unterschiedliche Lebensentwürfe, die mit ihrem Modellleben, wir mit unseren Rückschlägen und dem ständigen Kampf um die eigene Ausgeglichenheit. Ohne Kinder, ohne Trauschein. Subversiv, weil wir dem Plan nicht folgen. Konnten oder wollten, tut nichts zur Sache. Das war selbst bei meinen und ihren Eltern ein harter Kampf, dies akzeptabel zu vermitteln. Auch sie hatten den Anspruch: gehe raus in die Welt, suche dir das passende Gegenstück und erfülle deine Pflicht.
Eigentlich ist es ein total grüner Lebensentwurf oder auch nur die Widerspenstigkeit junger Jahre, sich von den Konventionen zu verabschieden - 68er juchee! - und bis dahin fühlte ich mich auch nicht gerade so alt wie ich bin. Doch schmiere ich es niemandem auf´s Brot – ich selbst fühle mich damit noch am besten, wenn ich denn nicht wieder von allen Seiten mit Pflichten und Must-haves zugebombt werde, die jemand für sich entdeckt hat und die nun anderen aufdrücken wollen. Und da ist es mir wumpe, ob das der CDU-Weißmann ist oder der Grünspan, der nichts anderes im Sinn hat als einen Territorialkrieg zu führen, um letztlich als Sieger über die Nachbarschaft zu herrschen. Und das ist der eigentliche Grund, warum ich die Grünen nicht mag. Weil sie so grün wie schwarz sind. Spießer, ja fast schon schlimmer als jene von „sellemols“, wie man lapidar im Pfälzischen sagt – von anno dazumal. Die alten weißen Männer. Nur heute in bunt. Vor allem grün. Und wenn nicht knospenblattgrün, so wie ich es gerade wieder feiere, weil die Farben in die Landschaft zurückkehren, dann NATO-Olivgrün. Und das feiere ich null.
Bevor jetzt die Keulen auf mich einfliegen: Natürlich ist nicht jede(r) so. Es ist aber auch normal, dass man sich vielen Codes unterwirft – Dresscodes, Sprache, Themen, man verfällt automatisch dem Herdentrieb. Das ist menschlich, aber auch entlarvend, wenn eine Gruppe sich demselben Widerspruch hingibt. Und dann fühle ich mich eher jenen verbunden, die die Klischees innerhalb der Gruppe aufrollen. Und da ist links oder rechts oder sonstwas unwichtig.
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