Meine bessere Hälfte hatte letztens eine nette Anekdote von ihrer Psychologin mitgebracht. In solchen Sitzungen ist es grob gesagt obligatorisch, dass der Patient redet und die psychologische Fachkraft lediglich durch Nachfragen und Stichwortgabe die Psyche stärken sollte. Natürlich ging es auch regelmäßig um das C-Thema. Bisher hatte meine Freundin angenommen, dass die Psychologin deutlich pro Impfung ist, aber auch zu gewissen Reizthemen nachdenklich wirken könnte. Das ist aber eher ein kurzes Blinzeln im Dämmerschlaf, um dann doch wieder weiter zu schlummern. Doch in der letzten Sitzung war es ein wenig anders verlaufen. Da sagte die Psychologin tatsächlich, dass sie darüber nachgedacht, sich mit Ungeimpften auszutauschen versucht und festgestellt hätte, dass die Ungeimpften doch ganz gut informiert seien.
„Ui!“, dachte ich da nur. Was war denn da los?
Nun ja, so überraschend kam das mir im zweiten Gedanken doch nicht, weil wir gerade mittendrin in der Öffnungsdebatte sind und scheinbar immer mehr Menschen statt nur zu blinzeln beginnen, die schweren Augen zu öffnen und zumindest schemenhafte Umrisse erkennen. Dass die Stimmung kippt, aber immer noch viel Skepsis und Unsicherheit vorherrscht. Leider viel zu defensiv und statisch, das Ganze, ich würde mir mehr Aktivismus wünschen, dieses Ziel auch durchzusetzen, weil da immer noch ein paar Figuren an der Macht sitzen, die genau das verhindern wollen. Jedoch sickert die Erkenntnis nur sehr dickflüssig durch die Ritzen – aber immerhin.
Von diesen #wirwerdenlaut-Kultisten und verunsicherten Kinderdrangsalierern will ich dabei gar nicht erwähnen, komme aber nicht dran vorbei. Bei denen ist sowieso Hopfen und Malz verloren, die sind nicht mehr zu erreichen. Wenn eine 19-Jährige aus dieser Truppe bei Lanz sitzen darf und Sätze wie „Ich glaube an die Wissenschaft“ von sich gibt, kann man sich direkt umdrehen und wortlos verschwinden. Glauben heißt nicht wissen, heißt es landläufig. Und schon gar nicht, wenn man gerade beobachtet, wie sich die Triplegestochenen gerade selbst massiv anstecken und Nebenwirkungen auch nicht mehr wegzuschweigen sind. Die sind, trotz dieser Offensichtlichkeiten völlig verblendet und leider auch das Ergebnis einer erfolgreichen Gehirnwäsche. Bei jungem Gemüse kann ich das sogar noch nachvollziehen, aber bei Älteren? Was müssen die für ein Schattenleben geführt haben, wenn sie nicht mal den Widerspruch von bisheriger, etablierter Medizin und dem Gebaren von heute erkennen?
Dieser pathologische Irrglaube ist auch die erfolgreiche, Angst-indizierte Kampagne des Teams Vorsicht. Der ZeroCovid-Kult hält sich immer noch hartnäckig in deren Köpfen, und bei der #wirwerdenlaut-Aktion sind die Forderungen nach Kindesisolation auf weiteren Ängsten wie der vor Long Covid beruhend. Maskenpflicht ist wohl auch kein Problem für sie, und deswegen ist da ein Nebenschauplatz auch jüngst böse eskaliert. Karin Prien wurde von eben jenen angegangen, dass sie sogar ihren Twitteraccount deaktivierte. Übrigens wurde hier auch mit üblen Nazivergleichen „argumentiert“. Ich hätte mich sehr aufgeregt, wenn man das seitens der Politik auch noch hätte durchgehen lassen. Passierte aber nicht, zum Glück. Trotzdem fiel die Rüge nicht so streng aus wie bei Maßnahmendemos mit Judensternen und Sophie Scholl-Vergleichen, wird also trotz Wedelfinger mit zweierlei Maß gemessen. Die SPD lud sie sich gar zu Gesprächen. Mit Nazis spricht man dagegen nicht oder wenn, dann nur, um sie nicht hören zu wollen. Steinmeier hatte das gerade wunderbar demonstriert, wie man Gesprächsbereitschaft signalisiert und eigentlich gar keine Lust hat.
Apropos: Wir werden unseren Grüßaugust ja nun noch weitere Jahre ertragen dürfen. Dem Wahltag kam in der Sache etwas sehr Beiläufiges zu, man hätte auch den Geburtstag von Steinmeier mit dem Aufwand feiern können und sich als Bürger gefragt, was der öffentliche Trubel soll. Es war eine Showveranstaltung ohne Relevanz oder Überraschung. Es war schon vorher klar, was kommt. Interessanter hingegen der Popanz. In den sozialen Netzwerken überschlugen sich die Teilnehmer mit Selfies und Selbstinszenierungsschnappschüssen, dazwischen der Versuch, Schein zu wahren. Den Schein, sich an die AHA-Regeln zu halten, indem man Stühle einzeln auf Abstand nagelt – dagegen sprachen etliche Gruppenfotos aller Parteien, auf denen sie ohne Lappen fröhlich dasaßen. Alle geladenen Gäste generierten sich stolz als „Bewahrer und Partizipierende eines demokratischen Prozesses“, und ich dachte nur augenrollend, das hätte den Charakter einer besseren Stehparty beim deutschen Fernsehpreis, wo man nur sich selbst feiert. Bestes Arschkriecherformat für Elitengläubige. Es hätte auch eine Spirale getan, die dich in Hypnose versetzen soll, um den Wert der Veranstaltung zu beziffern.
Dabei komme ich ins Grübeln, mal wieder. Wer meine Texte schon kennt, dürfte nun wissen: jetzt wird´s hochtrabend und ausschweifend. Ich frage mich häufig: was hat dazu geführt, dass ich solch eine Aversion gegen diese staatlichen Institutionen entwickelt habe? Eines ist sicher: für mich selbst waren all diese Prozesse, Entscheidungen, Gesetze, der allgegenwärtige Lobbyismus, et cetera, et cetera nur weitere Sargnägel auf dem Pfad, den ich gerne beschritten wäre. Die den wahren und aufrechten Charakterzug der Selbstverwirklichung mit Pollern, Reißnägeln und unwegsamem Schutt verschüttet hatten, um dich auf letztlich den Pfad zu führen, den man säuberlich mit dem Besen sichtbar gekehrt und mit rotem Teppich ausgerollt hatte. Im psychologischen Maßstab ist auch die Mentalität entsprechend gesetzt worden, man nimmt es in sich auf und lässt sich darauf ein, und schließlich ist man auch aus Überzeugung zum besserwisserischen Paragraphenreiter mutiert, dessen Spezialfähigkeiten sich gerade in der Pandemie besonders gut hervortun. Übergreifend kennt man das schon vom Klischeedeutschen.
Ich will es gar nicht bestreiten, aber ich hatte mir tatsächlich von der jungen Generation viel erhofft, weil sie sich gegen das alte Patriarchat stellt und durchaus vernünftige Themen aufgreift. Doch statt etwas lockerer zu werden, was vielleicht die Prinzipien der German Angst, den Effizienzanspruch oder den grassierenden Perfektionismus einhegen würde, wirkt sie teilweise noch verbissener als die Nachkriegsopas, die im Rahmen eines sehr überholten Rollenbilds gelebt hatten. Und mein Persönlichkeitsbild scheint da nicht hineinzupassen. Weder in das eine, noch das andere. Ich bin eben ein Kind der 70er und 80er, ich habe Selbstironie und Experimentierfreude quasi in mich aufgesogen und komme nicht umher zu behaupten, dass ich den Tugenden den Deutschen mehr oder weniger pathologisch zuwider gelaufen bin. Ich kann nichts dafür, es ist eben so.
Nicht selten wird man, wenn man nicht nach deren Pfeife tanzt, mit der Psychologenkeule konfrontiert. Sie sehen in einem wie mir die Persona Non Grata, die jede Zivilisation zum Zerfall bringen könnte. Dabei machen sie sich nicht die Mühe, selbst mal aktiv zu werden und herauszufinden, ob und wie man mit mir gewinnbringend umgehen könnte. Ich deute es eher wie ein Unvermögen und Unwillen, sich „schwierigen“ Persönlichkeiten anzunehmen, und es wird immer schwerer, Menschen aus diese Bequemlichkeitsblase zu bekommen. Das wäre mein Anliegen, nicht nur mich bezüglich, sondern auch für das Staats- und Gesellschaftsgefüge. Stattdessen machen sie es wieder mal einfach und schieben dich mit dem Ratschlag weg, sich einen Psychologen zu suchen. Soll der mal machen.
In heutigen Tagen geht das noch einen Schritt weiter, da besteht nun völliges Desinteresse, solche „Abweichler“ überhaupt noch dulden zu wollen. Es ist ja nicht nur dieses Nazi-Argument, dessen echte Verfechter ideologisch völlig aus dem demokratisch erträglichen Rahmen fallen. Wir führen nicht umsonst diese Debatte um die Debattenkultur, wenn man solche wie mich, die meine Vorstellungen über Staat und Gesellschaftsgefüge mal wieder dem Zeitgeist meiner Kindheits- und Jugendzeit zuführen wollten, als überholt und ausgrenzungswürdig erachtet. Das wird kein Psychologe so mittragen wollen, weil sie keine Gleichschaltungszentralen sind, die dir das Denken im Kopf herumdrehen. Mit dieser Fehleinschätzung über den Zweck der Psychologie haben wir schon im Kern ein Problem vor Augen, gesellschaftliche Teilhabe vom individuellen Verhalten abhängig zu machen und man sich nicht mal die Mühe macht, darüber nachzudenken, ob diese „Abweichler“ doch Eigenschaften besitzen, die nützlich sein könnten.
Der Wunsch vieler, homogenen Massen nachzuhängen, empfinde ich bis zu einem gewissen Grad verständlich. Man will sich ja nicht NUR mit solchen Querulanten umgeben, die Zwecke und Absichten ständig anzweifeln und somit das Gruppengefüge zerreißen. Jede Gruppe, jede Ideologie hat mit solchen Voraussetzungen zu kämpfen, und unabhängig vom Status der Hoheit über Sinn und Weg in einer Sache ist Konsensfindung nicht nur ein Prinzip der Diplomatie zwischen Staatsmächten. Wer auch nur ein wenig darüber nachdenkt, welches Wirkprinzip des chinesischen Kommunismus oder demokratischer Stringenz einem Volk guttun könnte, findet man einerseits kaum Unterschiede und andererseits eine heuchlerische Doppelbödigkeit vor. So hatte für mich das „Event“ der Bundespräsidentenwahl denselben Stellenwert einer scheindemokratischen Wahl in China. Wäre in Berlin noch eine Militärparade abgehalten worden, hätte es wohl keinen Unterschied gemacht. Im kleinen Maßstab heißt das für mich auch, dass man Gruppendynamik ebenso einhegt. Der Querulant hat darin kein Mitspracherecht und wird vor die Wahl gestellt: Mitmachen oder gehen. Steinmeier oder nicht – und wenn nicht: Pech gehabt. Such dir andere Freunde. Such dir einen anderen Job. Wandere aus. Geh sterben. Du bist für die Gemeinschaft nicht mehr tragbar.
Steinmeier hat dann auch in seiner Rede die „für oder gegen“-Wahl über sich selbst zur demokratischen Gewissensfrage gemacht. Wenn er mir und jedem, der ähnlich denkt, derart das Messer auf die Brust setzen will, dann bin ich, sind wir wohl nun offiziell Staatsfeind. Das mit einem Psychoknacks zu erklären, greift im Fall der Messeropfer zu kurz. Wenn Ihnen eine hierarchisch höher gestellte Gruppe solch ein Ultimatum stellt, reden wir eigentlich nicht mehr in Kategorien wie der Einzeltherapie oder pathologischem Ungehorsam, sondern in solchen des demokratischen Wesens, das durch solche Prinzipien kaum noch existent ist. Das einzige Anwendungsprinzip lässt sich in der erpresserischen Methodik der psychologischen Kriegsführung (Propaganda, Gaslighting) herauslesen.
Letztlich führen wir noch einen Diskurs, der etwas grundsätzlicher geworden ist und es hätte gar nicht sein müssen. Einerseits haben wir alle Mythologien, das Team Bauchgefühl, Team Theorie oder Team Lebenserfahrung dem Team Wissenschaft und Team dominierende Politik entgegengestellt und durch eben jene kriegerische Erpressung der absolutistischen „für oder gegen“-Wahl ausgesetzt. Es müsse allerdings noch aufgeklärt werden, ob und wie das Team Wissenschaft lobbyistisch korrumpiert wäre – doch ist schon alleine diese Annahme Grund zu behaupten, man wäre einer dieser Querulanten, die die Wissenschaft leugnen oder schlechtreden wollen. Dabei wollen wir alle nur das, was ich auch für mich beanspruche – Ergebnisoffenheit, Kritik offen zuzulassen, Wissenschaft als eben jenen Diskurs begreifen, der nicht bei jeder Regung als absolute Wahrheit betoniert wird. Und so wurde mir klar, dass man zuvor die Kirche und den Gottesglauben als Flanke für den Staat zuvor effektiv bekriegt und ausgesondert und nun die Wissenschaft als neues Dogma der Politik zur Seite gestellt hat. Das wäre nicht zu beanstanden, würde man nicht über ständige Verfehlungen und Mauscheleien von Big Pharma und Co. stolpern und sie, wie bei der Kirche ständig diskutiert, mehr von der Politik trennen würde.
Ich und wir – wir sind eben keine „Anti“-Menschen, die einfach nur alles blöd finden. Unsere Skepsis rührt nicht ausschließlich von einem Kindstrauma her, das uns unweigerlich zu Staatsfeinden macht, die man wegsperren muss, weil sie die Gesellschaft scheiße finden würden. Ich und wir, wir sind einfach nur enttäuscht und wütend darüber, dass man uns nicht mehr inkludiert, weil man unsere Verbesserungsvorschläge nicht ernst nimmt. Und deswegen fragen wir uns, ob doch eher andere mal zum Psychologen sollten wie meine Freundin, die bisher immer die Einstellung vertrat, dass hier einiges schiefläuft und man durch diese beständige, überzeugte Verkünden von solchen Annahmen selbst mal die Psychologen dazu bringen kann, sich mit Menschen zu unterhalten – ob sie wirklich so wahnhaft einer Echsentheorie nachrennen oder schlicht besser informiert sind als jene, die in Talkshows ihren Glauben offen wiedergeben können und höchstens mit dogmatischen Zugehörigkeitsfloskeln untermauern.
Der Glaube an die Wissenschaft – der ultimative Widerspruch, der – wenn derart undifferenziert verkündet – alle mit Folgen belegt, die wir noch gar nicht absehen können. Und das ist ein Psychotrip, der schlimmere Auswirkungen haben könnte als meine Aversion gegen den Staat.
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